Hopfenzapfen
Der größte Teil der Hopfenernte geht tatsächlich in die Bierproduktion. Weniger bekannt sind medizinische und phytohormonelle Wirkungen der Pflanze. Und: Neueste Erforschungen eines isolierten Wirkstoffes von Hopfenzapfen könnten eine große Rolle im Kampf gegen Krebserkrankungen spielen.
Kritiker der Phytotherapie behaupten gerne, dass pflanzliche Präparate keine nachweisbare bzw. eine zu geringe therapeutische Wirkung haben. Der Hopfen (Humulus lupulus L.) beweist das Gegenteil: Schon beim Ernten des Hopfens sind Wirkungen auszumachen, die zum Teil so stark sind, dass es bei Hopfenpflücker sogar zu einer – in Deutschland anerkannten – Berufskrankheit kommen kann: Die “Hopfenpflückerkrankheit” bricht nur während des Erntens aus. Die Hopfenpflückerinnen – es waren meistens Frauen – litten an typischen Symptomen der Erkrankung wie Kopfschmerzen, Schläfrigkeit, Augenbindehautentzündung (“Hopfenauge”), entzündlichen Hautrötungen und/ oder Gelenkschmerzen. Das Charakteristische dieser Krankheit war, dass die Symptome nach der Arbeit wieder verschwanden. Junge Frauen konnten außerdem während der Ernte noch Zyklusstörungen bekommen, die durch den hohen Östrogengehalt des Hopfens ausgelöst wurden.
Nur weiblicher Hopfen ist von Interesse
Die Hopfenpflückerkrankheit tritt heute nur noch selten in Erscheinung. Wegen des wirtschaftlichen Drucks übernehmen Maschinen die Pflückarbeit. Hallertau in Bayern ist das größte, zusammenhängende Anbaugebiet des Hopfens weltweit. Dort werden etwa 18.000 Tonnen jährlich produziert. Zur vierwöchigen Erntezeit werden 7.500 Saisonarbeitern extra eingestellt. “Die Männer tragen Handschuhe, so dass kein Hautkontakt mehr besteht, wenn die sieben Meter langen Hopfenstränge in die Pflückmaschine eingelegt werden”, so Dr. Dietmar Kaltner, Simon H. Steiner Hopfen GmbH. Bei der Kultivierung des zweihäusigen Hopfens (es gibt weibliche und männliche Pflanzen) sind nur die weiblichen wirtschaftlich interessant. Aus ihren Blütenständen bilden sich die begehrten Hopfenzapfen (Lupuli strobuli). Sie haben trockenhäutige Deckblätter, in deren Innenseite die sandkorngroßen Drüsenhaare sitzen. Nach der Trocknung können durch Abklopfen der Fruchtstände die Hopfendrüsen (Glandulae lupuli) gewonnen werden. Sie enthalten den größten Teil des Harzes, in denen die Hopfenbitterstoffe wie Humulon (a‑Hopfenbitterstoffe) und Lupulon (b‑Hopfenbitterstoffe) enthalten sind. Ätherische Öle werden sowohl aus den Hopfenzapfen (über Maische) wie auch den Hopfendrüsen gewonnen. Die Inhaltstoffe der ätherischen Öle (0,05 – 1,7 Prozent in den Hopfenzapfen, 1–3 Prozent in den Hopfendrüsen) variieren je nach Hopfensorte in ihren Inhaltstoffen. Unter anderem enthalten sie Monoterpene, besonders Myrcen, Sesquiterpene (alpha- und beta-Caryophyllen, Farnesen u.a.) und eine Reihe von Fettsäureestern. Ein wichtiger Bestandteil der Hopfenzapfen, der für den charakteristischen Geschmack sorgt, ist der Gerbstoff Procyanid (2–4%). Bedeutsam sind auch die Flavonoide (0,5 – 1,5 Prozent), darunter das für den Hopfen spezifische Xanthohumol, ein Wirkstoff, der in jüngster Zeit wegen seiner antioxidativen und krebsverhindernden Wirkung erforscht wird. Weil sich während der Lagerung der Hopfenzapfen schnell Bittersäuren bilden, die den Geschmack negativ beeinflussen würden, wird die Ernte zu Extrakten verarbeitet. Damit steht der bierbrauenden Industrie, die den grössten Teil der Hopfenernte verwendet, die “Seele des Bieres” das ganze Jahr in unveränderter Qualität zur Verfügung.
