Muskel- und Gelenkbeschwerden gehören zu den häufigsten Erkrankungen der westlichen Welt. “Allein in Europa verzeichnen Ärzte jedes Jahr 1,5 Millionen neue Patienten, die mit akuten Verletzungen (Zerrungen, Quetschungen, Brüche, Risse) oder chronischen Belastungen (Fehlhaltungen, Fehlstellungen, wiederholte Verletzungen) zu ihnen kommen”, bestätigt Dr. med. Helmut Papst, Vizepräsident des Bayerischen Sportärzteverbandes [1]. Um die Schmerzen in den Griff zu kriegen, wird eine Vielzahl chemisch definierter Medikamente verschrieben, die aufgrund möglicher Nebenwirkungen nicht immer das beste Nutzen-Risiko-Verhältnis besitzen. Eine hochwirksame und verträgliche Alternative bieten pflanzliche Produkte mit Beinwellwurzel-Extrakt.
Der Beinwell (botanisch Symphytum officinale) gilt schon seit mehr als 2.000 Jahren als wirksames Mittel bei Quetschungen, Verrenkungen, Knochenbrüchen etc. Er wird zu Beginn der Neuzeit sogar im Zusammenhang mit rheumatischen Erkrankungen und Gicht genannt.
Dass es sich um eine Arzneipflanze mit besonderem Bezug zum Knochensystem handelt, ist an der Namensgebung zu erkennen: Beinwell ist in vielen westeuropäischen Sprachen nach seiner Anwendung benannt worden. Bei den Ärzten im griechischen Altertum hieß er beispielsweise “Symphyton” (), von symphyo, “ich wachse zusammen”. Weitere gebräuchliche Namen waren “Consolida” (Festigung) oder “Solidago” (solido: “ich mache fest”, “ich füge zusammen”). Seine deutschen Namen “Beinwell” und “Wallwurz” gehen auf das Verb “wallen” zurück, das ebenfalls “zusammenwachsen” heißt.
Beinwell oder Symphytum officinale, wie die Stammpflanze auf Lateinisch heißt, gehört zu den Raublattgewächsen (Fam. nat.: Boraginaceae). Die etwa 1 Meter hohe Arzneipflanze wächst in ganz Europa an feuchten Bachufern und Gräben. Sie ist aber auch auf Äckern und Wiesen zu finden. Von Mai bis August blüht sie mit rot-violetten, glockenförmigen Blüten. Symphytum hatte schon in der Antike seinen festen Platz im Arzneischrank der damaligen Ärzte.
Der griechische Arzt Dioskurides beschreibt die Pflanze im 1. Jahrhundert nach Christus in seinem berühmten Werk “De Materia medica”. Pietro Matthioli behandelte in der Renaissance Zerrungen und Sehnen- oder Muskelentzündungen mit Beinwellscher Heilkraft. Und die Äbtissin Hildegard von Bingen kochte zur Therapie von Bauchfellrissen einen Sud aus Sellerie, gutem Wein und Beinwellkraut. Mithilfe moderner Labormethoden gelang es, die auf Erfahrungswerten beruhenden therapeutischen Wirkungen der Pflanze wissenschaftlich zu untermauern. Sie wirkt entzündungshemmend, analgetisch und antiexsudativ. Darüber hinaus fördert sie Granulation und Gewebsneubildung. Nach Knochenbrüchen unterstützt Symphytum an der Bruchstelle die Neubildung von Knochen (Kallusbildung). Vor allem die Inhaltsstoffe Allantoin und Rosmarinsäure scheinen wirksamkeitsbestimmend zu sein.
Die Aufbereitungsmonographie Symphytum officinale der Kommission E beim ehemaligen Bundesgesundheitsamt gibt als externe Anwendungsbereiche von Beinwell Prellungen, Zerrungen und Verstauchungen an. Entsprechende Präparate werden deshalb vor allem in der Sport- und Unfallmedizin eingesetzt. Bei schmerzhaften Muskel- und Gelenkbeschwerden hat sich Beinwell-Spezial-Extrakt nach neueren Studien als eine wirksame Alternative zu den chemischen Antiphlogistika und Analgetika erwiesen.
