Wirksamkeitnachweise in der Psychiatrie gibt es nur in der sog. “biologischen” Psychiatrie. Also jener “Therapie”-Richtung, die versucht, mit chemischen Mitteln Beschwerden von Psychosen, Nervenkrankheiten oder Neurosen zum Schweigen zu bringen (z.B. bekommen mehr als 10 Mio. Kinder weltweit täglich das Psychopharmakon Ritalin verordnet [Quelle: arznei-telegramm 2002; Jg. 33, Nr. 1]). Zu den verschiedensten Psychotherapien, die Psychiater anwenden, liegen hingegen bis heute keine wesentlichen klinischen Studien vor, die die (Langzeit-)Wirksamkeit solcher Behandlungen belegen würden [Quelle: z. B. Dineen, T.: Manufacturing victims. Constable Press, London 1999]. Um so pikanter erscheint es deshalb, wenn ein Psychiater sich zur Phytotherapie, Homöopathie und anderen alternativen Verfahren in der Zwangszeitschrift der deutschen Ärzteschaft (“Deutsches Ärzteblatt”) leserbrieflich äußert (äußern muss?).
Da dieser tragische Beitrag zur aktuellen Diskussion um die Positivliste und Komplementärmedizin textlich nicht zu toppen ist, folgt hier das unveränderte Original (Titel: “Positivliste – Welche Ethikkommission hat zugestimmt?”):
“In der Positivliste des Bundesgesundheitsministeriums, die zur Kostenersparnis im Gesundheitswesen beitragen soll, sind unter ‘Phytotherapie’, ‘Homöopathie’ und ‘Anthroposophie’ über 4.000 Präparationen aufgeführt. Die etwa 8.000 notwendigen Doppelblindstudien, die doch sicherlich zum Nachweis der Wirkung und Verträglichkeit dieser Stoffe von anerkannten Wissenschaftlern durchgeführt worden sind, waren leider mit der Liste nicht mitgeliefert worden. Daher würde mich brennend interessieren, welche Ethikkommissionen den Studien zur Behandlung mit Arsen, Salmonella enteritidis, Knollenblätterpilz, Benzin und dem Hodenkrebsauslöser Benzpyren zugestimmt haben. Auch Aflatoxin wird als verordnungsfähig aufgeführt, das selbst in stärksten Verdünnungen gefährlich ist, da es bekanntermaßen das stärkste krebserzeugende Gift der Welt ist – und das, obwohl es laut Aflatoxin-Verordnung des gleichen Bundesministeriums verboten ist, Arzneimittel in den Handel zu bringen, die auch nur eine Konzentration von 10–8 Aflatoxin enthalten. Oder ist das Gehirn der für diese Liste Verantwortlichen durch Anwendung von zu viel Cerebellum bovis (Rinderkleinhirn) schwammig und löchrig geworden?”
Als Verfasser wird Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Borwin Bandelow, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universität Göttingen, Von-Siebold-Straße 5, 37075 Göttingen, genannt. Ohne dass jedoch dessen wirtschaftliche, respektive mögliche politische Interessenkonflikte dargestellt werden (wie dies in renommierten Fachzeitschriften zunehmend der Fall ist). Für die o.g. Aussagen hat sich der Professor bislang nicht besonders qualifiziert – eine Recherche-Abfrage bei MedLine ergibt keinen einzigen Hinweis auf entsprechende Publikationen.
Autor
• Rainer H. Bubenzer, Heilpflanzen-Welt (2003).
Quellen
Positivliste – Welche Ethikkommission hat zugestimmt?. Deutsches Ärzteblatt 100, Ausgabe 12 vom 21.03.2003, Seite A‑766 / B‑651 / C‑611 BRIEFE.
Entwurf eines Gesetzes über die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Positivlisten-Gesetz – AMPoLG).