Fenchel – ein sanftes Heilmittel

Die Heil­wir­kung des Fen­chel ist seit 6000 Jah­ren bekannt. Und bis heu­te wird die Pflan­ze als Gewürz- und Arz­nei­pflan­ze geschätzt. Die Früch­te des Fen­chel sind das ers­te Heil­mit­tel der Wahl in der Päd­ia­trie: Es hilft Säug­lin­gen und Klein­kin­dern auf sanf­te Wei­se bei Magen-Darm-Pro­ble­men und wird von ihnen wegen des mil­den, anis­ähn­li­chen Geschmacks gemocht.

Verkannte Knolle

Gemü­se-Fen­chel

Wie vie­le unse­rer Kul­tur­pflan­zen kommt auch der Fen­chel (Foe­ni­cu­lum vul­ga­re mill.) aus dem Mit­tel­meer­ge­biet. Er gehört zu den Dol­den­ge­wäch­sen (Umbel­li­fer­ae) und wird bei uns als Gemü­se, Gewürz- und Arz­nei­pflan­ze ange­baut. Durch jahr­hun­dert­lan­ge Kul­ti­vie­run­gen haben sich zahl­rei­che Gestal­ten und For­men (Grö­ße der Früch­te oder Aus­se­hen) erge­ben oder che­mi­sche (Zusam­men­set­zung des Öls) Unter­schie­de in den Züch­tun­gen. Fen­chel unter­teilt sich in ver­schie­dens­te Unter­ar­ten. Und die­se haben für die jewei­li­ge Ver­wen­dung Bedeu­tung: So wird der süße oder römi­schen Fen­chel (Foe­ni­cu­lum vul­ga­re var. dul­ce) wegen sei­nes zar­ten Geschmacks, der dem Anis ähn­lich ist, als Gemü­se ange­baut. Der Gar­ten­fen­chel bil­det eine Knol­le, die häu­fi­ger in der süd­fran­zö­si­schen Küche ein­ge­setzt wird wie bei­spiels­wei­se als leicht gedüns­te­te Gemü­se-Bei­ga­be zum Fisch. Hier­zu­lan­de spielt die Knol­le eher eine unter­ge­ord­ne­te Rol­le. Lei­der, denn fein geschnit­ten kann sie auch roh eine inter­es­san­te Ergän­zung zu fri­schen Sala­ten sein. Genau­so die jun­gen Blät­ter und Stän­gel: Sie die­nen als lecke­re Ergän­zung für Kräu­ter­saucen. All­täg­li­cher ist ihr Ein­satz wegen des deli­ka­ten Geschmacks als Wür­ze zum Ein­le­gen von Gurken.

Beliebt bei Kleinkindern

Fen­chel-Früch­te (Foe­ni­cu­lum vul­ga­re)

Die Züch­tun­gen kön­nen von stark wür­zig rie­chen­den, bit­ter-süß schme­cken­den bis hin zu schar­fen, bei­ßen­den For­men vari­ie­ren. Wie bei allen Pflan­zen wir­ken sich die Anbau­be­din­gun­gen wie Kli­ma oder Boden­be­schaf­fen­heit aus. Ent­spre­chend wer­den Geschmack, Grö­ße der Knol­le, der Früch­te oder Qua­li­tät des äthe­ri­schen Öls der Früch­te aus­fal­len. Auch der Gehalt des äthe­ri­schen Öls kann zwi­schen 0,5 bis sechs Pro­zent je nach Züch­tung (süßer Fen­chel besitzt gene­rell einen gerin­ge­ren äthe­ri­schen Öl-Gehalt), Her­kunft oder Rei­fe­grad der Früch­te ver­schie­den sein. Fen­chel bil­det Spalt­früch­te, in denen die Pflan­ze das äthe­ri­sche Öl lagert. Die Früch­te des süßen Fen­chel wer­den zum Wür­zen von Brot, Gebäck oder zum Aro­ma­ti­sie­ren von Likö­ren ver­wen­det. Für die arz­nei­li­che Ver­wen­dung kom­men nur die Früch­te des Bit­ter­fen­chels (Foe­ni­cu­li fruc­tus, Foe­ni­cu­lum vul­ga­re MILLER var.) in Fra­ge. Haupt­be­stand­teil des äthe­ri­schen Öls sind Anethol (50–70 Pro­zent), Fen­chon (12–18 Pro­zent) und Estra­gol (2–8 Pro­zent). Fen­chon ist der Anteil, der für den bit­te­ren Geschmack ver­ant­wort­lich ist. Die Früch­te des Fen­chels müs­sen ange­sto­ßen wer­den, damit sie ihr äthe­ri­sches Öl frei­ge­ben. Genau wie Küm­mel wird auch Fen­chel bei Ver­dau­ungs­be­schwer­den wie leich­te, krampf­ar­ti­ge Magen-Darm-Beschwer­den, Völ­le­ge­fühl oder Blä­hun­gen ein­ge­setzt. Doch wäh­rend Küm­mel ein so star­kes Kar­mi­na­ti­vum ist, dass es bei Säug­lin­gen sogar über die Mut­ter­milch wirkt, wird Fen­chel wegen sei­ner mil­den Wirk­wei­se geschätzt. Päd­ia­ter ver­ord­nen Säug­lin­gen, die an Ver­dau­ungs­be­schwer­den oder Durch­fall lei­den, ger­ne Fen­chel­tee. Er wird nicht nur in Pri­vat­haus­hal­ten, son­dern auch in vie­len Geburts­kli­ni­ken ein­ge­setzt. Der anis­ähn­li­chen Geschmack des Tees wird von Säug­lin­gen und Klein­kin­dern gemocht und her­vor­ra­gend ver­tra­gen. Der frisch ange­setz­te Tee kann auch zum Ver­dün­nen von Milch oder Brei­nah­rung ver­wen­det wer­den. Die äthe­ri­schen Öle des Fen­chel wir­ken ent­span­nend auf die glat­te Mus­ku­la­tur und beru­hi­gend auf den Ver­dau­ungs­trakt. Eine wei­te­re Indi­ka­ti­on für Fen­chel­tee ist sei­ne schleim­lö­sen­de Wir­kung, wes­halb er bei Katar­rhe der obe­ren Luft­we­ge in der Kin­der­heil­kun­de ver­wen­det wird.

