Löwenzahnblüte (Taraxacum)
Was Gärtnern und Bauern als Unkraut erscheint, ist für Arzt und Apotheker seit Jahrhunderten eine der wertvollsten Heilpflanzen für Blutreinigung und Anregung der Leberaktivität: Löwenzahn, botanisch auch Taraxacum officinale genannt. Wenige Pflanzen sind so reich an volkstümlichen Bezeichnungen wie diese gelbe Wiesenblume. Man nennt sie auch Pusteblume, Milchstöck, Lichterblume oder Milchbusch, letztes in Anspielung auf den in der Pflanze enthaltenen Milchsaft. Die Pflanze wird je nach Bodenbeschaffenheit und Lage zwischen 5 und 50 cm groß.
Sie hat einen oft mehrköpfigen Wurzelstock und ist über ganz Europa und Nordamerika verbreitet. Der Name Löwenzahn leitet sich von der zahnartigen Gezacktheit ihrer Blätter ab, die tatsächlich an echte Löwenzähne erinnern. Die schmal-lanzettlichen Blätter sind meist tief eingeschnitten, wobei kaum ein Löwenzahnblatt dem anderen gleicht. Je nach Bodenbeschaffenheit, Standort, Klima, Licht und Schatten sind Blattgröße und Tiefe der Zahnung völlig unterschiedlich. An feuchten, schattigen Standorten haben die Blätter lediglich einige zarte Spitzen, während sie bei Pflanzen, die hoch im Gebirge auf steinigen Böden wachsen, so scharf eingeschnitten sind, dass sie dem Namen Löwenzahn alle Ehre machen.
In der Antike war Löwenzahn als Heilpflanze noch nicht bekannt. Zum ersten Mal erwähnt wird er von den arabischen Ärzten des frühen Mittelalters, besonders von Avicenna im 11. Jahrhundert. Auch die europäischen Kräuterbücher des 13. – 16. Jahrhunderts erwähnen ihn. Der Leibarzt Friedrichs des Großen behandelte mit Löwenzahnzubereitungen die Neigung des Preußenkönigs zu Wasseransammlungen im Gewebe.
Löwenzahn: Blutreinigung durch Anregung von Leber und Galle
Löwenzahn ist eine enorm wirkstoffreiche Pflanze. Im Vordergrund stehen Bitterstoffe, Cholin, Inulin, ferner Calcium, Natrium, Kalium, Kieselsäure und Schwefel. Da Bitterstoffe die Tätigkeit der Verdauungsdrüsen anregen, werden sie bevorzugt zur Förderung von Appetit und Verdauung eingesetzt. Die sekretionssteigernde Wirkung wird über eine Erregung der Bitterrezeptoren in den Geschmacksknospen des Zungengrundes hervorgerufen, wenn eine bestimmte Mindestkonzentration an Bitterstoffen erreicht ist. Die von ihnen hervorgerufene Zunahme an Verdauungssekreten ist erheblich. Sie beträgt zwischen 20% und 80%.
Die Bitterstoffe in den verschiedenen Pflanzen wirken je nach Begleitstoffen ziemlich unterschiedlich. Daher ist es wichtig, die Pflanze als Ganze zu sich zunehmen, damit der komplette Wirkstoffring auf den Organismus einwirken kann. Der Wirkstoffkomplex des Löwenzahns regt die Lebertätigkeit an, was zu einer verstärkten Entgiftungsleistung des Organs führt. Die Bildung der Gallenflüssigkeit in der Leber wird gesteigert und gleichzeitig der Gallenfluss verbessert. Die Steigerung des Gallenflusses durch Löwenzahnzubereitungen beträgt etwa 40 %, ist also alles andere als unerheblich. Da Gallenflüssigkeit eine notwendige Voraussetzung dafür ist, dass die mit der Nahrung aufgenommenen Fette im Darm emulgiert und dadurch resorbierbar gemacht werden, verbessert Löwenzahn unter anderem auch die Fettverdauung. Das in der Pflanze enthaltene Cholin regt nicht nur die Gallenblasentätigkeit an, sondern auch die Dickdarmschleimhaut. Das ist der Grund, warum Löwenzahn auch leicht abführend wirken kann.
Löwenzahn ist für Leber- und Gallenstörungen die Heilpflanze schlechthin. Es gibt nur wenige Kontraindikationen, bei denen man auf den Genuss dieser Pflanze verzichten sollte. Dazu zählen Verschluss der Gallenwege, Darmverschluss und Eiteransammlung in der Gallenblase.
Löwenzahn bei Nierenträgheit und Hautunreinheiten
Der reichhaltige Wirkstoffkomplex macht Löwenzahn zu einem wertvollen Heilkraut bei zwei weiteren Krankheitsbildern: Mangelnde Entgiftungsleistung der Niere und Hautunreinheiten.
