Mode-Idole Künstlich rosig unbefleckte Babyhaut (infantiles Lolita-Schema) mit dauerentblößten Beisswerkzeugen (Droh- und Angriffsgeste vieler Säugetiere) und weitgehende Körperenthaarung sollen ‘gesund’ aussehen und dominieren die postmodernen metrosexuellen Schönheitsideale. Eventuell ist auch noch etwas chemie- oder sonnengebräunte Färbung erlaubt. Für den ganzen Spass sind Tonnen und Tonnen an milliardenschweren Chemieprodukten notwendig, die ständig wieder neu aufgetragen, eingenommen, eingeatmet, injiziert oder sonstwie auf oder in die Haut appliziert werden müssen. Die aufwendigst und ebenfalls unter hohem Kostenaufwand sanierten Zähne dauerstrahlen derweil wie polierte LED-Lämpchen. Menschlich wirkt dies oft nicht mehr, da das Lächeln und andere mimische Ausdrücke des menschlichen Gesichts durch Botox-Injektionen zu einer maskenhaft erstarrten Dauer-Grimasse geworden sind. Die radikale Körperhaarentfernung schliesslich beraubt die Geschlechter ihrer individuellen und gruppenspezifischen Gerüche, Erkennbarkeit und sexuellen Attraktivität (wie von Patrick Süskind in ‘Das Parfüm’ als ‘Krankheit’ des Helden beschrieben). Die unendlich vielen chemischen Retortengerüche aus den Labors der Geruchs-Designer mit ihren schlecht imitierten, oft allergieauslösenden ‘Natur-Düften’ vollenden schliesslich die martialische Ideologie der Haut als Grenzorgan zwischen Eigen und Fremd.
Haut in der Medizin
Cremes in jeder Preisklasse helfen der Haut wirklich?
Die Dermato-Kosmetik bedient sich dabei ungeniert einer Kalter-Krieg-Ideologie in der naturwissenschaftlich fundierten Biomedizin. Diese konzipierte schon vor Jahrzehnten – im Sinne eines ‘Eisernen Vorhangs’ – die Haut als Grenze und Barriere. Die oft widersinnigen und allein symptomatischen ‘Hilfen’ der Schulmedizin bei Hauterkrankungen aller Art bestehen folgerichtig aus Bekämpfung alles ‘Fremden’ und ‘Unbekannten’ wie Bakterien, Viren, Pilze, Würmer oder Insekten. So viele Wirkstoffe mit ‘Anti’-(also ‘gegen’ etwas gerichtet)Vorsilbe wie in der Dermatologie gibt es in keiner anderen medizinischen Disziplin. Hilft dies alles nicht, werden die natürlichen Lebensäusserungen der Haut selbst unterdrückt. Zum Beispiel eigentlich physiologische Reaktionen wie Juckreiz oder überschiessende Entzündungserscheinungen. Die am häufigsten dabei eingesetzten Wirkstoffe – umgangssprachlich gerne als ‘Kortison’ bezeichnet – führen allerdings dazu, dass das zu behandelnde Organ Haut allmählich immer dünner und empfindlicher wird und seine eigentlichen Funktionen verliert. Mit dem Erblühen der modernen Kosmetik und Dermatologie jedenfalls hat die Zahl chronischer, aggressiver und selbstzerstörerischer Hauterkrankungen jeder Art immer weiter zugenommen. Trotz aller diagnostischen und therapeutischen ‘Fähigkeiten’! Hätte es eine moderne ‘Psycho-Dermatologie’ gegeben, wäre schnell klar geworden: Die Kalter-Krieg-Ideologie in der Haut-‘Heilkunde’ hat ein wesentliches Ergebnis erzielt, nämlich Angst und Abhängigkeiten zu erzeugen. Und dies tut sie sogar bei Menschen, die überhaupt keine krankhaften Hautveränderungen haben. Ein Beispiel ist der ‘Dermatozoenwahn’. Diese psychopathologische Vorstellung, auf oder in der Haut von Unmengen krankmachender “tierischer Erreger” besiedelt zu sein, führt im Einzelfall zu völliger Lebensunfähigkeit (Patienten können nicht mehr geschützte Räume verlassen), auf jeden Fall aber zu ständig wiederholten Arztkonsultationen.
Naturheilkunde und Haut
Wer vorurteilsfrei die menschliche Haut anschaut, wird rasch bemerken, dass ihr selbst einfachste biologische Mechanismen eines effektiven Schutzmechanismen fehlen. Es gibt weder Schuppen (wie bei Fischen), Hornschilder (wie bei einigen Reptilien), Knochenpanzerung (wie bei Schildkröten) oder andere feste Exoskelette (wie bei Insekten). Es gibt beim Menschen nur ein, flächenmässig zwar grosses, aber gleichzeitig recht dünnes und zudem extrem sensibles Organ. Die naturheilkundliche Frage lautet also, welche Aufgaben erfüllt die Haut, wenn sie uns nicht schützt? Ohne zunächst Einzelfunktionen der Haut zu berücksichtigen, ist unsere Haut eine Übergangszone, an der Innenraum Mensch und Aussenraum Biosphäre (Lebenswelt) ineinander übergehen.