Die Pflanze:
Gemeiner Hopfen gehört zur Familie der Hanfgewächse (Cannabicae) und der Ordnung der Nesselgewächse (Urticaceae). Die 6, selten 12 Meter hoch kletternde Schlingpflanze wächst in den gemässigten Zonen Mitteleuropas. Sie kommt bei uns auch verwildert vor, z. B. an Zäunen, Hecken oder in Auwäldern. Die ursprüngliche Heimat ist unbekannt, vermutet wird die Mongolei. Hauptanbaugebiete für die kommerzielle Nutzung des Hopfens sind Deutschland, Tschechien, Slowakei, China und USA. Die Kultur erfolgt in Hopfengärten mit 6–7 Meter hohen Spalieren. Hopfen wird vegetativ vermehrt und kann bis zu 20 Jahren alt werden. Die Pflanze ist trotz Einsatz von Maschinen pflegeintensiv. Nach wie vor muss noch vieles mit der Hand gemacht werden, z. B. das Anbringen der Drähte, an denen sich die Pflanze emporziehen soll, das “Ausputzen” (pro Stock dürfen nur zwei bis sechs Triebe wachsen, die anderen werden weggeschnitten), das “Anleiten” (die Triebe werden zu den Drähten geführt, an denen sie ranken sollen) der rechtsdrehenden Triebe. Mehrmaliges Säubern, Düngen etc. der Pflanzen oder die Schädlingsbekämpfung gehören ebenfalls dazu. Bei der Ernte der Hopfen werden die oberirdischen Pflanzenteile abgeschnitten. Der nächste Austrieb erfolgt dann wieder im Frühjahr.
Gegen Schlafstörungen
Pharmazeutisch werden Hopfendrüsen wie auch Hopfenzapfen als Bestandteil von Beruhigungsmitteln verarbeitet. Meistens wird Hopfen in Kombination mit anderen beruhigend oder (ein-)schlaffördernd wirkenden Bestandteilen wie beispielsweise Baldrian, Melisse oder Passionsblume in Form von Extrakten zu Fertigarzneimitteln verarbeitet. Die milde wirkenden Beruhigungsmittel werden bei Unruhe, Angstzuständen oder Schlafstörungen verordnet. Bei Schlafstörungen haben sich auch getrocknete Hopfenzapfen, als Tee oder Badezusatz, als gut wirksames Hausmittel erwiesen. Sie können bis zu einem Jahr lang in der Hausapotheke gelagert werden. Nach einem Jahr haben die Hopfenzapfen nur noch 15–20 Prozent ihres Wirkstoffes. Deshalb empfiehlt sich beim Kauf der Hopfenzapfen auf dem Etikett das Datum zu notieren. Da pflanzliche Arzneimittel mehr Zeit brauchen, um ihre Wirkung zu entfalten, sollte der Tee mindestens über eine Woche angewandt werden.
Hopfenzapfen als Teil einer Aromatherapie:
Eine alte, erfolgreiche Methode gegen Schlafstörungen ist eine Aromatherapie-Anwendung. Dazu werden etwa 500 Gramm frische Hopfenzapfen in ein Baumwoll- oder Leinenkissen gefüllt. Das Kissen wird entweder unter oder in der Nähe des Kopfkissens gelegt. Durch die Körperwärme werden ätherische Öle des Hopfens freigesetzt. Die Anwendung ist für Erwachsene, Säuglinge und Kleinkinder geeignet. Der Duft lässt einen leichter und völlig nebenwirkungsfrei in den Schlaf gleiten. Die Füllung des Hopfenkissens sollte etwa jedes halbe Jahr erneuert werden.
Hopfenzapfentee wirkt außerdem appetitanregend und fördert die Magensaftsekretion. In der Phytotherapie wird Tee gegen Menstruations- und Wechseljahrsbeschwerden eingesetzt (wegen seines Gehaltes an Phyto-Östrogenen). In der Volksmedizin hatte wegen seiner antibakteriellen Eigenschaften Bedeutung: Er wurde bei Blasenkatarrh zur Durchspülung getrunken oder zur äusserlichen Behandlung von Geschwüren oder Hautverletzungen benutzt (in Form von Abkochungen). Hinweis: Von der Zugabe von Hopfenabkochungen zu Vollbädern wird bei nässenden, großflächigen Ekzemen oder Hautverletzungen abgeraten. Andere Gegenanzeigen sind fieberhafte Infekte, Herzinsuffizienz oder Hypertonie.
Gerstensaft tut gut – oder?