In der Pädiatrie, mittlere Tagesdosis für innere Anwendung:

0–1 Jah­re >1–4 Jah­re >4–10 Jah­re >10–14 Jah­re
&nbsp: 1,5–4 Gramm 3–4 Gramm 4–6 Gramm

Rezept: 1 Tee­löf­fel = etwa 2,5 Gramm. 2 – 3 mal täg­lich eine Tas­se frisch berei­te­ten Tee­auf­guss zube­rei­ten und zum Trin­ken geben. Tee­zu­be­rei­tung: Ent­spre­chend der Tabel­le die fri­schen Fen­chel­früch­te ansto­ßen und mit sie­den­dem Was­ser (150 ml) auf­gie­ßen, 5 bis höchs­tens 10 Minu­ten zie­hen las­sen, abseihen.

Bei weiteren Beschwerden zum Arzt gehen!

Erwach­se­nen, die Fen­chel­tee mögen, trin­ken ihn ger­ne nach län­ge­ren Fas­ten­pe­ri­oden, um die krampf­ar­ti­gen Beschwer­den oder Blä­hun­gen zu beschwich­ti­gen. Erwach­se­ne benö­ti­gen eine Tages­do­sis 5–7 Gramm. Der Fen­chel­tee ist frisch zube­rei­tet am wirk­sams­ten und kann 2–4 mal täg­lich zwi­schen den Mahl­zei­ten getrun­ken wer­den. Der Tee soll­te nicht ohne Rück­spra­che mit dem Arzt oder Apo­the­ker über einen län­ge­ren Zeit­raum als zwei Wochen ein­ge­nom­men wer­den. Hal­ten die Beschwer­den län­ger als zwei Wochen an, ist ein Arzt auf­zu­su­chen. Als Neben­wir­kun­gen kön­nen in Ein­zel­fäl­len all­er­gi­sche Reak­tio­nen der Haut oder Atem­we­ge auf­tre­ten. Frisch gekauf­te Fen­chel­früch­te, die in der Apo­the­ke oder Dro­ge­rien zu bezie­hen sind, hal­ten sich bis zu 18 Mona­ten. Danach geht der äthe­ri­sche Anteil und damit die medi­zi­na­le Wir­kung verloren.

Uraltes Heilwissen

Wel­che Wert­schät­zung der Pflan­ze seit Jahr­tau­sen­den ent­ge­gen­ge­bracht wird, lässt sich dar­an erken­nen, dass sie sogar schon auf den berühm­ten Keil­schrift­ta­feln von Nip­pur (4 Jahr­tau­send vor Chris­tus) Erwäh­nung fin­det. Eine wei­te­re, sehr frü­he Aus­füh­rung ihrer Heil­wir­kun­gen fin­det sich im Papy­rus Ebers, einer bedeu­ten­den medi­zi­ni­sche Rezept­samm­lung des Ägyp­ten 1500 vor Chris­tus. Bei den Chi­ne­sen galt Hui Xiang als eines der wich­ti­gen Heil­kräu­ter in der Augen­heil­kun­de, sowie bei Erkran­kun­gen des Magen und Dick­darms. Ihre Erkennt­nis­se und Beob­ach­tun­gen kön­nen in ver­schie­de­nen Rezept­bü­chern, die bis heu­te Teil der tra­di­tio­nel­len Medi­zin sind, nach­voll­zo­gen wer­den. Dio­s­ku­r­i­des, ein grie­chi­scher Arzt, der 100 nach Chris­ti leb­te, lie­fer­te aus­führ­li­che Beschrei­bun­gen der heil­sa­men Wir­kung des wil­den Fen­chels Hip­po­ma­rathron. Er beschrieb das wohl­rie­chen­de Kraut, des­sen Wur­zeln als wirk­sam gegen Harn­zwang und Mens­trua­ti­on gal­ten. Außer­dem emp­fahl schon Dio­s­ku­r­i­des Abko­chun­gen des Samens gegen Durch­fall. In der euro­päi­schen Erfah­rungs­heil­kun­de wird Fen­chel­tee mit Honig als schleim­lö­send und als bewähr­tes Mit­tel gegen Keuch­hus­ten oder Bron­chi­tis geschätzt.

