Zwei Äpfel pro Tag

Ver­füh­re­ri­scher Apfel (Malus dome­sti­ca)

Äpfel sind etwas Beson­de­res – eine Erkennt­nis, die seit Adams Zei­ten Gül­tig­keit hat. Sie sind gesund, ent­hal­ten wich­ti­ge Inhalts­stof­fe und sind wesent­li­cher Bestand­teil von Diä­ten. Ihre regel­mäs­si­ger Kon­sum hilft gegen Krebs und Herz-Kreislauferkrankungen.

Äpfel gibt es in vie­len Sor­ten. Geschmack­lich ist für jeden etwas dabei. Süss­lich oder säu­er­lich – und das Bes­te: Sie kön­nen leicht in die Tasche gesteckt wer­den, stil­len den Hun­ger und löschen den Durst. Im Gegen­satz zu vie­len ande­ren Zwi­schen­mahl­zei­ten sind Äpfel auch noch bil­lig. Was den meis­ten Ver­brau­chern beim Kauf nicht bewußt ist: Die Kon­kur­renz in der welt­wei­ten Apfel­pro­duk­ti­on ist immens. Im letz­ten Jahr war Gol­den Deli­cious im inter­na­tio­na­len Kampf um die Kon­su­men­ten­gunst Gewin­ner. Danach fol­gen Gala und Braeb­urn in der Beliebt­heits­sca­la. Ver­lie­rer waren der rot­ba­cki­ge Idared, Elstar oder ande­re natio­na­le Sor­ten. Zum Teil hängt die Ver­drän­gung der natio­na­len Sor­ten mit der Geschmacks­än­de­rung der Kon­su­men­ten zusam­men – bevor­zugt wer­den gegen­wär­tig kna­cki­ge, hart­scha­li­ge, süss­li­che Arten. Weich­scha­li­ge wie z.B. der Elstar, der dann auch nicht so gut lager­fä­hig ist, fällt wegen sei­ner Anfäl­lig­keit zu brau­nen Fle­cken aus dem Ren­nen. Sol­len Apfel­sor­ten Erfolg haben, müs­sen sie fast gene­ral­stabs­mäs­sig ange­baut und ver­kauft wer­den. Eine Mög­lich­keit, sich im Wett­be­werb abzu­he­ben ist nicht nur die Krea­ti­on eines beson­de­ren Geschmacks, son­dern auch die Ent­wick­lung von Mar­ken­na­men, der an Mar­ken­schutz gekop­pelt ist. Soge­nann­te Sor­ten­clubs küm­mern sich bei­spiels­wei­se in der Schweiz um die pro­fes­sio­nel­le Ver­mark­tung. Bei der­ar­ti­gen Metho­den haben wenig bekann­te oder alte Apfel­sor­ten kaum eine Chan­ce. “Lei­der geht bei der inter­na­tio­na­len Kon­kur­renz auch die unse­re Sor­ten­viel­falt ver­lo­ren, weil sich der Anbau weni­ger Bäu­me nicht mehr lohnt”, so Klaus Gers­bach, Spre­cher von Fruc­tus, einer Ver­ei­ni­gung zur För­de­rung alter Obst­sor­ten in Wädens­wil (www.fructus.ch). Der Ver­ein betei­ligt sich an Pro­jek­ten zur Erhal­tung des Erb­guts alter Obst­sor­ten. “Dabei gibt es fast für jeden Geschmack und auch für unter­schied­li­che Ver­wen­dungs­mög­lich­kei­ten eine Sor­te”. Es gibt Äpfel, die sich am bes­ten zum Mos­ten, Ein­ko­chen, Backen, Dör­ren oder zum Lagern eignen.

