Käse ist ein Nahrungsmittel mit langer Tradition und wachsender Beliebheit. Und das nicht nur weil Verbraucher wegen der nicht abreissenden Fleischscandale Ersatz suchen. Käse wird als schmackhaftes, leichtes und variabel einsetzbares Lebensmittel geschätzt. Nun belegen auch Studien, Käse ist gesund. Sie beweisen außerdem: Käse ist nicht nur ein wertvolles Lebensmittel, sondern enthält einen unglaublich gesunden Wirkstoff-Cocktail, ist also nach moderner Definition ein natürliches “functional food”.
Käse gegen Osteoporose
Verschiedene Käsesorten
Unumstritten ist seit langem die Rolle des Käses als Calcium-Lieferanten bei der Osteoporose-Prävention und Therapie. Etwa ein Drittel aller Frauen und 10 Prozent der Männer über 60 Jahre sind betroffen. Bei der Osteoporose verringert sich allmählich der mineralische Knochenanteil, was zur Zerstörung der Knochenstruktur führen kann. Typisch für osteoporosebedingte Knochenbrüche sind zum Beispiel Oberschenkelhals- oder Wirbelbrüche. Der Osteoporose-Verlauf kann durch gezielte Zufuhr von Nährstoffen positiv beeinflusst werden, die für den Knochenstoffwechsel entscheidend sind (vor allem Calcium, Vitamin D). Die tägliche Aufnahme von Lebensmitteln mit ausreichend hohem Calciumanteil hilft dabei, den mineralischen Knochenanteil ansteigen zu lassen. Dies kann vorbeugend wirken, aber auch die Therapie einer schon vorhandenen Osteoporose unterstützen. Neueste Forschungen zeigen jetzt, dass bei der Calcium-Aufnahme mittels Käse spezielle phosphorhaltige Eiweissstränge (“Casein-Phosphopeptide”) eine besonders bedeutsame Eigenschaft haben: Im Zusammenhang mit den Calcium-Transportsystemen der Darmwand für Mineralstoffe fördern sie die Aufnahme von Calcium aus dem Darminhalt in den Körper [1]. Käse enthält also nicht nur die zur Vorbeugung notwendigen Calcium-Mengen, sondern stimuliert selbst deren Aufnahme in den Körper.
Calcium-Bedarf
Der tägliche Calcium-Bedarf bei Kindern liegt zwischen 220–1.000 mg/Tag (Calcium-Rechner), bei Erwachsenen zwischen 1.000–1.200 mg Calcium/Tag. Schwangere, spätestens im letzten Schwangerschaftsdrittels, sollten auf jeden Fall diese empfohlene Menge, besser noch knapp die doppelte Menge aufnehmen, weil sonst die Knochenmineralisierung ihrer Kinder aber auch ihre eigene Calcium-Versorgung verschlechtert ist (“pro Kind ein Zahn”). Bei Frauen ab dem 50. Lebensjahr steigt der Bedarf auf 1.200 bis 1.500 mg Calcium/Tag. Dies liegt in einer altersabhängigen Verringerung der Calcium-Aufnahme im Darm (welcher Käse, siehe oben, einiges entgegenzusetzen hat). Hinweis: Calcium alleine reicht nicht aus – für eine effektive Verstoffwechselung sind Vitamin D (Vitamin D‑reiche Nahrungsmittel und ausreichend Sonnenschein!) sowie tägliche Bewegung notwendig.
Inhaltstoffe des Käses:
Die Inhaltstoffe variieren zum Teil bei den Käsesorten. Die meisten beinhalten jedoch: Mineralstoffe: Natrium, Kalium, Calcium, Phosphor; Vitamine: B1, B2, B6, B12, Nicotinamid, Pantothensäure, Biotin, Folsäure; Aminosäuren: Arginin, Histidin, Isoleucin, Leucin, Lysin, Methionin; Lipide: Palmitinsäure, Stearinsäure, Ölsäure, Linolsäure, Linolensäure; sonstige Inhaltstoffe: Milchsäure.
