Normales Übergewicht?
Mal sind es die guten Vorsätze fürs Neue Jahr, mal der Wunsch, endlich wieder “bikinifit” zu sein oder die seligen Versprechungen des christlichen Fastens, die uns immer wieder gegen unsere Pfunde ins Feld ziehen lassen. Eine ganz unhimmlische Heerschaar von Abnehm-Aposteln, Gewichtsreduktions-Gurus und industriegesponsorten Adipositas-“Experten” bieten gerne Hilfen an. Ihre Botschaften haben oft eines gemein: Du bist selbst Schuld! Damit lassen sie die alte Erbsünde-Ideologie des christlichen Abendlandes fröhliche Urstände feiern, die uns alle Schuld seit Adam und Eva von Geburt an ungefragt aufbürdet. Einige Evolutionsbiologen scheinen den selbst ernannten Adipositas-Austreibern sogar Recht zu geben: Der Mensch habe gar keine Erbgut-Ausstattung, um mit einer Überfülle an Nahrung artgerecht umgehen zu können, heisst es. Nur eine paradiesische Mangelernährung mit Obst und Gemüse wie vor dem Sündenfall garantiere Schlankheit. Und wenn nicht dies, dann wenigstens die Neandertaler‑, die Ötzi- oder die Steinzeit-Diät …
Ökonomische Landwirtschaft
Aber Achtung, wenn bei Zivilisationskrankheiten wie der Adipositas-Epidemie der professorale Zeigefinger der Individualschuld-Zuweisung hochschnellt! Dann darf mit gutem Recht ein ganz anderes, nämlich ökonomisches Interesse vieler “Experten” und “Mietmäuler” vermutet werden. Ohne Zweifel steht die Übergewichtsepidemie im Zusammenhang mit einer denaturierten, industrialisierten Landwirtschaft, einer Hightech-Lebensmittelindustrie oder einem oft menschenverachtenden Nahrungsmittelhandel. Deren Produkte mögen vielleicht mit oft fragwürdigen Methoden definierte Nährstoffbedürfnisse decken. Im wesentlichen aber machen sie krank, fett und bewegungslos. Um diese Schuld zu verstecken und die persönliche Verantwortlichkeit von (Aktien-)Eigentümer der grossen Lebensmittel‑, Agrar‑, Chemie- oder Handelskonzerne zu vertuschen, ist es optimal, die Schuld an ernährungsabhängigen Zivilisationskrankheiten wie das Metabolische Syndrom, Zuckerkrankheit oder Adipositas lieber den Betroffenen selbst in die Schuhe zu schieben. Übergewichtige werden also nicht, so die Botschaft von Industrie und ihren Wissenschaftlern, von einer völlig pervertierten, amoralischen Industriemafia vergiftet, sondern sie haben nur zuviel gegessen. So einfach ist das.
Das Übergewichts-Paradoxon
“Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast”, heisst es so schön. Der Spruch könnte direkt auf das neueste Machwerk von US-Statistikern angewendet werden, die Sterblichkeitsdaten von 2,9 Millionen Menschen ausgewertet haben. Er kann dabei das schon länger bekannte “Übergewichts-Paradox” bestätigten: Gemessen am Body Mass Index (BMI) haben Adipöse mit einem BMI zwischen 30 und kleiner 35 keinerlei erhöhtes Sterberisiko. Übergewichtige mit einem BMI zwischen 25 und kleiner 30 haben sogar eine um 6% verbesserte Sterblichkeit gegenüber Normalgewichtigen (BMI 18,5 bis <25). Erst oberhalb eines BMIs von 35 steigt die Sterblichkeit – wie erwartet – stark an. Der grundlegende Fehler der Studie liegt in der Nutzung des schon seit langem als völlig überholt erkannten Parameters BMI. Dieser ist zur Feststellung der Gesundheitsrisiken durch Übergewicht und Adipositas absolut ungeeignet (im Gegensatz zur Messung des Bauchumfangs). Die von den Medien kolportierten Botschaften wie “Mollige leben länger” oder “Friss dich gesund” sind also völliger Unsinn.
