2008/​1: Wildkräuter-Küche

Ani­ta Conrad

Wild­kräu­ter berei­chern die Küche mit ihren inten­si­ven und anders­ar­ti­gen Geschmacks­rich­tun­gen. Wer sie ken­nen­ler­nen will, kann an einer Wild­kräu­ter­füh­rung teil­neh­men. Heil­pflan­zen-Welt hat Ani­ta Con­rad, Bio­lo­gin, im Land der 1000 Seen begleitet.

Der Früh­ling ist end­lich da. Ende April lockt ein son­ni­ger Tag Men­schen in die Natur. Ani­ta Con­rad hat zu ihrer ers­ten Wild­kräu­ter­füh­rung in die­sem Jahr ein­ge­la­den. Sie hat für die Füh­rung ein Wald­ge­biet nahe des Tor­ge­lower Sees aus­ge­sucht, der sich nörd­lich des Müritz­na­tio­nal-Parks in Meck­len­burg-Vor­pom­mern erstreckt. Der See ist ein­ge­bet­tet in einer sanft hüge­li­gen End­mo­rä­nen­land­schaft. Er liegt so ein­sam, dass sogar die men­schen­scheu­en Eis­vö­gel an sei­nen stei­le­ren Ufer­hän­gen ver­su­chen, ruhi­ge Nist­plät­ze zu fin­den. Auch Kra­ni­che oder See­ad­ler kön­nen beim Fischen oder auf den nahe­ge­le­ge­nen Fel­dern beob­ach­tet wer­den. Doch heu­te soll sich die Füh­rung um Pflan­zen und nicht um das Tier­reich drehen.

Frühblüher haben wenig Zeit

15 Men­schen haben sich am Treff­punkt ver­sam­melt, um an der Wild­kräu­ter­füh­rung teil­zu­neh­men. Alle Gene­ra­tio­nen sind ver­tre­ten. Die Frau­en sind zwar in der Über­zahl, doch haben sich auch zwei Män­ner und sechs Kin­der ein­ge­fun­den. Nach ein paar Begrü­ßungs­wor­ten führt Con­rad die Grup­pe in den Wald, denn dort sind die ers­ten Wild­kräu­ter zu fin­den. Der Früh­ling wird durch Früh­blü­her ein­ge­läu­tet. Sie bede­cken den Wald­bo­den wie ein rie­si­ger Tep­pich mit ver­schie­dens­ten Schat­tie­run­gen von fri­schem Grün. Früh­blü­her haben im Wald nur wenig Zeit zur Ent­fal­tung und Fort­pflan­zung. Denn wenn das Blät­ter­dach der Bäu­me ihnen das Licht raubt, zie­hen sie sich wie­der zurück. Nun erstre­cken sich die Früh­blü­her jedoch links und rechts des Weges, wobei das zar­te Grün durch fri­sche Far­ben unter­bro­chen wird. So leuch­ten die Busch­wind­rös­chen leuch­ten weiß, und die Blü­ten des Schar­bocks­krauts erstrah­len in kräf­ti­gem Goldgelb.

Gundermann

Gun­der­mann (Gle­cho­mae hederaceae her­ba)

