Pflanzliche Antibiotika – helfen sie wirklich?

Johan­nis­kraut (Hyperi­cum per­fo­ra­tum)

Anti­bio­ti­ka sind bak­te­ri­en­tö­ten­de pflanz­li­che Wirk­stof­fe, die zuerst in Schim­mel­pil­zen nach­ge­wie­sen wur­den. Anti­bio­ti­ka und Imp­fun­gen haben vie­le gro­ße Seu­chen zurück­ge­drängt (z. B. Pocken, Pest, Typhus oder Cho­le­ra). Anti­bio­ti­ka kom­men aber auch in ande­ren, in höhe­ren Pflan­zen vor und hei­ßen dann “pflanz­li­che Anti­bio­ti­ka”. Obwohl vie­le hun­dert die­ser Wirk­stof­fe bekannt sind, gibt es kaum wis­sen­schaft­li­che Bele­ge, dass sie bei the­ra­peu­ti­scher Ver­wen­dung beim Men­schen wirk­sam sind.

Die Ursa­che: Nor­ma­le Aus­zü­ge aus Heil­pflan­zen, z. B. als Tee oder Pul­ver, ent­hal­ten zwar die – nach­ge­wie­se­nen – anti­bio­ti­schen Wirk­stof­fe. Aber ihre Men­ge ist zumeist nicht hoch genug, damit sie krank­ma­chen­de Bak­te­ri­en im Kör­per über­haupt kil­len kön­nen, wenn sie denn auf der lan­gen Rei­se über Mund, Magen, Darm und Leber end­lich am Ziel ankom­men. Zum Bei­spiel in der von Bak­te­ri­en infi­zier­ten Lun­ge (= Lun­gen-Ent­zün­dung – “Pneu­mo­nie”). Logisch, dass die meis­ten Stu­di­en nur Wir­kun­gen anti­bio­ti­scher Pflan­zen­ex­trak­te bei direk­tem Kon­takt mit bak­te­ri­ell ange­steck­ter Haut oder Schleim­haut unter­sucht haben. Also mit ent­zün­de­ter Haut, infi­zier­ter Schleim­haut von Nase und Mund sowie Magen-Schleim­haut. In die­sen Berei­chen des Kör­pers sind aus­rei­chend hohe Wirk­stoff­men­gen am Ort des Gesche­hens mög­lich. Um es gleich vor­weg zu neh­men: Die extrem häu­fi­ge Infek­ti­on mit dem Magen­keim Heli­co­bac­ter pylo­ri (Ursa­che für gefähr­li­che Magen­ge­schwü­re) ist mit kei­nem der vie­len getes­te­ten Heil­pflan­zen zu besie­gen (fri­scher Knob­lauch, Knob­lauch-Öl, Cayenne­pfef­fer, Zimt, Brok­ko­li-Spros­sen). Hier muss die Stan­dard­the­ra­pie mit “nor­ma­len” Anti­bio­ti­ka durch­ge­führt wer­den. Bei eini­gen ande­ren Erkran­kun­gen gibt es Hin­wei­se auf kräf­ti­ge, anti­bio­ti­sche Wir­kun­gen [1].

[div-gruen]

