Fehleinschätzungen zu Bockshornkleesamen, einem bedeutenden Arzneimittel mit Tradition

Trigonella foenum-graecum

Tri­go­nella foe­num-grae­cum (Bocks­horn­klee: Kraut, ‘Scho­ten’, Samen)
© Pic­tu­re Part­ners (Fenu­greek leaves,pods and seeds) (fotolia.com, #33596257).

Bocks­horn­klee (Tri­go­nella foe­num-grae­cum) wird unter ande­rem wegen sei­ner blut­zu­cker­sen­ken­den Akti­vi­tät bei Dia­be­tes mel­li­tus und wegen sei­ner deut­li­chen cho­le­ste­rin­sen­ken­den Wir­kun­gen bei Fett­stoff­wech­sel­stö­run­gen und Arte­rio­skle­ro­se ein­ge­setzt [1, 14]. Der Schutz vor oxi­da­tiv­en Gefäß­schä­den [2], die Regres­si­on von athe­ro­ma­tö­sen Plaques [3], die gerin­nungs­hem­men­de Akti­vi­tät oder die ins­ge­samt per­fu­si­ons­stei­gern­den Effek­te von Bocks­horn­klee­sa­men erklä­ren eth­no­phar­ma­ko­lo­gi­sche Anwen­dun­gen zur För­de­rung des Haar­wachs­tums [4, 5] sowie kli­ni­sche Stu­di­en hier­zu [6]. Pflan­zen­zu­be­rei­tun­gen aus Bock­horn­sa­men haben zudem eine Viel­zahl von gynä­ko­lo­gi­schen Indi­ka­tio­nen, von denen die meis­ten schon aus der tra­di­tio­nel­len Medi­zin bekannt sind [7]. Wich­tig sind die Sti­mu­la­ti­on der Milch­bil­dung [8, 9], Lin­de­rung von Mens­trua­ti­ons­pro­ble­men [10] oder Erhö­hung der Libi­do [11].

Bockshornsamen: Kein Potenzmittel für Männer

Trotz posi­ti­ver wis­sen­schaft­li­cher Bewer­tung von Bocks­horn­klee-/sa­men als Arz­nei­mit­tel [12, 13, 14, 15] oder Nah­rungs­er­gän­zungs­mit­tel [16] gibt es zahl­rei­che, vor allem unkon­trol­liert im “Inter­net” kol­por­tier­te Falsch­aus­sa­gen. Bei­spiels­wei­se wird ger­ne eine klei­ne Ein­zel­stu­die zitiert, die Bocks­horn­klee­sa­men als natür­li­ches Potenz­mit­tel bewirbt [17], aber wis­sen­schaft­lich nicht unhalt­bar ist.

Bockshornklee als Galaktagogum: Viel Verwirrung

Eine wich­ti­ge tra­di­tio­nel­le Indi­ka­ti­on ist die Anre­gung der Milch­bil­dung stil­len­der Müt­ter, zu der es hin­sicht­lich Bocks­horn­klee die meis­ten kon­trol­lier­ten Stu­di­en aller pflanz­li­chen Galakt­ago­ga gibt [8, 9, 18]. Umso erstaun­li­cher erscheint die Skep­sis in der Frau­en­heil­kun­de, wenn es um Fra­gen der Sicher­heit bei län­ge­rer Anwen­dung von Bocks­horn­sa­men­zu­be­rei­tun­gen durch Stil­len­de geht [19]. Daten aus der kli­ni­schen Anwen­dung zur Sti­mu­la­ti­on der Milch­bil­dung zei­gen die hohe Sicher­heit von geeig­net auf­be­rei­te­ten Heil­pflan­zen-Zube­rei­tun­gen bei gesun­den Stil­len­den. Zur Deak­ti­vie­rung poten­ti­ell pro­ble­ma­ti­scher Samen-Inhalts­stof­fe (z. B. Tri­go­nell­in, Gen­ti­a­nin, Car­pain) wer­den tra­di­tio­nell ver­schie­de­ne ther­mi­sche Ver­fah­ren ein­ge­setzt – Kochen, Rös­ten, Backen [20, 21]. Ohne die­se Vor­be­hand­lung kön­nen gele­gent­lich rever­si­ble Diar­rhoen vor­kom­men [22], dane­ben ein ahorn­ähn­li­cher Geruch von Urin, Mut­ter­milch und Schweiß sowie bei Frau­en mit Asth­ma oder Hypo­glyk­ämie eine Ver­stär­kung der Sym­pto­ma­tik [23]. Wegen mög­li­cher Anre­gung ute­ri­ner Kon­trak­tio­nen soll­ten sehr hoch dosier­te Bocks­horn­sa­men-Zube­rei­tun­gen wäh­rend der Schwan­ger­schaft ver­mie­den wer­den [24]. Doch selbst die US-ame­ri­ka­ni­sche Arz­nei­mit­tel-Zulas­sungs- und Über­wa­chungs­be­hör­de FDA schätzt Tri­go­nella foe­num-grae­cum aber “im All­ge­mei­nen als sicher” ein (GRAS-Lis­te: gene­ral­ly reco­gni­zed as safe) [25]. Die­se Stu­di­en und Ana­ly­sen bestä­ti­gen Erfah­run­gen aus der jahr­tau­sen­de­al­ten tra­di­tio­nel­len Anwen­dung von Bocks­horn­klee als Arz­nei­mit­tel, als Nah­rungs­mit­tel oder als Gewürz.