Kleiner Ausflug in die Geschichte

Die Sor­ten­viel­falt hat sich über Jahr­tau­sen­de her­aus­ge­bil­det. Und dass es Äpfel schon im Para­dies gege­ben hat, wis­sen wir aus der Bibel. Denn sonst hät­te Eva ihren Adam nicht ver­füh­ren kön­nen, vom “Apfel der Erkennt­nis” zu pro­bie­ren. Seit­her beglei­tet der Apfel (Malus dome­sti­ca) die Mensch­heit. Der Apfel­baum (Malus dome­sti­ca Borkh. ) hat ver­schie­de­ne Syn­ony­me und ist auch noch unter Malus com­mu­nis, Malus pumi­la, Malus syl­vestris, Pyrus malus bekannt. Er gehört zur bota­ni­schen Fami­lie der Rosen­ge­wäch­se (Rosaceae). Wo das Para­dies lag oder bes­ser woher der Urap­fel stammt, dar­über strei­tet die Fach­welt. In älte­rer Lite­ra­tur fin­den sich Hin­wei­se auf den soge­nann­ten Holz­ap­fel (Pirus) als Urform. Neue­re For­schun­gen erga­ben, dass der kul­ti­vier­te Tafel­ap­fel sei­nen Ursprung mög­li­cher­wei­se in Wild­for­men des Malus sie­ver­sii hat. In dem als hei­lig ver­ehr­ten Tien-Shan-Gebir­ge der Chi­ne­sen fan­den bei­spiels­wei­se eng­li­sche For­scher eine Wild­ap­fel­form, die gene­tisch eine über­ra­schen­de Ver­wandt­schaft zu unse­ren Kul­tur­äp­feln auf­weist. Von die­sem Gebir­ge hat der Wild­ap­fel viel­leicht sei­nen Sie­ges­zug in den Wes­ten ange­tre­ten und gelang­te so nach Per­si­en? Der grie­chi­sche Geschichts­schrei­ber Xeno­phon berich­te­te schon damals von den berühm­ten Hof­gär­ten des Per­ser­kö­nigs Dar­ei­us (521–486), in denen es wun­der­schö­ne, reich tra­gen­de Apfel­bäu­me gab. Auch die Ägyp­ter, Grie­chen und Römern moch­ten Äpfel. Die­se gehör­ten zum täg­li­chen Leben und wur­den sogar Ver­stor­be­nen auf ihrem letz­ten Weg mit­ge­ge­ben wie Aus­gra­bun­gen bele­gen. Und selbst die Kel­ten kul­ti­vier­ten Apfel­bäu­me schon lan­ge bevor die Römer kamen. Römi­sche Geschichts­schrei­ber spot­te­ten aller­dings über die Qua­li­tät: Die Äpfel sei­en so sau­er, dass schar­fe Schwer­ter bei ihrem Schnei­den stumpf würden.

Gesund: ein Apfel pro Tag

Die­se klei­ne, his­to­ri­sche Bege­ben­heit ist mehr als eine Anek­do­te. Ihre Gül­tig­keit besteht bis heu­te: Men­schen in nor­di­schen Län­der bevor­zu­gen säu­er­li­che, Süd­län­der eher süs­se Apfel­sor­ten. Doch gleich wel­che Geschmacks­rich­tung vor­ge­zo­gen wird – Äpfel sind in allen Anbau­län­dern beliebt. In vie­len Län­dern sind sie ein Sym­bol für Gesund­heit und Vita­li­tät, was sich auch in Sagen und Mythen wider­spie­gelt: Die ger­ma­ni­sche Göt­tin Idun ver­sorg­te ihre Ver­wand­ten mit Äpfeln zur Erhal­tung der Jugend. Und in der Edda, einer Samm­lung alt­nor­di­scher Dich­tun­gen, sind Äpfel Sym­bo­le für Frucht­bar­keit und kör­per­li­cher Lie­be. Die Men­schen schät­zen Äpfel nicht nur aus geschmack­li­chen, son­dern auch aus gesund­heit­li­chen Erwä­gun­gen und wegen ihrer ernäh­rungs­phy­sio­lo­gi­schen Vor­tei­le. Die Frucht (Mali fruc­tus) ent­hält vie­le wert­vol­le Inhalts­stof­fe: Ami­ne, Ami­no­säu­ren, Koh­len­hy­dra­te (ver­schie­de­ne Zucker, Polys­ac­cha­ri­de, Pek­ti­ne) orga­ni­sche Säu­ren, Vit­ami­ne, Phe­nol­kar­bon­säu­ren und äthe­ri­sche Öle sowie Aro­ma­stof­fe. Vor allem die Scha­le hat es in sich, hier wer­den die meis­ten Inhalt­stof­fe gela­gert. Des­halb emp­fiehlt es sich, die­se immer mit­zu­es­sen. “An apple a day keeps the doc­tor away” lau­tet eine ame­ri­ka­ni­sche Volks­weis­heit, die ursprüng­lich aus Euro­pa stammt, dort heisst sie: “Täg­lich einen Apfel, hält den Arzt fern”. Bei Diä­ten oder ernäh­rungs­phy­sio­lo­gi­schen Emp­feh­lun­gen sind Äpfel immer dabei. Und wer kennt nicht das welt­be­rühm­te “Bir­cher-Müs­li”? Es wur­de vom Schwei­zer Natur­heil­kund­ler und Arzt Maxi­mi­li­an Bir­cher-Ben­ner, der als einer der frü­hes­ten und bedeu­tends­ten Ver­tre­ter natur­ge­mäs­ser Heil­nah­rung auf Roh­kost­ba­sis gilt, ent­wi­ckelt. Die Mischung besteht ursprüng­lich aus Hafer­flo­cken, Äpfeln, Nüs­sen, Zitro­nen­saft und Kon­dens­milch. Das Müs­li ist Teil einer sowohl pro­phy­lak­ti­schen als auch the­ra­peu­ti­schen Lebens­re­form-Diä­te­tik, die in Kom­bi­na­ti­on mit phy­si­ka­li­schen The­ra­pie­me­tho­den wie Son­nen- und Luft­bä­dern, Heil­gym­nas­tik oder Was­ser­an­wen­dun­gen beacht­li­che Erfol­ge erzielt.

