Tinkturen oder Extrakt
Die inneren Kräfte, die Heilsäfte können aus einer Pflanze in verschiedener Weise ausgezogen werden. Den besten, stärksten Auszug erhalten wir im eigentlichen, sogenannten Extrakt:
Der Extrakt wird folgendermaßen bereitet:
Man sucht unter den Kräutern, Beeren u.s.w., aus denen man den Extrakt gewinnen will, die besten aus: die reifsten, die untadelhaften; diese trocknet man auf einem Brett an der frischen Luft, stets (das merke man sich gut) jedoch im Schatten, niemals in der Sonne. Beim Trocknen wird sich noch Manches zeigen, was als untauglich verworfen werden muß.
Nachdem die Kräuter, Beeren u.s.w. gut getrocknet sind, verkleinere, zerschneide man sie, wenn nothwendig, und bringe sie in eine verschließbare Flasche (Weinflasche). Diese nun wird mit echtem Kornbranntwein – den ich allem Andern vorziehe – oder in dessen Ermangelung mit reinem Spiritus oder Fruchtbranntwein aufgefüllt und luftdicht verschlossen für einige Zeit an einen mäßig warmen Ort gestellt.
*) Ich habe derart gefüllte Flaschen schon 1 Jahr lang und noch länger ruhig stehen lassen und dann erst den mit dem ausgezogenen Saft des betreffenden Heilmittels durchtränkten Spiritus als Extrakt abgegegossen. Im Noth- und Bedarfsfalle kann man denselben schon nach wenigen Tagen des Ansatzes in Gebrauch nehmen.
Die Tinkturen nimmt man tropfenweise; in gewissen Fällen (es ist dieses jedes Mal ausdrücklich angegeben) wird auf den Kaffeelöffel (kleines Maß) und auf den Eßlöffel (größeres Maß) hingewiesen.
Thee
Bei trockener Witterung, vielleicht wenn Du vom Felde heimkehrst, oder wenn Du hinausgehst, den Stand der Saaten zu betrachten, mache einen Abstecher und sammle da diese, dort jene Heilkräuter. Was auf dem trockenen Grunde wächst, gar an sonnigen Berghalden, verdient den Vorzug, und welche Pflanzen Du in der schönsten Blüthezeit sammelst, diese werden Dir die herrlichste und in Leiden die gesegnetste Frucht bringen. Manches der Kräutchen und Kräuter wächst in Deinem Gras- oder Gemüsegarten, an Haus oder Scheune. Du brauchst nur dem zehnjährigen Knaben oder Deinem kleinen Mädchen es vorzumachen, wie sie es anstellen sollen, und Du verlierst beim Sammeln der Kräuter keinen Augenblick und bereitetst Deinen Kindern eine Freude. Die Garten- und Feldkräuter sollen jedes Jahr erneuert d.h. neugesammelt, die alten weggegeben werden.
Jede Hausmutter versteht es, jedweden Thee zu bereiten. Von den getrockneten Kräutern (über das Trocknen lies das auf der vorhergehenden Seite Gesagte) nimmt sie zu einer Tasse, soviel sie mit 3 Fingern fassen kann, gießt in das Pfännchen über die Theeblätter oder Blüthen sprundelndes Wasser und läßt es einige Minuten aufkochen. Dann schüttet sie den fertigen Thee ab.
In dieser Weise bereiteter Thee hat den feinsten Geschmack mit dem besten, jeder Pflanze eigenthümlichen Aroma; aber es ist nicht der kräftigste Thee.
Bei mir werden die Kräuter durch längere Zeit förmlich abgekocht, gründlich ausgesotten, daß auch nicht ein Theilchen der Heilkraft verloren geht, vielmehr alle im Wasser gefangen wird.
Die Art des Einnehmens, aller tassen‑, ob löffelweise, ist bei jeder einzelnen Krankheit genau angegeben.
Pulver
Das Pulver wird gewonnen, indem die trockenen Wurzeln, Blätter, Körner oder Beeren der Heilpflanzen zerreiben oder im Mörser zerstoßen werden.
Manchen Kranken ist damit leeichter beizukommen als mit Thee. Man streut ihnen das vorgeschriebene Pulver wie Gewürz (Pfeffer, Zimmt u.s.w.) an eine Speise oder mischt es an einen Trank, daß sie desselben gar nicht gewahr werden. Die Gefäße, welche zur Aufbewahrung der verschiedensten Pulver dienen, seien des Staubes wegen recht sorgfältig verschlossen.
Oele
Die Bereitung der Oele, soweit dieselben nicht in der Apotheke gekauft werden, ist bei jeder Krankheit, in der ein solches zur Verwendung kommt, jedes Mal besonders angegeben.
An der Reinhaltung der Oelfläschchen insbesondere wird man den Sinn für Ordnungsliebe, Reinlichkeit u.s.w. erkennen.
*) Sämmtliche Kräuter, Beeren u.s.w., die zu Extrakten dienen können auch in Wein angesetzt werden, wie dieses an Ort und Stelle stets bemerkt ist. Dieser Wein dient indessen nur zum sofortigen, wenigstens schnelleren Gebrauche, nicht zum Aufbewahren.
Quelle
• Auszug aus: Kneipp, Sebastian, Meine Wasserkur, 5. Auflage, Verlag der Jos. Kösel’schen Buchhandlung, 1888, Faksimilierte Ausgabe, Englisch Verlag, 1987. S. 115 und 116.