Einfache Botschaft: Ohne Fleisch länger leben, Schlankheit inklusive
Die in den USA und Kanada seit 12 Jahren laufenden “Adventist Health Study 2”, die weltweit grösste Vegetarier-Studie (ca. 96.000 Teilnehmer), belegt diese katastrophale Einschätzung mehr als eindrucksvoll: So kommen Zivilisationskrankheiten unter vegetarischer Ernährung sehr viel seltener vor als bei normalem Essen. Auch Übergewicht ist bei Vegetariern selten. Erschütternd ist jedoch die in diesem Umfang nicht erwartete Steigerung der Lebenserwartung: Männer erreichen durch vegetarische Ernährung ein Plus an Lebenserwartung von 9,5 Jahren, Frauen von 6,1 Jahren. Wird diese Studie demnächst offiziell publiziert, wird die bereits erwähnte Heerschar (“wes’ Fleisch ich fress’, des’ Lied ich sing‘”) “zweifelsfrei” feststellen, dass nicht sein kann, was nicht sein darf! Schliesslich ist Fleisch ein Stück Lebenskraft, täglicher Milchkonsum ist – wie bei Elefanten … – für gesundes Knochenwachstum nötig und die chemische Formula-Ernährung, mit der bei vielen Menschen heute die “Ernährungs-Karriere” beginnt, unverzichtbar für Gesundheit und Lebensfreude (besser ist nur noch die Ergänzung mit einigen Millionen Fäkalkeime in Joghurt!).
Äpfel sind gesund
Ponderostat regelt das Körpergewicht
Der kanadische Physiologe, Michel Cabanc, Quebec, hat vor mehr als 40 Jahren postuliert, dass es irgendwo im Organismus ein Regelorgan gibt, das das Körpergewicht hochgenau und effizient regelt und konstant hält – der Ponderostat. Obwohl alle Übergewichts-“Experten” wissen, dass das Körpergewicht nicht ständig in weiten Bereichen schwankt, und sich auch nicht durch einfache Massnahmen mal eben steigern oder reduzieren lässt, wird meist so getan, als benötige es nur einen Schwabbelfett-Guru, damit eine Wampe einfach weggeheilt werden kann. Die Erfahrung bestätigt das tagtäglich: Selbst “wissenschaftliche” Diäten und Gewichtsreduktions-Programme zeigen meist nur minimale Effekte, wobei ihnen zudem jede Nachhaltigkeit fehlt. Kein Wunder: Wenn der Ponderostat beim Abnehmen mit Hilfe der Naturheilkraft nicht heruntergeregelt wird, sind alle Mühen für die Katz (“Jo-Jo-Effekt”).
Das Zentrale der Naturheilkunde
Die Naturheilkunde hat eine zentrale Botschaft: Heilung wird möglich, wenn es gelingt, die uns innewohnende Naturheilkraft oder Selbstheilkraft zu (re)aktivieren. Das geistige Ideal, das die Richtung Gesundheit – und damit auch Schlankheit ‑vorgibt, nannte Paracelsus den “Inneren Archaeus”. Biologistisch wäre dies vielleicht als spezifisches Genom oder Proteom von Gesundheit oder Gesundung zu bezeichnen. Beginnt dieses innere Ideal von Heilung und Gesundheit wieder zu leuchten, kann die ureigenste Selbstheilungskraft wirksam werden und unphysiologisches, krankmachendes Übergewicht verschwinden (wenn dann auch noch wichtige krankmachende Einflüsse verringert werden). Im folgenden werden einige Beispiele genannt.