Schädliche Chemie auf und in der Schale?

Da sich vor allem in der Scha­le die wert­vol­len Inhalt­stof­fe befin­den, soll­ten Äpfel unge­schält geges­sen wer­den. Gesund­heit­li­che Beden­ken, die wegen des Sprit­zens der Äpfel, wäh­rend der Wachs­tums­pe­ri­ode ent­ste­hen könn­ten, zer­streut Klaus Gers­bach:

Ist das Sprit­zen für den Men­schen gefährlich?

Nein. Ein­zel­ne Pes­ti­zi­de drin­gen zwar in die Scha­le ein wer­den jedoch von Licht, Wär­me sowie in der Pflan­ze oder im Boden auf bio­che­mi­schem Weg schnell wie­der abge­baut. Über die Unbe­denk­lich­keit wachen bei uns stren­ge, staat­li­che Kon­trol­len. Beim Ver­kauf dür­fen kei­ne Rück­stän­de mehr vor­han­den sein. Des­halb fin­det die letz­te Sprit­zung gegen Pil­ze und Schorf spä­tes­tens drei Wochen vor der Ern­te statt.

Bei man­chen Äpfeln sind weis­se Rück­stän­de auf der Scha­le, sind sie trotz­dem unbedenklich?

Ja, denn es han­delt sich dabei um Gips oder Talk, die als Trä­ger­stof­fe für die Pes­ti­zi­de ver­wandt wer­den. Durch Abwa­schen kön­nen sie leicht ent­fernt werden.

Äpfel bei Hunger oder Diarrhö

Bio-Äpfel ((Malus dome­sti­ca)

In der Volks­heil­kun­de sind Äpfel als Heil­mit­tel seit jeher wich­tig. Frisch geschab­te Äpfel meh­re­re Tage als allei­ni­ge Nah­rung gal­ten (gel­ten) als aus­ge­zeich­ne­tes Mit­tel gegen Darm­ka­tarrh, Ruhr oder infek­tiö­sen Darm­er­kran­kun­gen. Heu­te wird die­ser Apfel­brei haupt­säch­lich noch bei Diar­rhö, Dys­pep­sie oder Ernäh­rungs­stö­run­gen von Klein­kin­dern ein­ge­setzt. Ernäh­rungs­wis­sen­schaft­ler emp­feh­len jedoch auch Erwach­se­nen die offen­kun­di­ge Heil­kraft zu nut­zen: Ein “Darm-Ent­gif­tungs­tag” pro Woche, an dem nur Äpfel geges­sen wer­den, kann die all­ge­mei­ne Befind­lich­keit durch Ent­las­tung und Ent­schla­ckung des Dar­mes stei­gern. Neben den vie­len ande­ren Inhalt­stof­fen sind vor allem die Pek­ti­ne bedeut­sam. Sie besit­zen ein hohes Was­ser­bin­dungs­ver­mö­gen und sind zur Gel-Bil­dung befä­higt. Sie ent­wi­ckeln im Magen-Darm­trakt einen Schutz­film und ver­min­dern dadurch die Beschwer­den bei Diar­rhö und Gas­troen­teri­tis. Gerb­stof­fe des Apfels ver­hin­dern Bak­te­ri­en-Wachs­tum, sei­ne Bal­last­stof­fe ver­rin­gern Hun­ger. Des­halb sind Äpfel nicht nur ernähungs­phy­sio­lo­gisch bedeut­sa­me Zwi­schen­mahl­zei­ten für den Hun­ger zwi­schen­durch, son­dern sind gene­rell zur Unter­stüt­zung bei Gewichts­re­duk­ti­on hilf­reich. Seit eini­gen Jah­ren erfor­schen Wis­sen­schaft­ler noch wei­te­re Wir­kun­gen: Ein Apfel pro Tag hilft lang­fris­tig bei der Bekämp­fung von Herz­krank­hei­ten, fan­den ame­ri­ka­ni­sche For­scher von der Uni­ver­si­tät von Min­ne­so­ta her­aus. Dass Anti­oxi­dan­zi­en in Obst und Gemü­se gene­rell gut für die Gesund­heit sind und z. B. das Wachs­tum von Krebs­zel­len behin­dern, ist der­zeit auch von der Schul­me­di­zin aner­kannt. Dies bestä­tig­ten auch ame­ri­ka­ni­sche For­scher der Abtei­lung für Nah­rungs­er­for­schung an der Cor­nell Uni­ver­si­tät, New York. Sie stell­ten die The­se auf, dass der regel­mäs­si­ge Kon­sum von 3–6 Äpfeln pro Tag sich zukünf­tig als bedeut­sa­me Stra­te­gie zur Krebs­vor­sor­ge erwei­sen könnte.

