Lesetipp: Die Hebammensprechstunde

Buch-Cover

Das Buch ist geschrie­ben von einer Heb­am­me, die auf jahr­zehn­te­lan­ge Erfah­run­gen zurück­blickt. Die Erfah­run­gen sind spür­bar in jedem Satz, wel­che anteil­neh­mend auf mög­li­che Gefüh­le, Ängs­te und Freu­den der Schwan­ge­ren ein­ge­hen – und dass in den unter­schied­li­che Pha­sen der Schwan­ger­schaft. Inge­borg Sta­del­mann beginnt ihre ers­ten Sei­ten bei­spiels­wei­se mit einer wun­der­schö­nen Ein­füh­rung, näm­lich dem aller­ers­ten Zeit­punkt der Wahr­neh­mung einer mög­li­chen Schwan­ger­schaft. Dann, wenn das Gefühls­ka­rus­sell beginnt mit dem Aus­blei­ben der Mens­trua­ti­on, den ers­ten unsi­che­ren Emp­fin­dun­gen von Brust-Span­nun­gen und der lang­sam auf­kei­men­den Erkennt­nis: “Bin ich schwan­ger?” Sta­del­mann beschreibt teil­neh­mend (und als Mut­ter drei­er Kin­der) wis­send, wie sich Frau­en mit den ers­ten Tagen oder Wochen ihres “neu­en Zustan­des” füh­len und sich oft zunächst ent­schei­den, die­ses als Geheim­nis in sich tra­gen. Denn, dass dort ein Kind her­an­wächst, will zunächst ein­mal ange­nom­men und ver­ar­bei­tet wer­den. Erst wenn die Frau bereit ist, wird sie ihr Geheim­nis lüften.

Das Buch ist geschrie­ben für Schwan­ge­re und wer­den­de Väter. Immer flie­ßen Bei­spie­le der Heb­am­me aus all­täg­lich vor­kom­men­den oder beson­de­ren Situa­tio­nen ein. Der Pra­xis-Bezug und die Hil­fe zur Selbst­hil­fe ste­hen im Vor­der­grund mit auch vie­len vor­sor­gen­den oder medi­zi­ni­schen Rat­schlä­gen: Kon­kre­te Vor­schlä­ge mit Anwen­dun­gen der Homöo­pa­thie, Aro­ma­the­ra­pie, Kräu­ter­heil­kun­de (Tees, Kräu­ter­ex­trak­te, Arom­ami­schun­gen) wer­den gemacht, wobei auch Hin­wei­se auf die Gren­zen der Selbst­me­di­ka­ti­on nicht feh­len. Das Buch geht auf alle Sta­di­en der Schwan­ger­schaft ein und lie­fert fol­gen­de Informationen:

