Wickel gehören zur uralten Heil-Behandlung mit Wasser (“Hydrotherapie”), genau wie Heilbäder, Saunabäder oder Güsse. Moderne Ärzte unterschätzen oft die Wirkung von Wickeln, oder kennen sie überhaupt nicht. Doch die Kombination von Durchblutungs-Anregung (“Hyperämisierung”), Erwärmung (“Hyperthermie”), Muskelentspannung, reflektorischer Reiz-Behandlung und Arznei-Anwendung durch Wickel-Therapie sucht ihresgleichen, ist besonders auch bei Kindern und Jugendlichen einfach und rasch wirksam.
Wie Wickel wirken
Wer begreift, warum Wickel vor allem bei Organ-Entzündungen und Fieber so gut wirken, wird sie als wertvolle Behandlungs-Ergänzung – besonders in Familien mit Kindern – gerne und frühzeitig einsetzen.
Örtliche Wirkung Wickel werden meist kalt oder kühl angewandt, was anfangs unangenehm sein kann. Die örtliche Abkühlung ruft sofort eine Gegenregelung des Körper hervor: Erweiterung der Blutgefäße und Steigerung der Durchblutung zur Normalisierung der abgesenkten Gewebetemperatur. Wenn dann mehr Blut z. B. im entzündeten Halsbereich fließt, gelangen auch viel mehr “kleine Helfer” (Abwehrzellen, Immunstoffe) als sonst dorthin. Doch der Körper tut oft noch mehr: Er stellt für etliche Stunden die örtliche Temperatur höher als zuvor ein, steigert damit die Aktivität aller Zellen, fördert so Heilungsvorgänge. Dies ist besonders bei chronischen Entzündungen, z. B. der Gelenke, wichtig: Wickel geben so dem Körper die Heilungsbotschaft: “Lass’ aus der chronischen Entzündung wieder eine akute werden!”, was für chronisch kranke Organe eine neue Heilungschance sein kann.
Körper-Wirkung Doch Wickel können noch mehr. Sie reizen nämlich auch die überall auf der Körperoberfläche verteilten Reflexzonen innerer Organe (“Somatotopie”). Und können so vom naturheilkundlich qualifizierten Arzt auch zur sanften, nebenwirkungsarmen Behandlung innerer Erkrankungen, z. B. Asthma, chronische Darmerkrankung oder Unterleibsentzündung, eingesetzt werden. Wegen dieser Reflex-Wirkungen senken Wadenwickel Fieber im ganzen Körper, obwohl sie selbst nur zu einer geringen Auskühlung führen. Wickel fördern auch die Durchblutung in der Tiefe, lösen so Muskelverspannungen und ‑Verkrampfungen.
Zusätze Zur Verstärkung der heilenden Reizwirkung von Wickeln können Zusätze verwendet werden, z. B. Zwiebeln, Senfmehl, Quark, Heilerde (Lehm) oder auch Heilpflanzenextrakte. Besonders bei kleinen Patienten sind Zusätze nicht notwendig, die Heilkraft des Wassers reicht völlig aus.
Tipp für Mütter
Wickel sind die beste Möglichkeit für Mütter, ihren Kindern auf einfachste und nebenwirkungsarme Weise bei vielen kleineren und größeren fieberhaften Alltagswehwehchen, z. B. Erkältung oder Bauchweh, zu helfen. Viele kleine und große Kinder lieben diese liebevolle Zuwendung, sie hilft ihnen besonders gut. Trauen Sie sich, Ihre Familie bei Bedarf selbst zu behandeln. Die beste Voraussetzung: Probieren Sie bei nächster Gelegenheit einen Wickel bei sich selbst aus. So bekommen Sie rasch mit, was Sie benötigen, was noch fehlt und wie rasch ein Wickel wirklich helfen kann.
Anleitung
Was sie brauchen: 1 Leinentuch, 1 Baumwolltuch, 1 Wolltuch oder Schal. Je nach Wickel, brauchen Sie unterschiedliche Größen, z. B. für Halswickel: etwa 10x70 cm, für Brustwickel: etwa 40x90 cm, für Wadenwickel: etwa 30x70 cm.