Schädliches Sonnenlicht?
Die mit zum Tode von Hannelore Kohl, der ersten Gattin des deutschen Exkanzlers, beitragende ‘Sonnen-Allergie’ hat scheinbar bestätigt, was Ärzte seit langem predigen: Sonne ist ungesund! Doch das von interessierten Kreisen seit Jahrzehnten gepredigtes Glaubensbekenntnis von der ‘Hautkrebs-Verursachung durch Sonnenlicht’ ist mittlerweile so löchrig wie das Ozonloch geworden. Schon lange ist z. B. klar, dass die weissen Australier schwarzen Hautkrebs besonders an Stellen entwickeln, wo das Sonnenlicht kaum hin scheint (z. B. unter den Achseln). Italienische Forscher konnten gerade erst wieder Ergebnisse anderer Wissenschaftler-Gruppen bestätigen, dass natürliches Sonnenlicht nämlich vor Hautkrebs sogar schützt. Vermutlich über eine vermehrte Bildung des auch krebsschützend wirkenden Vitamin D. Die Jahrmillionen währende Anpassung an das Sonnenlicht hat zu vielen biologisch hoch sinnvollen Funktionen geführt, die Grundlage unserer Gesundheit sind und bleiben. Dicke Schichten teilweise ungesunder Sonnenschutzcremes oder gar das völlige Vermeiden von natürlichem Sonnenlicht sind nicht gut für unsere Haut. Sie liebt – wie unsere Vorfahren schon wussten – Licht, Luft und bei Bedarf Wasser. Klar ist übrigens auch, dass eine Vielzahl aller Hautprobleme und ‑störungen durch weitgehenden Kosmetika-Verzicht vermeidbar sind. Das hört keine Frau gerne. Möchte sie jedoch naturnah gesund leben, liegt der Verzicht auf die meisten dieser Industrieprodukte nahe.
(Caini S, Boniol M, Tosti G, Magi S, Medri M, Stanganelli I, Palli D, Assedi M, Marmol VD, Gandini S: Vitamin D and melanoma and non-melanoma skin cancer risk and prognosis: A comprehensive review and meta-analysis. Eur J Cancer. 2014 Jul 30. pii: S0959-8049(14)00806–5.)
Begegnung und Erfahrung
Malaiische Schönheiten beim Reisfest
Es ist ein Organ fließender Grenzflächen, der Begegnung und der Erfahrung: Über die vielen und verschiedensten Rezeptoren unserer Haut erleben wir die Wärme des Sonnenlichts, die Kälte der Luft, die Härte der Steine, die Weichheit des Sandes, die Schwere des Körpers (Erdanziehung), das Strömen des Windes, das Fliessen des Wassers, die Dornen eines Brombeerbusches, die nicht-hörbaren Schwingungen von Musik oder die sanften Hände eines liebenden Menschen. Auch unsere gegenseitigen Gefühle oder sexuellen Gelüste teilen wir untereinander über schweiss- und luftübertragene Pherormone, über Hautberührungen oder unseren Tastsinn. Und dies im Zusammenleben mit Milliarden Bakterien, die unsere Haut zu gegenseitigem Nutzen der verschiedenen Arten besiedeln (‘Mikrobiom’). Für Naturheilkundler sind die ‘grenzüberschreitenden’ Eigenarten der Haut weitaus nachvollziehbarer als für Schulmediziner, da sie Konzepte wie Dysbiose (Störungen der Darmflora) oder Darmsanierung schon lange kennen und therapeutisch nutzen. Und sie betreiben schon lange eine systemmedizinische Heilkunde, die die überaus komplexe Vernetzungen und Interaktionen alles Lebendigen kennt und bei der Behandlung von Krankheiten individuell berücksichtigt.