Antibiotika

Anti­bio­ti­ka (Ez.: Anti­bio­ti­kum) sind Sub­stan­zen, die die Ver­meh­rung von Bak­te­ri­en behin­dern (“bak­te­rio­sta­ti­sche Wir­kung”) oder Bak­te­ri­en abtö­ten (“bak­te­ri­zi­de Wir­kung”). Alle wesent­li­chen Anti­bio­ti­ka in der moder­nen Medi­zin sind Stoff­wech­sel-Pro­duk­te von Pil­zen oder wer­den die­sen syn­the­tisch nach­ge­bil­det. Da Pil­ze Pflan­zen sind, sind Anti­bio­ti­ka also eigent­lich pflanz­li­che Heil­mit­tel. Anti­bio­ti­ka sind sogar typi­sche Natur­heil­mit­tel – sie hel­fen dem Kör­per näm­lich nur, mit einer Infek­ti­on selbst fer­tig zu wer­den (“Hil­fe zur Selbst­hil­fe”). Je nach Wir­kung gibt es ver­schie­de­ne Anti­bio­ti­ka-Grup­pen: Peni­zil­li­ne und Cepha­los­po­ri­ne stö­ren den Auf­bau der Zell­wand von Erre­gern, Ami­no­gly­ko­si­de und Tetra­zy­kli­ne hem­men die bak­te­ri­el­le Eiweiß­bil­dung, ande­re Anti­bio­ti­ka ver­än­dern die Funk­ti­on der Zell­wand oder stö­ren das Erb­gut. Breit­band-Anti­bio­ti­ka wir­ken nicht nur gegen einen, son­dern gegen meh­re­re Kei­me; sie soll­ten mög­lichst wenig ver­wen­det wer­den, um die Ent­wick­lung von Resis­ten­zen zu ver­mei­den (“Anti­bio­ti­ka-Resis­tenz”). Anti­bio­ti­ka wer­den zur Behand­lung von bak­te­ri­el­len Infek­ti­ons-Krank­hei­ten ein­ge­setzt, gegen vira­le Infek­tio­nen (z. B. Grip­pe) nüt­zen Anti­bio­ti­ka nichts. Es wird geschätzt, dass es bis zu 100.000 ver­schie­de­ne natür­li­che Anti­bio­ti­ka gibt.
[/div-gruen]

Basi­li­kum (Oci­mum basi­li­cum)

Basi­li­kum (Oci­mum basi­li­cum) Das äthe­ri­sche Basi­li­kum­öl ist nicht nur zum Wür­zen da. Zwei­mal täg­lich in ver­dünn­ter Form (eini­ge Trop­fen zum Bei­spiel mit 50ml Jojoba-Öl oder Was­ser ver­mischt) auf akne­kran­ke Haut auf­ge­tra­gen, ver­rin­gert es bes­ser als eine Stan­dard­be­hand­lung (Wirk­stoff Ben­zoyl­per­oxid) die Anzahl und Grö­ße der ent­zün­de­ten, gerö­te­ten, geschwol­le­nen Haut­ge­bie­te im Gesicht.

Johan­nis­kraut (Hyperi­cum per­fo­ra­tum) Das aus Johan­nis­kraut her­ge­stell­te Rot-Öl ist seit Jahr­hun­der­ten als haut­hei­lend bekannt. Einer der Grün­de: Anti­bak­te­ri­el­le und anti­ent­zünd­li­che Eigen­schaf­ten des pflanz­li­chen Depressionskillers.

Vogel­knö­te­rich (Poly­go­num avicu­la­re) Eine Gur­gel­lö­sung aus die­ser Pflan­ze hat stark anti­bak­te­ri­el­le Wir­kun­gen bei direk­tem Kon­takt mit Erre­gern in der Mund­höh­le. Und ver­rin­gert bei chro­ni­scher bak­te­ri­el­ler Zahn­fleisch­ent­zün­dung schon nach weni­gen Wochen die Ent­zün­dung und hier­durch beding­te Sym­pto­me wie Schmer­zen oder Mundgeruch.

Tee­baum­öl (Melaleu­ca alter­ni­fo­lia) Eine drei­mo­na­ti­ge Anwen­dung als wäss­ri­ges Gel ver­rin­gert genau­so effek­tiv Akne-Haut­ent­zün­dun­gen wie Stan­dard­be­hand­lung (Wirk­stoff Ben­zoyl­per­oxid). Aller­dings mit einem Vor­teil (wie bei vie­len pflanz­li­chen Mit­teln): Neben­wir­kun­gen sind viel sel­te­ner. Ande­re Wirk­stof­fe im Tee­baum­öl kil­len nicht nur Bak­te­ri­en, son­dern auch Pil­ze und ande­re Erre­ger, am effek­tivs­ten auf der Haut. Beein­dru­ckend: Tee­baum­öl kann sogar gefähr­li­che Erre­ger ver­nich­ten, bei denen nor­ma­le Anti­bio­ti­ka nicht mehr wir­ken, z. B. die sog. MRSA (methi­cil­lin-resis­ten­te Staphy­lo­coc­cus aureus).

Grau­be­haar­te Zist­ro­se (Cis­tus inca­nus ssp. Pan­da­lis) Ein spe­zi­el­ler Extrakt aus der Mit­tel­meer-Heil­pflan­ze (Cystus052 – als Sud, Lutsch­ta­blet­ten, Gur­gel­lö­sung oder Tee) umkap­selt krank­ma­chen­de Mikro­ben wie Bak­te­ri­en und Viren. So sind sie weni­ger anste­ckend und wer­den von der kör­per­ei­ge­nen Abwehr leich­ter beseitigt.

