Dill, Petersilie, Thmian
Gewürz-Küchenpflanzen in Töpfen gezogen, sind auf Wochen- oder Supermärkten ein Verkaufsschlager. Die Pflanzen vermitteln Frische und Gesundheit. Nur wie gesund und wirkstoffhaltig sind sie wirklich? Wissenswertes und Tipps erfahren Sie von Stefan Rust, Gartenkustos (Berufsbezeichnung eines Wissenschaftlers, der wissenschaftliche Sammlungen betreut) des Botanischen Gartens in Hamburg:
Sind die Küchengewürze, die bei uns in Töpfen gezogen werden, wirklich gesund?
Ja, diese Küchenkräuter sind gesund. Sie bieten eine gute Möglichkeit, Gerichte schmackhaft zu machen.
Haben Küchengewürz-Topfpflanzen aus Holland die gleichen Wirkstoffe wie gezogene Pflanzen aus dem Garten?
Grundsätzlich ja. Diese Kräuter enthalten die gleichen Wirkstoffe, nur die Konzentration ist nicht dieselbe. Der Wassergehalt der Gewächshaus-Kräuter ist höher, weil die Pflanzen schnell – mit Hilfe von viel Wasser und künstlichem Licht – großgezogen wurden.
Warum enthalten Küchenkräuter überhaupt wertvolle Wirkstoffe?
Pflanzen haben einen biologischen Grund ätherische Wirkstoffe zu entwickeln. Sie benutzen Wirkstoffe quasi als chemische Waffen gegen ihre natürlichen Feinde. Unsere geschätzten Küchenkräuter wie Salbei, Thymian, Rosmarin kommen ursprünglich aus dem Mittelmeerraum und können gefressen werden. Tiere sind in den heißen Sommern gezwungen, ihren Wasserbedarf über frische Pflanzen abzudecken. Als Überlebensstrategie entwickelten viele Heilkräuter starke, ätherische Öle. Dadurch sind sie bitter und deshalb ungenießbar für die meisten Tiere.
Enthalten Kräuter immer die gleiche Wirkstoff-Konzentration?
Nein, denn diese hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab: Wärme, Nässe, Kälte. Viele Küchenkräuter entwickeln erst bei kräftiger Sonneneinstrahlung Wirkstoffe.
Gibt es Möglichkeiten der Wirkstoff-Erhöhung für unsere kühleren Breitengrade?
Ja. Küchenkräuter empfinden auch klimatische Veränderung oder Lichtumstellung als “Angriff”. Sie können Küchenkräuter ganz einfach zu vermehrter Wirkstoff-Produktion anregen, indem Sie die gekauften Küchenkräuter aus dem Topf in den Garten verpflanzen. Das ist ab April oder besser Mai möglich. Enttäuschungen müssen allerdings hingenommen werden, denn oft sind Gewächshauspflanzen verwöhnt und überstehen diesen “Umzug” nicht.
Ist es nicht besser gleich Setzlinge aus der Gärtnerei zu kaufen?
Der Kauf von Setzlingen gewährleistet abgehärtete Pflanzen, die sich sogar für Überwinterung eignen. Zu beachten ist, dass viele Küchenkräuter aus dem Mittelmeerraum kommen und keinen Frost vertragen. Im Winter brauchen sie Mindest-Temperaturen von 8–9° Celsius und ausreichend Helligkeit. Dies ist in Wintergärten gegeben. Manchmal klappt die Überwinterung sogar in windgeschützten, frostfreien Ecken in der Nähe des Hauses.
Gelten die Wirkstoffunterschiede auch für selbstgezogene Heilpflanzen?
Natürlich. Freigezogene Heilpflanzen haben ebenfalls je nach Witterung, Sonneneinwirkung oder Bodenzusammensetzung zum Teil sehr unterschiedliche Wirkstoff-Konzentrationen. Wenn also jemand durchgehend gleichbleibende Heilwirkungen benötigt, um besser zu schlafen (Schlaf-Beruhigungstees) oder um die Verdauung anzuregen, dann empfehle ich Heilpflanzen von kommerziellen Kräuterhändlern oder aus Apotheken zu kaufen. Nur dann kann die medizinische Wirkung gewährleistet werden. Kommerzielle Anbieter dürfen nur Ware verkaufen, die strengen Richtlinien – gleichbleibender Wirkstoff-Gehalt und Qualität – unterliegt.
Gibt es noch Tipps für Menschen, die eigene Heilpflanzen züchten?
Grundsätzlich gilt: Heilpflanzen sind wirksame Heilmittel. Ihre Wirkung sollte auf keinen Fall unterschätzt werden! Zu warnen ist also vor dem gutgemeinten Motto “Viel hilft viel”, daraus kann ein “Zuviel” werden, dass gegenteilige Wirkungen bewirkt!
Vielen Dank für das Gespräch.
Autorin
• Das Interview führte Marion Kaden, Berliner Medizinredaktion – Medizin und Medien, Juli 2002.
Quellen
Interview mit: Stefan Rust, Gartenkustos, Botanischer Garten Hamburg.
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