Ricinus communis L. (Wunderbaum), ein einjähriges hohes Kraut aus der Familie der Euphorbiazeen, das sich in den wärmern Gegenden strauchartig entwickelt, kahl, oft blau bereift, mit wechselständigen, sehr großen, handförmigen, sieben- bis viellappigen Blättern und gesägten Abschnitten. Die ansehnlichen Blüten bilden einen fast rispigen, endständigen Blütenstand, in dem die obern Blüten männlich, die untern weiblich sind. Die glatten oder
stacheligen Kapseln enthalten drei große, eiförmige, marmorierte Samen. Der Ricinus stammt wohl aus Afrika, ist aber jedenfalls sehr früh als Kulturpflanze weit verbreitet worden und ist so akkommodationsfähig, daß er noch bei Christiania seine Samen reift. Er wird bei uns als Zierpflanze in mehreren Varietäten kultiviert (17 verschiedene Typen, Unterarten) und bildet eine der schönsten Blattpflanzen für den Rasen. Die Blätter des Ricinus dienen der bengalischen Seidenraupe (Bombyx Cynthia) als Futter und werden auf den Antillen und am Senegal gegen Migräne und zur Beförderung der Milchabsonderung benutzt. In Italien wird die Pflanze besonders hochgeschätzt (Palma Christi, römische oder indische Bohne, Höllenfeige, Sonnenkorn, Schaflaus, Ökaffee, Pomadenbohne), und man kultiviert sie zu Florenz in Glashäusern, um auch im Winter Blätter davon zu haben. Die Samen (Purgier‑, Brechkörner) schmecken herb und beißend scharf, sind giftig und enthalten Ricin und gegen 40 Proz. fettes Ö, das in Indien, Italien, Frankreich, Nordamerika durch Pressen gewonnen wird. Man benutzt es als mildes Abführmittel. Der Ricinus war schon dem Herodot bekannt, zu dessen Zeiten das Ö in Ägypten als Brennöl und zu Salben benutzt wurde; der ‘Kürbis’ vor Jonas’ Hütte (Jonas 4, 6), den ein Wurm stach, daß er verdorrte, scheint ein Ricinus gewesen zu sein, der in der Tat gegen Verletzungen sehr empfindlich ist; auch in Griechenland wurde die Pflanze, wie noch jetzt, unter dem Namen Kiki kultiviert; Theophrast nannte sie Croton, Dioskorides wandte die Samen als Abführmittel, das Ö äußerlich an. Auch Albertus Magnus kultivierte den Ricinus, und im 16. Jahrh. erscheint er als Gartenpflanze unter dem Namen Ricinus oder Kik. Später kam die Pflanze in Vergessenheit, und erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. wurde das Ö von Westindien aus wieder als Abführmittel empfohlen, um bald darauf allgemeine Anerkennung zu finden.
Quelle
Meyers Großes Konversations-Lexikon (Sechste Auflage). Ein Nachschlagewerk des allgemeinen Wissens. Sechste, gänzlich neubearbeitete und vermehrte Auflage. Mit mehr als 16,800 Abbildungen im Text und auf über 1500 Bildertafeln, Karten und Plänen sowie 160 Textbeilagen. Leipzig und Wien: Bibliographisches Institut, 1905–1909 (Infos).