Stillen gegen Übergewicht

Sind Schwan­ge­re über­ge­wich­tig oder lei­den an dem häu­fi­gen “Schwan­ger­schafts-Dia­be­tes” – dann sind ihre Kin­der auch oft­mals über­ge­wich­tig. Stil­len, so zeigt jetzt eine neue Stu­die aus Ber­lin, könn­te die­sen Teu­fels­kreis von lebens­lan­gem Über­ge­wicht unter­bre­chen [1].

Die Gynä­ko­lo­gin Dr. med. Ute Schä­fer-Graf und ihre Kol­le­gen vom Vivan­tes Medi­zin-Cen­trum Ber­lin-Neu­kölln und Cha­ri­té Ber­lin, haben in den letz­ten Jah­ren den Zusam­men­hang zwi­schen Stil­len und Über­ge­wicht von Klein­kin­dern und Kin­dern unter­sucht. Frau­en mit Schwan­ger­schafts-Dia­be­tes und ihre Kin­der nah­men an einem Dia­be­tes-Früh­erken­nungs- und Ver­sor­gungs-Pro­gramm des Zen­trums teil (durch­ge­führt 1995–2000). Die Müt­ter wur­den gebe­ten, mit ihren Kin­dern (ins­ge­samt 324, im Alter zwi­schen 2 und 8 Jah­ren) zur Nach­un­ter­su­chung in die Kli­nik zu kom­men. Hier­bei wur­den die Frau­en befragt, ob sie gestillt hat­ten und wenn ja, wie­lan­ge. Das Ergeb­nis: Drei von vier Müt­tern (241 Müt­ter = 74%) hat­ten ihre Kin­der gestillt. Jedes zwei­te Kind (164 Kin­der = 50%) wur­de län­ger als drei Mona­te gestillt, ein Vier­tel der Kin­der (77 Kin­der = 24%) nur wäh­rend der ers­ten drei Mona­te, die übri­gen Kin­der wur­den nicht gestillt.

Je länger die Stilldauer, desto seltener kindliches Übergewicht

Bei der Unter­su­chung wur­de zudem fest­ge­stellt, dass immer­hin fast ein Drit­tel aller Kin­der (92 Kin­der = 28%) über­ge­wich­tig waren. Auf­fäl­lig: Von den unge­still­ten Kin­dern waren mehr als ein Drit­tel (37%) über­ge­wich­tig – ver­gli­chen mit den 32% der drei Mona­te lang gestill­ten und 22 % der für län­ger als drei Mona­te gestill­ten Kin­der. Die Wis­sen­schaft­ler zie­hen hier­aus den Schluss: Je län­ger die Still­dau­er ist, um so sel­te­ner kommt Über­ge­wicht bei den Kin­dern vor. In Zah­len aus­ge­drückt: Kin­der, die län­ger als drei Mona­te gestillt wur­den, hat­ten eine um 50% ver­rin­ger­te Über­ge­wichts-Gefahr. Die­se Ergeb­nis­se bestä­ti­gen kürz­lich vor­ge­leg­te, ähn­li­che Unter­su­chun­gen der Uni­ver­si­tät Hei­del­berg [2].

Hintergrund

Etwa eine von fünf Schwan­ge­ren wird wäh­rend der Schwan­ger­schaft zucker­krank. Eine der uner­wünsch­ten Fol­gen: Durch die vie­le Ener­gie (Zucker) im müt­ter­li­chen Blut wach­sen vie­le Unge­bo­re­ne schon im Mut­ter­leib über­mä­ßig stark her­an, was erheb­li­che Geburts­pro­ble­me berei­ten kann. Die meis­ten Neu­ge­bo­re­ne behal­ten die­se Stö­rung des Kör­per­ge­wich­tes (Über­ge­wicht) auch wäh­rend der Kind­heit. Ähn­li­ches gilt auch für über­ge­wich­ti­ge Schwan­ge­re und ihre Kinder.

Die Befra­gung der Müt­ter in Ber­lin zeig­te wei­ter: Über­ge­wich­ti­ge Frau­en mit Schwan­ger­schafts-Dia­be­tes waren sel­te­ner bereit, ihre Kin­der zu stil­len, als ande­re Müt­ter. Des­halb so die Ber­li­ner Exper­tin­nen: Beson­ders Frau­en mit Schwan­ger­schafts-Dia­be­tes soll­ten ihre Kin­der wenigs­tens drei Mona­te stil­len. Dadurch sinkt nicht nur die Gefahr, dass ihre Kin­der spä­ter über­ge­wich­tig wer­den, son­dern die Babys wer­den auch opti­mal mit allen benö­tig­ten Nähr- und Abwehr­stof­fen ver­sorgt. Dies ist die Grund­la­ge eines gesun­den Her­an­wach­sens und ver­mei­det – durch die Abwehr­stof­fe in der Mut­ter­milch – unnö­ti­ge, gefähr­li­che Infek­tio­nen im Säuglingsalter.

