Dem Besten einen Lorbeerkranz
Redewendungen wie “sich auf den Lorbeeren ausruhen” oder “Vorschußlorbeeren erhalten” zeigen, wie lange Lorbeeren (Laurus nobilis L.) schon bei uns eingeführt sind. Ursprünglich bezieht sich die Bedeutung auf Helden-Ehrungen. Der Brauch begann in Griechenland, wo die Sieger der Pythischen Spiele in Delphi einen Kranz aus Lorbeeren erhielten. Ein paar Jahrhunderte später übernahmen die Römer diese Sitte und bekränzten ihre siegreichen Feldherren während der Triumphzüge zum Zeichen besonderer Anerkennung und Wertschätzung. Ebenso wurden Dichter (Poeta laureatus) für ihre ausgezeichneten Werke bei den Griechen und Römern mit einem Lorbeerkranz geehrt. Der Brauch fand in Europa bis in die Neuzeit Fortführung. Eine interessante sprachliche Entwickung hat sich bis in die Moderne ergeben: Sie lässt sich vom akademischen Titel Baccalaureat herleiten, welche eine Wandlung zum sogenannten bachelor vollzog – der heute der niedrigste akademische Grad im angloamerikanischen Sprachraum ist.
Kraut der Vorhersehung
Der Lorbeerbaum gehört zur Familie der Lorbeerbaumgewächse (Lauraceae), stammt wahrscheinlich aus Kleinasien und eroberte von dort aus die heißen Mittelmeerländer. Den Griechen war Lorbeer heilig, denn er war Apollo, dem Gott des Lichtes, der Heilkunst, der Musik und der Dichtung geweiht. Die üppigen, robusten Bäume wuchsen überall im Land und fanden nicht nur als Gewürz Verwendung. Die Griechen schätzten die anregende Wirkung des getrockneten Lorbeers, der, abgebrannt als Räucherwerk, einen scharfen, würzigen Geruch entwickelte. Diese Art der Spezerei war im Gegensatz zur ausländischen Myrrhe kostengünstig und wurde sowohl zuhause als auch in den Tempeln abgebrannt. In den Kultstätten kam den Lorbeer-Räucherungen reinigende Bedeutung zu, denn die Griechen glaubten u. a., damit Blutschuld tilgen zu können. Außerdem waren sie davon überzeugt, dass der aromatische Rauch den Wahrsagern die Kraft verlieh, Verborgenes zu sehen. Deshalb wurde wohl auch Lorbeer-Rauch beim berühmten Orakel von Delphi verwendet. Alte Überlieferungen berichten, dass das Orakel auf einem Dreifuß über einer rauchenden Erdspalte saß – doch Geologen fanden keinerlei derartige Erdspalten. Daher gehen moderne Wissenschaftler davon aus, dass die Priesterin Phytia aufgrund von Lorbeer-Räucherungen und der zusätzlichen Einnahme von Drogen in Trance geriet, um in diesem entrückten Zustand mit ihrem Gott Apollo kommunizieren zu können.
Mythologie und Kunst
Daphne, die schöne Tochter des Flußgottes Laon oder (Peneus hatte sich Apollo auserkoren, doch die Mutter Gea verwandelte sie in einen Lorbeerbaum, welchem Apollo den Namen Daphne (, Dafni) gab: “Meine Gattin kannst du nicht sein, aber mein Baum kannst du wenigstens sein. Immergrün sei dein Laub, an dir hänge ich meine Cither, meinen Köcher”. (Ovid, Metamorphosen I, 352). Ovid verschweigt Daphnes zölibatäre Lebensweise, zu der sie als Priesterin der Jagdgöttin Artemis verpflichtet war. Daphne hatte alle Annäherungsversuche Apollos abgewiesen. Er verfolgte die Nymphe, die in ihrer Angst vor Vergewaltigung um Hilfe flehte. Diese wurde ihr auf ungewöhnliche aber sichere Weise gewährt.
