Heilpflanzen bei Neurodermitis

The­ra­peu­ti­sche Crux – so bewer­ten vie­le Medi­zi­ner die Neu­ro­der­mi­tis (“ato­pi­sches Ekzem”). Das bedeu­tet: Es ist ein Kreuz mit der schul­me­di­zi­ni­schen Behand­lung, weil eine Bes­se­rung oft nur schwer, eine Hei­lung fast nie zu errei­chen ist. Wird jedoch eine befrie­di­gen­de Beschwer­de-Lin­de­rung erreicht, ist die­se oft mit unschö­nen Neben­wir­kun­gen erkauft (Bei­spiel Kor­ti­son-The­ra­pie). Kein Wun­der, dass sich Eltern neu­ro­der­mi­tis­kran­ker Klein­kin­der und Kin­der oft allein gelas­sen füh­len, immer wie­der die Behand­ler wech­seln oder ihre Hoff­nung auf schein­ba­re Wun­der­the­ra­pien set­zen (zum Bei­spiel L‑Peptide oder Zema­phyte – bei­des nicht mehr erhält­lich). Vie­le Hoff­nun­gen rich­ten sich auch auf Heil­pflan­zen, aller­dings sind die wis­sen­schaft­li­chen Ergeb­nis­se von Behand­lungs­stu­di­en widersprüchlich.

Der 2006 im Auf­trag der Deut­schen Bun­des­agen­tur für Health Tech­no­lo­gy Assess­ment (HTA) erar­bei­te­te, rund 180 Sei­ten star­ke Bericht “The­ra­pie der Neu­ro­der­mi­tis” [1] kommt auf der Basis aktu­el­ler, ver­öf­fent­lich­ter kli­ni­scher Stu­di­en zu dem Schluss, dass unter den Heil­pflan­zen lediglich
* Johan­nis­kraut (Rot­öl, “Hyperi­cum per­fo­ra­tum”) und
* ver­schie­de­ne Mischun­gen chi­ne­si­scher Kräu­ter (vor allem das inzwi­schen vom Markt genom­me­ne Prä­pa­rat Zemaphyte)
sta­tis­tisch bedeut­sa­me Wir­kun­gen bei Neu­ro­der­mi­tis haben. Ein Gut­teil der in Euro­pa auf den Markt kom­men­den chi­ne­si­schen “Kräuter”-Mischungen ent­fal­ten ihre Wir­kung aller­dings durch nicht-dekla­rier­te Kor­ti­son-Ver­un­rei­ni­gun­gen, wie bri­ti­sche Gesund­heits­be­hör­den seit Jah­ren beklagen.

Viele Pflanzen wurden untersucht …

Taub­nes­sel (Lami­um album)

So bunt wie das Spek­trum der schul­me­di­zi­ni­schen The­ra­pien ist auch das Spek­trum der expe­ri­men­tell erprob­ten Heil­pflan­zen. Vie­le der gro­ßen phy­to­the­ra­peu­ti­schen Mit­tel wur­den getes­tet, aber kaum eine Ein­zel­pflan­ze oder Heil­pflan­zen-Mischung hat­te über­zeu­gen­de Wir­kun­gen. Jeden­falls nicht so über­zeu­gend, dass wei­te­re, grö­ße­re kli­ni­sche Über­prü­fun­gen durch­ge­führt wur­den. Bei­spiel: Eine Mischung aus sibi­ri­schem Gin­seng (“Eleu­thero­coc­cus sen­ti­co­sus”), Schaf­gar­be (“Achil­lea mil­le­fo­li­um”) und wei­ßer Taub­nes­sel (“Lami­um album”) zeig­te kei­ne Über­le­gen­heit gegen­über dem Schein­me­di­ka­ment [2]. Ande­re Heil­pflan­zen kön­nen immer­hin bei äußer­li­cher Anwen­dung juck­reiz-lin­dern­de Wir­kun­gen her­vor­ru­fen. Bei­spiels­wei­se das Öl aus Nacht­ker­zen­sa­men (“Oeno­the­ra bien­nis”) [3] oder Kamil­len­öl-Extrak­te [4]. Wobei Kamil­le – beson­ders bei vor­ge­schä­dig­ter Haut von Neu­ro­der­mi­tis-Pati­en­ten – Kreuz-/All­er­gien aus­lö­sen kann, wie man­che ande­re bei Neu­ro­der­mi­tis eben­falls ein­ge­setz­te Heil­pflan­zen [5].