Was ist bekannt? Was ist neu?

Bekannt:

  • Stil­len ist von aller­größ­tem Wert für die Gesund­heit her­an­wach­sen­der Men­schen­kin­der. Die Welt­ge­sund­heits-Orga­ni­sa­ti­on emp­fiehlt min­des­tens sechs Mona­te, bes­ser aber länger.
  • Fla­schen­nah­rung und ande­re Indus­trie­pro­duk­te sind sinn­voll, wenn eine Mut­ter aus gesund­heit­li­chen Grün­den nicht stil­len kann und kei­ne Amme ver­füg­bar ist. Ansons­ten gibt es kei­ne ver­nünf­ti­gen Grün­de oder gar gesund­heit­li­che Vor­tei­le, Säug­lin­gen künst­li­che Indus­trie-Nah­rung aus tie­ri­schen, pflanz­li­chen oder voll­syn­the­ti­schen che­mi­schen Quel­len zu geben.
  • Stil­len ver­hin­dert nicht grund­sätz­lich und nicht immer Über­ge­wicht gestill­ter Kin­der oder Erwach­se­ner (das wäre ja auch ein Wun­der). Aber: Pro Monat Stil­len ver­rin­gert sich die Über­ge­wichts­ge­fahr der Kin­der um immer­hin vier Pro­zent [3].

Neu:

  • Stil­len kann die Gefahr von Über­ge­wicht ver­rin­gern, wenn bereits die Neu­ge­bo­re­nen ein “Gewichts­pro­blem” haben (häu­figs­te Ursa­chen: Müt­ter­li­ches Über­ge­wicht und/​oder Schwangerschafts-Diabetes).
  • Beson­ders Schwan­ge­re mit Über­ge­wicht und/​oder Schwan­ger­schafts-Zucker­krank­heit soll­ten im Inter­es­se ihrer Kin­der eine län­ge­re Still­pe­ri­ode vorsehen.

Tipp gegen mütterliches Übergewicht

Stil­len hat auch für Müt­ter erheb­li­che gesund­heit­li­che Vor­tei­le: Ver­rin­ger­te Gefahr von Brust- oder Eier­­stock-Krebs (vor den Wech­sel­jah­ren), ver­rin­ger­te Gefahr von Ober­schen­kel­hals­brü­chen oder osteo­po­ro­ti­scher Kno­chen­ent­kal­kung (nach den Wech­sel­jah­ren). Und: Je län­ger gestillt wird, um so mehr über­schüs­si­ges Fett­ge­we­be wird abge­baut, die stil­len­de Mut­ter nimmt also ab [4, 5]. Am deut­lichs­ten wird dies jedoch erst bei län­ge­rem Stil­len (min­des­tens drei Monate).

Autor
• Rai­ner H. Buben­zer, Heil­pflan­­zen-Welt (2006).
Quel­len
1. Schae­­fer-Graf UM, Hart­mann R, Paw­lic­zak J, Pas­sow D, Abou-Dakn M, Vet­ter K, Kordo­no­u­ri O: Asso­cia­ti­on of breast-fee­­ding and ear­ly child­hood over­weight in child­ren from mothers with gesta­tio­nal dia­be­tes mel­li­tus. Dia­be­tes Care. 2006 May;29(5):1105–7 (Med­li­ne).
2. Wey­er­mann M, Rothen­ba­cher D, Bren­ner H: Dura­ti­on of breast­fee­ding and risk of over­weight in child­hood: a pro­s­pec­ti­ve birth cohort stu­dy from Ger­ma­ny. Int J Obes (Lond). 2006 Feb 28 (Med­li­ne).
3. Har­der T, Berg­mann R, Kal­lisch­nigg G, Pla­ge­mann A: Dura­ti­on of breast­fee­ding and risk of over­weight: a meta-ana­­ly­­sis. Am J Epi­de­mi­ol. 2005 Sep 1;162(5):397–403. Med­li­ne).
4. Tur­ck D; Comi­té de nut­ri­ti­on de la Socié­té fran­çai­se de pédia­trie: Allai­te­ment mate­r­nel : les béné­fices pour la san­té de l’en­fant et de sa mère. Arch Pediatr. 2005 Dec;12S3:S145-S165 (Med­li­ne).
5. Gon­za­lez HF, Mal­pe­li A, Mans­ur JL, De Sant­ia­go S, Etche­go­y­en GS: Chan­ges in body com­po­si­ti­on in lac­ta­ting ado­le­s­cent mothers. Arch Lati­noam Nutr. 2005 Sep;55(3):252–6 (Med­li­ne).

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