Con­rad bleibt zuerst bei einer unschein­ba­ren Pflan­ze ste­hen – die Gun­del­re­be oder Gun­der­mann (Gle­cho­mae hederaceae her­ba) gehört zu den Lip­pen­blüt­lern (Lami­aceae). Sie ist etwa zehn Zen­ti­me­ter hoch und hat zar­te, lila­ne Blü­ten. Con­rad hat ein paar Blät­ter abge­zupft, die sie an die Grup­pe ver­teilt. “Der Gun­der­mann schmeckt streng”, sagt Con­rad. “Bei Wild­kräu­tern gilt grund­sätz­lich: Jeder muss die unter­schied­li­chen Wild­kräu­ter ein­fach mal aus­pro­bie­ren, um dann eine eige­ne Aus­wahl zu tref­fen”. Denn Wild­kräu­ter kön­nen kräf­tig oder unge­wohnt schme­cken. Da die Geschmä­cker bekannt­lich sehr unter­schied­lich sind, ist bei der Viel­zahl der Wild­kräu­ter für jeden etwas dabei. Vor­sich­tig kau­en die meis­ten der Grup­pe an den unbe­kann­ten Gun­der­mann-Blät­tern her­um. Schnell sind sie sich einig, dass die Blät­ter tat­säch­lich streng und bit­ter schme­cken. Weil ein Zuviel schnell ein gan­zes Essen ver­der­ben kann, emp­fiehlt Con­rad sich beim Wür­zen einer Erb­sen- oder Boh­nen­sup­pe auf einen Gun­der­mann-Stän­gel zu beschrän­ken. “Für einen frisch berei­ten Kräu­ter­quark rei­chen neben den übli­chen Kräu­tern sogar nur zwei fein geschnit­te­ne Blätt­chen Gun­der­mann aus, um eine ande­re Geschmacks­no­te zu erhal­ten”, so die Biologin.

Sprudelndes, eisenhaltiges Quellwasser

Sie führt die Grup­pe über einen schlän­ge­li­gen, schma­len Pfad wei­ter durch den Wald bis hin­un­ter zum Tor­ge­lower See. Dort fes­selt eine kräf­tig spru­deln­de Quel­le die Auf­merk­sam­keit der Grup­pe. Die bräun­li­chen Abla­ge­run­gen an Stei­nen und im Sand wir­ken zunächst nicht ver­trau­ens­er­we­ckend. Doch Con­rad erklärt, dass die Quel­le eisen­hal­ti­ges Was­ser führt. Sobald klar ist, dass es sich um ‘Rost­ab­la­ge­run­gen’ han­delt, pro­bie­ren eini­ge aus der Grup­pe das Was­ser und befin­den es für gut. Ein klei­ner Jun­ge bleibt aller­dings skep­tisch und will sei­nen plötz­li­chen Durst doch lie­ber zuhau­se mit ech­tem Lei­tungs­was­ser löschen.

Giersch und Vogelmiere

Vogel­mie­re (Stel­la­ria media

Die nächs­te Pflan­ze, die Con­rad vor­stellt, ist die Vogel­mie­re (Stel­la­ria media) Sie ist Wel­len­sit­tich-Besit­zern wohl bekannt, weil die Vögel sie ger­ne mögen. Die zar­te Pflan­ze mit den wei­ßen, strah­len­för­mi­gen Blü­ten ist das gan­ze Jahr ver­füg­bar. So ein Stän­gel Vogel­mie­re hat einen beson­de­ren Geschmack. Er erin­nert eini­ge an die klei­nen Mais­kölb­chen, die es in Glä­sern zu kau­fen gibt. “Die Vogel­mie­re ist als Gemü­se­bei­la­ge unge­eig­net, weil sie zu müh­sam zu pflü­cken wäre”, sagt Con­rad. “Eini­ge Stän­gel davon las­sen sich aller­dings gut im Kräu­ter­quark oder in Kräu­ter­but­ter ver­ar­bei­ten”. Ganz anders ist die Ver­ar­bei­tung von Giersch (Aego­po­di­um podagra­ria). Con­rad zeigt auf einen geschlos­se­nen Pflan­zen­tep­pich. “Ich möch­te, dass Sie mit die­ser Pflan­ze Frie­den schlies­sen”, sagt die Kräu­ter­frau und wen­det sich schmun­zelnd vor allem an die Gar­ten­be­sit­zer. “Bit­te ver­wen­den Sie beim Giersch immer nur die ganz jun­gen, noch zusam­men­ge­fal­te­ten Blät­ter”, emp­fiehlt sie und ver­teilt die­se als Kost­pro­be. Tat­säch­lich schme­cken die Blät­ter frisch, ein biss­chen kna­ckig, ohne beson­de­ren Eigen­ge­schmack (zum Rezept). Bei der üppig wuchern­den Pflan­ze ist es ein­fach, schnell ein Kilo jun­ger Blät­ter zu sam­meln. Giersch, so erfährt die Grup­pe, eig­net sich als Gemü­se ange­düns­tet mit Zwie­beln oder Knob­lauch. “Unse­re Vor­fah­ren hat­ten es da nicht so gut wie wir”, sagt Con­rad. Die Früh­blü­her waren für die Ger­ma­nen, die bei­spiels­wei­se vor der Völ­ker­wan­de­rung die­se Land­stri­che besie­del­ten, die ers­te Mög­lich­keit, an etwas Fri­sches zu bekom­men. “Damit haben die Ger­ma­nen ihren Bedarf an Vit­ami­nen und Mine­ra­li­en nach dem Win­ter auf­füllt”, so Con­rad und rät dazu, Giersch im Gar­ten nicht zu bekämp­fen. “Sie ver­lie­ren den Kampf ohne­hin. Essen Sie die Pflan­ze lie­ber, oder mähen sie kurz ab”. Wenn Giersch regel­mä­ßig abge­schnit­ten wird, treibt die Pflan­ze nur in die Höhe und brei­tet sich nicht nach den Sei­ten hin aus.