… nur wenige bewähren sich im Alltag

Eine vor allem im Mit­tel­meer­raum behei­ma­te­te Pflan­ze – die grau­be­haar­te Zist­ro­se – hat sich in den letz­ten Jah­ren zuneh­mend als basis­the­ra­peu­ti­sche Alter­na­ti­ve bei Neu­ro­der­mi­tis erwie­sen. Extrak­te einer bestimm­ten Varie­tät mit beson­ders hohem Gehalt an spe­zi­el­len Poly­phe­no­len (“Cis­tus inca­nus PANDALIS”) ste­hen als Sal­be zur Ver­fü­gung [6]. Die Wir­kung pflanz­li­cher Poly­phe­no­le (bio­ak­ti­ve Farb­stof­fe, Geschmackstof­fe oder Gerb­säu­ren) bei Neu­ro­der­mi­tis und All­er­gie wird schon seit Jah­ren unter­sucht [7, 8] – ver­mut­lich spie­len aber noch wei­te­re Inhalts­stof­fe der grau­haa­ri­gen Zist­ro­se eine Rol­le. Pilot­stu­di­en zei­gen zudem, dass auch wäss­ri­ge Extrak­te – ent­we­der inner­lich als Tee oder äußer­lich als Waschung ange­wandt – deut­lich beschwer­de­lin­dern­de Wir­kun­gen haben [9].

Zusammenfassung

Auch die Phy­to­the­ra­pie bie­tet bei Neu­ro­der­mi­tis kei­ne in jedem Fall sicher wir­ken­den, dau­er­haft erprob­ten oder in kon­trol­lier­ten kli­ni­schen Stu­di­en (RTC) gut beleg­ten Behand­lungs-Alter­na­ti­ven an. Aber: Mit Heil­pflan­zen-Hil­fe ist – im Rah­men einer ganz­heit­li­chen The­ra­pie – immer wie­der eine erheb­li­che Lin­de­rung von Beschwer­den mög­lich. Sofern dies nicht durch erfah­re­ne natur­heil­kund­li­che Ärz­te oder Heil­prak­ti­ker gelenkt wird, soll­ten Eltern neu­ro­der­mi­tis­kran­ker Kin­der auf den Bezug von nicht-zuge­las­se­nen Arz­nei- oder Nah­rungs­er­gän­zungs­mit­teln übers Inter­net oder den Kauf von impor­tier­ten, aber nicht geprüf­ten Pro­duk­ten ver­zich­ten. Zu groß ist die Gefahr der Ver­un­rei­ni­gung durch Kor­ti­son, Queck­sil­ber, Arsen oder ande­ren krank­ma­chen­den Schad­stof­fen. Auch für pflanz­li­che Arz­nei- und Nah­rungs­er­gän­zungs­mit­tel gilt: Hohe Qua­li­täts­maß­stä­be schon beim Anbau (“Bio…”) und natür­lich bei der Ver­ar­bei­tung (zum Bei­spiel Ver­zicht auf unnö­ti­ge Hilfs­stof­fe) oder Ver­pa­ckung sind die Grund­la­ge, damit Heil­pflan­zen ihre the­ra­peu­ti­schen Mög­lich­kei­ten über­haupt erst ent­fal­ten können.

Neu­ro­der­mi­tis, ato­pi­sches Ekzem, chro­ni­sches oder chro­nisch wie­der­keh­ren­des Ekzem, ist vor allem durch eine, von bestimm­ten Abwehr­stof­fen (Immun­glo­bu­li­nen der Klas­se IgE) ver­mit­tel­te Über­emp­find­lich­keits­re­ak­ti­on bedingt.

Ein Ekzem ist eine flä­chen­haf­te, ent­zünd­li­che Haut­ver­än­de­rung mit Juck­reiz. Meist zeigt sich eine kör­per­sei­ten­glei­che Ver­tei­lung, wobei die Schleim­häu­te nicht betrof­fen sind. Neu­ro­der­mi­tis tritt bei man­chen Pati­en­ten in Kom­bi­na­ti­on mit ver­schie­de­nen all­er­gi­schen Reak­tio­nen auf (Heu­schnup­fen, all­er­gi­sches Asth­ma). Die­se Bereit­schaft des Kör­pers, all­er­gisch zu reagie­ren, ist ver­mut­lich vererbt.

Neu­ro­der­mi­tis beginnt meist im Klein­kin­des­al­ter mit Juck­reiz, Rötung, Schup­pung, Näs­sen und Krus­ten­bil­dung ins­be­son­de­re an den Wan­gen und am behaar­ten Kopf (“Milch­schorf”). Immer häu­fi­ger zeigt sich heu­te auch ein Beginn der Erkran­kung im Erwach­se­nen­al­ter. Nach dem zwei­ten Lebens­jahr ent­spre­chen die Beschwer­den jenen des Erwach­se­nen. Im Kin­des­al­ter sind jedoch meist die Gelenk­beu­gen und häu­fig das Gesäß befal­len. Beim Erwach­se­nen sind neben den Gelenk­beu­gen vor allem Gesicht, Hals, Nacken, Schul­ter und Brust die häu­figs­ten Orte der Hautveränderungen.