Exkurs: “Die Wissenschaft hat festgestellt…”

Im Janu­ar 2002 brach­te das deut­sche “Bun­des­in­sti­tut für gesund­heit­li­chen Ver­brau­cher­schutz und Vete­ri­när­me­di­zin” (BgVV) ein Hin­ter­grund­pa­pier her­aus, dass Ver­brau­cher vor Ver­wen­dung von Pflan­zen­in­halts­stof­fen wie u.a. Estra­gol warn­te. Die War­nung stütz­te sich auf tier­ex­pe­ri­men­tel­le Stu­di­en, in denen sich der Wirk­stoff als krebs­er­re­gend erwie­sen hat­te. Bald dar­auf reg­te sich Wider­spruch aus Fach­krei­sen. Im Novem­ber 2004 wur­de zum Bei­spiel eine Arbeit aus der Abtei­lung für Natur­heil­kun­de, Uni­ver­si­täts­spi­tal Zürich, ver­öf­fent­licht. In ihrer Über­sichts­ar­beit nah­men die Autoren F. Iten und R. Sal­ler Stel­lung (“Fen­chel­tee: Risi­ko­ab­schät­zung der phy­to­ge­nen Mono­sub­stanz Estra­gol im Ver­gleich zum natür­li­chen Viel­stoff­ge­misch”). Sie wand­ten sich gegen die Ergeb­nis­se von Stu­di­en, bei denen Ver­suchs­mäu­sen hohe Dosen von der Rein­sub­stanz Estra­gol ver­ab­reicht wur­den. Die Ergeb­nis­se sei­en nicht aus­sa­ge­krä­fig, weil die ver­ab­reich­ten Dosen um ein Viel­fa­ches höher waren, als die natür­lich vor­kom­men­den Öl-Antei­le in Gewür­zen oder Arz­nei­mit­teln. Men­schen sei­en nie­mals so hohen Estra­gol-Dosen aus­ge­setzt. Zudem sei der Stoff­wech­sel von Men­schen und Mäu­sen sehr unter­schied­lich, vie­le Ergeb­nis­se des­halb nicht über­trag­bar. Die Autoren kri­ti­sier­ten die Extrak­ti­on ein­zel­ner Wirk­stof­fes aus pflanz­li­chen Aus­zü­gen mit teil­wei­se vie­len hun­der­ten von Inhalts­stof­fen und beton­ten, dass sol­che Stu­di­en metho­disch mehr als man­gel­haft sei­en. Das Viel­stoff­ge­misch Fen­chel ent­hal­te sogar eine gan­ze Rei­he von Anti­oxi­dan­ti­en mit krebs­schüt­zen­der Wir­kung. Eine zuver­läs­si­ge Risi­ko­ab­schät­zung sei nur auf­grund von Daten gewähr­leis­tet, die am Men­schen selbst und mit nor­ma­len phar­ma­zeu­ti­schen Extrak­ten erar­bei­tet wor­den sei­en. Im übri­gen habe es weder bei der jahr­hun­dert­lan­gen tra­di­tio­nel­len Ver­wen­dung von Fen­chel/-tee noch bei irgend­wel­chen kli­ni­schen Stu­di­en Hin­wei­se auf ein kar­zi­no­ge­nes Poten­ti­al von Fen­chel gegeben.

Autorin
• Mari­on Kaden, natür­lich leben (2008).
Quel­len
https://www.bgvv.de/cm/208/minimierung_von_estragol_und_methyleugenol_gehalten_in_lebensmitteln.pdf
F. Iten, R. Sal­ler: Fen­chel­tee: Risi­ko­ab­schät­zung der pyh­to­ge­nen Mono­sub­stanz Estra­gol im Ver­gleich zum natür­li­chen Viel­stoff­ge­misch. For­schen­de Kom­ple­men­tär­me­di­zin und klas­si­sche Natur­heil­kun­de, 2004; 11:104–108.

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