Wehr- und Nahrhaft: Die Brennnessel

“Ganz lecker ist Giersch übri­gens mit Brenn­nes­seln”, erklärt die Bio­lo­gin (zum Rezept) und geht wei­ter. Die­se Pflan­ze ist allen bekannt. Es gibt wohl kei­nen Men­schen auf der nörd­li­chen Halb­ku­gel, der noch kei­ne Bekannt­schaft mit der Brenn­nes­sel gemacht hat.

Mit Handschuhen bewaffnet

Die Pflan­zen auf die Con­rad zeigt, sind noch rela­tiv klein. Den­noch sind die unte­ren Blät­ter schon mit Brenn­haa­ren bewehrt. Nur die obers­ten Blätt­chen las­sen sich vor­sich­tig und ohne Ver­bren­nun­gen abknip­sen. Tat­säch­lich sind sie frisch und lecker. “Giersch und Brenn­nes­seln sind wesent­li­cher Bestand­teil der Grü­ne-Neue-Sup­pe”, sagt Con­rad (zum Rezept). Wie der Name schon erklärt, gehö­ren neun ver­schie­de­ne Wild­kräu­ter in die Frühlingssuppe.

Brennhaare

Zum Schutz vor Fress­fein­den hat die Brenn­nes­sel Brenn­haa­re ent­wi­ckelt. Das sind spe­zi­el­le Drü­sen­zel­len. Unter dem Mikro­skop betrach­tet, bestehen die Brenn­haa­re aus Zel­len mit einer kugel­ar­ti­gen Basis, die haar­för­mig nach oben wach­sen. Die Zell­wän­de sind durch Ein­la­ge­rung von Sili­kat starr, abge­schlos­sen wer­den sie jeweils mit klei­nen Köpf­chen. Die Drü­sen­zel­len sit­zen an den Stän­geln wie auch Blät­tern und bevor­ra­ten eine wah­re Mix­tur an Reiz­stof­fen: Neben dem in der Haupt­sa­che wir­ken­den Nes­sel­gift­stoff Ace­tyl­cho­lin sind noch Hist­amin, Sero­to­nin und Spu­ren von Ameisen‑, Essig- und But­ter­säu­re ent­hal­ten. Bei der kleins­ten Berüh­rung bre­chen die Köpf­chen ab. Die Soll-Bruch­s­tel­­len der ver­kie­sel­ten Zell­wän­de ver­wan­deln sich in sprit­zen­för­mi­ge Kanü­len. Bei einer Berüh­run­gen boh­ren sich also Tau­sen­de von mikro­sko­pisch klei­nen Sprit­zen in die Haut und ent­las­sen ihren Nes­sel­gift­stoff in die ver­letz­ten Haut­zel­len. Es ent­ste­hen schmer­zen­de, gerö­te­te Quad­deln auf der Haut, die beson­ders bei emp­find­li­chen Men­schen erst nach Stun­den wie­der nachlassen.

