Komplementäre Maßnahmen in der onkologischen Krankenpflege

Vom Krebs­kon­gress 2012 gab es Berich­tens­wer­tes über die Natur­heil­kun­de. Eine Kran­ken­schwes­ter erzähl­te aus ihrem Pra­xis­all­tag: Sie hilft Schwer­kran­ken mit Phy­to-Aro­ma­pfle­ge ihr Lei­den abzumildern.

Laven­del­blü­ten (Laven­del offi­ci­na­lis)

Alex­an­dra Kam­me­rer, Kran­ken­pfle­ge­rin, Pfle­ge­ex­per­tin für Phy­to- und Aro­ma­pfle­ge, Kli­nik für Tumor­bio­lo­gie (Frei­burg) einen klei­nen Ein­blick in den ziel­ge­rich­te­ten Ein­satz von kom­ple­men­tä­ren Metho­den in der pal­lia­ti­ven Onko­lo­gie. Sie hob her­vor, dass es dar­um gin­ge, Krebs­pa­ti­en­ten in ihrer schwe­ren und ein­schnei­den­den Lebens­si­tua­ti­on zu unter­stüt­zen. Wie kann also Krebs­kran­ken gehol­fen wer­den, die bei­spiels­wei­se eine schwe­re OP hin­ter sich haben? Oder Krebs­kran­ken, die Che­mo­the­ra­pie oder Bestrah­lun­gen ertra­gen müs­sen und bei denen nicht mehr die Hei­lung im Vor­der­grund steht (Pal­lia­tiv­me­di­zin). In die­ser Lebens­si­tua­ti­on ist es für Pati­en­ten aus­ge­spro­chen über­le­bens­wich­tig, wei­ter­hin für eine gute Lebens­qua­li­tät bis zu ihrem Lebens­en­de zu sor­gen. Kam­me­rer wähl­te aus den kom­ple­men­tä­ren (ergän­zen­den) Metho­den vor allem aro­ma­the­ra­peu­ti­sche Behand­lun­gen heraus.

Fachkenntis ist Voraussetzung

Kam­me­rer beton­te zunächst, dass vor allem die Fach­kennt­nis der Anwen­der und die doku­men­tier­te Qua­li­tät der ver­wen­de­ten Mate­ria­li­en für die erhoff­ten Effek­te kom­ple­men­tä­rer Pfle­ge­ver­fah­ren von hoher Bedeu­tung ist. Bei der Aro­ma­the­ra­pie bil­den äthe­ri­sche Öle von Heil­pflan­zen die Grund­la­ge der The­ra­pie. Zu beach­ten ist, dass nur natür­li­che, äthe­ri­sche Öle zur Anwen­dung kom­men, denn nur die­se haben die gewünsch­ten Wir­kun­gen (unter ande­rem weil die Gefüh­le ange­spro­chen wer­den). Bei der Aro­ma­the­ra­pie muss die indi­vi­du­el­le Situa­ti­on der Pati­en­ten unbe­dingt Berück­sich­ti­gung fin­den, so Kam­me­rer: “Wenn bei­spiels­wei­se ein star­ker Laven­del­duft einen Pati­en­ten nur an eine unge­lieb­te Tan­te erin­ne­re, wür­de der Duft kei­nes­falls die gewünsch­te schlaf­för­dern­de Wir­kung haben, son­dern Ableh­nung und zusätz­li­che Auf­re­gung heraufbeschwören”.

Dokumentation ist wichtig

Laven­del­blü­ten getrocknet

Neben der Aus­wahl ech­ter, äthe­ri­scher Öle sei bei den aro­ma­the­ra­peu­ti­schen Anwen­dun­gen im Kran­ken­haus eine genaue Doku­men­ta­ti­on uner­läss­lich. So gehö­ren in die Doku­men­ta­ti­on nicht nur die Vor­lie­ben oder Abnei­gun­gen von Duft­no­ten der ent­spre­chen­den Pati­en­ten, son­dern auch Noti­zen dar­über, wann der Pati­ent wel­ches äthe­ri­sche Öl in wel­cher Kon­zen­tra­ti­on bekam. Nicht zuletzt gehört zur Doku­men­ta­ti­on, wie der Pati­ent die Dosie­rung emp­fun­den hat, und ob die gewünsch­te Wir­kun­gen erreicht wor­den sind. “Manch­mal ist es auch nicht ein­fach gute Heil­öle her­aus­zu­su­chen”, so Kam­me­rer. “Es gibt zig ver­schie­de­ne Laven­del­ar­ten und ent­spre­chend vie­le Öle, jedoch nur drei Laven­del­öle – Laven­del angusti­fo­lia, Laven­del vera und Laven­del offi­ci­na­lis – haben tat­säch­lich eine ent­span­nen­de Wirkung”.