“Absurditäten zum Thema Bockshornklee”

Apotheker-“Fach”-Literatur zitiert ger­ne auch rein expe­ri­men­tel­le “Reagenzglas”-Befunde. Zum Bei­spiel, daß Tri­go­nella Hemm­stof­fe bestimm­ter eiweiß­ab­bau­en­der Enzy­me (“Bow­­man-Birk Pro­tease Inhi­bi­tor”, BBI) ent­hal­te, die bei anhal­ten­der Über­do­sie­rung zu Eiweiß-Ver­­­dau­ungs­­­stö­run­­gen mit Gewichts­ver­lust und Ent­wick­lungs­stö­run­gen füh­ren könn­ten [a]. Dies ist jedoch eine rein theo­re­ti­sche Über­le­gung, die selbst von den zitier­ten Wis­sen­schaft­lern nie behaup­tet wur­de [b, c].

Die Tat­sa­che, daß Bocks­horn­klee­sa­men zu den ältes­ten bekann­ten Lebens­mit­tel der Men­schen gehört [d] und der­ar­ti­ge “Neben­wir­kun­gen” nie­mals berich­tet wur­den, belegt wie­der ein­mal aufs Neue, daß wis­sen­schaft­li­che For­schung mehr wert ist als emi­nenz­ba­sier­te Ver­mu­tun­gen von der oft sau­er­stoff­ar­men Höhe eines aka­de­mi­schen Lehr­stuhls aus. Schlimm ist dabei, daß bemer­kens­wer­te, wich­ti­ge Eigen­schaf­ten von Tri­go­nella in den Hin­ter­grund rücken: Bei­spiel­wei­se zei­gen wis­sen­schaft­li­che Unter­su­chun­gen bei Tie­ren und Men­schen, daß auch hohe BBI-Dosie­run­­gen kei­ner­lei toxi­sche Aus­wir­kun­gen haben [e], daß der Tri­­go­­nella-Wir­k­­stoff anti­kar­zi­no­ge­ne Eigen­schaf­ten hat und daß er zum Bei­spiel Zel­len bei Krebs-Strah­­len­­the­ra­pie schüt­zen hilft [f, g].

Nach thermischer Aktivierung keinerlei Anwendungsrisiko mehr

Poten­ti­ell toxi­sche Inhalts­stof­fe in rohen Legu­mi­no­sen (Hül­sen­früch­te) wie Bocks­horn­klee wer­den schon seit der grie­chi­schen Anti­ke durch Rös­ten der Samen genieß­ba­rer, ver­träg­li­cher und halt­ba­rer gemacht, wobei medi­zi­nisch rele­van­te Wirk­stof­fe erhal­ten blei­ben [26]. Heu­te beinhal­tet die­ser Vor­gang der “Akti­vie­rung des Bocks­horn­klees” eine spe­zi­el­le, ther­mi­sche Behand­lung für min­des­tens 1 Stun­de bei 80° Cel­si­us. Dabei wird unter ande­rem ein Teil der hämo­ly­sie­ren­den Akti­vi­tät der Sapo­nine zer­stört [27], die ernäh­rungs­phy­sio­lo­gi­sche Ver­wert­bar­keit des Bocks­horn­klees [28] und der Geschmack ver­bes­sert oder der Gehalt anti­oxi­da­tiv­er Wirk­stof­fe erhöht [29]. Nur durch die­se Behand­lung ent­fal­ten Bocks­horn­klee­sa­men – anders als nicht wär­me­be­han­del­te Bocks­horn­klee-Pro­duk­te – ihre opti­ma­le, gesund­heits­för­dern­de Wirk­sam­keit. Der­zeit exis­tiert nur ein ein­zi­ges auf die­se Wei­se auf­be­rei­te­tes Pro­dukt: “akti­vier­ter Bocks­horn­klee” [30], das aus­schließ­lich aus Euro­pa wach­sen­dem Bocks­horn­klee gewon­nen wird. Bocks­horn­klee ist eine uralte, vor allem auch in Euro­pa behei­ma­te­te Kul­tur­pflan­ze [31].