  • Die Früh­schwan­ger­schaft (Kreuz­bein­schmer­zen, Brust­span­nen, Medi­ka­men­te, Nah­rungs­er­gän­zungs­mit­tel): Fra­gen zur Suche nach Heb­am­men, Ärz­tin­nen wer­den erör­tert, wie not­wen­di­ge Vor­sor­ge­un­ter­su­chun­gen oder Pränataldiagnostik.
  • Die “mitt­le­ren drei Mona­te” beschäf­ti­gen sich z.B. mit der Ernäh­rung und Schwan­ger­schafts­be­schwer­den (Mut­ter­band­schmer­zen, Krampf­adern, Gewichts­zu­nah­me). Auch Part­ner­schaft und Sexua­li­tät in der Schwan­ger­schaft sind the­ma­ti­siert. Natür­lich wer­den die Vor­aus­set­zung einer Haus­ge­burt dar­ge­stellt oder die der Geburts­häu­ser. Zwil­lings- Mehr­lings­schwan­ger­schaf­ten – für alle Even­tua­li­tä­ten schafft Sta­del­mann Raum. Soll­te die­ser wie bei dem letzt­ge­nann­ten nicht aus­rei­chen, so fin­den ange­hen­de Müt­ter und Väter zumin­dest wei­te­re Hinweise.
  • Den “letz­ten drei Mona­ten” sind vor allem Hin­wei­se für die Vor­be­rei­tun­gen gewid­met: “Brüs­te auf die Still­zeit vor­be­rei­ten” (was tun bei Flach‑, Schlupf und Hohl­war­zen), Sod­bren­nen, Haut­juck­rei­ze, Schlaf­pro­ble­me, Wadenkrämpfe.
  • Ein gro­ßes Kapi­tel gilt der Vor­be­rei­tung der Geburt, den mög­li­chen gesund­heit­li­chen Pro­ble­men der Hoch­schwan­ge­ren (Ver­stop­fung, Vagi­nal­so­or, Vor­we­hen). Eben­so fin­den wer­den­de Väter, lie­be Freun­de oder wohl­mei­nen­de Ver­wand­te (“Über­tra­gung”, wie z.B. “na, ist es noch nicht so weit. Machst du dir nicht lang­sam Sor­gen?”) Erwähnung.
  • Der Zeit des Wochen­bet­tes und dem Neu­ge­bo­re­nen wird eben­falls jeweils ein Kapi­tel zugeordnet.

Kurz­um: Schwan­ge­re und ihre Part­ner fin­den in die­sem Buch vie­le Infor­ma­tio­nen zur Ent­schei­dungs­hil­fe oder Nütz­lich-Prak­ti­sches, um sich vor­zu­be­rei­ten zu kön­nen. Tipps und Anwen­dun­gen aus der Natur- und Erfah­rungs­heil­kun­de bie­ten die Mög­lich­keit, sich bei den ver­schie­dens­ten mög­li­chen auf­tre­ten­den grö­ße­ren oder klei­ne­ren Pro­ble­men sel­ber hel­fen zu kön­nen. Fazit: Sehr empfehlenswert.

Sta­del­mann, Inge­borg: Die Heb­am­men­sprech­stun­de. Sta­del­mann Ver­lag. Bro­schiert 22,50 Euro (Direk­ter Link ama­zon)

Plädoyer für die vaginale Geburt und insbesondere der Hausgeburt

Frü­her war Kin­der­krie­gen und Gebä­ren ein natür­li­cher Vor­gang. Vor allem war es Frau­en­sa­che: Bis Mit­te des 18. Jahr­hun­derts waren erfah­re­ne Heb­am­men für Schwan­ge­re und Gebä­ren­de zustän­dig (im 18. Jahr­hun­dert galt es als “unan­stän­dig”, sich einem “Geburts­hel­fer” anzu­ver­trau­en). Selbst­ver­ständ­lich fan­den die Gebur­ten und Wochen­bet­ten Zuhau­se statt. Danach nah­men sich Män­ner als “Exper­ten” immer mehr der Geburts­heil­kun­de an und ver­dräng­ten lang­sam die Heb­am­men. Eine Ent­wick­lung, die bis in die Moder­ne andau­ert: So wur­de bei­spiels­wei­se 1960 der ärzt­li­che Mut­ter­pass und Mut­ter­schafts­richt­li­ni­en ein­ge­führt, was damals einen Rück­gang des Beru­fes der Heb­am­men nach sich zog. In den 1980iger gab es kaum noch frei selbst­stän­di­ge Heb­am­men. Die meis­ten arbei­te­ten schon damals in den von Ärz­ten gelei­te­ten Kreiß­sä­len. 2010 kamen nur noch 9.000 Kin­der durch Haus­ge­bur­ten zur Welt. Das Renom­mee für Haus­ge­bur­ten ist heu­te aus­ge­spro­chen schlecht: Frau­en, die sich für Haus­ge­bur­ten ent­schei­den, kön­nen sogar als ver­ant­wor­tungs­los ver­un­glimpft wer­den. Die Zahl der Haus­ge­bur­ten sinkt wei­ter, auch weil das von männ­li­chen Poli­ti­kern bestimm­te Sozi­al­sys­tem nicht bereit ist, die Hono­ra­re frei­er Heb­am­men für Schwan­­ger­­schafts-Vor­­­sor­­ge, Schwan­­ge­­ren-Betreu­ung, Hil­fe bei Beschwer­den, Haus­ge­bur­ten, Still­be­ra­tung oder Wochen­bett­be­treu­ung zu übernehmen. 