Nur etwa ein Prozent der Hopfenernte wird für pharmazeutische Präparate verwendet. 99 Prozent werden – wer denkt bei Hopfen nicht automatisch an Bier – für die Bierproduktion gebraucht. Das Getränk erfreut sich wegen seines Geschmacks und Alkoholgehalts seit Jahrtausenden großer Beliebtheit. Schon Keilschrift-Dokumente der Sumerer (2700 vor Chr.) berichten von der Bedeutung des Biers als Alltags- und Kultgetränk. Über seine Entstehung wird spekuliert: Wildes Getreide, zermahlen und in Wasser gerührt, soll als Nahrungsmittel gedient haben. Später soll die Entdeckung des Alkohols im vergorenen Brei zur Bierherstellung geführt haben. Jahrhundertelang war der Gärungsprozess dem Zufall überlassen, die Braukunst war Sache von Erfahrung und guter Beobachtung. “Hopfen und Malz waren verloren”, wenn sich ein ungenießbares Gebräu entwickelt hatte. Erst im 16. Jahrhundert wurde der alkoholische Gärvorgang als bedeutsamer Bestandteil des Brauens erkannt. Und zwei weitere Jahrhunderte später wurde entdeckt, dass der Gärungsvorgang durch Hefe und Zucker zu steuern war.
Hopfenanbau
Seit der Karolingerzeit (8. Jahrhundert) bauten Menschen in Mitteleuropa Hopfen ausschliesslich zum Bierbrauen an. Bier war Nahrungsmittel und Medizin. Es galt als harntreibend, blutreinigend, wurde gegen Steinleiden oder bei Fieber getrunken. Bier als “Anaphrodisiakum” (=Hemmstoff sexueller Lust) war ebenfalls bekannt. Ob Mönche, die sich der Braukunst verschrieben, dies vordergründig taten, um ein Mittel gegen ihre sexuelle Lust vorzuhalten? Wahrscheinlich nicht, sie schätzten das Getränk wohl eher wegen seines nährenden (in manchen Regionen war Bier als “stärkendes” Mittel in der Fastenzeit erlaubt), alkoholisierenden und entspannenden Einflusses. Bier ist das einzige Getränk, das Hopfen enthält. Dieser liefert die charakteristische Würze, sorgt wegen seiner antibakteriellen Wirkung (neben dem Alkoholgehalt des Bieres) für natürliche Haltbarkeit und die Schaumstabilität des Bieres. Während früher der Alkoholgehalt mit 2–4 Prozent wesentlich geringer war, haben es moderne Biere mit etwa 10–14 Prozent, Starkbiere sogar bis 16 Prozent, in sich. Gerade der hohe Alkoholgehalt, der langfristig bei starkem Bierkonsum Leber- und andere gesundheitliche Folgeschäden verursachen kann, brachte Bier ins Gerede. Um das Image aufzupolieren, veranstalten Bauerei-Verbände Informationsveranstaltungen. So fand im April dieses Jahres auch in Zürich ein Symposium zu “Bier und Gesundheit” statt – mit kontroversen Standpunkten. Urs Klemm vom Bundesamt für Gesundheit hob beispielsweise hervor, dass aus gesundheitspolitischer Sicht der wachsende Bierkonsum, vor allem bei Jugendlichen, Sorgen bereite. Die jährlichen Folgekosten des Alkoholkonsums würden jährlich auf 6,5 Milliarden Franken geschätzt. Konrad Studerus, Direktor des Schweizer Brauerei-Verbandes, bestätigte zwar, dass übermässiger Bierkonsum nicht gesundheitsförderlich sei – ein massvoller Umgang dagegen sehr. Als massvoll und gut verträglich bezeichnete Studerus den täglichen Konsum von zwei bis drei Stangen für Männer, Frauen dürfen ein bis zwei Stangen trinken. Bei verantwortungsvollem Umgang würden die gesundheitsfördernden Wirkungen überwiegen und sich sogar als Jungbrunnen erweisen, bestätigte Prof. Manfred Walzl, Leiter vom Gemeinsamen Fachbereich Landesnervenklinik, Graz. Denn: Bier enthält eine Vielzahl gesundheitsfördernder Substanzen wie verschiedene Mineralien, Eiweisse, Polyphenole oder Vitamine, darunter besonders die Folsäure. Folsäure ist ein Vitamin, dass u. a. an der Blutbildung und dem Zellwachstum beteiligt ist und in Risikogruppen (v. a. Schwangere) zuwenig über die tägliche Nahrung aufgenommen wird. Der Tagesbedarf eines Erwachsenen beträgt 150 mg und kann durch Bier (1 l) oder Nahrungmitteln wie Broccoli (100 g), Tomaten (0,5 kg), Kartoffeln (0,25 kg) oder zweiprozentige Milch (1,5 l) gedeckt werden.