– Blutegel (Hirudo medicinalis) werden seit Urzeiten in der Medizin eingesetzt. Zu Beginn der Neuzeit wurde ihre Anwendung bei Säfteüberfülle (“Plethora”) und Übergewicht besonders von einem ihrer größten Förderer empfohlen, dem französischen Arzt François Joseph Victor Broussais (1772–1838, auch “Vampir der Medizin” genannt). Seine Theorien betonten die entzündliche Natur vieler Krankheiten, die modernen Auffassungen von der überragenden Bedeutung inflammatorischer Prozesse zum Beispiel des Bewegungsapparates sehr ähneln (auch in Hinsicht auf das metabolische Syndrom und Adipositas).- Der große Arzt und Naturheilkundler Bernhard Aschner (1883–1960), der in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wegen seiner jüdischen Herkunft Österreich in Richtung USA verlassen musste, bezeichnete die noch bis vor 150 Jahren häufiger genutzte Brechtherapie als Ausleitungsverfahren (“Purgation nach aufwärts”). Diese führe, ausgehend vom Sonnengeflecht (“Plexus solaris”), zu einer Art “organischer Schocktherapie”. Neben der Ausleitung von krankmachenden Ablagerungen im Körper kommt es dabei zu einer extrem kräftigen, nachhaltigen Stoffwechselanregung und Steigerung des Energie-Grundumsatzes. Und bedauerte vor 60 Jahren: “Wir machen heute so gut wie gar keinen Gebrauch mehr von dieser überaus wirksamen Heilmethode”.
- Ausleitungsverfahren gehören zum zentralen Handwerkszeug der Naturheilkunde. Mit ihnen werden künstlich starke Reizungen von Haut oder Schleimhäuten erzeugt, zum Beispiel mit hautreizenden Senfpflastern, Schröpfen oder Schwitzkuren. Moderne Erklärungsversuche von “Entschlackung” oder “Giftstoffausleitung über die Haut” lassen die Verfahren jedoch fast lächerlich erscheinen, besonders wenn Patienten – wie oft – überhaupt keine Ausscheidungsprobleme von Leber, Galle, Nieren oder Darm haben. Tatsächlich dienen alle Ausleitungsverfahren im Kern einer heilungsanregenden Stimulation von Lebensprozessen. Und sie tun dies auf verschiedenste Weise. Unter anderem, indem sie Bereiche der Körperoberfläche nachhaltig reizen, die über Reflexbahnen mit inneren Organen verknüpft sind. Hierzu ist allerdings ein komplexes Wissen notwendig, über das viele Therapeuten ausbildungsbedingt nicht verfügen.
- Bei der Entschlüsselung der Gene beim Human Genome Project, welches viele Jahre für Aufregung sorgte, wurde auch ein genauerer Blick auf die menschliche Darmflora gerichtet. Heraus kam, das die Darmflora von unglaublich vielen Bakterienstämmen besiedelt wird. Ihre Zusammensetzung leistet einen wesentlichen Beitrag zur allgemeinen Gesundheit eines Menschen. Denn die Darmflora ist auch für die Abwehrkräfte zuständig. Außerdem, so haben Wissenschaftler herausgefunden, wird über die Bakterien die Gewichtsregulierung gesteuert. Bakterien benötigen Ballaststoffe. Die ballaststoffarme Ernährung lässt die Bakterien hungern, weshalb sie ständig Hungersignale ans Gehirn senden. Weitere ballaststoffarme Nahrung wird zugeführt – Menschen werden dick. Um aus dem Teufelskreislauf zu gelangen, ist die Zufuhr von Präbiotika möglich. Mehr zu Inulin und den Möglichkeiten des Abnehmens bei: Floraglück
Autorin
• Marion Kaden, natürlich leben (Januar 2013).
Quellen
* Flegal KM, Kit BK, Orpana H, Graubard BI: Association of all-cause mortality with overweight and obesity using standard body mass index categories: a systematic review and meta-analysis. JAMA. 2013 Jan 2;309(1):71–82.
* Fraser G: Vegetarianism, Mortality and Metabolic Risk: The New Adventist Health Study. Referat beim: Food & Nutrition Conference & Expo, Philadelphia, PA, 7.10.2012.
* Cabanac M, Duclaux R, Spector NH: Sensory feedback in regulation of body weight: is there a ponderostat? Nature. 1971 Jan 8;229(5280):125–7.
weitere Infos
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