Der letz­te gro­ße Coup der poli­tisch ver­ant­wort­li­chen Män­ner, die Haus­ge­bur­ten end­gül­tig abzu­schaf­fen war, die Bei­trä­ge für die Berufs­haft­pflicht für die Heb­am­men zu ver­zehn­fa­chen. Damit muss­ten allei­ne 10 Pro­zent der Heb­am­men ihre Ver­si­che­run­gen kün­di­gen, und auf­hö­ren als Heb­am­men zu arbei­ten. Denn von Haus­ge­bur­ten allei­ne kön­nen Heb­am­men nicht leben: Außer­dem erhal­ten sie einen Net­­to-Stun­­den­­lohn für eine 24Stündige Rund­um­be­treu­ung von 8,50 Euro! Bei der ver­ant­wor­tungs­vol­len Auf­ga­be ist die­se Ent­loh­nung ein Hohn.

Die Her­ren der Schöp­fung arbei­ten wei­ter dar­an, dem uralten Heb­am­­men-Berufs­­­stand end­gül­tig den Gar­aus zu berei­ten: So befürch­tet der Heb­am­men­ver­band (Mel­dung vom 25.09.2015) z.B. allein durch die aktu­el­le Fest­le­gung ver­bind­li­cher Aus­schluss­kri­te­ri­en bei einer Geburt, dass kei­ne Selbst­be­stim­mung der Wahl des Geburts­or­tes mehr mög­lich ist. Kon­kret: Wenn eine Geburt drei Tage über dem Ter­min liegt, soll ein Arzt bestim­men, ob eine Haus­ge­burt noch mög­lich ist. “Das lei­tet den Unter­gang der Haus­ge­burt ein”, so die Prä­si­den­tin des Deut­schen Heb­am­men­ver­ban­des. “Mit Besorg­nis neh­men wir wahr, dass die natür­li­che, die phy­sio­lo­gi­sche Geburt immer weni­ger im Focus der Geburts­hil­fe steht. Das Ver­trau­en in die Kör­per­kom­pe­tenz von Frau­en geht ver­lo­ren. Tech­ni­sche Hilfs­mit­tel wer­den in den Vor­der­grund gescho­ben, da sie ver­meint­lich Sicher­heit bieten”[1].

Wäh­rend frü­her Kai­ser­schnit­te nur im Not­fall durch­ge­führt wur­den, kom­men in unse­rer Zeit fast 32 Pro­zent der Kin­der per Kai­ser­schnitt auf die Welt – das ist medi­zi­nisch völ­lig sinn­los. Finan­zi­ell nicht, denn Kran­ken­häu­ser kön­nen durch Kai­­ser­­schnitt-Ent­­bin­­dun­­gen wesent­lich mehr ver­die­nen. Die­se hat fata­le Fol­gen für die Müt­ter und Kin­der: Bei­spiels­wei­se stellt sich eine natür­li­che Geburt dann ein, wenn Mut­ter und Kind dazu bereit sind (hor­mo­nell, Dre­hung des Kin­des, see­lisch, geis­ti­ge Bereit­schaft). Bei einer vagi­na­len Geburt arbei­ten Mut­ter und Kind zusam­men. Die kör­per­lich for­dern­de akti­ve Anstren­gung der bei­den schafft eine Bin­dung auch weit über den Geburts­vor­gang hin­aus – die Mut­­ter-Kind-Bin­­dung ist gestärkt. Und: Frau­en, die ihre Kin­der aus eige­ner Kraft auf die Welt gebracht haben, sind stolz auf sich selbst und ihre kör­per­li­chen Fähig­kei­ten (Zitat einer stol­zen Mama: Wir Frau­en sind alle Heldinnen!).