Pflanzliche Hormone
Hopfen ist die Heilpflanze mit dem höchsten bekannten Gehalt an sog. Phyto-Östrogenen. Das sind Inhaltsstoffe, die bei Tieren östrogenähnliche Wirkungen entfalten und entwicklungsgeschichtlich der Abwehr von Pflanzen-Fressfeinden dienen (z. B. durch Verringerung der Fruchtbarkeit). Beim Menschen wurde die ausserordentliche – hormonbedingte – Wirkung bei äusserlichem Kontakt mit den Zapfen schon bei den Hopfenpflückerinnen beschrieben. Die chronische “innerliche Anwendung” des Hopfenpräparates Bier durch Männer könnte eine Feminisierung im äußeren Erscheinungsbild fördern, wie etliche Forscher behaupten. Folgen sind nicht nur der typische “Bierbauch” sein (der gerade bei jüngeren Männern stark an den Bauch von Schwangeren erinnert), sondern besonders die Entwicklung eines weiblichen Brustansatz (Gynäkomastie) bei vielen Biertrinkern. Kritiker dieser Erklärung verweisen hingegen auf die gesteigerte Energieaufnahme: “Der Bierbauch als Folge von Hopfen ist eine Mähr”, sagte Walz bei einem Telefoninterview und verwies auf die appetitanregende Wirkung des Hopfens wie auch des Alkohols: “In einer kürzlich erschienen Studie hat sich gezeigt, dass Biertrinker sozial hervorragend integriert und sehr gesellig sind. Deshalb sitzen sie halt ein wenig länger und essen mehr”, so Walzl.
Sprachliches:
Es wird vermutet, dass der Gattungsname Humulus eine mittelalterliche Latinisierung germanischer Hopfenbezeichnungen ist (humilo, hymele, humli). Eine weitere Ableitung soll vom slawischen chmel herrühren. Der Artname lupulus stellt die Verkleinerungsform vom lateinischen lupus (Wolf) dar, womit die pflanzenwürgende Eigenschaft des Hopfens hervorgehoben werden sollte. Hopfen als endgültiger Pflanzenname soll erst im 11. oder 12. Jh. geprägt worden sein.
Neueste Forschungen
Von den neuesten Forschungen mit dem Hopfenpolyphenol Xanthohumol (XN) berichtete Dr. Norbert Frank vom Krebsforschungszentrum Heidelberg: Zuerst hatten japanische Wissenschaftler 1997 von der krebshemmenden Wirkung berichtet, die zwischenzeitlich von anderen Forscherteams bestätigt wurde. Weitere Forschungen haben ergeben, das XN vorbeugend in die verschiedenen Tumor-Entwicklungsphasen (Inititation, Promotion, Progression) eingreift, so Frank. Bestätigt seien die antioxidative und “radikalfangende” Wirkweise des Hopfeninhaltsstoffes. Hierdurch kommt es u. a. zur Hemmung der anfänglichen Tumor-Entstehung (durch die Aktivitäts-Modulation verschiedener Enzymsysteme), zur Hemmung von DNA-Polymerase (was die Vermehrung von Tumorzellen unterdrückt) oder zur Unterdrückung der Gefässneubildung in Tumorgewebe. Die Ergebnisse wurden bislang mittels in Tierexperimenten erarbeitet. Die positiven Ergebnisse lassen auf die Entwicklung eines Medikamentes hoffen, das über verschiedene Wege die Tumorentstehung blockiert, die Ausbreitung minimiert und den körpereigenen Kampf stimuliert.
Autorin
• Marion Kaden, Natürlich (2006).
Quellen
Symposium “Bier – mehr als nur ein Getränk”, 27. April 2005, Zürich, Beiträge aus Forschung, Wissenschaft und Medizin zum Internationalen Symposium, S. 4 und 10; 27. April 2005, Zürich (PDF-Datei abrufbar unter www.bier.ch).
Gavaler, JS: The phytoestrogen congeneers of alcoholic beverages: current status. Proc Soc Exp Biol Med. 1995 Jan;208(1):98–102.
Gerhäuser, C.: Beer constituents as potenial cancer chemopreventive agents. Eur J Cancer. 2005 Jun 10; Buckwold VE: Antiviral activity of hop constituents against a series of DNA and RNA viruses.Antiviral Res. 2004 Jan;61(1):57–62.
weitere Infos
• Monographie
• Teerezept