Trigonella foenum-graecum (Bockshornklee: Kraut, ‘Schoten’, Samen)
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Bockshornklee (Trigonella foenum-graecum) wird unter anderem wegen seiner blutzuckersenkenden Aktivität bei Diabetes mellitus und wegen seiner deutlichen cholesterinsenkenden Wirkungen bei Fettstoffwechselstörungen und Arteriosklerose eingesetzt [1, 14]. Der Schutz vor oxidativen Gefäßschäden [2], die Regression von atheromatösen Plaques [3], die gerinnungshemmende Aktivität oder die insgesamt perfusionssteigernden Effekte von Bockshornkleesamen erklären ethnopharmakologische Anwendungen zur Förderung des Haarwachstums [4, 5] sowie klinische Studien hierzu [6]. Pflanzenzubereitungen aus Bockhornsamen haben zudem eine Vielzahl von gynäkologischen Indikationen, von denen die meisten schon aus der traditionellen Medizin bekannt sind [7]. Wichtig sind die Stimulation der Milchbildung [8, 9], Linderung von Menstruationsproblemen [10] oder Erhöhung der Libido [11].
Bockshornsamen: Kein Potenzmittel für Männer
Trotz positiver wissenschaftlicher Bewertung von Bockshornklee-/samen als Arzneimittel [12, 13, 14, 15] oder Nahrungsergänzungsmittel [16] gibt es zahlreiche, vor allem unkontrolliert im “Internet” kolportierte Falschaussagen. Beispielsweise wird gerne eine kleine Einzelstudie zitiert, die Bockshornkleesamen als natürliches Potenzmittel bewirbt [17], aber wissenschaftlich nicht unhaltbar ist.
Bockshornklee als Galaktagogum: Viel Verwirrung
Eine wichtige traditionelle Indikation ist die Anregung der Milchbildung stillender Mütter, zu der es hinsichtlich Bockshornklee die meisten kontrollierten Studien aller pflanzlichen Galaktagoga gibt [8, 9, 18]. Umso erstaunlicher erscheint die Skepsis in der Frauenheilkunde, wenn es um Fragen der Sicherheit bei längerer Anwendung von Bockshornsamenzubereitungen durch Stillende geht [19]. Daten aus der klinischen Anwendung zur Stimulation der Milchbildung zeigen die hohe Sicherheit von geeignet aufbereiteten Heilpflanzen-Zubereitungen bei gesunden Stillenden. Zur Deaktivierung potentiell problematischer Samen-Inhaltsstoffe (z. B. Trigonellin, Gentianin, Carpain) werden traditionell verschiedene thermische Verfahren eingesetzt – Kochen, Rösten, Backen [20, 21]. Ohne diese Vorbehandlung können gelegentlich reversible Diarrhoen vorkommen [22], daneben ein ahornähnlicher Geruch von Urin, Muttermilch und Schweiß sowie bei Frauen mit Asthma oder Hypoglykämie eine Verstärkung der Symptomatik [23]. Wegen möglicher Anregung uteriner Kontraktionen sollten sehr hoch dosierte Bockshornsamen-Zubereitungen während der Schwangerschaft vermieden werden [24]. Doch selbst die US-amerikanische Arzneimittel-Zulassungs- und Überwachungsbehörde FDA schätzt Trigonella foenum-graecum aber “im Allgemeinen als sicher” ein (GRAS-Liste: generally recognized as safe) [25]. Diese Studien und Analysen bestätigen Erfahrungen aus der jahrtausendealten traditionellen Anwendung von Bockshornklee als Arzneimittel, als Nahrungsmittel oder als Gewürz.
“Absurditäten zum Thema Bockshornklee”
Apotheker-“Fach”-Literatur zitiert gerne auch rein experimentelle “Reagenzglas”-Befunde. Zum Beispiel, daß Trigonella Hemmstoffe bestimmter eiweißabbauender Enzyme (“Bowman-Birk Protease Inhibitor”, BBI) enthalte, die bei anhaltender Überdosierung zu Eiweiß-Verdauungsstörungen mit Gewichtsverlust und Entwicklungsstörungen führen könnten [a]. Dies ist jedoch eine rein theoretische Überlegung, die selbst von den zitierten Wissenschaftlern nie behauptet wurde [b, c].
Die Tatsache, daß Bockshornkleesamen zu den ältesten bekannten Lebensmittel der Menschen gehört [d] und derartige “Nebenwirkungen” niemals berichtet wurden, belegt wieder einmal aufs Neue, daß wissenschaftliche Forschung mehr wert ist als eminenzbasierte Vermutungen von der oft sauerstoffarmen Höhe eines akademischen Lehrstuhls aus. Schlimm ist dabei, daß bemerkenswerte, wichtige Eigenschaften von Trigonella in den Hintergrund rücken: Beispielweise zeigen wissenschaftliche Untersuchungen bei Tieren und Menschen, daß auch hohe BBI-Dosierungen keinerlei toxische Auswirkungen haben [e], daß der Trigonella-Wirkstoff antikarzinogene Eigenschaften hat und daß er zum Beispiel Zellen bei Krebs-Strahlentherapie schützen hilft [f, g].
Nach thermischer Aktivierung keinerlei Anwendungsrisiko mehr
Potentiell toxische Inhaltsstoffe in rohen Leguminosen (Hülsenfrüchte) wie Bockshornklee werden schon seit der griechischen Antike durch Rösten der Samen genießbarer, verträglicher und haltbarer gemacht, wobei medizinisch relevante Wirkstoffe erhalten bleiben [26]. Heute beinhaltet dieser Vorgang der “Aktivierung des Bockshornklees” eine spezielle, thermische Behandlung für mindestens 1 Stunde bei 80° Celsius. Dabei wird unter anderem ein Teil der hämolysierenden Aktivität der Saponine zerstört [27], die ernährungsphysiologische Verwertbarkeit des Bockshornklees [28] und der Geschmack verbessert oder der Gehalt antioxidativer Wirkstoffe erhöht [29]. Nur durch diese Behandlung entfalten Bockshornkleesamen – anders als nicht wärmebehandelte Bockshornklee-Produkte – ihre optimale, gesundheitsfördernde Wirksamkeit. Derzeit existiert nur ein einziges auf diese Weise aufbereitetes Produkt: “aktivierter Bockshornklee” [30], das ausschließlich aus Europa wachsendem Bockshornklee gewonnen wird. Bockshornklee ist eine uralte, vor allem auch in Europa beheimatete Kulturpflanze [31].
Autor
• Rainer H. Bubenzer, Heilpflanzen-Welt.de (Oktober 2015).
weitere Infos
Monographie BGA/BfArM (Kommission E): Foenugraeci semen (Bockshornsamen). Bundesanzeiger, 1.2.1990.
Altersforschung: Was hält mich jung? – Hormonersatz, Sport oder Bockshornklee?
Weidenrinde und Teufelskralle – Alternative Schmerzbehandlung mit Pflanzen.
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- → Bockshornklee, aktiviert, Kapseln (Nahrungsergänzungsmittel), PZN: 068 89 061 – empf. VK inkl. MwSt. : € 15,49. → Bockshornklee ativiert, Bio Tabletten (Nahrungsergänzungsmittel), PZN: 10 11 86 59 – empf. VK € 19,80. Hersteller: Naturprodukte Dr. Pandalis GmbH & Co. KG, Füchtenweg 3, D‑49219 Glandorf.
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