Die Verwandlung der Daphne ist zum Sinnbild geworden. Ihre Metamorphose wurde jahrhundertelang von Künstlern, Dichtern und Komponisten thematisch aufgegriffen: Beispielsweise schufen Schütz, Händel, Strauss Opern; H. Sachs schrieb ein Drama, Maler wie Giorgione und Tiepolo liessen sich inspirieren und der Bildhauer Bernini meisselte die Verfolgungsjagd des Apollo in Stein. Bei der Verwandlungsthematik geht es nicht nur um die Darstellung einer unglücklichen, unvollendeten Liebe, sondern um die freie Entscheidung. Daphne entzieht sich ihrem Verfolger und entscheidet sich, ihre göttliche Existenz als Nymphe aufzugeben, um zu einem Baum zu werden. Damit fügt sie sich in den irdischen Kreislauf ein und dient fortan den Menschen.
Anwendungen im Altertum
Lorbeerblätter (Laurus nobilis)
Durch Analyseverfahren der Neuzeit konnten narkotische Eigenschaften des Lorbeers nachgewiesen werden. Vielleicht haben die alten Griechen diesen besonderen Charakter der Pflanze bemerkt und ihr deshalb bei den Kulthandlungen eine spezielle Stellung als rituelles Hilfsmittel zugeordnet. Die Beobachtung der Auswirkung heilwirksamer Pflanzen bei der Bekämpfung von Erkrankungen hatte bei Heilkundigen immer eine besondere Rolle gespielt. Durch den griechischen Arzt Dioskurides (40 – 90 nach Chr.) erhielt die bis dahin von vielen abergläubisch geprägten Behandlungsmethoden einen neuen Impuls: Dioskurides legte in seinem Werk De Materia Medica erstmals die Heilwirkung von Pflanzen dar, die aufgrund von Beobachtung und genauer Dokumentation entstanden waren. Der Arzt ließ abergläubische Behandlungspraktiken außen vor und war mit dieser empirischen Herangehensweise seiner Zeit weit voraus. Dioskurides hatte auch die heilsame Wirkung des Lorbeers dokumentiert: Er empfahl sämtliche Teile der Pflanze, die er für “erwärmend” hielt. Seine medizinischen Anwendungen bezogen sich beispielsweise auf das Auflegen frischer, grüner Blätter zur Linderung von Wespen- oder Bienenstichen. Er verordnete Abkochungen von Lorbeerblättern als Zusatz für Sitzbäder, um Frauen mit Gebärmutter – oder Blasenleiden Linderung zu verschaffen. Das Öl der Früchte vermischte der Arzt mit altem Wein oder Rosenöl und wandte es als Heilmittel gegen Schwerhörigkeit oder Ohrenschmerzen an. Es wurde außerdem Salben oder Umschlägen zugesetzt, weil seine erwärmende Wirkung rasche Heilung bewirken sollte.
Durchblutungsfördernd und Schleim lösend
Die moderne, medizinische Verwendung des Lorbeers bezieht sich auf viele erfahrungsmedizinische Anwendungen. Hauptsächlich findet Lorbeeröl (Oleum Lauri) Verwendung. Es wird durch Auskochen oder Auspressen der Lorbeerfrüchte gewonnen und besteht am Ende des jeweiligen Verfahrens aus einem grünlichen, (da chlorophyllhaltig), salbenartigen Gemenge aus Fett und ätherischen Ölen. Es hat durchblutungsfördernde Wirkung und wird beispielsweise bei degenerativen Gelenkerkrankungen (Rheuma) oder Verletzungen des Bewegungsapparates (Verstauchung, Zerrung, Quetschung) verwendet. Das Lorbeeröl (www.bonsana.ch) wird leicht aufgetragen und leicht unterstützend einmassiert, wenn die schmerzenden Bereiche dieses zulassen. Ein hautreizender Effekt des Öls kann bei der Behandlung von Furunkeln oder Abzessen zur besserem Abheilung beitragen. Vorsicht: Als Nebenwirkungen kann es zu Kontaktallergien kommen, die vor allem durch Sesquiterpenlactone ausgelöst werden können. Auch sind Kreuzallergien mit Korbblütlern möglich. Wegen des Gehaltes der ätherischen Öle des Lorbeers eignet sich das Öl auch zur Bekämpfung grippaler Infekte oder Bronchitis. Vor allem das Cineol sowie alpha- und beta-Pinen wirken als Zusatz zur Inhalation schleimlösend, Auswurf fördernd oder schweisstreibend. Die ätherischen Öle unterstützen auch den Abheilungsprozess der angegriffenen Bronchien. Deshalb kann Lorbeeröl als Inhalationszusatz bei Erkältungskrankheiten eingesetzt werden.
