Ist Fieber nun gut oder nicht? Schulmediziner und Naturheilkundler sind gegensätzlicher Meinung und haben unterschiedliche Vorgehensweisen. Viele Eltern und Erwachsene sind oft verunsichert. Für naturheilkundlich Orientierte ist eindeutig: Fieber ist ein Ausdruck der natürlichen Auseinandersetzung des Körpers mit dem “Fremden”, zum Beispiel bakteriellen oder viralen Eindringlingen. Es verstärkt Lerneffekte des kindlichen Immunssystems bei dem Kampf gegen Erreger. Oder optimiert – auch im Erwachsenenalter – die Heilung bei Infektionen oder chronischen Erkrankungen.
Kindliches Fieber ist für Eltern der häufigste Grund, einen Arzt aufzusuchen, stellten US-amerikanische Wissenschaftler fest. Sie führten Eltern-Befragungen durch, um die Einstellungen zum Fieber in Erfahrung zu bringen. Ergebnis: Die meisten Eltern nehmen an, dass Fieber eine Erkrankung ist und nicht Ausdruck derselben. 91 Prozent der Befragten glauben, dass Fieber sogar gesundheitsgefährdende Folgen nach sich ziehen könne. 65 Prozent der Eltern fühlten sich dadurch stark beunruhigt. Weil viele Eltern ausserdem annehmen, dass Bakterien Verursacher von Fieber sein können und diesbezüglich diagnostische Klarheit erhoffen, veranlassen sie über den Arzt aufwändige labortechnische Untersuchungen [1]. Um das Fieber beherrschen zu können, so stellten Wissenschaftler aus Norwegen in einer Studie dar, werden bei 41 Prozent der Kinder fiebersenkende Mittel eingesetzt. So wird das fiebersenkende Schmerzmittel Paracetamol beispielsweise am häufigsten bei Kindern von 1–2 Jahren eingesetzt. 12 Prozent der Kinder bekommen Antibiotika, um die Krankheit zu verkürzen [2]. In Anbetracht dieser Zahlen sprechen manche Wissenschaftler sogar von einer regelrechten Fieber-Phobie vieler Eltern.
Unterschiedliche Ansätze
Digitales Fieberthermometer
Bei der Ärzteschaft ist Umgang und Beurteilung von Fieber unterschiedlich: Schulmedizinisch orientierte Ärzte verschreiben gerne fiebersenkende Zäpfchen oder Tabletten, um Kindern rasche Erleichterung zu verschaffen. Oder weil die Versorgung eines fiebernden Kindes Eltern manchmal zu viele Umstände macht. Schulmediziner versuchen, Fieber zu kontrollieren und abzusenken, da es als sinnlose, entkräftende und zum Teil lebensbedrohliche Krankheitsreaktion interpretiert wird. Naturheilkundlich orientierte Ärzte hingegen sehen im Fieber einen natürlichen Helfer und bezeichnen es gerne als das “heilende Feuer”. Deshalb fördern sie sowohl die Fieber-Entstehung als auch den Fieber-Erhalt im Krankheitsverlauf und unterdrücken Fieber nicht mit Medikamenten. Denn: Fieber ist Ausdruck eines Kampfes im Körpers gegen eine Erkrankung. Dieser Kampf ist natürlich, physiologisch und als komplexe Heilungsreaktion genetisch festgelegt. Der Körper beziehungsweise das Immunsystem erlernt im Verlauf von Infektionen wichtige immunologische Verteidigungsmechanismen zu aktivieren, um sich besser gegen Viren, Bakterien und andere schädliche Einflüsse zur Wehr setzen zu können. So erlernt das Immunsystem bis etwa zum 11. Lebensjahr durch viele Erkrankungen (vor allem auch die sogenannten Kinderkrankheiten) eine hochwirksame Abwehr aufzubauen. Fieber ist eine der effektivsten Unterstützungs-Massnahme zum Erwerb der lebenslangen immunologischen Kompetenz.
