Weidenrinde – Renaissance eines pflanzlichen Schmerzmittels

Wei­de (Sali­cacea)

Die Wei­de, genau­er gesagt die Rin­de der Wei­de, ist eine seit Jahr­tau­sen­den bekann­te und geschätz­te Heil­pflan­ze. Die Anwen­dung des natür­li­chen Arz­nei­mit­tels bei mil­den und mitt­le­ren Schmer­zen sowie bei Fie­ber war bereits in der Anti­ke bekannt. Grie­chi­sche Wund­ärz­te beschrie­ben die Wirk­sam­keit von Extrak­ten aus Wei­den­rin­de bei rheu­ma­ti­schen Beschwer­den, Hip­po­kra­tes setz­te die Heil­pflan­ze bei Schmer­zen und Fie­ber ein. Auch Dio­s­ku­r­i­des, Pli­ni­us und Cel­si­us wer­den als Anwen­der zitiert. Bei den Urvöl­kern Nord­ame­ri­kas und Süd­afri­kas sowie in Asi­en war die Wei­de als Heil­pflan­ze eben­falls bekannt und beliebt.

In der Medi­zin des Mit­tel­al­ters war die Wei­de nicht son­der­lich ver­brei­tet, geriet aber nie ganz in Ver­ges­sen­heit. So emp­fahl etwa die Äbtis­sin Hil­de­gard von Bin­gen (1098 bis 1179) Extrak­te von Wei­de und Pap­pel bei Rheuma-Schmerzen.

Zu Beginn des 19. Jahr­hun­derts (1831) iso­lier­te der Mün­che­ner Phar­ma­zie­pro­fes­sor Johann Andre­as Buch­ner eine gelb­li­che Mas­se, die er Sali­cin nann­te. Die­ses Sali­cin wur­de in den fol­gen­den Jah­ren immer häu­fi­ger als Arz­nei­mit­tel ein­ge­setzt und ersetz­te dabei mehr und mehr das zu jener Zeit häu­fig ver­wen­de­te Chi­nin. All­ge­mein wur­de Sali­cin zu die­ser Zeit als Fie­ber­mit­tel bei Erkäl­tun­gen, Sinu­s­i­tis, Mala­ria und mög­li­cher­wei­se sogar bei Lun­gen­ent­zün­dung ein­ge­setzt. Spä­ter gewann die Anwen­dung bei rheu­ma­ti­schem Fie­ber zuneh­mend an Bedeu­tung. Im letz­ten Vier­tel des 19, Jahr­hun­derts soll Sali­cin aus der Wei­de auch mit Erfolg bei aku­tem Rheu­ma, Arthri­tis, leich­ter Gicht und chro­ni­schem Gelenk­rheu­ma­tis­mus ein­ge­setzt wor­den sein.

Der Natur­stoff Sali­cin aus Wei­den­rin­de wur­de aller­dings zu Beginn die­ses Jahr­hun­derts zunächst von der Sali­cyl­säu­re, dann von der Ace­tyl­sa­li­cyl­säu­re über­rannt und geriet im Lau­fe der Jah­re weit­ge­hend in Ver­ges­sen­heit. Hin­zu kam, dass die Dro­ge lan­ge Zeit kei­ner phar­ma­zeu­ti­schen Qua­li­täts­prü­fung unter­lag, damit ver­mut­lich stark unter­schied­li­che Sali­cin­g­e­hal­te auf­wies und dem­entspre­chend nicht zuver­läs­sig wirk­te. Erst in den 60er-Jah­ren besann man sich wie­der der Heil­kräf­te der Wei­den­rin­de und mach­te sie zum Objekt inten­si­ve­rer Forschung.