Inhalation:
Die Inhalationstherapie hat sich ursprünglich aus der Sole-Inhalation entwickelt. Sie ist etwas in Vergessenheit geraten, doch ist sie gut durchführbar bei der häuslichen Selbstbehandlung. In eine Schüssel (auf feste Unterlage stellen!) mit heissem Wasser werden etwa 10 Tropfen Lorbeeröl geben. Bitte ein großes, dickes Badetuch über den Kopf legen, weil so der Dampf nicht so schnell verfliegt. Ein Kopfdampfbad wird immer im entspannten Sitzen gemacht. Kopf und Oberkörper über die Schüssel beugen, nur so werden die Zugänge der Nasennebenhöhlen von dem Dampf erreicht. Abstand am Anfang mindestens 30 cm. Ist der Dampf noch zu heiss, größeren Abstand halten. Beim langsamen Abkühlen des Wassers wird weniger Dampf entwickelt, dann kann der Kopf der Wasseroberfläche näher gerückt werden. Langsam und entspannt durch die Nase ein- und aus dem Mund ausatmen. Etwa 8–10 Minuten über dem Dampf atmen. Hautrötung und Schwitzen sind völlig normal und ein Zeichen intensiver Wirkung. Zum Abschluss das Gesicht mit einem kalten Waschlappen kurz abreiben und trockenrubbeln. Warm anziehen und Zugluft vermeiden.
Inhaltstoffe:
Die Lorbeerblätter (Folia Lauri) enthalten 1–3 Prozent ätherische Öle, Bitter- und Gerbstoffe, 50 Prozent Cineol, etwa 12 Prozent Monoterpene wie alpha- und beta-Pinen, Terpineol und Dehydrocostuslacton (für potentielle Kontaktallergien verantwortlich). Ferner werden Lorbeerfrüchte (Fructus Lauri) eingesetzt, die neben dem fetten Öl noch Zucker und Stärke enthalten. Die etwa 1 cm großen Steinfrüchte des Lorbeers werden für die Gewinnung von Lorbeeröl – bzw. – Butter verwandt.
Schmerzlindernde Wirkung
Auf der Suche nach gesundheitsfördernden Wirkungen wurden in den letzten Jahren verschiedene Versuche mit der Pflanze und Pflanzenextrakten durchgeführt. Antioxidative Wirkungen stellten beispielsweise serbische Forscher bei den Blättern, Früchten und auch der Rinde des Baumes fest. Iranische Wissenschaftler bestätigten die schmerzlindernden und anti-entzündliche Wirkung des Öls anhand von Tierversuchen. Die Resultate waren so positiv, dass weitere Untersuchungen empfohlen wurden. Japanische Forscher untersuchten verschiedene, wasserlösliche Sesquiterpene, die vom Lorbeer extrahiert wurden. Sie stellten eine starke Wachstumshemmung bei Leukämiezellen fest.