Die Haut ist ins­ge­samt durch eine Unter­funk­ti­on der Talg- und Schweiß­drü­sen glanz­los und tro­cken, ihr Ober­flä­chen­re­li­ef ist ver­grö­ßert. Die soge­nann­te “Fisch­haut” mit sehr tro­cke­ner, pul­ver­ar­tig schup­pen­der Haut fin­det sich bei etwa jedem zwei­ten Pati­en­ten. Die Fin­ger­nä­gel sind durch stän­di­ges Krat­zen meist abge­nutzt und glän­zend, die Augen­brau­en oft abge­rie­ben. Sel­ten kommt eine Trü­bung der Augen­lin­se (“Kata­rakt”) vor. Im Blut fin­det man häu­fig eine star­ke Erhö­hung bestimm­ter Abwehr­stof­fe und Blut­kör­per­chen (“IgE-Immun­­g­lo­­bu­­lin”, “eosi­no­phi­le Leukozyten”).

Das Krank­heits­bild wird – wie vie­le ande­re Erkran­kun­gen auch – durch see­li­sche Fak­to­ren (zum Bei­spiel Stress) oder Umwelt­fak­to­ren (All­er­­gie-Aus­­­lö­­ser, Ver­schlech­te­rung im Früh­jahr und Win­ter, Umwelt-Gif­­te) beein­flusst. Mit zuneh­men­dem Alter nimmt die Inten­si­tät des Ekzems ab. Es ver­schwin­det oft ganz um das 30. Lebens­jahr. Mög­li­che Kom­pli­ka­tio­nen sind bak­te­ri­el­le und vira­le Zweit-Infektionen.

Hin­weis: Die Neu­ro­der­mi­tis ist weder eine “Nerven”-Erkrankung (“neu­ro…”), noch ist sie see­lisch ver­ur­sacht. Aller­dings kann der Lei­dens­druck der Haut­ent­zün­dung (“…der­mi­tis”), vor allem durch den Juck­reiz, so gewal­tig wer­den, dass dann – als Fol­ge! – auch die See­le zu lei­den beginnt.

Quel­le: nach Micro­soft Encar­ta 2007

Quel­len
1. Wer­fel T, Claes C, Kulp W, Grei­ner W, von der Schu­len­burg JM: HTA-Bericht: The­ra­pie der Neu­ro­der­mi­tis. GMS Health Tech­nol Assess. 2006; Doc 2 (2):1–182 (Voll­text).
2. Shapi­ra MY, Rapha­elo­vich Y, Gilad L, Or R, Dumb AJ, Ing­ber A: Tre­at­ment of ato­pic der­ma­ti­tis with her­bal com­bi­na­ti­on of Eleu­thero­coc­cus, Achil­lea mil­le­fo­li­um, and Lami­um album has no advan­ta­ge over pla­ce­bo: a dou­ble blind, pla­ce­­bo-con­­trol­­led, ran­do­mi­zed tri­al. J Am Acad Der­ma­tol. 2005 Apr;52(4):691–3 (Med­li­ne).
3. arz­n­ei-tele­­gramm Arz­nei­mit­tel­da­ten­bank (ATD): Ver­wen­de­te Arz­nei­stof­fe bei ato­pi­scher Der­ma­ti­tis. März 2007.
4. Pat­­z­elt-Wen­c­z­­ler R, Pon­ce-Poschl E: Pro­of of effi­ca­cy of Kamillosan(R) cream in ato­pic ecze­ma. Eur J Med Res. 2000 Apr 19;5(4):171–5 (Med­li­ne).
5. Ernst E: Adver­se effects of her­bal drugs in der­ma­to­lo­gy. Br J Der­ma­tol. 2000 Nov;143(5):923–9 (Med­li­ne).
6. Cys­tus® Bio Sal­be (Man­del­öl, Bie­nen­wachs, Extrakt aus Cis­tus inca­nus ssp. tau­ricus, Was­ser, PZN: 33 82 114). Natur­pro­duk­te Dr. Pan­da­lis GmbH & Co. KG (Web­site).
7. Aka­zo­me Y: Cha­rac­te­ristics and phy­sio­lo­gi­cal func­tions of poly­phe­nols from app­les. Bio­fac­tors. 2004;22(1–4):311–4 (Med­li­ne).
8. dos San­tos MD, Almei­da MC, Lopes NP, de Sou­za GE: Eva­lua­ti­on of the anti-inflam­m­a­­to­ry, anal­ge­sic and anti­py­re­tic acti­vi­ties of the natu­ral poly­phe­nol chlo­ro­ge­nic acid. Biol Pharm Bull. 2006 Nov;29(11):2236–40 (Med­li­ne).
9. Wie­se G: Neu­ro­der­mi­tis­be­hand­lung mit Cys­­tus-Tee­­kraut. Natur­heil­pra­xis mit Natur­me­di­zin. 1996 Jul; 49(7):1069–71.

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