Ingwer: Immer etwas Besonderes

Ing­wer­wur­zel (Rhi­zom)

Als Gewürz im Bier, scho­ko­la­den­über­zo­gen als Süßig­keit, roh als Sushi-Bei­la­ge mit Soja­sauce oder als Pul­ver im Weih­nachts­ge­bäck – Ing­wer ist viel­fäl­tig ein­setz­bar. Doch: An sei­nem beson­de­ren Geschmack schei­den sich die Geis­ter. Die einen lie­ben es, ande­re schüt­teln sich gera­de­zu. Unbe­strit­ten ist aller­dings der hohe medi­zi­na­le Wert des son­der­bar geform­ten Rhizoms.

War­um vor allem die Eng­län­der auf den Geschmack gekom­men sind, zeigt ein Blick in die Geschich­te der Insel­be­woh­ner: Sie muss­ten jahr­hun­der­te­lang viel rei­sen, waren oft mit dem Schiff unter­wegs. Denn es war wirt­schaft­lich und poli­tisch wich­tig, stän­di­gen Kon­takt zu den Kolo­nien und spä­ter zu den Com­mon­wealth-Staa­ten zu hal­ten. Neben Pira­ten und ande­ren Wid­rig­kei­ten muss­ten die Eng­län­der vor allem mit einem fer­tig wer­den: Der See­krank­heit – und die beka­men sie schnell und effek­tiv mit dem tro­pi­schen Gewürz in den Griff. Bis heu­te gilt es als eines der bedeut­sams­ten und zuver­läs­si­gen Mit­tel gegen die Bekämp­fung von Übel­keit und Erbrechen.

Aromatisch und gesund

Ing­wer (Zin­gi­ber offi­ci­na­le Roscoe) ent­hält äthe­ri­sche Öle aus Ses­qui­ter­penen (Zin­gi­beren, Zin­gi­be­rol), nicht­flüch­ti­ge (Gin­ge­ro­le) und meh­re­re harz­ar­ti­ge Scharf­stof­fe (Dia­ryl­hep­ta­noide). Obwohl die Wir­kung noch nicht ein­deu­tig erklärt wer­den konn­te, wird ver­mu­tet, dass vor allem die Gin­ge­ro­le maß­geb­lich betei­ligt sind: Sie sol­len als Gegen­spie­ler des Sero­to­nin, einem wich­ti­gen Neu­ro­trans­mit­ter, bestimm­te auto­no­me Zen­tren des zen­tra­len Ner­ven­sys­tems dämp­fen. Dabei neh­men die Scharf­stof­fe kei­nen direk­ten Ein­fluss auf das Gleich­ge­wichts­sys­tem des Men­schen. Als Her­kunfts­land gilt Süd­chi­na, wo die medi­zi­na­le Wir­kung schon lan­ge bekannt ist. Bei­spiel: Wie schon seit über 3000 Jah­ren emp­fiehlt die tra­di­tio­nel­le chi­ne­si­sche Medi­zin (TCM) auch heu­te noch Schwan­ge­ren mit typi­scher Übel­keit Ing­wer als pri­mä­re The­ra­pie. In der euro­päi­schen Erfah­rungs­heil­kun­de ist das Mit­tel eben­falls mit die­ser Indi­ka­ti­on bekannt. Nur wird in der Fach­li­te­ra­tur Schwan­ge­ren der Gebrauch wegen unzu­rei­chen­der Stu­di­en­la­ge oft abge­ra­ten. Aller­dings: Gera­de erst hat eine ame­ri­ka­ni­sche Stu­die bestä­tigt, was Chi­ne­sen schon lan­ge wis­sen: Ing­wer tut Schwan­ge­ren gut und mil­dert ihre Beschwer­den auf das Ein­druck­volls­te – und zwar ohne schwan­ger­schafts­ge­fähr­den­de Neben­wir­kun­gen [1]. Die Stu­di­en­la­ge für wei­te­re gesund­heits­för­dern­de, heil­sa­me Wir­kun­gen ist wis­sen­schaft­lich aner­kannt: Ing­wer ist ver­dau­ungs­för­dernd. Sei­ne Scharf­stof­fe regen die Spei­chel- und Magen­saft­se­kre­ti­on an, indem die Gin­ge­ro­le reflek­to­risch auf die Wär­me­rezep­to­ren in der Mund­schleim­haut wir­ken. Dadurch wird der Tonus und die Peris­tal­tik des Darms gestei­gert. Auch ein posi­ti­ver Ein­fluss auf die Schlag­stär­ke oder Kon­trak­ti­ons­stär­ke des Her­zens ist erwie­sen [2]. Ing­wer ist ein Acro-Ama­rum, d. h. ein schar­fes Bit­ter­mit­tel, das Bren­nen und Hit­ze­ge­fühl im Magen erzeu­gen kann, und zudem eine erhöh­te Magen­säu­re­pro­duk­ti­on ver­rin­gert. Magen­emp­find­li­che Men­schen ver­tra­gen das Gewürz oft­mals nicht so gut, vom Ver­zehr wird abge­ra­ten [3]. Das glei­che gilt bei Gal­len­kran­ken: Die­se soll­ten Ing­wer nur mit Rück­spra­che ihres Arz­tes verwenden.