In der Haus­apo­the­ke der Uni­ver­si­tät Frei­burg wird Man­del­öl mit “Laven­del fein” (Fir­ma Pri­ma­ve­ra) zu einem Kör­per­öl (2prozentig) vermischt.

Dufttücher zur Stressverminderung

Zur Stress­re­duk­ti­on, wie zum Bei­spiel vor oder wäh­rend einer belas­ten­den Dia­gnos­tik, ste­hen äthe­ri­sche Öle wie Laven­del, Vanil­le, Ber­ga­mot­te oder römi­sche Kamil­le zur Ver­fü­gung. Eine Anwen­dung als Duft­tuch hilft Pati­en­ten: Ein bis zwei Trop­fen der genann­ten äthe­ri­schen Öle wer­den auf ein Lei­nen­ta­schen­tuch geträu­felt und dem Pati­en­ten zum Rie­chen über­reicht. Das­sel­be kann vor angst­ein­flös­sen­den Unter­su­chun­gen ange­bo­ten wer­den: Vor einer MRT-Unter­su­chung wird den Pati­en­ten ein Duft­tuch mit Wat­te­auf­lag auf die Herz­re­gi­on auf­ge­legt. “Dies wird als Gabe des Tros­tes emp­fun­den, wel­ches sie stän­dig beglei­tet”, so Kam­me­rer. Wie Pati­en­ten nach schwie­ri­gen Mit­tei­lun­gen wie einem Krank­heits­pro­gress, die Angst und Trau­er aus­lö­sen, gehol­fen wer­den kann, zeig­te Kam­me­rer an wei­te­ren Bei­spie­len: “Die Pati­en­ten bekom­men Arom­amas­sa­gen oder rhyth­mi­sche Ein­rei­bun­gen mit äthe­ri­schen Ölen”. In ihrer Pra­xis hat sich bei die­sem Behand­lun­gen Ner­o­li oder Basi­li­kum bewährt.

Aroma- und rhyhtmische Massagen bei Schlafstörungen

Melis­se (Melis­se offi­ci­na­lis)

Auch bei Schlaf­stö­run­gen reagie­ren vie­le Pal­lia­tiv­pa­ti­en­ten posi­tiv auf äthe­ri­sche Öle. Sei es in Form beru­hi­gend und schlaf­för­dernd wirk­den­der kör­per­war­mer Ölauf­la­gen (Wickel), bei denen auch rei­nes Man­del- oder Oli­ven­öl ver­wen­det wer­den kann, wenn die Pati­en­ten den Duft äthe­ri­scher Öle nicht wnschen. Genau­so wirk­sam sind Arom­amas­sa­gen, die als rhyth­mi­sche Ein­rei­bun­gen (“atem­sti­mu­lie­ren­de Ein­rei­bung” – ASE) durch­ge­führt wer­den. Ergänzt wird ein sol­ches Pro­gramm durch phytho­the­ra­peu­ti­sche Tee­mi­schun­gen. Eine bekann­te Mischung besteht aus Bal­dri­an, Melis­se und Hop­fen (jeweils zu glei­chen Tei­len). In Kam­me­rers Kli­nik wird als geschmack­lich akzep­ta­ble­re “Haus­mi­schung” Melis­se, Schaf­gar­be, Laven­del und Hibis­kus verwendet.

Rezeptur Hausmischung:

10 Gramm Laven­del­blü­ten, 10 Gramm Hibis­kus­blü­ten, 10 Gramm Schaf­gar­be, 20 Gramm Melis­sen­blät­ter. Die Heil­kräu­ter wer­den in eine Ther­mos­kan­ne gege­ben und mit hei­ßem Was­ser über­brüht. Die Kan­ne wird abge­deckt. Nach zehn Minu­ten wer­den die Heil­kräu­ter abge­seiht. Der Tee wird lau­warm getrun­ken und kann mit Honig, je nach Bedarf, gesüßt werden.

