Seitdem das Mikrobiom des Menschen ins Blickfeld der Wissenschaft rückte, wurde Aufregendes herausgefunden. Das Mikrobiom besteht aus der Gesamtheit aller Mikroorganismen, die den Menschen besiedeln. Dazu gehören Bakterien, die beispielsweise auf der Haut leben oder in seinem Darm. Die Gesamtheit der Gene der Bakterien, die auf, mit und in uns leben ist um ein 10faches größer als unser eigenes Erbgut, fanden Wissenschaftler heraus. Ironisch merkten deshalb Skeptiker an, dass wir uns ab sofort nicht mehr so wichtig nehmen sollten – von wegen Krone der Schöpfung! Die Bakterien sind die eigentlichen Überlebenskünstler, die unsere Erde wahrscheinlich seit Anbeginn begleiten. Wir Menschen, mit vergleichsweise relativ kurzem Erdenaufenthalt, können von ihnen profitieren – und z.B. gesund und schlank sein, wenn wir uns als gute Bakterien-Wirte erweisen.
Nun steht die Erforschung unseres Darms erst am Anfang. Wissenschaftler haben 1.200 unterschiedliche Bakterienstämme ausgemacht, die unseren Darm besiedeln. Die tatsächlichen Aufgaben und Funktionen sind weiterhin Gegenstand der Forschung. Klar ist jedoch, dass unsere Darmflora (bakterielle Besiedlung des Dickdarms und Rektums) eine hohe Bedeutung für die menschliche Gesundheit hat. Denn im Darm sitzt auch unser Immunsystem, welches uns gegen Krankheiten und schädliche Einflüsse schützt.
Immer mehr Studien der letzten Jahre zeigen, wie wichtig die Zusammensetzung der Bakterienstämme für die gesamte Darmflora zu sein scheint. Ungleichgewichte bei Bakterien-Zusammensetzungen werden für Allergien, Diabetes und für Übergewicht verantwortlich gemacht. Bei Letzterem setzt die Autorin des Buches “Schlank mit Darm. Das 6 Wochen-Programm” an. Prof. Dr. Michaela Axt-Gadermann, die an der Universität Coburg Gesundheitsförderung lehrt, beschäftigt sich im ersten Teil zusammenfassend mit den neuesten Erkenntnissen rund um die Erforschung der Darm-Bakterien:
- je vielfältiger die Darmbakterien-Stämme um so besser
- denn eine Darmbakterien-arme Darmflora macht Menschen anfälliger für Allergien, Zuckerkrankheit, Darmentzündungen oder Darmkrebs
- Ernährung, also das “Futter” der Darmbakterien trägt wesentlich zu einer vielfältigen Bakterienstruktur im Darm bei
- ballaststoffreiche, vollwertige Kost macht nicht nur die Bakterien satt, sondern hilft beim Abnehmen
- Präbiotika und Probiotika sind nützliche Helfer beim Aufbau einer gesunden Darmflora
- der Einsatz von Antibiotika zerstört die Darmflora, was weitreichende gesundheitliche Folgen haben kann
- “mehr Schmutz im Alltag” hilft dem Darmimmunsystem, sich mit fremden Keimen besser auseinander setzen zu können. Ein aktiviertes Immunsystem ist stärker gewappnet (hat mehr Erreger kennengelernt), und kann den Körper besser vor Infektionen und Krankheiten schützen
- künstliche Süßstoffe schaden der Darmflora
- das “Leben im Einklang mit den eigenen Keimen” macht leistungsfähig und ist gesundheitsförderlich
Axt-Gadermanns’ Buch ist “locker” geschrieben und versucht, ähnlich wie die Erfolgsautorin Giulia Enders lebendige, aufschlussreiche Bilder zu finden, um den komplexen Sachverhalt der Arbeit der Darm-Bakterienbewohner zu erklären. Der Einfachheit halber werden bei “Schlank mit Darm” die Darmbakterien in “gute” und “schlechte” Bakterien eingeteilt. Wobei es bei dem vorgeschlagenen 6‑Wochen-Programm darum geht, die “Rank-und-schlank-Bakterien” – so die Autorin – zu unterstützen und die “Hüftgoldbakterien” in die Schranken zu verweisen. Denn diese beiden so kategorisierten Bakterien-Gruppierungen befinden sich im ständigen Kampf um Nahrung und damit um ein erfolgreiches Überleben. Positiv beim Füttern der “Rank-und-schlank-Bakterien” mit ballaststoffreichen Nahrungsmitteln ist beispielsweise, geringere Hungergefühle zu haben.