Wie es geht: Wickel sollten immer in mind. 2, besser aber in 3 Lagen angelegt werden. Für die innerste Lage tauchen Sie das Leinentuch in kaltes Wasser, wringen es etwas aus, und wickeln es glatt anliegend und fest, aber nicht einschnürend um das gewählte Organ, z. B. Hals, Brust, Leib, Wade (jede einzeln). Dann den Wickel mit einem trockenen Baumwolltuch umhüllen, die feuchte innere Lage darf nicht herausschauen. Dann alles mit dem Wolltuch gut abdecken. Die Patientin dann in entspannter Lage (z. B. im Bett) in eine Decke eingehüllt ruhen lassen.
Dauer: Der Wickel sollte 45–60 Min. angelegt bleiben. Ist besonders ein schweißtreibender Effekt gewünscht, auch 1–3 Stunden. Je nach Beschwerden (z. B. akutes Halsweh mit erkältungsbedingtem Fieber) kann der Wickel tagsüber alle 1 bis 2 Stunden erneuert werden. Nach einer Wickelanwendung ca. 1/2–1 Stunde ruhen. Es ist unproblematisch, wenn ein Wickel Nachts angelegt bleibt.
Achtung:
- Keine kalten Wickel bei Patienten, die frieren oder frösteln.
- Wird ein Wickel nicht nach 5–15 Min. als warm empfunden, ist Wärmung von außen nötig. Z. B. heißen Tee trinken oder Wärmflasche mit unter die Decke legen.
- Fühlt sich die Patientin/der Patient unwohl, kann die Anwendung jederzeit abgebrochen werden (nachher trotzdem weiter warm halten).
- Warme Wickel nur bei chronischen Erkrankungen, nicht bei akuten Entzündungen. ? Wadenwickel zur Fiebersenkung 2–3x im Abstand von 5–10 Min. wechseln.
- Für Leibwickel ist ein schmales, langes Tuch für die innerste Lage hilfreich, dann 2 breite, lange Handtücher zum Abdecken. Angenehm wärmend ist eine Wärmflasche am Oberkörper, eine zum Wärmen der Füße.
- Wer im Fieberverlauf sich ordentlich gesund schwitzen will, braucht viel Flüssigkeit. Gut sind mind. 2 – 3,5 l Haustee (koffeinfrei) oder Kräutertee (z. B. Lindenblüten, Holunderblüten, Thymian, Pfefferminze).
Die wichtigsten Wickel
Halswickel bei “dickem Hals” (“Angina”) und Halsschmerzen durch Erkältung, Entzündung von Rachen oder Kehlkopf, bellender Husten.
Brustwickel (auch handwarm) erleichtert das Abhusten, bei Bronchitis mit oder ohne Husten und Auswurf, auch Asthma und andere Lungen-Erkrankung (nur nach ärztlicher Anweisung).
Kreuzwickel bei starker Schulter-Nacken-Verspannung, z. B. mit schmerzhaft verhärteten Muskelverdickungen (“Myogelosen”).
Leibwickel bei Bauchweh von Kindern (auch zur Beruhigung und Entspannung), entzündliche Erkrankungen, z. B. mit Durchfall und “Bauchkneifen”, Magengeschwür (therapiebegleitend).
Rumpfwickel bei hochfiebernden Patienten, solange bis ärztliche Hilfe eintrifft.
Lenden-/Hüftwickel (T‑Wickel) bei Unterleibsentzündung (auch der Blase), Hämorrhoiden, Enddarm-Entzündung. Ein handwarmer Wickel ist auch gut bei Menstruations-Beschwerden oder zur allgemeinen Entspannung.
Wadenwickel bei Fieber, Venen-Entzündung mit Neigung zur Gerinnselbildung (Thrombophlebitis), Krampfadern, abends zur Vorbeugung von Schlaflosigkeit.
Beinwickel bei Thrombophlebitis, Zellulitis, Entzündung der Lymphbahnen.
Gelenkwickel bei rheumatischen Gelenk-Entzündung (z. B. Knie), aktiv-entzündliche Gelenkschäden durch Überbelastung (Arthrose).
Autor
Rainer H. Bubenzer, Hamburg, 2005.
Quellen
Abbildungen: Augustin M, Schmiedel V (Hrsg.): Praxisleitfaden Naturheilkunde. Urban & Fischer Verlag, München, 1999.