Autor
• Rai­ner H. Buben­zer, Heilpflanzen-Welt.de (Okto­ber 2015).
wei­te­re Infos
Mono­gra­phie BGA/​​BfArM (Kom­mis­si­on E): Foe­nu­grae­ci semen (Bocks­horn­sa­men). Bun­des­an­zei­ger, 1.2.1990.
Alters­for­schung: Was hält mich jung? – Hor­mon­er­satz, Sport oder Bockshornklee?
Wei­den­rin­de und Teu­fels­kral­le – Alter­na­ti­ve Schmerz­be­hand­lung mit Pflanzen.
Quel­len

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  30. → Bocks­horn­klee, akti­viert, Kap­seln (Nah­rungs­er­gän­zungs­mit­tel), PZN: 068 89 061 – empf. VK inkl. MwSt. : € 15,49. → Bocks­horn­klee ati­viert, Bio Tablet­ten (Nah­rungs­er­gän­zungs­mit­tel), PZN: 10 11 86 59 – empf. VK € 19,80. Her­stel­ler: Natur­pro­duk­te Dr. Pan­da­lis GmbH & Co. KG, Füch­ten­weg 3, D‑49219 Glandorf.
  31. Bla­schek W, Ebel S, Hacken­thal E, Holz­gra­be U, Kel­ler K, Reich­ling J, Schulz V (Hrsg.): Hagers Hand­buch der Dro­gen und Arz­nei­stof­fe. Sprin­ger Ver­lag, Hei­del­berg, 2006.

Ergän­­zungs-Lite­ra­­tur

  1. Wichtl M (Hrsg.): Teedro­gen und Phy­to­phar­ma­ka. Ein Hand­buch für die Pra­xis auf wis­sen­schaft­li­cher Grund­la­ge. Deut. Apo­the­ker­verl., Stutt­gart, 2009.
  2. Weder JK, Hauss­ner K: Inhi­bi­tors of human and bovi­ne tryp­sin and chy­mo­tryp­sin in fenu­greek (Tri­go­nella foe­num-grae­­cum L.) seeds. Reac­ti­ve sites and C‑terminal sequen­ces. Z Lebensm Unters Forsch. 1991 Sep;193(3):242–6 (Kurz­fas­sung).
  3. Weder JK, Hauss­ner K: Inhi­bi­tors of human and bovi­ne tryp­sin and chy­mo­tryp­sin in fenu­greek (Tri­go­nella foe­num-grae­­cum L.) seeds. Reac­tion with the human and bovi­ne pro­te­in­ases. Z Lebensm Unters Forsch. 1991 Oct;193(4):321–5 (Kurz­fas­sung).
  4. Hil­ler K, Melzig M: Lexi­kon der Arz­nei­pflan­zen und Dro­gen, Elsevier/​​Spektrum Akad. Verl., Hei­del­berg, 2003.
  5. Ken­ne­dy AR: Pre­ven­ti­on of car­ci­no­ge­nesis by pro­te­in­ase inhi­bi­tors. Can­cer Res. 1994;54:1999s-2005s.
  6. Ditt­mann KH, Gue­ven N, May­er C, Rode­mann HP: The radio­pro­tec­ti­ve effect of BBI is asso­cia­ted with the acti­va­ti­on of DNA repair-rele­­vant genes. Int J Radi­at Biol. 1998 Aug;74(2):225–30 (Kurz­fas­sung).
  7. Ditt­mann KH, Güven N, May­er C: Der Bow­­man-Birk Pro­tease Inhi­bi­tor wirkt als selek­ti­ver Radio­pro­tek­tor für Nor­mal­zel­len. Hanns-Lan­­gen­­dorff-Preis, Frei­burg, 1999 (Kurz­fas­sung).

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