Auch für die Babys ist eine vagi­na­le Geburt wich­tig: Denn sie stel­len sich z.B. auf den Geburts­vor­gang durch die immer stär­ker wer­den­den Wehen der Mut­ter ein. Ihr Kör­per und ihre See­le sind meis­tens noch nicht bereit, wenn sie per Kai­ser­schnitt aus ihrer bis­he­ri­gen Welt geris­sen wer­den: Vie­len Kai­ser­schnitt­kin­dern berei­tet die­ses offen­sicht­lich, schwe­re kör­per­li­che Umstel­lungs­schwie­rig­kei­ten. Die see­li­schen Pro­ble­me der Kin­der wer­den in der Schul­me­di­zin selbst­ver­ständ­lich nicht the­ma­ti­siert, weil see­li­sches Befin­den auf­grund von Nicht-Mes­s­­bar­keit nicht erfasst wer­den kann. Und nicht zuletzt: Mitt­ler­wei­se gibt es ver­schie­de­ne Hin­wei­se, dass Kin­der, die per Kai­ser­schnitt gebo­ren wur­den, mehr an All­er­gien und Infek­tio­nen leiden.

Eine Haus­ge­burt ist schon aus gesund­heit­li­chen Grün­den des Kin­des bedeut­sam: Denn eine Haus­ge­burt fin­det nicht nur in der für die Mut­ter ver­trau­ten Umge­bung statt, son­dern auch mit den sie umge­ben­den Bak­te­ri­en und Kei­men. Denn: In den ers­ten Momen­ten, in wel­chen das Neu­ge­bo­re­ne auf die Welt kommt, fin­det die Besied­lung sei­ner Darm­flo­ra statt (wie in den vie­len wei­te­ren nach­fol­gen­den Mona­ten und Jah­ren auch). Wich­tig ist für das Kind, dass die auto­chtho­ne Darm­flo­ra (im Darm vor­kom­men­de, regel­mä­ßig nach­weis­ba­re Bak­te­ri­en­stäm­me) der Mut­ter (und des Vaters) über­nom­men wer­den. Und nicht die Viel­zahl der Bak­te­ri­en der Ärz­te, Kran­ken­schwes­tern und schlimms­ten­falls noch den mul­ti­re­sis­ten­ten Kei­men des Kran­ken­hau­ses. Wel­che Aus­ma­ße die­se Besie­de­lun­gen auf die mensch­li­che Gesund­heit haben, zei­gen neu­es­te Erkennt­nis­se von Wis­sen­schaft­lern aus dem Human­ge­nome­pro­jekt (voll­stän­di­ge Ent­schlüs­se­lung des mensch­li­chen Genoms). Die gewon­ne­nen Daten­men­gen sind gewal­tig und kön­nen nur lang­sam ver­ar­bei­tet wer­den, In einem sind sich Wis­sen­schaft­ler sicher: Eine gesun­de Darm­flo­ra hat gesund­heit­li­che Aus­wir­kun­gen für das gan­ze Leben und ist mit­ent­schei­dend für die Ent­ste­hun­gen von chro­ni­schen Krank­hei­ten, All­er­gien und Infektionen.

Die ste­ti­ge Anstieg der Kai­ser­schnit­te in den west­li­chen Indus­trie­na­tio­nen beschäf­tigt sogar die WHO (World Health Orga­niza­ti­on). Die­se emp­fiehlt Kai­ser­schnit­te nur aus medi­zi­nisch not­wen­di­gen Grün­den durch­zu­füh­ren und maxi­mal bis zu 10 Prozent.

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