Tägliche Käse-Variationen
Gruyère
Wie solche statistischen Bedarfszahlen praktisch umgesetzt werden, bleibt der persönlichen Kreativität überlassen. Generelle Ratschläge helfen wenig, denn Ernährungsgewohnheiten werden von Bildung, Erziehung, individuellen Bedürfnissen oder Vorlieben geprägt. Wer jedoch etwas für seinen Calcium-Bedarf tun will, hat mit Käse eine gute Wahl getroffen: Käse lässt sich wegen seiner Vielfältig- und Schmackhaftigkeit, guten Lager- und Transportmöglichkeit und Verarbeitung leicht in den täglichen Speiseplan einbauen: Käse kann morgens, mittags und abends gegessen werden. Auch zuckerhaltige Snacks können durch Käse ersetzt werden (manchmal mit ein wenig Umgewöhnung). Käse-Würfel beispielsweise gemeinsam mit süßem Obst gegessen, bieten eine leckere und insbesondere nahrhafte Mahlzeit. Und: Der Einsatz besonders calciumreicher Sorten wie Gruyère (1.000 mg/100 g) oder Emmentaler (1.020 mg/100 g) machen es noch leichter, den täglichen Bedarf zu decken. Weitere Möglichkeiten der Küche: Viele traditionelle fleischlose Gerichte wie Kartoffeln oder Nudelaufläufe mit Käse zeigen, wie beliebt Käse schon immer war – und ist. Und auch bei modernen Rezepten gibt Käse dem Gericht oft erst den letzten Pfiff.
Natürliches “Nutraceutical”
Weichkäse
Aktuelle Forschungen beschäftigen sich mit Käse als Lebensmittel mit zusätzlichen pharmazeutischen Wirkungen – also als “Nutraceutical”. Wissenschaftler gehen dabei der Herstellung von Käse auf den Grund: Bei der Käsereifung werden mit Hilfe der mikrobiellen “Verdauung” Eiweisse, Fette und Kohlenhydrate der Milch zerlegt und umgebaut. Dabei entstehen hunderte, wenn nicht gar tausende neuer Substanzen, zum Teil mit höchst erstaunlichen Eigenschaften. Auch Anteile der Bakterien selbst, die am Ende ihres Lebenszyklus übrigbleiben, erweitern den natürlichen “Wirkstoff-Cocktail” von Käse. Beispielsweise bakterielle Zellwand-Bestandteile aus Fett- und Kohlenhydrat-Verbindungen, die sogenannten Lipopolysaccharid-Komplexe (LPS), die eine grosse Bedeutung bei Immunreaktionen im Verlauf von bakteriellen Infektionen haben. Die aktuelle Forschung konzentriert sich auf folgende Bereiche:
Immun-Funktion
Frischkäse mit Kräutern
Zahlreiche Aminosäure-Verbindungen (“Peptide”) aus Casein, dem Haupteiweiss-Bestandteil von Milchprodukten, haben immunologische Funktionen. So stimulieren sie unter anderem die Aktivität von Fresszellen (“Makrophagen”), schützen vor Lungenentzündungen, verjüngen das Blut oder steigern die Bildung spezieller Abwehrzellen (“Lymphozyten”). Dass Milch-Peptide aller Säugetier-Spezies ähnliche immun-regulatorische Effekte haben, unterstreicht ihren biologischen Zweck: Nämlich eine Optimierung des Abwehr-Schutzes der noch nicht ausgereiften Immunsysteme der eigentlichen Milch-“Konsumenten” – also Säugling, Kalb, Kitz oder Welpe [2]. Im Käse enthaltene Bakterienbestandteile wie zum Beispiel das erwähnte LPS tragen als “natürliches Lernmittel” wesentlich zur Reifung des Abwehrsystems (“Immun-Maturation”) der Säuglinge bei, bzw. zur lebenslangen Stimulation erwachsener Immunsysteme.
Probiotika-Funktionen
Lebende Bakterien (“Probiotika”), zum Beispiel in Joghurt-Kulturen verzehrt (“functional food”), haben eine Vielzahl von wissenschaftlich belegten, therapeutischen oder vorbeugenden Eigenschaften. Beispielsweise bei chronischen Darmerkrankungen, Blasen- oder Genitalinfektionen sowie der Prophylaxe zahlreicher Erkrankungen. Es wird angenommen, dass Probiotika vor allem die Zusammensetzung der Bakterienflora im Dickdarm verändern. Die Darmflora aus über 400 Bakterienarten und Pilzen enthält 10x mehr Bakterien als der Körper Zellen hat. Und beeinflusst durch direkte Interaktion mit dem grössten immunologischem Gewebekomplex des Körpers im Darm (“gut associated lymphoid tissue”, GALT) auf komplexe Weise alle Immunfunktionen im Körper. Interessant: Die Hersteller von Probiotika verwenden teilweise solche Bakterien-Kulturen, wie sie auch in Käse enthalten sind, beispielsweise Lactobacillus casei. Da Käse nicht steril ist, enthält er Milliarden lebender Mikroorganismen. Und kann deshalb nicht nur als wohlschmeckendere Alternative zu probiotischem functional food bezeichnet werden, sondern auch als funktionelle Alternative. Käse zusätzlich noch mit weiteren lebenden Bakterienkulturen zu beimpfen (“probiotischer Käse”), erscheint zwar als zugkräftige verkaufsfördernde Idee, ist aber angesichts der natürlicherweise enthaltenen Bakterien zumindest fragwürdig.