Bewährt im Laufe der Evolution
Andreas Schaffner vom Universitätsspital in Zürich stellt in einer Publikation fest, dass eine therapeutische Fiebersenkung (Antipyrese) keine relevanten Einflüsse auf Krankheitsverläufe, Heilung oder Ausgang von Infektionskrankheiten hat. Da sich die Fieberreaktion aber über Millionen von Jahre der Evolution erhalten hat, dürfte sie Vorteile für warmblütige Tiere bieten – vor allem im Bereich der Infektionsabwehr. Deshalb wendet sich Schaffner gegen den Einsatz von fiebersenkenden Mitteln, zumal diese kaum mehr bewirken als eine Verbesserung des Krankheitsgefühls der Fiebernden [3]. Der amerikanische Forscher Anthony R. Torres, Universität Utah, geht noch einen Schritt weiter: Er stellt die These auf, dass durch fiebersenkende Mittel die immunologische Entwicklung eines Kindes stark behindert wird. Er stellt die These auf, dass mit zunehmendem Einsatz von Antipyretika die Erkrankungsgefahr hinsichtlich Autismus oder nervenschädigenden Erkrankungen steigt [4].
Zahlreiche weitere Studien beschäftigen sich mit dem Fieber als Heilreaktion. Sie zeigen auf, das die Unterdrückung von Fieber zu einer erhöhten Sterberate führt (im Tierversuch) oder die Chronifizierung von Infektionen erhöht (bei Menschen). Weitere wissenschaftliche Arbeiten beschäftigen sich mit der Verwendung von künstlichem Fieber (“Hyperthermie”). Beispielsweise in der Krebstherapie, wo Überwärmung auf einfache Weise den Abwehrkampf und Heilungsvorgänge fördern soll.
Schutz- und Abwehrmechnismus
Fieber ist also eine natürliche Reaktion des Körpers auf unterschiedlichste Ereignisse: Beispielsweise auf Infektionen (Schnupfen, Bronchitis, Blasenentzündung, Kinderkrankheiten) oder auf Schädigung von körpereigenen Zellen (Bluterguss, Knochenbruch, Krebs). Auch nach dem Eindringen von Fremd-Eiweiß, Giftstoffen, Viren oder Bakterien in den Körper startet der menschliche Organismus die, über eine komplexe Kaskade von Hormonen und Entzündungs-Signalstoffen vermittelte Schutz-Reaktion. Oft vergessen wird, dass auch seelische Belastungen und Traumatisierungen die Körpertemperatur erhöhen können (was Schulmediziner oft zur “Weißglut” bringt, weil sie keine körperliche Ursache finden können).
Steigerung von Stoffwechsel-Aktivitäten
Fieber entsteht durch eine Temperatur-Sollwert-Erhöhung. Danach steigt die Körpertemperatur an und Fieber entsteht. Je nach Grad der Bedrohung wird zwischen leichtem (ab 38° Celsius), mäßigem (ab 39° Celsius) und hohem (ab 40,5° Celsius) Fieber unterschieden. Beispiel: Wenn Bakterien in den Körper gelangt sind und bestimmte Bestandteile der Bakterienwand über das Blut das Temperatur-Regelzentrum im Gehirn erreichen, stellt dieses – ähnlich einem Heizungsthermostat – den Temperatur-Sollwert höher ein. Um diese erhöhte Temperatur zu erreichen, versucht zuerst die Leber – der Ort der hauptsächlichen Wärme-Erzeugung – mehr Wärme zu produzieren. Reicht dies nicht, wird Kältezittern (zuerst Frösteln, dann Schüttelfrost) ausgelöst und die Schweiss-Bildung gesenkt. Muskelaktivität erzeugt, wie jeder vom Sport weiss, erhebliche Mengen an überschüssiger Wärme (= nicht in Bewegung umgesetzte Energie). Die in Leber und Muskulatur erzeugte Wärme wird über das Blut im Körper verteilt. Ist nach längerem Muskelzittern die erhöhte Körpertemperatur erreicht, stoppt die zusätzliche Wärmeproduktion, das Kältegefühl und der Schüttelfrost hören auf.