Schwar­zer Tee (Thea sinen­sis) Wäss­ri­ge Schwarz­tee-Extrak­te als Lotion über 7–10 Tage ange­wandt – bei aku­ter eit­ri­ger Haut­ent­zün­dung durch Bak­te­ri­en wie Sta­phy­lo­kok­ken oder Strep­to­kok­ken (“Impe­ti­go con­ta­gio­sa”) -, hel­fen genau­so gut wie anti­bio­ti­sche Haut­cremes oder Anti­bio­ti­ka-Tablet­ten. Und: Die anti­bak­te­ri­el­len Eigen­schaf­ten des schwar­zen Tees beu­gen – neben regel­mä­ßi­gem Zäh­ne­put­zen – auch Kari­es vor.

Umck­a­lo­abo (Pelar­go­ni­um sido­ides) Ob die nach­ge­wie­se­ne bak­te­ri­en­hem­men­de Wir­kung der süd­afri­ka­ni­schen Pflan­ze tat­säch­lich Ursa­che der gut beleg­ten Hei­lungs­er­fol­ge zum Bei­spiel bei bak­te­ri­el­ler Man­del-Ent­zün­dung oder Bron­chi­tis ist, muss noch nach­ge­wie­sen wer­den. Die Pflan­zen­ex­trak­te ver­bes­sern näm­lich auch die Viren­ab­wehr und lösen zähen Schleim.

Kakao­scha­len (Theo­broma cacao) Kakao­scha­len ent­hal­ten nicht nur Kof­fe­in, son­dern auch anti­bak­te­ri­el­le Wirk­stof­fe. Gur­geln mit einer wäss­ri­gen Lösung vor und nach dem Essen sowie vor dem Schla­fen­ge­hen ver­hin­dert nicht nur, dass sich das Bak­te­ri­um Strep­to­coc­cus mutans auf den Zäh­nen fest­hal­ten kann, son­dern ver­rin­gert auch zuneh­mend bak­te­ri­el­le Zahn­plaque (die eine Vor­aus­set­zung für Zahnfäule/​Karies sind).

[div-gruen]
War­um gibt es Anti­bio­ti­ka? Etwa seit 3,5 Mil­li­ar­den Jah­re tobt auf unse­rer Erde ein uner­bitt­li­cher Kampf. Und zwar zwi­schen Bak­te­ri­en und Pil­zen. Da weder die einen noch die ande­ren über Klau­en, Zäh­ne oder Füße haben, wird der Dau­er­streit mit che­mi­schen Kampf­stof­fen aus­ge­tra­gen. Die­se sol­len davor schüt­zen, vom jeweils ande­ren ange­grif­fen und ver­speist zu wer­den (“Fress­fein­de”). Zu die­sen Wirk­stof­fen gehö­ren auch die vor Bak­te­ri­en schüt­zen­den Anti­bio­ti­ka der Schim­mel­pil­ze (z. B. das bekann­te Peni­cil­lin) – Anti­bio­ti­ka sind also abso­lut kei­ne Errun­gen­schaft der moder­nen Medi­zin. Da Bak­te­ri­en aber nicht nur Pil­ze befal­len, son­dern auch ande­re Pflan­zen, haben auch die­se im Lau­fe der Evo­lu­ti­on eine Viel­zahl von schüt­zen­den Wirk­stof­fen ent­wi­ckelt – eben die pflanz­li­chen Antibiotika.
[/div-gruen]