Krebsschutz
In Käse enthaltene, durch Reifung entstandene Aminosäureketten sollen auch krebsschützende Effekte entfalten, zum Beispiel das Wachstum von Krebszellen bei Dickdarm-Tumoren hemmen [3] oder krebserregende Bakterien-Enzyme im Dickdarm blockieren. Auch der hohe Gehalt an ungesättigten Omega-6-Fettsäuren (Linolensäure) in Käse hat, zumindest im Tierversuch, deutliche Antitumoreffekte [4]. Wissenschaftlich ist dies jedoch bislang nicht eindeutig belegt. Andere Forschungsergebnisse deuten auch auf den Calcium- und Phosphorgehalt von Milchprodukten wie Käse als wesentliche Ursache der in vielen Studien beobachteten krebsschützenden Wirkung hin [5].
Antibiotikum Käse
Neben der Vielzahl von Milch-Eiweissen, die das Immunsystem modulieren können, sind auch direkt antibiotisch wirksame Substanzen in Milchprodukten enthalten, die schon in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts erstmals beschrieben wurden [6, 7]. Teilweise handelt es sich um Casein-Peptide, teilweise aber auch um Produkte der Mikroorganismen in Käse (zum Beispiel Caseicin A und B). Solche Substanzen sind für die Wissenschaft aktuell eine besondere Herausforderung, da die Entwicklung neuer Waffen im Kampf gegen Bakterien seit Jahren stagniert. Spezifisch wirkende Antibiotika aus Milch-Eiweissen könnten neue Perspektiven eröffnen.
Der Hit: Kartoffeln und Käse
Die Kombination von Kartoffeln und Käse ist besonders wertvoll, da sie eine hohe biologische Wertigkeit hat. Die biologische Wertigkeit eines Proteins gibt an wieviel körpereigenes Protein aus 100 g. Nahrungsprotein gebildet werden kann. Je höher die Anzahl und Menge essentieller Aminosäuren im Eiweissgemisch, desto höher seine biologische Wertigkeit. Deshalb sind die tradionellen Gerichte wie Kartoffeln mit Käse oder Rösti so nahrhaft. Quelle: Ester Infanger, Ernährungsberaterin, Schweizerische Gesellschaft für Ernährung, Bern.
Besonders gut: Alpkäse
Kühe auf der Alm
Der Alpkäse ist wegen seiner besonderen Herstellung (nur “Sömmerungs”-Milch verwendet) besonders nahrhaft und wirkungsvoll, was die gebürtige Saanerin Dr. Christa B. Hauswirth mit anderen Schweizer Wissenschaftlern untersuchte: Sie begann sich vor einigen Jahren für die ansässigen Bauern zu interessieren: Diese hielten trotz der damaligen Erkenntnisse, dass Milchprodukte wegen ihres hohen Fettanteils herzschädigend seien, daran fest: Unser Alpkäse ist gesund! Noch im 19. Jahrhundert, zu Zeiten der Höhenkuren von Lungentuberkulose-Erkrankten galten Alpmilchprodukte als Inbegriff einer gesunden Ernährung. Dieses Renommée änderte schlagartig mit der Zunahme der Herz-Kreislaufkrankheiten und mit der Erkenntnis, dass gesättigte Fette deren Entstehung begünstigen. “Dabei wurden bis heute keine nachteiligen Wirkungen von gesättigten Fetten aus Milchprodukten auf das kardiovaskuläre Risiko nachgewiesen”, so Hauswirth. Sie interessierte sich dafür, ob Alpmilchprodukte entsprechend der Behauptung der lokalen Bauern sogar gesundheitliche Vorteile bieten könnten. Die Ärztin verglich die Fettsäuremuster von Saanen Alpkäse, Gstaader-Käse vom Berner Oberland, Emmentaler, englischem Cheddar sowie Käse von Kühen, die mit Leinsamen zugefüttert wurden. Ergebnis: Im Alpkäse liessen sich deutlich mehr wertvolle Herz- und Kreislaufschützende Omega-3-Fettsäuren als in den anderen Sorten nachweisen. Die Wissenschaftlerin vermutet, dass die besondere Zusammensetzung der Alpmilch auf die traditionelle Viehhaltung zurückzuführen ist. Denn die Kühe halten sich in Höhen bis zu 2000 Metern auf, bewegen sich viel und fressen nur Alpgras- und kräuter.[8]