Symphytum ist auch Bestandteil der homöopathischen Pharmakopoe. Da bislang keine Arzneimittelprüfung durchgeführt wurde, erfolgt die Anwendung überwiegend indikationsbezogen (Quetschung, Stauchung, Bluterguss, Knochenhautentzündung, schlecht heilende Knochenbrüche, Stumpfbeschwerden u. a.). Beinwell kann hinsichtlich dieses Indikationsbereiches mit Arnica, Calendula, Calcium fluoratum, Calcium phosphoricum, Hypericum, Ledum oder Rhus tox verglichen werden.
Heute ist die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Arzneimitteln mit Beinwellwurzel-Extrakt auch wissenschaftlich belegt: Es liegen mehrere kontrollierte Studien vor, die sich vor allem auf Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates beziehen. Sie bescheinigen dem Beinwell eine abschwellende, entzündungshemmende und schmerzreduzierende Wirkung [z. B. 2, 3].
Eine aktuelle Studie der Universität Köln kommt sogar zu dem Ergebnis, dass Salben mit Beinwellwurzel-Extrakt dieselbe Wirksamkeit besitzen wie Präparate mit dem chemisch-synthetischen Wirkstoff Diclofenac, einem häufig eingesetzten nicht-steroidalen Antirheumatikum (NSAR) [4]. Prof. Dr. med. Hans-Georg Predel, Leiter des Instituts für Kreislaufforschung und Sportmedizin an der Sporthochschule Köln, geht aufgrund der Ergebnisse noch einen Schritt weiter: “In einigen Punkten, zum Beispiel bei der globalen Einschätzung von Wirksamkeit und Verträglichkeit, ist die pflanzliche Salbe tendenziell sogar überlegen. Das bescheinigen ihr jedenfalls die 164 Probanden der Studie, allesamt ambulante Patienten mit einer akuten Sprunggelenksverletzung.”
Autorin
• Heidi Hentschke, Hamburg, Heilpflanzen-Welt (2005).
Quellen
1. Presseveranstaltung “Muskel- und Gelenkbeschwerden”, St. Gallen, 2.10.2005. Referenten: Dr. med. Helmut Papst, Vizepräsident des Bayerischen Sportärzteverbandes; Dr. Johannes Gottfried Mayer, Institut für Geschichte der Medizin der Universität Würzburg; Univ. Prof. Dr. med. Hans-Georg Predel, Leiter des Instituts für Kreislaufforschung und Sportmedizin, Deutsche Sporthochschule Köln. Veranstalter: Merck Selbstmedikation GmbH, Darmstadt.
2. Kucera M, Barna M, Horacek O, Kovarikova J, Kucera A: Efficacy and safety of topically applied Symphytum herb extract cream in the treatment of ankle distortion: results of a randomized controlled clinical double blind study. Wien Med Wochenschr. 2004 Nov;154(21–22):498–507 (Medline).
3. Koll R, Buhr M, Dieter R, Pabst H, Predel HG, Petrowicz O, Giannetti B, Klingenburg S, Staiger C: Efficacy and tolerance of a comfrey root extract (Extr. Rad. Symphyti) in the treatment of ankle distorsions: results of a multicenter, randomized, placebo-controlled, double-blind study. Phytomedicine. 2004 Sep;11(6):470–7 (Medline).
4. Predel HG, Giannetti B, Koll R, Bulitta M, Staiger C: Efficacy of a Comfrey root extract ointment in comparison to a Diclofenac gel in the treatment of ankle distortions: Results of an observer-blind, randomized, multicenter study. Phytomedicine. 2005 Oct;12(10):707 ff.
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