Das Küchengewürz

Auf­ge­schnit­te­ne Ingwerwurzel

Ing­wer wird in tro­pi­schen Gebie­ten ange­baut, stammt aus Chi­na, Sier­ra Leo­ne, Aus­tra­li­en, Indi­en und frü­her auch von den west­in­di­schen Inseln. Je nach Jah­res­zeit kommt er aus ver­schie­de­nen Anbau­ge­bie­ten und ist des­halb stets frisch zu haben. Ing­wer ist in Form der eigen­wil­lig aus­seh­nen­den, ver­dick­ten Wur­zel­knol­le (Rhi­zom) in vie­len Super­märk­ten und immer in Asi­en­lä­den zu haben. Die Asia­ten schät­zen das tro­pi­sche Gewürz wegen sei­ner gesund­heits­för­dern­den Wir­kun­gen sehr und ver­wen­den es in vie­len Gerich­ten meis­tens frisch: Der bren­nend-schar­fe Geschmack mit dem eigen­ar­ti­gen, star­ken aro­ma­ti­schen Geruch ist unver­kenn­bar bei vie­len Fisch- oder Fleisch­spei­sen. Außer­dem gilt Ing­wer als unent­behr­lich für ver­schie­de­ner Cur­ry-Pul­vern oder Chut­neys. In der moder­nen, euro­päi­schen Küche wird die aro­ma­ti­sche Knol­le immer belieb­ter. Wer meint, noch nie Ing­wer geges­sen zu haben, irrt wahr­schein­lich: In Euro­pa wird das Gewürz in Pul­ver­form gern in Süß­spei­sen, Kon­fekt, Kuchen, Wurst­wa­ren oder Pick­les ein­ge­setzt. Denn auch bei uns hat es eine lan­ge Tra­di­ti­on: In der Anti­ke brach­ten ara­bi­sche Gewürz­händ­ler Ing­wer erst­mals nach Rom und damit auch das Wis­sen über sei­ne bemer­kens­wer­ten Eigenschaften.