Schafgarbenkraut (Millefolii herba)
Auch eine andere Arbeit zeigt, dass für Produkte aus Alpmilch vielfältige Unterschiede der Milchzusammensetzung wesentlich sind, je nachdem ob die Kühe auf Alpweiden leben oder nicht. Zum einen ist zwar der Milcheiweissgehalt auf Alpweiden signifikant geringer [9], und damit der Ertrag. Zum anderen dürften auch die vielfältigen Weidepflanzen und Kräuter in höheren Lagen entscheidende Auswirkungen auf die Milch- und damit die Käsequalität haben. Ob und wenn ja in welchem Umfang tatsächlich eine Metamorphose von Heilkräften der zahlreichen würzigen, sonnennäher gewachsenen Bergkräuter auf Alpweiden im Sinne der Spagyrik oder anderer alchemistischer Prozesse stattfindet, ist bislang unerforscht.
So zeigte sich: “Die Almbauern hatten Recht!”, stellt Hauswirth fest. Sie hält es für eine Überlegung wert “dass Schweizer Verbraucher, die mit 55 Gramm Käse relativ viel Käse pro Tag essen, häufiger echten Alpkäse konsumieren sollten”. Dies würde nicht nur der eigenen Gesundheit helfen, sondern auch Alpbauern unterstützen. Denn: “Es wird immer deutlicher, dass sich traditionelle Tierhaltung mit ihrer artgerechten Viehhaltung und ‑Fütterung positiv auf die menschliche Ernährung auswirkt und damit ein überaus wertvolles Potential unserer Ernährung ist”, so Hauswirth, “- wir sollten sie uns deshalb erhalten”.
Autorin
• Marion Kaden, natürlich leben (2006/2011).
Quellen
[1] Meisel H, FitzGerald RJ: Biofunctional peptides from milk proteins: mineral binding and cytomodulatory effects. Curr Pharm Des. 2003;9(16):1289–95.
[2] Migliore-Samour D, Floc’h F, Jolles P: Biologically active casein peptides implicated in immunomodulation. J Dairy Res. 1989;56(3):357–62.
[3] Larsson SC, Bergkvist L, Wolk A: High-fat dairy food and conjugated linoleic acid intakes in relation to colorectal cancer incidence in the Swedish Mammography Cohort. Am J Clin Nutr. 2005 Oct;82
[4]:894–900. 4 Pariza MW, Ha YL: Conjugated dienoic derivatives of linoleic acid: a new class of anticarcinogens. Med Oncol Tumor Pharmacother. 1990;7(2–3):169–71.
[5] Kesse E, Boutron-Ruault MC, Norat T, Riboli E, Clavel-Chapelon F; E3N Group: Dietary calcium, phosphorus, vitamin D, dairy products and the risk of colorectal adenoma and cancer among French women of the E3N-EPIC prospective study. Int J Cancer. 2005 Oct 20;117:137–44.
[6] Clare DA, Catignani GL, Swaisgood HE: Biodefense properties of milk: the role of antimicrobial proteins and peptides. Curr Pharm Des. 2003;9(16):1239–55.
[7] Meisel H: Multifunctional peptides encrypted in milk proteins. Biofactors. 2004;21(1–4):55–61.
[8] Hauswirth CB, Schneeder MRL, Beer JH: Ist Schweizer Käse Functional Food? Aktuel Ernaehr Med 2006;31:13–17. 9 Leiber F, Nigg D, Kunz C, Scheeder MR, Wettstein HR, Kreuzer M: Protein composition, plasmin activity and cheesemaking properties of cows’ milk produced at two altitudes from hay of lowland and high-alpine origins. J Dairy Res. 2005 Feb;72(1):65–74.