Resümee

Bak­te­ri­el­le Infek­tio­nen soll­ten, beson­ders wenn sie chro­nisch, aus­ge­brei­tet, fieb­rig oder anste­ckend sind, vom Arzt umge­hend mit her­kömm­li­chen Anti­bio­ti­ka behan­delt wer­den, nicht mit pflanz­li­chen Anti­bio­ti­ka. Pflanz­li­che Heil­mit­tel (“Phy­to­the­ra­peu­ti­ka”) haben aller­dings je nach Infek­ti­on unter­schied­li­che, oft viel wich­ti­ge­re Auf­ga­ben: So ver­hin­dert Möh­ren­sup­pe bei Durch­fall, dass sich Erre­ger an der Darm­schleim­haut über­haupt fest­hal­ten kön­nen. Sie wer­den des­halb ein­fach aus­ge­schie­den. Extrak­te aus Son­nen­hut stei­gern die Abwehr­kraft unse­res Immun­sys­tem und lin­dern beschwer­de­aus­lö­sen­de, über­schie­ßen­de Reak­tio­nen des Abwehr­sys­tems (“Zytok­in­sturm”). So wird es wirk­sa­mer und rascher selbst mit Krank­heits­er­re­gern fer­tig. Ein Sal­bei­tee zum Gur­geln bei Hals­weh ver­rin­gert rasch die Bak­te­ri­en­zahl im Mund, zieht die Schleim­haut durch Gerb­stof­fe zusam­men und ver­hin­dert so die Aus­brei­tung der Infektion.

Aussichten

Die aktu­el­len Pro­ble­me mit der­zei­ti­gen Anti­bio­ti­ka – näm­lich ihre zuneh­men­de Unwirk­sam­keit gegen vie­le Erre­ger – könn­ten eines Tages mit Hil­fe pflanz­li­cher Anti­bio­ti­ka gemin­dert wer­den. Bis dahin sind aller­dings noch vie­le zeit- und arbeits­auf­wän­di­ge For­schun­gen nötig. Und: Bes­ser als jede Behand­lung einer Infek­ti­ons­krank­heit ist deren Vor­beu­gung. Die wis­sen­schaft­li­chen For­schun­gen zu der grau­be­haar­ten Zist­ro­se (sie­he oben) zei­gen, wel­che Mög­lich­kei­ten die Natur auch bei der Vor­beu­gung von gefähr­li­chen Infek­ti­ons-Erkran­kun­gen wie zum Bei­spiel der Grip­pe bereit­stel­len kann.

Wei­te­re Heil­pflan­zen mit anti­bak­te­ri­el­len Wirk­stof­fen (aber ohne Therapiestudien)
Achil­lea mil­le­fo­li­um (Schaf­gar­be) Alli­um cepa (Zwie­bel)
Alli­um sati­vum (Knob­lauch) Ammi vis­na­ga (Bischofs­kraut)
Pim­pi­nella anisi (Anis) Bal­sa­mum peru­via­num (Peru­bal­sam)
Szy­gi­um aro­ma­ti­cum (Gewürz­nel­ke) Cin­na­mo­m­um cas­sia (chi­ne­si­scher Zimt)
Cin­na­mo­m­um zey­lani­cum (Cey­lon-Zimt) Echinaceae pur­pu­reae (Pur­pur­son­nen­hut)
Faex medi­cina­lis (medi­zi­ni­sche Hefe) Alpi­nia offi­ci­na­rum (gro­ßer Galgant)
Grin­de­lia robus­ta (Grin­de­li­a­kraut) Matri­ca­ria recu­ti­ta (Kamil­le)
Men­tha arven­sis (Min­ze) Men­tha pipe­ri­ta (Pfef­fer­min­ze)
Melaleu­ca viri­di­flo­ra (Niau­li-Baum) Plant­ago lan­ceo­la­ta (Spitz­we­ge­rich)
Popu­lus alba (Pap­pel) Sal­via offi­ci­na­lis (Sal­bei)
San­talum album (wei­ßes Sandelholz) Thy­mus vul­ga­ris (Thy­mi­an)
Arc­tosta­phy­los uva-ursi (Bären­trau­be)
Quel­le: Bun­des­in­sti­tut für Arz­nei­mit­tel und Medi­zin­pro­duk­te (BfArm), Berlin.

Autor
• Rai­ner H. Buben­zer, Heil­pflan­­zen-Welt (2004).
Quel­len
1. Mar­tin KW, Ernst E: Her­bal medi­ci­nes for tre­at­ment of bac­te­ri­al infec­tions: a review of con­trol­led cli­ni­cal tri­als. J Anti­mi­crob Che­mo­ther. 2003 Feb;51(2):241–6 (Kurz­fas­sung).
wei­te­re Infos
Pflanz­li­che Aphro­di­sia­ka – hel­fen sie wirklich?

Bitte Ihre Frage, Anmerkung, Kommentar im folgenden Feld eingeben