Versorgung offener Wunden

Ein wei­te­res häu­fi­ges Pro­blem sind unan­ge­neh­me, stark rie­chen­de, offe­ne Wun­den. “Sol­che Pati­en­ten ekeln sich häu­fig vor sich selbst”, so Käm­me­rer. Aber es sind nicht nur Ekel und Scham­ge­füh­le, die die­se Pati­en­ten betref­fen. Stu­di­en haben gezeigt, dass sich Pfle­ge­per­so­nal bei ihnen weni­ger lan­ge auf­hält. Damit stellt sich sowohl für Pfle­gen­de wie für Betrof­fe­ne eine beson­de­re Her­aus­for­de­rung, die sich mit hygie­nisch geprüf­ten Hydro­ly­sa­ten sowie Pflan­zen­wäs­sern gut beein­flus­sen las­sen. Zur Wund­rei­ni­gung emp­fahl Kam­me­rer Pflan­zen­wäs­ser auf der Grund­la­ge von Rose oder Myr­te. “Die Wun­den wer­den mit den Pflan­zen­wäs­sers gerei­nigt und aus­ge­spült und mit nicht haf­ten­dem Wund­ver­band ver­sorgt. Die Pro­ze­dur muss zwei Mal täg­lich wie­der­holt wer­den”, erklärt Kam­me­rer. Danach hät­ten sich, so die Erfah­rung aus ihrem Hau­se, die Rei­ni­gungs­in­ter­val­le auch ver­län­gert. Das Pfle­ge­per­so­nal kann sich selbst auch mit star­ken Düf­ten beim Ver­bands­wech­sel hel­fen. Zitro­ne oder Lemon­gras haben sich als hilf­reich erwie­sen, so Kammerer.

Unerträglicher Juckreiz

Nicht zuletzt sind Krebs­pa­ti­en­ten von pal­lia­ti­ven Abtei­lun­gen häu­fig mit Haut­pro­ble­men kon­fron­tiert. Damit sie sich nicht krat­zen, wer­den die Nägel kurz gehal­ten, außer­dem zie­hen die Pati­en­ten in der Nacht Baum­woll­hand­schu­he an. “Bit­te ver­wen­den Sie kein Dusch­gel bei der Ganz­wa­schung Bett­läg­ri­ger”, warn­te Kam­me­rer. Die­ses wird nicht abge­wa­schen, ver­bleibt wei­ter­hin auf der Haut und wirkt sich nega­tiv aus. Bei Haut­rei­zun­gen hel­fen Waschun­gen oder Sprays auf Grund­la­ge von Kleie, Rin­gel­blu­men­tee oder emul­gier­ten äthe­ri­schen Ölen (Laven­del, Pfef­fer­min­ze, Zedern­holz, Ben­zoe). Auch küh­len­de Ein­rei­bun­gen mit Laven­del­kör­per­öl und Was­ser kön­nen den Pati­en­ten hel­fen, so Kam­me­rer. Die bei­den letz­te­ren Bei­spie­le kön­nen auch von den Pati­en­ten selbst ange­wandt wer­den: Bei star­kem Juck­reiz nut­zen sie eine Sprüh­fla­sche mit ent­spre­chend auf­ge­füll­ten Wässern.

Tee-Rezeptur für die Sprühflasche:

1 Tee­löf­fel getrock­ne­ter Pfef­fer­minz­te­e­blät­ter wer­den mit 150 Mil­li­li­tern heis­sem Was­ser über­brüht, 10 Minu­ten abge­deckt ste­hen las­sen, danach absei­hen, abküh­len las­sen und in die Sprüh­fla­sche geben.

Oder:

2 Tee­löf­fel getrock­ne­ter Rin­gel­blu­men­blü­ten mit 150 Mil­li­li­tern heis­sem Was­ser über­brü­hen, 15 Minu­ten abge­deckt zie­hen las­sen, danach absei­hen, abküh­len las­sen und in die Sprüh­fla­sche geben.

In die Sprüh­fla­sche gehört immer nur eine Tee­sor­te. Soll­te ein­mal gewech­selt wer­den. Beim Tee­wech­sel muss die Sprüh­fla­sche sehr gut aus­ge­spühlt werden.

Wich­tig: Häu­fi­ge, gute Rei­ni­gung der Sprüh­fla­sche! (Keim­ent­wick­lung!)

Autorin
• Mari­on Kaden, Heil­pflan­­zen-Welt (März 2012).
Quel­len
Bericht: Deut­scher Krebs­kon­gress 2012, Ber­lin 22.–25.02.2012. Ple­nar­sit­zung “Pal­lia­tiv­me­di­zin II”.

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