Volkstümliche Bezeichnungen der Pflanze wie Bettpisser, Pißblom oder Bettebrunzekraut weisen auf die harntreibende Wirkung der Pflanze, die vermutlich auf den hohen Kaliumgehalt zurückzuführen ist. Über eine Anregung von Niere und Blase wirkt Löwenzahn ausschwemmend bei Wasseransammlungen im Gewebe und bei Blasenleiden. Der dadurch entstehende entsäuernde und stoffwechselreinigende Effekt kann für die begleitende Behandlung von Gicht und rheumatischen Erkrankungen genutzt werden.
Bewährt hat sich der Löwenzahn auch in der Behandlung von Hautunreinheiten. In der Naturheilkunde gilt die Haut als “dritte Niere”: Wenn Leber und Niere mit der Ausleitung toxischer Stoffe überfordert sind, leitet der Körper diese über die Haut nach außen. Das kann zu Ekzemerkrankungen oder Akne führen. Durch Löwenzahn werden Leber und Niere zur verstärkten Entgiftung und Ausleitung angeregt. Darüber wird die Haut entlastet. Hautunreinheiten bilden sich zurück.
Praktische Anwendungsmöglichkeiten für Löwenzahn und Löwenzahnsaft
Beim Löwenzahn ist es besonders wichtig, die frische Pflanze oder arzneiliche Zubereitungen aus der ganzen Pflanze zu verwenden, und nicht Präparate, in denen Einzelwirkstoffe isoliert enthalten sind. Denn nur der vollständige Wirkstoffring garantiert eine ganzheitliche Qualität, die synergistische Wirkungsweise der Einzelstoffe, eine gute Resorbierbarkeit durch die Darmschleimhaut sowie Nebenwirkungsfreiheit und ein hohes Maß an Verträglichkeit. Die Pflanze lässt sich im Frühjahr und Sommer frisch pflücken. Wer auch im Winter gerne frische Löwenzahnblätter genießt, sollte im Herbst die Wurzeln ausgraben, in eine Kiste mit sandiger Erde einpflanzen, mit Papier zudecken und an einem kühlen Ort treiben lassen. Einfacher ist die Verwendung eines frisch gepressten Heilpflanzensaftes, z. B. als Frischpflanzenpresssaft Löwenzahn von den Firmen Schoenenberger, Florabio oder Kneipp. Sie sind in allen Reformhäusern und Apotheken erhältlich und sind frei von Konservierungsstoffen, Alkohol oder Zucker.
Löwenzahnkur
• zur Steigerung der Entgiftungsleistung über die Leber
• zur Anregung des Gallenflusses und zur Verbesserung der Fettverdauung
• zur Anregung der Nierentätigkeit bei Wasseransammlungen im Gewebezur Behandlung von Hautunreinheiten
Rezepte mit Löwenzahn
Löwenzahnsalat
Man pflückt vor allem die zarten und jungen Blätter der Pflanze und schneidet sie in feine Streifen. Anschließend reibt man eine Glas- oder Steingutschüssel mit einer Knoblauchzehe ein, gibt die frisch geschnittenen Blätter dazu, deckt die Schüssel ab und lässt das Ganze etwa eine halbe Stunde lang ziehen. Der Salat wird mit einer klassischen Salatsauce aus Essig, Öl, Senf, saurer Sahne und Kräutern der Provence gewürzt. Man kann ihn anreichern, indem man Rauchfleisch, geräucherte Lachsscheiben oder jungen Gouda in kleine Streifen schneidet und den Löwenzahnblättern hinzufügt.
Löwenzahnknospen
Eine besondere Delikatesse sind die kleinen, festen Blütenknospen des Löwenzahns im Frühjahr. Sie werden in kochendem Wasser kurz weich gekocht und nach dem Abtropfen in Butter gedünstet und mit Salz, Pfeffer, Petersilie und etwas Zitronensaft abgeschmeckt.
Löwenzahnwurzelgemüse
Löwenzahnwurzeln werden ausgegraben, kräftig gewaschen und in kleine Stückchen geschnitten. Anschließend röstet man sie mit Butter an und dünstet sie in wenig Gemüsebrühe, Sojasauce und zerdrücktem Knoblauch. Mit saurer Sahne gebunden passen die so zubereiteten Löwenzahnwurzeln gut zu Fleisch oder als Beilage zu Getreidegerichten.
Autorin
• Margret Rupprecht, München, Heilpflanzen-Welt (April 2005).
Quellen
• Max Wichtl: Teedrogen und Phytopharmaka. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, 2002.
• R. F. Weiß, V. Fintelmann: Lehrbuch der Phytotherapie. Hippokrates Verlag, Stuttgart 2002.
• Hildebert Wagner, Markus Wiesenauer: Phytotherapie. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2003.Hunnius. Pharmazeutisches Wörterbuch. Walter de Gruyter, Berlin 1998.
• Gerhard Madaus: Lehrbuch der biologischen Heilmittel. Band 11. Mediamed Verlag, Ravensburg 1990.
• Susanne Fischer-Rizzi: Medizin der Erde. Hugendubel, München 2000.
weitere Infos
• Monographie
• Teerezept