Mit jedem Grad Temperatur-Erhöhung nehmen Stoffwechsel und Aktivität des Abwehrsystems deutlich zu. Zudem wird dabei die Vermehrung vieler Erreger gehemmt. Je aktiver das Abwehrsystem ist, um so besser können Infektions-Erreger von den Abwehrzellen bekämpft und ausgeschaltet werden. Damit der gesteigerte Abwehrkampf auch wirklich erfolgreich ist, bleibt die erhöhte Temperatur bei bestimmten Auslösern über mehrere Tage, selten sogar über Wochen erhalten. Dann fällt das Fieber wieder ab, was nicht nur am Thermometer sichtbar wird, sondern auch am Schwitzen (hiermit beschleunigt der Körper oft das Abfiebern).
Massnahmen und Tipps
Auch ohne aufwändige medizinische Maßnahmen kann jeder Mensch die Entstehung und den Erhalt von Fieber unterstützen und so Heilungsprozess im Körper optimieren.
- Schon beim Einsetzen von Frösteln und Schüttelfrost: Sich zurückziehen, hinlegen, warm halten. Nur bei ausgeprägter Müdigkeit, Mattigkeit oder Benommenheit ist Bettruhe von Anfang an nötig. Keine fiebersenkenden Mittel verwenden. Hinweis: Auch einfache Schmerzmittel wie Acetylsalicylsäure senken Fieber, sollten deshalb vermieden werden.
- Da der Körper bei ansteigendem Fieber sehr viel Energie verbraucht, ist körperliche und seelische Schonung angesagt. Dazu gehören auch der Verzicht aufs Fernsehen, anstrengendes Lesen oder sportliche Aktivitäten. Am besten: Vor sich hindösen, träumen, schlafen.
- Angemessene warme Kleidung und Schutz vor Zugluft verhindern die Auskühlung und unterstützen den Fieberanstieg.
- Besonders in der Phase des von Schwitzen begleiteten Abfieberns sollte auf die Flüssigkeitszufuhr geachtet werden: Früchtetee oder frisches Wasser helfen beim Schwitzen und Entgiften des Körpers. Die Trinkmenge sollte sich individuell nach dem aktuellen Durstgefühl richten.
- Die bei Fieber meist vorhandene Appetitlosigkeit ist Folge der Kreislaufumstellung: Es werden vermehrt Leber und Muskeln durchblutet, weniger Magen und Darm. Deswegen sollte wenig oder gar nicht gegessen werden, damit der Darm nicht durch zusätzliche Nahrungsaufnahme belastet wird. Fiebernde sollten auch nicht gezwungen werden, zu essen, um beispielsweise “bei Kräften zu bleiben”. Wenn der Körper später wieder Nahrung braucht, wird er danach verlangen.
- Natürliche Unterstützung mit Heilpflanzen-Tees oder ‑Präparaten können Fiebern und Abwehrkräfte unterstützen. Lindenblüten-Tee oder Holunderbeersaft (mit oder ohne Honig) helfen beim Fieber-Schwitzen.
- Natürlich sollten, zum Beispiel bei grippalen Infekten, keine fiebersenkenden Mittel (Tabletten, Zäpfchen) benutzt werden, wenn das Fieber noch unter 39,5° Grad Celsius liegt.
- Bei starken fieberbedingten Beschwerden wie Gliederschmerzen helfen Wadenwickel. Sie senken das Fieber um 1–2° Celsius, ohne die Heilreaktion zu stören. Hierzu wickeln Sie ein mit kühlem Wasser angefeuchtetes Leinentuch um die Waden. Dieses wird dann mit einem trockenen Baumwolltuch und einem wärmenden Wolltuch komplett abgedeckt. Die Dauer der Anwendung bis zum Sinken des Fiebers beträgt etwa 5 bis 15 Minuten. Niemals Wadenwickel bei Schmerzen, kalten Beinen oder Schüttelfrost!
- Ärztliche Beratung ist empfehlenswert, wenn das Fieber deutlich über 39,5° Celsius ansteigt. Und bei Fieber, das mehr als drei Tage anhält, bei Kopfschmerzen mit Nackensteifigkeit, bei zunehmendem Krankheitsgefühl, bei Bauchschmerzen, bei Symptomen wie immer blasser werdender Haut, beschwerlicher Atmung, Benommenheit oder schlechtem Reaktionsvermögen.
- Kleinkinder bis zu 5 Jahren bekommen manchmal Fieberkrämpfe (etwa 3–4 Prozent). Auch hier sollten Sie ohne Verzögerung zum Kinderarzt gehen (oder am Wochenende den Notarzt benachrichtigen).
