Medikamente gegen die Virusgrippe – eine Bestandsaufnahme (Teil 6 von 7)

Verfügbare Naturprodukte wirksam gegen Grippe- und Erkältungsviren

Lud­wig: Lei­der ist ein evi­den­ter Nach­teil all die­ser neu­en Ansät­ze, dass es selbst bei posi­ti­vem Ver­lauf aller Ent­wick­lungs­schrit­te noch mehr als 10 Jah­re dau­ern wird, bis die ent­spre­chen­den Medi­ka­men­te in der Apo­the­ke erhält­lich sein wer­den. Für die Bekämp­fung einer aku­ten pan­de­mi­schen Bedro­hung wären die­se neu­en Stra­te­gien der­zeit nutzlos.

Durch die­sen Umstand gewin­nen Natur­pro­duk­te, die schon seit vie­len Jah­ren in der tra­di­tio­nel­len Medi­zin im Ein­satz sind, ein wach­sen­des Inter­es­se. Meh­re­re Unter­su­chun­gen deu­ten dar­auf hin, dass Pflan­zen­ex­trak­te mit einem hohen Anteil an Poly­phe­no­len effek­tiv gegen Influ­en­za­vi­rus-Infek­tio­nen im Tier­ex­pe­ri­ment wir­ken kön­nen. Beson­ders öffent­lich­keits­wirk­sam war dabei die Beob­ach­tung, das Res­ver­at­rol, eine poly­phe­n­o­li­sche Ver­bin­dung, die im Rot­wein vor­kommt, eine Wir­kung gegen Influ­en­za­vi­ren auf­wies. Auch für poly­phe­nol­rei­che Gesamt­ex­trak­te aus Pflan­zen, bei­spiels­wei­se aus dem blut­ro­ten Storch­schna­bel (Gera­ni­um san­gui­ne­um L.) oder der grau­be­haar­ten Cist­ro­se (Cis­tus inca­nus L.) wur­de ein star­ke anti-Influ­en­za­vi­rus­ak­ti­vi­tät im Tier­ver­such gezeigt. Die genaue Iden­ti­tät der effek­ti­ven Wirk­stof­fe im jewei­li­gen Extrakt ist dabei nicht end­gül­tig geklärt, jedoch scheint die Wir­kung sehr stark von der Zusam­men­set­zung der Poly­phe­no­le, immer­hin eine Stoff­klas­sen von ca. 8.000 Ver­bin­dun­gen, zusam­men­zu­hän­gen. Auch die mole­ku­la­re Wirk­wei­se kann ent­spre­chend der Poly­phe­nol­zu­sam­men­set­zung, die sich auch in ver­schie­de­nen Varie­tä­ten ein und der­sel­ben Pflan­ze unter­schei­den kann, ver­schie­den sein. Wäh­rend man zumeist von einer all­ge­mei­nen anti­oxi­da­tiv­en und damit ent­zün­dungs­hem­men­den Wir­kung, ver­mit­telt durch nie­der­mo­le­ku­la­re Poly­phe­no­le, aus­geht, wur­de bei­spiels­wei­se von Cystus052, einem Extrakt aus einer spe­zi­el­len Unter­art der grau­be­haar­ten Cist­ro­se, gezeigt, dass die ver­mut­lich hier ent­hal­te­nen hoch­po­ly­me­ren Poly­phe­no­le Erre­ger wie Influ­en­za- und Vogel­grip­pe­vi­ren aber auch ande­re Erkäl­tungs­vi­ren unspe­zi­fisch bin­den und so deren Ein­drin­gen in die Zel­le ver­hin­dern. Resis­tenz­bil­dung konn­te nicht beob­ach­tet wer­den und durch die extra­zel­lu­lä­re phy­si­ka­li­sche Wir­kungs­wei­se zeig­te der Extrakt kei­ne schä­di­gen­de Wir­kung auf Zel­len bzw. auch kei­ne Neben­wir­kun­gen im Tier­mo­dell. Schließ­lich wur­de kürz­lich auch in ers­ten kli­ni­schen Stu­di­en an der Cha­ri­té in Ber­lin eine Wir­kung von Cystus052 am Pati­en­ten gezeigt.

Der gro­ße Charme eines sol­chen Extrakts aus der tra­di­tio­nel­len Medi­zin liegt in der Tat­sa­che, dass man wegen des Feh­lens von Neben­wir­kun­gen auch pro­phy­lak­tisch im Sin­ne eines ers­ten Abwehr­schilds gegen Infek­tio­nen des Respi­ra­ti­ons­trakts vor­ge­hen kann und zwar unab­hän­gig von der Art der kau­sa­len Grip­pe- oder Erkältungsviren.

Influenza A Virus Replikationszyklus

Abbil­dung links: Grip­pe­vi­ren bin­den mit dem Ober­flä­chen­pro­te­in Häm­ag­glu­ti­nin an die Zell­ober­flä­che, was schließ­lich zur Auf­nah­me der Par­ti­kel in die infi­zier­te Zel­le und zur Ver­meh­rung führt. Die anti­vi­ra­len Medi­ka­men­te Aman­t­a­din und Tami­f­lu bzw. Rel­an­za kön­nen die Auf­nah­me der Viren nicht ver­hin­dern, son­dern wir­ken nach Auf­nah­me in die Zel­le bzw. bei der Frei­set­zung neu­er Viruspartikel.