Schar­fe Waf­fe: Brennnesselhaare

Bei ihrer Zusam­men­stel­lung wer­den Vor­lie­ben oder Ver­füg­bar­keit von Pflan­zen eine Rol­le spie­len. Con­rad weist außer­dem noch dar­auf hin, wie wich­tig es ist, auf den Stand­ort der Wild­kräu­ter zu ach­ten: “Sie soll­ten nur fern ab von befah­re­nen Stra­ßen, viel gedüng­ten Fel­dern oder Hun­de­wie­sen gesam­melt wer­den”, so Con­rad. Brenn­nes­seln sind eben­falls das gan­ze Jahr ver­füg­bar und kön­nen mit Hand­schu­hen geern­tet wer­den. Danach wer­den die Pflan­zen gewa­schen, klein gehackt und ent­we­der gedüns­tet, gebra­ten, gekocht oder als Tee (zum Rezept). Die Viel­zahl ver­füg­ba­rer Brenn­nes­sel-Rezep­te zeigt zum einen die lan­ge Tra­di­ti­on, wie auch Beliebt­heit des Krauts in der Küche.

Anti-Warzenkraut

Beim Schöll­kraut (Cheli­do­nii her­ba) bleibt Con­rad nur ste­hen, um die Pflan­ze als gutes Mit­tel gegen War­zen anzu­prei­sen. “Der gel­be Saft der Pflan­ze wird auf die War­zen gestri­chen”, so Con­rad. Auch unre­gel­mä­ßi­ges Bestrei­chen der War­zen soll, so erzählt sie von ihren Erfah­run­gen, auch gut hel­fen. “Schöll­kraut ist gif­tig und darf nicht geges­sen wer­den”, erklärt sie und wen­det sich vor allem an die Kin­der: “Ihr dürft wirk­lich nur die Wild­kräu­ter und Bee­ren essen, die ihr kennt! Ihr dürft nie­mals irgend­wel­che Bee­ren nur zum Spaß aus­pro­bie­ren oder weil sie so appe­tit­lich aus­se­hen. Bauch­schmer­zen oder sogar Ver­gif­tun­gen könn­ten die Fol­ge sein. Es gibt näm­lich vie­le Pflan­zen, die mit schö­nen Früch­ten Vögel locken. Vögel kön­nen die Bee­ren im Gegen­satz zu Men­schen ver­tra­gen. Vögel fres­sen die Bee­ren, die ver­daut als Kot ein­schließ­lich der Samen über das Land ver­teilt wer­den”, erklärt Con­rad ihre beson­de­re Aufgabe.

Vielseitige Birke

Auf dem wei­te­ren Weg kommt die Grup­pe noch an der Knob­lauch­rau­ke vor­bei. Die Pflan­ze ist nicht mit dem Knob­lauch ver­wandt. Sie schmeckt ähn­lich wie Knob­lauch und eig­net sich her­vor­ra­gend für Kräu­ter­quark, Salat und Kräu­ter­but­ter oder zum Kochen für die Grü­ne-Neu­ne-Sup­pe. Wich­tig ist jedoch: Sie soll­te unbe­dingt vor der Blü­ten­bil­dung geern­tet wer­den, da sie danach vie­le Bit­ter­stof­fe ent­wi­ckelt und damit für die Küche unbrach­bar wird.