Zusammenfassung:
Erwachsene greifen gern zu fiebersenkenden Mitteln, weil zum Beispiel das Wochenende vor der Tür steht. Bedenken Sie aber bitte: Sie greifen damit stark in natürliche Heilungsabläufe ein. Verzichten Sie auf fiebersenkende Mittel und geben Ihrem Organismus die Chance, sich intensiver als sonst selbst zu helfen. Nach einer fieberhaften Erkrankung kann der Körper sogar gestärkt aus der Erkrankung hervorgehen. Eltern und Kinderärzte beobachten bei Kindern immer wieder, dass sie nach einer heftigen, fieberhaften Infektionskrankheit grosse seelische, geistige oder körperlicher Entwicklungsschritte machen. Und: Wird die Fieberreaktion häufig verhindert oder unterbrochen, verlernt der Körper, die äusserst nützliche Schutz- und Heilreaktion zu verwenden. Der nicht erlernte oder durch Fiebersenker abtrainierte Heilprozess kann im späteren Erwachsenenalter erhebliche Folgen haben: Viele Erwachsene bekommen bei Infektions- und anderen Krankheiten, deren Heilung mit Fieber oft schneller verlaufen würde, kein heilendes Fieber mehr. Beispielsweise Entzündungen der Atemwege werden dann nicht mehr wie von der Natur vorgesehen ausgeheilt, sondern chronifizieren. Auch die Zunahme der Allergien kann, so vermuten naturheilkundlich orientierte Wissenschaftler, möglicherweise mit dem geschwächten Schutzmechanismus des Körpers zu tun haben.
Tipps zum Selbsttraining
Erwachsene, die bei Infektionen keine Fieberreaktion mehr entwickeln, können diese grundlegende Körperfunktion durch spezielle naturheilkundliche Behandlungsprogramme wieder erlernen. Dabei helfen naturheilkundlich ausgerichtete Ärzte oder Heilpraktiker. Zuvor sollten jedoch eingehende Untersuchungen zeigen, ob Erkrankungen für die fehlende Fieberreaktion verantwortlich sind, beispielsweise eine ausgeprägte Unterfunktion der Schilddrüse. Liegen keine Erkrankungen vor oder ist ausgeschlossen, dass körperliche, seelische Belastungen durch eine naturheilkundliche Maßnahme schwächend wirken, können Massnahmen dabei helfen. Eine Auswahl:
- Ausdauertraining kann langfristig die Körpertemperatur erhöhen: Sportarten wie Mittel- und Langstrecken-Lauf (oder schnelles Gehen)
- Überwärmungsbäder (physikalische Massnahmen)
- Intervall-Training: Kurze, sehr intensive und schnelle Phasen (30–90 Sekunden) beim Sport (Laufen, Gehen, Schwimmen) wechseln sich mit längeren Phasen (bis sich der Herz- und Pulsschlag wieder normalisiert haben) der Erholung ab. Es fördert effektiv die Ausdauer, Schnelligkeit und so haben Studien gezeigt, das “Nachbrennen des Körpers” bei dem der Körper verstärkt auf Fettreserven zurückgreift.
- Stärkung des Immunsystems durch pflanzliche Mittel wie z.B. Echinacea (kurweise je 6 Wochen zweimal pro Jahr)
- Reiztherapien wie Baunscheidt-Behandlung, Wärmepackungen (Fango) und anderes
Autorin
• Marion Kaden, Natürlich (2007).
Quellen
1. Crocetti M: Fever phobia revisited: have parental misconceptions about fever changed in 20 years? Pediatrics. 2001 Jun; 107 (6): 1241–6 (Medline).
2. Holager T: The use of raracetamol and antibiotics among preschool children. Tidsskr Nor Laegeforen. 2004 Jun 17; 124 (12): 1620–3 (Medline).
3. Schaffner A: Fever-useful or noxious symptom that should be treated? Therapeutische Umschau. 2006 Mar.; 63 [3]: 185–8.
4. Torres AR: Is fever suppression involved in the etiology of autism and neurodevelopmental disorders? BMC Pediatr. 2003 Sep 2; 3:9 (Medline).
weitere Infos
Fieber: Heilendendes Feuer des Körpers