Entspannungstherapie (Teil 1)

Schon wie­der zu spät! Und schon wie­der Stau! Kei­ne Zeit zum Früh­stü­cken! Kei­ne Zeit für einen klei­nen Plausch über den Gar­ten­zaun …! Dau­er­stress und eine zer­mür­ben­de Unru­he bestim­men den All­tag vie­ler West­eu­ro­pä­er. Und selbst die “frei­en Zei­ten” – Wochen­en­den, Urlaub etc. – wer­den von den rast­lo­sen Men­schen für Akti­vi­tä­ten aller Art genutzt. Auch hier von Erho­lung kaum eine Spur. Wen wun­der­te es da noch, dass sich immer mehr Men­schen an The­ra­peu­ten und Ärz­te wen­den, weil sie den All­tags­stress nicht län­ger aus­hal­ten kön­nen und – als Fol­ge der Belas­tung – unter funk­tio­nel­len Stö­run­gen aller Art lei­den. “Hei­lung durch Ent­span­nung!” so heißt das Zau­ber­wort, und so kann heu­te – ganz ohne Medi­ka­men­te, aber unter fach­män­ni­scher Betreu­ung – vie­len gestress­ten Bun­des­bür­gern gehol­fen werden.

End­lich mal wie­der rich­tig aus­span­nen, an nichts den­ken (müs­sen), kei­nen Zeit­druck emp­fin­den, sich kei­ne Sor­gen machen. Vie­le Bun­des­bür­ger lei­den nicht nur unter dem Stress, der in aller Regel mit den jew. Existenz‑, Mobi­li­täts- und Infor­ma­ti­ons­be­dürf­nis­sen ver­bun­den ist, sie haben bereits ver­lernt, der Anspan­nungs- eine Ent­span­nungs­pha­se fol­gen zu las­sen. Selbst mode­ra­te Belas­tun­gen wer­den auf die­se Wei­se – durch die Dau­er­ein­wir­kung bzw. den Man­gel an Ent­span­nung – zu Über­for­de­run­gen. Psy­chi­sche, funk­tio­nel­le und orga­ni­sche Erkran­kun­gen sind die Fol­ge. Genau zu die­sem Zweck wur­den eine gan­ze Rei­he von Ver­fah­ren ent­wi­ckelt, die unter Anlei­tung gelernt und im All­tag umge­setzt wer­den können:

  1. Pro­gres­si­ve Mus­kel­ent­span­nung nach E. Jacobson
  2. Auto­ge­nes Training
  3. Musik­the­ra­pie
  4. Hyp­no­se und Hypnotherapie

Das sind eini­ge der Ver­fah­ren, mit denen wir uns in der fol­gen­den Serie befas­sen wollen.

Allgemeine Grundlagen der Entspannungsverfahren

Bevor wir auf die ein­zel­nen Ent­span­nungs­me­tho­den im Detail ein­ge­hen hier noch eini­ge all­ge­mei­ne Bemer­kun­gen über die psycho-phy­sio­lo­gi­schen Basis­me­cha­nis­men der Entspannung.

Der gesun­de mensch­li­che Orga­nis­mus befin­det sich – phy­sio­lo­gisch betrach­tet – in einem Fließ­gleich­ge­wicht, von Wis­sen­schaft­lern auch Homöo­sta­se genannt. Die­ser Begriff soll deut­lich machen, dass die zahl­lo­sen Vor­gän­ge, die zur Auf­recht­erhal­tung des Lebens erfor­der­lich sind, nie sta­tisch son­dern immer dyna­misch zu ver­ste­hen sind. Der Mensch nimmt Din­ge – Mole­kü­le, Infor­ma­tio­nen, Rei­ze – aus der Umwelt auf und gibt eben sol­che wie­der an sei­ne Umge­bung ab.

Durch bestimm­te Ein­wir­kun­gen (von Außen) kann die­ses Gleich­ge­wicht gestört wer­den – und es wird immer wie­der gestört, ob wir wol­len oder nicht. Sei­en es Krank­heits­er­re­ger aller Art, die an jeder Ecke, unter jedem Stein lau­ern, oder sei es der Nach­bar, der unrecht­mä­ßig einen Busch im Gar­ten beschnei­det. Die unmit­tel­ba­ren Reak­tio­nen – als Ant­wort auf die­se Ein­wir­kung – lau­fen immer wie­der nach einem sehr ähn­li­chen Sche­ma ab: Aus­schüt­tung von Stress­hor­mo­nen (z.B. Adre­na­lin) und Immun­bo­ten­stof­fen ver­bun­den mit einer Kon­trak­ti­on der Gefä­ße und der Mus­keln (Anspan­nung), Abwehr des Ein­dring­lings oder Flucht.

Auf eine sol­che Reak­ti­on folgt dann unwei­ger­lich – fast wie bei einem schwin­gen­den Pen­del – die Gegen­re­ak­ti­on, die Ent­span­nung. Das Aus­maß der Stress­re­ak­ti­on ist dabei eben­so wie die Gegen­be­we­gung (Ent­span­nung) abhän­gig von der indi­vi­du­el­len Ver­fas­sung (Kon­sti­tu­ti­on) des ein­zel­nen Men­schen. Mit ande­ren Wor­ten, Anspan­nung und Ent­span­nung sind die zwei ent­ge­gen­ge­setz­ten (aber zusam­men­ge­hö­ri­gen) Pole einer Grundkonstitution.

Wird der Orga­nis­mus, noch bevor er Zeit hat­te sich zu ent­span­nen, wie­der einen Reiz aus­ge­setzt, bzw. steht er unter Dau­er­stress, kann der phy­sio­lo­gisch und psy­cho­lo­gisch not­wen­di­ge Aus­gleich nicht statt­fin­den – es kommt zu einer lang­sa­men, anfangs fast unmerk­li­chen “Ver­schie­bung” der Homöo­sta­se, und schließ­lich – je nach Kon­sti­tu­ti­on bei dem einen frü­her, bei dem ande­ren spä­ter – zu einem völ­li­gen Zusam­men­bruch der Homöo­sta­se, d.h. zur Erkrankung.

Fazit

  1. Ent­span­nung ist mess­bar. Eben­so wie die Anspan­nung mit einer Rei­he von phy­sio­lo­gisch mess­ba­ren Ver­än­de­run­gen von Hor­mo­nen und ande­ren Fak­to­ren ver­bun­den ist, kann auch die Ent­span­nung quan­ti­fi­ziert und doku­men­tiert wer­den. Bei­de Vor­gän­ge sind für das Über­le­ben des Men­schen wich­tig und bedin­gen sich gegen­sei­tig. Anspan­nung ohne Ent­span­nung führt auf Dau­er zu Stö­run­gen im Gleich­ge­wicht des Menschen.
  2. Ent­span­nung lässt sich nicht erzwin­gen. Die­se etwas banal klin­gen­de Fest­stel­lung, ist doch nicht so selbst­ver­ständ­lich, wie es auf den ers­ten Blick erschei­nen mag. Das bedeu­tet näm­lich kon­kret, dass sich ein Mensch nur dann durch Ent­span­nungs­ver­fah­ren auch wirk­lich ent­span­nen kann, wenn er/​sie dafür auf­ge­schlos­sen, dazu bereit ist und noch über aus­rei­chen­de “Reser­ven” verfügt.

Autor
• Rai­ner H. Buben­zer, Heil­pflan­­zen-Welt (2002).
wei­te­re Infos
Ent­span­nungs­the­ra­pie (Teil 2): Pro­gres­si­ve Muskelentspannung
Ent­span­nungs­the­ra­pie (Teil 3): Auto­ge­nes Training

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