Con­rad zeigt dann noch auf eine Bir­ke, die sich mit ihrer wei­ßen Rin­de wun­der­schön in den blau­en Him­mel streckt. Ihre fri­schen Blät­ter sind hell­grün und sehen schmack­haft aus. Doch die Blät­ter sind zum Pro­bie­ren uner­reich­bar hoch und so erklärt die Bio­lo­gin, dass Bir­ken­blät­ter nur etwas für Lieb­ha­ber sind. “Mir schme­cken sie nicht”, sagt sie und erklärt, dass ihre Freun­de die Blät­ter in But­ter rös­ten und auch sonst begeis­tert von den viel­fäl­ti­gen gesun­den Wir­kun­gen des Bau­mes sind. So wer­den die Blät­ter bei­spiels­wei­se jung geern­tet, getrock­net und zu Tee ver­ar­bei­tet. Bei Früh­jahrs­ku­ren ist Brenn­nes­sel-Tee wegen sei­ner ent­wäs­sern­den Wir­kung unent­behr­lich. In der tra­di­tio­nel­len Medi­zin gel­ten Bir­ken­blät­ter als blut­rei­ni­gend und wur­den frü­her auch zur all­ge­mei­nen Stär­kung ver­wen­det. Noch vor zehn Jah­ren gab es auch mehr Haar­wäs­ser aus Bir­ken­blät­tern- oder ‑Saft in Dro­ge­rien zu kau­fen. Die Haar­wäs­ser för­dern die Durch­blu­tung der Kopf­haut, womit sich der Haar­wuchs ver­bes­sert. Auch die anti­ent­zünd­li­che Wir­kung wur­de geschätzt. Heu­te gibt es nur noch wenig oder gar nicht Bir­ken-Haar­wäs­ser in den Rega­len. Die meis­ten Geschäf­te haben sie durch syn­the­ti­sche Haar­wäs­ser ersetzt.

Mehr als Kaninchenfutter: Löwenzahn

Am Ran­de des Wal­des bleibt Con­rad auf einer Wie­se ste­hen, die mit son­nen­gel­ben Blu­men über­säat ist. Auf ihre kin­der­leich­te Fra­ge, was denn hier wach­se, kräht ein klei­ner Jun­ge “Löwen­zahn! Den sam­meln wir immer für unse­re Kanin­chen”. Die soge­nann­te Pus­te­blu­me ken­nen auch alle. Nur ihren viel­fäl­ti­gen Ein­satz weni­ger. Prak­tisch alles kann von der Pflan­ze ver­wen­det wer­den – von den Wur­zeln, Blät­tern, zu den Blü­ten. Die Wur­zeln wer­den bei­spiels­wei­se getrock­net und zu Kaf­fee ver­ar­bei­tet. Aus den jun­gen Blät­tern las­sen sich lecke­re Sala­te zau­bern (zum Rezept). Die alten, dun­kel­grü­nen Blät­ter sind aller­dings nur für Freun­de des bit­te­ren Geschmacks geeig­net. Oder aus den Blü­ten kann Löwen­zahn­ho­nig gemacht wer­den, eben­so las­sen sich die Knos­pen ver­ar­bei­ten. Con­rad schlägt zum Bei­spiel vor, die Knos­pen zu sam­meln, mit Salz zu über­streu­nen und eini­ge Tage ste­hen zu las­sen. Danach wer­den die Knos­pen vom Salz getrennt und im Salat mit­ge­ges­sen oder in Öl ein­ge­legt, “sie schme­cken dann fast wie Oli­ven”, sagt Conrad.

Duftender Waldmeister

Wald­meis­ter (Gali­um odoratum)

