Lein (Linum usitatissimum)
Die Verwendung von heilsamen Pflanzen ist uralt. Samen von Schafgarbe, Tausendgüldenkraut, Lein aus prähistorischen Gräbern oder Ausgrabungen zum Beispiel jungsteinzeitlicher Siedlungen belegen dies. Welche Heilkräuter für welche Leiden eingesetzt wurden, entzieht sich jedoch weitgehend der Forschung. Für die ersten Jahrtausende der Menschheitsgeschichte nehmen Wissenschaftler an, dass Krankheiten von Menschen als Besessenheit wahrgenommen wurden, die Geister oder Dämonen verursachten. Entsprechend kam Schamanen die Aufgabe zu, durch magisch-religiöse Therapien die Austreibung des Übels vorzunehmen. Im weiteren Verlauf könnte es so gewesen sein, dass heilkundige Menschen durch die Nähe zur Natur und ihrer Beobachtungen heilsame Pflanzen und ihre Wirkungen herausfanden. Entsprechend des Kulturkreises in dem Heilkundige lebten, wurde das Heilkunde-Wissen tradiert: Entweder nur mündlich oder wenn sich eine Schrift entwickelte, wurden Aufzeichnungen gemacht. Keilschriften beispielsweise aus dem Zweistromland (etwa 1.700 Jahre v.Chr.) belegen dies. Auch die Chinesen hatten früh Schriftzeichen entwickelt. Sie diente zur Verwaltung des Reiches oder der Geschichtsschreibung. Auch Heilkundige, die gleichzeitig Gelehrte waren, dokumentierten Kenntnisse von Krankheiten, Therapien oder Behandlungen.
Mittelalterliches Europa
In Europa waren in den ersten Jahrhunderten nach Christi Geburt ebenfalls nur Gebildete, Mönche oder Schriftgelehrte, des Schreibens kundig. Die meisten arbeiteten im Auftrage ihrer Herrscher, denn nur diese konnten sich Rohstoffe zum Herstellen von Büchern leisten. Papier war damals so gut wie unbezahlbar. Ersatzweise wurde in unseren Breitengraden Leder sehr fein gegerbt und beschrieben. Dieses Buch-Herstellungsverfahren war jedoch kostspielig und zeitaufwändig, weshalb sich auf “Wichtiges” beschränkt wurde. Das heisst jene Bücher wurden zur Kopie in Auftrag gegeben, welche den Herrschern interessant oder bedeutsam erschien.
Interessantes:
In St. Gallen/ Schweiz befindet sich die Stiftskirche aus dem 18. Jahrhundert. Ihre Bibliothek ist berühmt, denn sie enthält wertvolle Manuskripte aus dem Frühmittelalter. Etwa 400 Bände aus der Zeit um 1000 v.Chr. geben Zeugnis ab über die Bücher- und Schriftkunst sowie der damaligen Wissenschaft. Ständig wechselnde Ausstellungen ermöglichen Einblick in die oft farbenprächtig gestalteten, handgeschriebenen Werke. Ein Besuch wie Führung lohnen sich. Weiteres: Stiftskirche St. Gallen
Römer beschreiben die “Barbaren”
Kenntnisse von volksheilkundlichen Ritualen, Bräuchen oder Rezepturen gelangten über die Schriften römischer Historiker zu uns. Ihnen ist zu verdanken, dass Wissen über die Praktiken der Sachsen, Kelten oder Franken erhalten blieb. Allerdings waren die Historiker darauf bedacht, mit diesen Dokumenten zu beweisen, wie “barbarisch” die Völkerstämme außerhalb des römischen Reiches waren. Welche historische Wahrheit die Schriftstücke tatsächlich haben, bleibt dahin gestellt und wird auch zukünftig wahrscheinlich nicht mehr erforscht werden können.