Tipps und Tricks

Bei der Ver­wen­dung in der Küche gilt: Je grö­ßer das Rhi­zom, des­to schär­fer, je älter, des­to fas­ri­ger ist die Knol­le (die Schär­fe wird in den Fasern ent­wi­ckelt). Bei fri­schem Ing­wer wird die dün­ne Scha­le vor­sich­tig abge­schält. Da es sich um ein durch­drin­gen­des Gewürz han­delt, ist vor­sich­ti­ges Wür­zen ange­zeigt oder die Befol­gung der Rezep­tu­r­an­wei­sung. Das gilt für fri­sche oder pul­ve­ri­sier­te Ware. Soll­te ein­mal zuviel fri­scher Ing­wer gekauft wor­den sein, so ist das kein Pro­blem: Wer es mag, kann sich einen lecke­ren Tee zau­bern: Ein etwa dau­men­gro­ßes Stück Rhi­zom wird geschält und etwa fünf Minu­ten bedeckt in Was­ser gekö­chelt. Es bekommt dann eine leicht gelb­li­che Fär­bung. Die Scharf­stof­fe sind in das Was­ser über­ge­gan­gen. Der Geschmack des Tees kann je nach Bedarf durch Süßen mit Zucker oder Honig abge­mil­dert wer­den. Genaue Men­gen-Anga­ben sind schwie­rig, denn die Grö­ße bestimmt die Schär­fe. Das glei­che gilt für Pul­ver. Es soll kei­ne geschmack­li­chen Unter­schie­de zwi­schen Pul­ver und fri­scher Ware geben. In vie­len Koch­an­wei­sun­gen oder Rezept­bü­chern – sogar denen der neue­ren Auf­la­gen – wird ger­ne Jamai­ka-Ing­wer als der Bes­te und Feins­te ange­prie­sen. Suchen Sie nicht danach! Jamai­ka war frü­her ein­mal ein wich­ti­ger Lie­fe­rant, heu­te nicht mehr! Das glei­che gilt für soge­nann­ten “gekalk­ten” Ing­wer. Die­sen gab es nur im 19. Jahr­hun­dert, als die Schif­fe noch län­ger für den Trans­port brauch­ten. Um das Gewürz vor Unge­zie­fer zu schüt­zen wur­de es in den Schiff­la­de­räu­men des­halb mit Kalk bedeckt. Bei den heu­ti­gen schnel­len Trans­port- sowie küh­len Lage­rungs­mög­lich­kei­ten ist dies nicht mehr nötig.

Anbau der Pflanze

Ing­wer­pflan­ze

Ing­wer wird auf groß­flä­chi­gen Plan­ta­gen ange­baut. Aus dem flei­schi­gen, fin­ger­för­mig (oft auch als geweih­för­mig beschrie­ben) ver­zweig­ten Rhi­zom wach­sen schilf­ar­ti­ge Trie­be, die ein bis ein­ein­halb Meter hoch wer­den und lan­zen­för­mi­ge Blät­ter ent­wi­ckeln. Die Wur­zel ver­zweigt sich seit­lich hori­zon­tal immer wei­ter kurz unter der Erd­ober­flä­che. Die vege­ta­ti­ve Ver­meh­rung wird durch Tei­lung der Wur­zel­stö­cke erreicht, die sich nach acht bis zehn Mona­ten wie­der soweit ver­brei­tet haben, dass die Setz­lin­ge geern­tet wer­den kön­nen. Wur­zeln wie Trie­be wer­den von den Rhi­zo­men abge­trennt und anschlie­ßend gründ­lich gewa­schen und getrock­net. Die Ware, die zu uns gelangt, hält sich lan­ge frisch. Wer­den Rhi­zo­me nicht zu kalt gela­gert, trei­ben sie aus und ent­wi­ckeln sich – in Erde gesteckt – präch­tig. Dies ist nicht zuletzt eine wei­te­re Mög­lich­keit der “Res­te­ver­wer­tung” des Gewürzes.

Autorin
• Mari­on Kaden, Natür­lich (2005).
Quel­len
1. Port­noi G, Chng LA, Kari­­mi-Tabesh L, Koren G, Tan MP, Einar­son A: Pro­s­pec­ti­ve com­pa­ra­ti­ve stu­dy of the safe­ty and effec­ti­ve­ness of gin­ger for the tre­at­ment of nau­sea and vomi­ting in pregnan­cy. Am J Obs­tet Gynecol. 2003 Nov;189(5):1374–7 (Med­li­ne).
2. NN: Mono­graph Zin­gi­ber Offi­ci­na­le (Gin­ger). Alter­na­ti­ve Medi­ci­ne Review. 2003;8(3) 331–335.
3. Weiß, Rudolf Fritz: Lehr­buch der Phy­to­the­ra­pie, 7. über­ar­bei­te­te Auf­la­ge, Hip­po­kra­tes Ver­lag Stutt­gart, 1990, S. 86.
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