Ganz im Ver­bor­ge­nen, ein paar Schrit­te vom Wege ent­fernt, steht Wald­meis­ter (Gali­um odo­ra­tum). An war­men Tagen ent­wi­ckelt die Pflan­ze äthe­ri­sche Öle, durch die sie sich ver­rät. Nun pflückt Con­rad eine Pflan­ze und zer­reibt ihre Blät­ter ein wenig. So kann Wald­meis­ter im Zwei­fels­fal­le immer von ande­ren Pflan­zen unter­schie­den wer­den: Am typi­schen Wald­meis­ter-Geruch. “Wald­meis­ter benut­zen wir zum Aro­ma­ti­sie­ren”, sagt sie. Die Pflan­ze ist wegen ihrer Kuma­rin­wer­te (wie Zimt) in Ver­ruf (krebs­er­re­gend) gera­ten. Aus die­sem Grun­de darf die Nah­rungs­mit­tel-Indus­trie schon seit eini­gen Jah­ren nur noch künst­li­ches Wald­meis­ter­aro­ma für die Her­stel­lung von Likö­ren oder den bekann­ten Wackel­pud­dings ver­wen­den. Doch ein paar Zwei­ge Wald­meis­ter für die typi­sche Wald­meis­ter­bow­le im Haus­ge­brauch sind unbe­denk­lich, wenn sie nicht täg­lich und in Mas­sen ver­wen­det wer­den. Außer­dem: Es wäre scha­de, wenn Kin­der die aro­ma­ti­sche Pflan­ze nur als Indus­trie­er­zeug­nis ken­nen wür­den. Eini­ge Frau­en haben sich sofort ein klei­nes Sträuß­chen gepflückt. Sie wol­len es trock­nen und danach in einen klei­nen Lei­nen­beu­tel nähen. Er kommt in den Wäsche­schrank wegen des guten Duf­tes und zum Mottenschutz.

Immer wieder Wildkräuter neu kennenlernen

Wild­kräu­ter-Inter­es­sier­te in allen Altersgruppen

Con­rad zeigt noch wei­te­re Wild­kräu­ter wie Wie­sen­lab­kraut (Gali­um mol­lugo), Lun­gen­kraut (Pul­mo­na­riae her­ba), gro­ße Klet­te (Arti­cum lap­pa) oder das bit­te­re Schaum­kraut, auch schar­fe Kres­se genannt (Car­da­mi­ne ama­ra), das man leicht mit der Brun­nen­kres­se ver­wech­seln kann. Es hat aber im Gegen­satz zur Brun­nen­kres­se lila Staub­beu­tel. Alles wird pro­biert und die­je­ni­gen, die ein Büch­lein mit­ge­bracht haben, schrei­ben eif­rig mit. Doch nach fast zwei Stun­den lässt bei allen die Kon­zen­tra­ti­on nach. Dage­gen kann selbst der wil­de Schnitt­lauch mit sei­nem, kräf­ti­gen, super­aro­ma­ti­schen Geschmack nichts aus­rich­ten. Die bei­den klei­nen Jungs haben längst damit begon­nen mit ihren “Spee­ren”, die ihr Opa zwi­schen­zeit­lich mit Hil­fe sei­nes Taschen­mes­sers geschnitzt hat, zu spie­len. Nach zwei Stun­den ist die Füh­rung zu ende und Con­rad hat etwa fünf­zehn Wild­kräu­ter vor­ge­stellt. Doch nur die, die gewis­sen­haft mit­ge­schrie­ben haben, könn­ten sie jetzt noch nen­nen. “Das macht nichts, “, sagt sie und berich­tet davon, dass erfah­rungs­ge­mäß die meis­ten höchs­tens zwei bis drei Kräu­ter behal­ten. “Doch die nächs­te Wild­kräu­ter­füh­rung folgt bald mit wei­te­ren inter­es­san­ten Pflan­zen”, so Con­rad und lädt gleich dazu ein. Zufrie­den ver­ab­schie­den sich alle – vie­le haben klei­ne Blu­men- oder Kräu­ter­sträuß­chen gepflückt. Etwas haben jedoch alle mit­ge­nom­men: Vie­le wild wach­sen­de Kräu­ter war­ten dar­auf, in der Küche zu Sup­pen, Sala­ten oder als Gemü­se­bei­la­ge ver­ar­bei­tet zu wer­den. Es gehört nur ein biss­chen Expe­ri­men­tier­freu­de und viel­leicht ein wenig mehr Arbeit dazu.

Autorin
• Mari­on Kaden, Heil­pflan­­zen-Welt (2008).

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