Mündliche Überlieferung
Das Kräuter- oder Heilpflanzenwissen der Völker wurde jahrtausendelang weitgehend mündlich tradiert. Fehler konnten sich leicht einstellen. Zumal keine systematische oder vor allem eindeutige Bestimmung von Pflanzen existierte. (Erst Carl von Linné (1707–1778) führte ein Klassifikationssystem zur eindeutigen Bestimmung von Pflanzen-Arten ein.) In Europa sorgte Karl der Große (747–814) für eine systematische Übersetzung von römischen Schriften ins Deutsche. Der fränkische Herrscher konnte selbst lesen und schreiben, sprach Latein und verstand Griechisch. Er umgab sich mit Gelehrten seiner Zeit und bemühte sich um Bildung und Lehre. Für die materiellen Voraussetzungen der Gelehrsamkeit im aufstrebenden fränkischen Reich hatten die Vorfahren Karls gesorgt: Sein Großvater Karl Mattell (688–741) wie seine Söhne Karlmann (714–754) und Pippin (714–768) hatten die fränkische Kirche reformiert und dafür bestimmt, dass diese Trägerin politischer Funktionen und Vermittlerin geistigen Lebens wurde. Zu den Klöstern gehörten tausende von Bauern (Freien und Leibeigenen), die für Ackerbau, Viehzucht, Weinanbau arbeiteten. Damit waren Mönche von der körperlichen Arbeit für Missions- und Gottesdienste, die Erstellung von Handschriften, Aufbau von Bibliotheken oder bildender Kunst freigestellt [1]. Im berühmten St. Galler Klosterplan (etwa 820 n.Chr.) wurden Ziele wie Funktionen der Klöster festgelegt: Sie sollten als religiös-kulturell-politische Zentren dienen. Dort waren die Truppen des Herrschers (teilweise) stationiert. Schreib- und Musik- und Klosterschule waren vorgesehen wie auch eine Art Krankenhaus mit Armenversorgung. Eine Apotheke sollte Heilmittel bereitstellen. Entsprechend musste vom Kloster ein Heilpflanzen-Garten betrieben werden, um die nötigen Rohstoffe für die Apotheke zu erwirtschaften.
“Klostermedizin”
Der wachsende Reichtum vieler Klöster ermöglichte, nicht nur bekannte, antike Werke wie die des Dioskurides (Erläuterung) oder Avicenna (Erläuterung) zu kopieren. Mönche begannen sich auch für das Heilpflanzenwissen des Volkes zu interessieren. Rezepturen (und magische Sprüche) wurden gesammelt, ausprobiert, dokumentiert. Auch hier gilt wie am Anfang der Hinweis: Die fehlende eindeutige Zuordnung zu den Heilpflanzen war und ist bis heute noch eine Fehlerquelle. Wegen des Abschreibens oder anderer Missverständnisse – so waren die Rezepturen zum Teil nicht nachvollziehbar, wurden dann ohne weiteres nach gut dünken ergänzt – ist die sogenannte “Klostermedizin” mit Vorsicht zu bewerten. Berücksichtigung beim Lesen oder Zitieren sollte immer der damalige Kenntnisstand, die wissenschaftliche Methodik, das Fehlen der botanischen Grundlagen und die möglichen, fehlerhaften Rezepturanweisungen finden.
Chronologie:
• 3000 vor Christi: Chinas Mythischer Kaiser
• 3000 vor Christi: Indische Medizinlehre Ayurveda
1700 vor Christi: Keilschriften im Morgenland
• 460 – 370 vor Christi: Hippokrates von Kos
• 23 – 74 nach Christi: Plinius der Ältere
• 100 nach Christi: Pedianios Dioskurides
• 808 – 849 nach Christi: Walhafrid Strabo
• 980 – 10 37 nach Christi: Avicenna oder Ibn Sina
Autorin
• Marion Kaden, Heilpflanzen-Welt (Februar 2011).
Quelle
[1] Heinz Sdorra: Die Abgabenordnung Kaiser Karls des Großen. Heinz Sdorra 1983, 2081 Appen. S. 37.