Influenza: Der Weg der Naturheilkunde

Buben­zer: Eini­ge natur­heil­kund­li­che Ansät­ze in Homöo­pa­thie oder Regu­la­ti­ons­the­ra­pie fokus­sie­ren – wie die Schul­me­di­zin – stark auf die indi­vi­du­el­le Inter­ak­ti­on von Wirt und Virus. Und ver­ges­sen dabei, dass kon­ta­giö­se Krank­heits­en­ti­tä­ten immer auch Sys­tem­er­kran­kun­gen einer Spe­zi­es sind (oder im Fal­le der Vogel­grip­pe sogar von meh­re­ren Spe­zi­es). Die Stei­ge­rung der per­sön­li­chen Abwehr­kraft, eben­falls ein neu­zeit­li­ches Kon­zept mit Anmu­tun­gen aus der Zeit des kal­ten Krie­ges, mag dem Indi­vi­du­um bei der Krank­heits­vor­beu­gung oder ‑bewäl­ti­gung hel­fen. Mehr aber auch nicht. Denn selbst eine erfolg­rei­che Era­di­ka­ti­on von Infek­ti­ons­krank­hei­ten, wie zum Bei­spiel von der WHO für vie­le Infek­tio­nen vor­ge­schla­gen, redu­ziert kaum die Mor­bi­di­tät oder Mor­ta­li­tät der Spe­zi­es ins­ge­samt, son­dern ver­schiebt vor allem das Krank­heits­spek­trum (ent­spre­chend der von Homöo­pa­then erst­mals sys­te­ma­tisch unter­such­ten Syn­drom­ver­schie­bung im Indi­vi­du­um; Con­stan­tin Hering, Ana­ly­ti­cal The­ra­peu­tics, 1875). Wie “gesund” die­se Ver­schie­bun­gen letzt­lich sind, bleibt offen. Ein ratio­nal-natur­heil­­kun­d­­li­cher Ansatz, um mit Erre­gern von Infek­tio­nen der obe­ren Atem­we­ge umzu­ge­hen, ist hin­ge­gen die Unter­stüt­zung oder Ver­stär­kung von kör­per­ei­ge­nen Schutz­vor­keh­run­gen gegen Viren. Und die­se set­zen bereits ein, bevor post infec­tion­em das spe­zi­fi­sche Immun­sys­tem oder Ent­zün­dungs­re­ak­tio­nen akti­viert wer­den. Die kom­ple­xe Bar­rie­re, die Schleim­haut­zel­len der obe­ren Atem­we­ge über Mil­lio­nen von Jah­ren gegen Erre­ger jeder Art auf­ge­baut haben, bestehen nicht nur aus der beweg­li­chen Schleim­schicht, son­dern auch aus einer Viel­zahl von durch Muko­sa­zel­len gebil­de­ten, unspe­zi­fi­schen Wirk­stof­fen, die Viren und ande­re Kei­me deak­ti­vie­ren kön­nen, bei­spiels­wei­se anti­mi­kro­biel­le Pep­ti­de (AMP) [8]. Die­se dyna­mi­sche Bar­rie­re kann mit Natur­stof­fen ver­stärkt wer­den, die das Gleich­ge­wicht zwi­schen Inva­si­on und Eva­si­on zuguns­ten des Men­schen ver­schie­ben. Die hoch­po­ly­me­ren Poly­phe­no­le eines spe­zi­el­len Zist­ro­sen­ex­trakt (Cystus052 aus Cis­tus inca­nus ssp. Pan­da­lis) kön­nen Viren unspe­zi­fisch phy­si­ka­lisch umhül­len und dadurch von einer Infek­ti­on von Schleim­haut­zel­len abhal­ten. Dass sol­che Poly­phe­no­le als sekun­dä­re Pflan­zen­stof­fe von Pflan­zen teil­wei­se auch zur Abwehr von Fress­fein­den genutzt wer­den, ergänzt das Bild sinn­voll. Die­ses Bei­spiel aus der aktu­el­len Natur­heil­kun­de zeigt, wie sich in Wis­sen­schaf­ten “die Ent­wick­lung in der Rich­tung wach­sen­der Ein­fach­heit des logi­schen Fun­da­men­tes voll­zie­hen kann”, wie Albert Ein­stein fest­stell­te (“Auto­bio­gra­phi­sches”, 1946). Und dass dabei intel­li­gen­te, auf Erfah­rungs­me­di­zin auf­bau­en­de Heil­pflan­zen­for­schung bei der Suche neu­er Heil­pflan­­zen-Wir­k­­stof­­fe weit­aus effek­ti­ver sein kann als bei­spiels­wei­se robo­ter­ge­stütz­te Hoch­durch­satz­ana­ly­se zum auto­ma­ti­sier­ten Auf­fin­den von Naturwirkstoffen.

Wirkungsweise von Cystus052

Abbil­dung links: Die in Cystus052 ent­hal­te­nen hoch­po­ly­me­ren Poly­phe­no­le bin­den unspe­zi­fisch an die Virus­ober­flä­che und behin­dern so die Bin­dungs fähig­keit des Häm­ag­glu­ti­nin an die Zell­mem­bran. Die Zel­len selbst wer­den von Cystus052 nicht in ihrem Stoff­wech­sel oder ihrer Lebens­fä­hig­keit beein­flusst. Damit ist Cystus052 der ein­zi­ge Wirk­stoff, der die Anbin­dung der Viren an die Zel­len und die Infek­ti­on verhindert.

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Autor
• Rai­ner H. Buben­zer, Heil­pflan­­zen-Welt (2008).

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