Wer kei­ne fri­schen Äpfel mag, braucht auf die gesun­den Wir­kun­gen nicht zu ver­zich­ten. Getrock­ne­te Apfel­scha­len erge­ben z. B. einen fruch­ti­gen, durst­lö­sen­den Tee, getrock­ne­te Apfel­schei­ben einen lecke­ren Müs­li­zu­satz. Die­je­ni­gen, die gänz­lich auf Äpfel ver­zich­ten, wer­den den­noch nicht um Inhalts­stof­fe von Äpfeln her­um­kom­men. Vor allem Pek­tin, die poly­me­ren Koh­len­hy­dra­te von Pflan­zen, kom­men in vie­len indus­tri­el­len Pro­duk­ten zum Ein­satz: Von ste­ri­len Lösun­gen zur loka­len Blut­stil­lung bis hin zum Klär­mit­tel für Frucht­säf­ten und Wein. In der phar­ma­zeu­ti­schen Indus­trie wer­den Pek­ti­ne als Tablet­ten­zer­falls­mit­tel genutzt, und in der Lebens­mit­tel­in­dus­trie sind sie als natür­li­che Gelier­mit­tel unentbehrlich.

“Rosen­ap­fel und Gold­par­mä­ne” ist der Titel eines Buches, dass in Zusam­men­ar­beit von Exper­ten, z. B. von ‘Pro Spe­cie Rara’ und ‘Fruc­tus’, ent­stan­den ist. Ein Apfel pro Tag – also 365 Apfel­sor­ten für ein gan­zes Obst­jahr wer­den vor­ge­stellt. Inter­es­sier­te kön­nen etwas über die Geschich­te des Sam­melns und Kul­ti­vie­rens von Äpfeln oder der Bedeu­tung im Wan­del der kul­tur­his­to­ri­schen Zei­ten erfah­ren. Der Haupt­teil ist den aus­ge­wähl­ten 365 Apfel­sor­ten, ihrer eige­nen Geschich­te und Merk­ma­len gewid­met. Hob­by­gärt­ner oder Apfel­lieb­ha­ber erfah­ren, ob bei­spiels­wei­se das Pflü­cken einer Sor­te Fin­ger­spit­zen­ge­fühl ver­langt oder für Höhen­la­gen geeig­net ist. Wel­che Vor­tei­le Hoch‑, Nie­der­stamm oder Spa­lier für den Haus­gar­ten haben und wie Apfel­bäu­me gepflegt wer­den. Die Arti­kel geben Aus­kunft dar­über, wel­che Sor­te einen beson­ders hohen Vit­amin C‑Gehalt hat oder von Gour­mets als Tafel­ap­fel geschätzt wird. Jede Sor­te ist mit einem Foto illus­triert. Dadurch zeigt sich schon beim Durch­blät­tern bild­lich die unglaub­li­che Ver­schie­den­heit der Sor­ten. Ein klei­ner Exkurs ist der Mos­te­rei gewid­met. Eine Aus­wahl an Rezep­ten lässt einem das Was­ser im Mun­de zusam­men­lau­fen. Zwei Sorten­ta­bel­len am Ende ver­schaf­fen Über­sicht und fas­sen noch­mals zusam­men: In einer Tabel­le befin­det sich Kurz­be­schrei­bung, mit Foto, Her­kunft, Ver­wen­dungs­zweck der vor­ge­stell­ten Äpfel. In der letz­ten wird über Ern­te, Lage­rung, Ver­wen­dung wie Dör­ren, Kochen, Backen, Höhen­la­ge und Schorf­re­sis­tenz Aus­kunft gege­ben. Resü­mee: Es steckt viel Arbeit und Lie­be in der Aus­ar­bei­tung des Buches und wird Apfel­freun­den als nütz­li­ches Nach­schla­ge­werk die­nen und viel­leicht auch die Ent­schei­dung für die ganz per­sön­li­che Apfel­sor­te erleichtern.

Bar­­tha-Pich­­ler, Bri­git­te, Brun­ner, Fits, Gers­bach, Klaus, Zuber, Mar­kus: Rosen­ap­fel und Gold­par­mä­ne, 365 Apfel­sor­ten – Bota­nik, Geschich­te, Ver­wen­dung. AT Ver­lag, Baden, 2005. ISBN 3–03800–209–7, 248 Sei­ten, 550 Fotos, EUR 29,90. Kos­ten­freie Lie­fe­rung durch Amazon

Autorin
• Mari­on Kaden, Natür­lich (2007).

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