Traditionelles Gewürz
Die meisten Menschen kennen Lorbeer nur als Gewürz. Wer allerdings einmal versehentlich auf ein Lorbeerblatt gebissen hat, wird den medizinalen Geschmack nicht vergessen. Die Bittermittel (Amarum) des Lorbeers irritieren die Geschmacksnerven derartig, dass der Appetit sofort verflogen ist. Um solche Geschmackssensationen zu vermeiden, wird Lorbeer vor dem Essen immer entfernt. In geringer Konzentration sorgen die Bittermittel des Gewürzes für eine Steigerung der Magensaft- und Speichelabsonderung. Lorbeer ist deshalb als appetitanregende, aromatische Verdauungshilfe in der traditionellen Küche beliebt. Das Gewürz findet bei Suppen‑, Fleisch‑, Wild- und Fischgerichten oder kräftigen Saucen Verwendung. Unverzichtbar ist Lorbeer bei Eingelegtem wie Sauerkraut, Gurken oder Heringen oder bei manchen Marinaden und Beizen, bei denen Lorbeer durch seine typische Würze wiedererkennbar ist. Neben der Anregung der Verdauungssaft-Produktion sind die Wirkstoffe der Lorbeerblätter blähungslösend und entschlackend.
Wärmeliebend und robust
Lorbeerstrauch
Die Hauptanbaugebiete für die Handelsware liegen in Italien, dem ehemaligen Jugoslawien, Griechenland und Türkei. In Kulturen angebaut, wird die Pflanze in Buschform zurückgeschnitten, um die Ernte der Blätter und der Früchte zu erleichtern. Die Blätter fühlen sich ledrig und zäh an, sind leicht erkennbar an der lanzettlich, beidseitig zugespitzten Form. Sie sind kräftig olivgrün, kurz gestielt, am Rand häufig gewellt und werden bis zu 10 cm lang. Die Lorbeerblätter werden von Hand gepflückt und langsam im Schatten getrocknet. Nur so bleibt die olivgrüne Farbe erhalten. Bei unsachgemäßem Trocknen werden die Blätter braun und sind für den Handel ungeeignet. Frisch getrocknet haben die Blätter ein starkes Aroma und einen sehr bitteren Geschmack. Sie werden deswegen selten verwendet. Beim Trocknen hingegen verflüchtigt sich ein Teil der Bitterstoffe. So kann das lorbeertypische Aroma in den Vordergrund treten.
Tipp
Gute Handelsware lässt sich leicht erkennen. Sie muss grün, trocken, stielfrei und unzerbrochen sein. Beim Brechen eines getrockneten Blattes muss der charakteristische, würzige Geruch frei werden. Lorbeerblätter halten sich im dunklen Glas luftdicht verschlossen mindestens drei Jahre lang. Anders ist es bei gemahlener Ware: Das Aroma verfliegt schnell, weshalb sich die Würzkraft nur etwa ein Jahr hält. Frische, gemahlene Ware oder Lorbeerblätter sollten wegen des starken Würzcharakters immer nur sparsam verwendet werden.
Der immergrüne, üppige Lorbeerbaum begeistert sowohl Garten- als auch Balkonbesitzer und findet als Kübelpflanze überall einen Platz. Natürlich gewachsen hat er eine buschige Form, wird jedoch auch gerne kugel- oder pyramidenförmig zurechtgestutzt. Der dekorative Baum gedeiht am besten in lockerer, durchlässiger Erde. Als echter Südländer mag er am liebsten einen sonnigen Standort, kommt aber auch mit Halbschatten zurecht. Seine schönen Blätter erhalten ihren Glanz, wenn sie regelmässig mit einem feinen Strahler abgesprüht werden. Außerdem hält diese Dusche Blatt- und Schildläuse fern, für die der Baum bei Behandlungsfehlern anfällig ist: Zum Beispiel dürfen die Wurzelballen nicht austrocknen, aber auch nicht zu nass werden. Zwar übersteht die Pflanze kurzfristig Frost bis zu minus 10 Grad, sollte jedoch vorsichtshalber vor dem Winter in einen hellen bis zu 5 Grad warmen Raum oder Wintergarten untergebracht werden. Bei guter Behandlung können Lorbeerbäume alt werden. Seine Blätter werden dann nicht nur als frisches Gewürz dienen, sondern als duftende Beigabe in Blumensträussen oder als Tischdekoration Freude bereiten.
Mehr:
Lorbeerwälder in Makaronesien (Teneriffa)
Autorin
• Marion Kaden, Natürlich (2006).