Wirkung und Wandlung von Salicin im Organismus

Um die beson­de­ren Eigen­schaf­ten des Sali­cins ver­ste­hen zu kön­nen, muss man sei­nen Weg und sei­ne Umwand­lung im Orga­nis­mus verfolgen:

  • Zunächst wird das in den Orga­nis­mus auf­ge­nom­me­ne Sali­cin im Dünn­darm in Sali­gen­in umge­wan­delt – dabei spielt mit hoher Wahr­schein­lich­keit die intesti­na­len Mikro­flo­ra eine ent­schei­den­de Rolle.
  • Sodann erfolgt die Auf­nah­me aus dem Darm ins Blut.
  • Über das Blut wird Sali­gen­in im gesam­ten Orga­nis­mus ver­teilt. In den Orga­nen, ins­be­son­de­re in der Leber, wird die­ses unwirk­sa­me Mole­kül in die akti­ve Form, die Sali­cyl­säu­re, überführt.
  • Erst dort – in bzw. an den Orga­nen – ent­fal­tet die Sali­cyl­säu­re ihre schmerz­lin­dern­de (anal­ge­tisch), ent­zün­dungs­hem­men­de (anti­phlo­gis­tisch) und anti­rheu­ma­ti­sche Wirkung.

Sali­cin aus Wei­den­rin­den­ex­trakt ent­fal­tet – nach­dem es in Sali­cyl­säu­re ver­wan­delt wor­den ist – ähn­li­che Wir­kun­gen im Orga­nis­mus wie die syn­the­ti­sche Ace­tyl­sa­li­cyl­säu­re (ASS). Bei­de Sub­stan­zen ver­min­dern Schmer­zen und wir­ken entzündungshemmend.

Weidenrindenextrakt – Wirksamkeit in klinischen Studien belegt

Die­se kli­ni­schen und phar­ma­ko­lo­gi­schen Erkennt­nis­se über die Wirk­sam­keit und Ver­träg­lich­keit von Wei­den­rin­den­ex­trakt konn­ten jetzt in meh­re­ren kli­ni­schen Stu­di­en bestä­tigt werden:

In einer Unter­su­chung wur­den 78 Pati­en­ten mit Gelenk­ent­zün­dun­gen am Knie oder der Hüf­te über einen Zeit­raum von 14 Tagen ent­we­der mit 1340 mg stan­dar­di­sier­tem Wei­den­rin­den­ex­trakt, ent­spre­chend 240 mg Sali­cin, pro Tag oder mit Pla­ce­bo behan­delt. Am Ende der The­ra­pie war die Schmerz­emp­fin­dung bei den Pati­en­ten, die Wei­den­rin­den­ex­trakt erhal­ten hat­ten, deut­lich nied­ri­ger als in der Kontrollgruppe.

In einer wei­te­ren Unter­su­chung an der Uni­ver­si­täts­kli­nik Hai­fa (in der Arbeits­grup­pe von Prof. Eisen­berg) wur­de im Jahr 2000 eine drei­ar­mi­ge Dop­pel­blind­stu­die an über 200 Schmerz­pa­ti­en­ten abge­schlos­sen. Nach Mit­tei­lung der Wis­sen­schaft­ler war die Ver­min­de­rung der Schmer­zen in der Grup­pe, die mit Wei­den­rin­de behan­delt wor­den war, deut­lich bes­ser als in der Kon­troll­grup­pe. In der Grup­pe, die 4 Tablet­ten (entspr. 240 mg Sali­cin pro Tag) pro Tag ein­ge­nom­men hat­ten, war jeder drit­te Pati­ent am Ende der Behand­lung schmerz­frei, in der Grup­pe mit 2 Tablet­ten (entspr. 120 mg Sali­cin) jeder Fünfte.

Quel­le
• Chru­bas­ik S., Eisen­berg E., Balan E., Wein­ber­ger T., Luz­za­ti R., Con­radt C.: Tre­at­ment of low back pain exa­cer­ba­ti­ons with wil­low bark extra­ct: a ran­do­mi­zed dou­­b­le-blind stu­dy. Am J Med. 2000, 109(1):9–14. (Med­li­ne).

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