Kommunikation und Wärmehaushalt
Karneval der Kulturen, Berlin: Viel Haut ist zu sehen
Zentral bedeutsame Einzelfunktionen, deren funktionelle Störungen bei der Behandlung von Hauterkrankungen auch immer mit zu berücksichtigen sind, bestehen aus Kommunikation (Pherormone, Erröten etc., Berührung) und Regulation des Wärmehaushaltes (Schwitzen und hierdurch bedingte Verdunstungsabkühlung). In der Schulmedizin gerne vergessen, in der Naturheilkunde aber manchmal exzessiv genutzt, ist die Fähigkeit der Haut, als ersatzweises Ausscheidungsorgan die Aufgaben einer versagenden Leber, Niere oder des Darms (teilweise) zu übernehmen. So gelingt es beispielsweise Patienten mit sehr fortgeschrittener Nierenfunktionsstörung durch naturheilkundlich intensiviertes Saunieren noch einige Zeit vor einer irgendwann nötig werdenden Dauer-Blutwäsche zu bewahren. Durch eine Vielzahl von Manipulationen an der Haut, z. B. wassertherapeutische Behandlungen nach Prießnitz oder Kneipp oder Ausleitungsverfahren wie Senfpflaster, Baunscheidtieren, Schröpfen, Wickel, Schwitzkuren oder Blutegel wird die Ausscheidung von Stoffwechsel-Endprodukt (oft als ‘Schlacke’ bezeichnet) gefördert. Gleichzeitig stimulieren viele dieser Verfahren über sogenannte Somatotopien Stoffwechselfunktionen. Somatotopien beschreiben die entwicklungsgeschichtlich bedingte Verknüpfung von Gehirnarealen mit zugeordneten Körperarealen. Dabei sind mehr oder weniger direkt auch Hautgebiete mit inneren Organen quasi ‘reflektorisch’ verschaltet. Die naturheilkundliche Erfahrungsmedizin hat eine Vielzahl von Hautpunkten und ‑Flächen gefunden, deren Reizung, zum Beispiel mit einem Reizpflaster, zur heilungsanregenden Stimulation eines korrespondierenden Organs führt. Dieses erfahrungsmedizinisch fundierte System darf nicht mit dem primär theoretisch entstandenen System der Akupunktur verwechselt werden.
Resümee
Alte und junge Haut
Schönheit und gesunde Haut sind in der Naturheilkunde Synonyme. Nur ist damit die Schönheit des natürlichen Lebens gemeint – Lachfalten, vor Leben sprühende Augen, Spuren des bisher gelebten Lebens auch in der Haut, Verletzungen, die blühenden Wangen der Schwangeren, die auch in der Haut oft verschlüsselte Weisheit und Schönheit des Alters oder selbst die Hervorhebung wesentlicher Merkmale bei einem schwerkranken, allmählich “dahinschwindenden” Menschen. All dies versucht die Naturheilkunde bei der Vorbeugung und Behandlung von Gesundheitsstörungen und Krankheiten zu berücksichtigen. Vor allem indem sie mit ihrem bunten Verfahrensmix die dem Menschen innewohnende Selbstheilungsfähigkeit anregt. Dabei sollten Patienten eine Behandlung nicht dadurch stören, dass sie ihre Haut unnatürlich belasten (zum Beispiel mit Chemie, übertriebener Hygiene, Schadstoffen aus Ernährung, Reinigungsmittel, verdreckter Luft oder einem krankmachend ungeordneten Leben). Kurzum: Eine natürliche, gesunde Lebensführung tut nicht nur dem Menschen insgesamt wohl, sondern auch der Haut.
Trockenbürsten
Beispiel Trockenbürsten: Eine gute Möglichkeit, neben der Hygiene etwas für die Haut zu tun, ist tägliches Trockenbürsten. Verwendet werden dazu langstielige Hautbürsten mit echten Borsten oder raue Spezialhandschuhe. Das Trockenbürsten regt die Hautdurchblutung an. Die Haut wird widerstandsfähiger gegen Entzündungen, Pickel, Pilzinfekte oder Hauterkrankungen. Das regelmässige Bürsten regt aber nicht nur den äusseren Blutkreislauf an, sondern es werden über die Reflexzonen auch innere Organe stimuliert oder der Lymphfluss angeregt. Insgesamt werden auch Funktionen der körpereigenen Abwehr oder des Kreislaufs durch kräftigere Hautstimulation angeregt. Auch das sogenannte Hautbild verbessert sich. Und: Trockenes Hautbürsten wird zur Verbesserung des Hautzustandes auch bei Hautkrankheiten wie Pickel, Akne, Schuppenflechte oder Entzündungen empfohlen. Allerdings wird jeweils um die Entzündungen oder befallenen Hautflächen herum gebürstet, niemals darüber.
Technik: Mit Handschuh oder Bürste wird mit gleichmässigem, leichtem Druck begonnen. Trockenbürsten sollte immer angenehm sein! Eine anschliessend leicht gerötete, gut durchblutete, angenehm pulsierende Haut weist bei dieser angenehmen, täglichen Behandlung den Weg. Am herzentferntesten Punkt am rechten Fuss wird begonnen. Leicht wird dann herzwärts gebürstet. Von unten nach oben Füsse, Beine, Bauch, Po, Rücken, Brustkorb (Brustwarzen werden ausgelassen), Arme. Dann von oben nach unten Kopf, Hals (leicht wegen empfindlicher Haut), Schultern, Dekolleté.
Autorin
• Marion Kaden, natürlich leben (Oktober 2014).