Den zweiten und größeren Teil des Buches nehmen Rezepte in Anspruch, die von der Co-Autorin Regina Rautenberg eigens entwickelt wurden. Die Rezepte (Frühstück, Mittagessen, Abendbrot) basieren auf Vollwertkost und sind für eine Person konzipiert: Ein jeweiliger “Einkaufszettel” gibt die nötigen Zutaten an. In der “Zubereitung” wird die Herstellung des Gerichts erläutert. Am Ende eines jeden Rezepts befinden sich Informationen zu den jeweiligen Kalorien‑, Eiweiss‑, Fett‑, Kohlenhydrat- wie Ballaststoff-Anteilen. Die Rezepte sind einfach gehalten und erfordern keine besonderen Kochkünste. Allerdings sind die Einkaufszettel oft länger, weil besondere Gewürze oder Zutaten nötig sind. Anleihen bei der chinesisch-thailändischen oder mittelmeerländischen Küche sind bei den ballaststoffreichen Kreationen unübersehbar. Die deutsche Küche und damit auch einheimische Gemüse und Gewürze kommen leider zu kurz: Denn gerade einheimische Pflanzen wie Pastinaken, Topinambur, Alantwurzeln, Schwarz‑, Löwenzahn- oder Zichorienwurzeln enthalten etwas Besonderes: Inulin.
Die Alantstärke (Alantin, Inulin) wurde 1804 vom Apotheker Valentin Rose (1762–1807) entdeckt. Er stellte es erstmals aus der Wurzel des Alants (Inula helenium) her. Die Wurzel enthält stärkehaltiges Kohlenhydrat und wird zu Fructose (Polysaccarid) abgebaut.
Die Alantstärke, bekannter als Inulin, ist ein weissliches Pulver. Es schmeckt süßlich und wird als Zuckeraustauschstoff in der Diätetik von Lebererkrankungen, Gallenleiden, Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse oder in der Ernährung von älteren Menschen eingesetzt. Inulin hat die 1,2 fache Süßkraft und dabei weniger Kalorien. Inulin schafft zudem eine cremig-sämige Konsistenz, weshalb es in der Lebensmittelindustrie z.B. in Joghurts, Desserts verwendet wird. Als Zuckeraustauschstoff wird es außerdem in Marmeladen, Süß- und Backwaren verwendet. Inulin wird über die Nieren unverändert ausgeschieden und nicht als Stärke aufgenommen.
Warum im Buch die Rezepte mit einem “6‑Wochen-Diätplan” statt einem “6‑Wochen-Programm” eingeleitet werden, ist verwirrend. Vor allem für Diät-Erfahrene, die sogleich an eine weitere Diät denken müssen. Das heißt, Diätwillige sind gewohnt sich mit irgendwelchen Kalorienrestriktionen zu beschäftigen, die entweder mit Diätpräparaten, Nahrungsergänzungsmitteln, Kalorien-reduzierten Mangel-Diäten verknüpft sind. Diese Form ist jedoch nicht Gegenstand des Buches. Das einzig “diätartige” ist der Vorschlag einer kalorienreduzierten Nahrungsaufnahme von 1.000 Kilokalorien (statt 1.500) in den ersten zwei Wochen und zwar ausschließlich mit ballaststoffreichen, gesunden Lebensmitteln. In der dritten und vierten Woche wird eine Aufnahme von 1.200 Kilokalorien erhöht, um zuletzt auf den normalen Grundumsatz von 1.500 Kilokalorien zu kommen (deshalb 6‑Wochen-Programm).
So wie ich den Aufbau des Buches verstehe, wird eine grundlegende Ernährungsumstellung auf ballaststoffreiche, gesunde Vollwertkost vorgeschlagen, die in extra entwickelten Rezepten verpackt ist. Mir fehlt allerdings ein eindeutiger Hinweis darauf, dass nur mit einer grundsätzlichen Ernährungsumstellung die obig genannten Vorteile erreicht werden können. Denn nur damit haben die “Rank-und-schlank-Bakterien” weiterhin ordentlich zu tun und die “Hüftgoldbakterien” keine Chance und nicht mit einem 6‑Wochen-Programm.
Zur Ernährungsumstellung auf ballaststoffreiche Kost gehört auch Bewegung. Gerade eine Fachfrau, die sich mit Gesundheitsförderung und Prävention beschäftigt, sollte nicht nur eine “moderate” Bewegung empfehlen. Denn durch Studien ist längst belegt, dass schlappe 30 Minuten täglich nicht ausreichen, um den Körper und Darm auf Trab zu bringen. Zur Prävention gehört mindestens eine Stunde Bewegung täglich, die außerdem mit 2–3maligem Krafttraining in der Woche kombiniert werden sollte (siehe Sport als Jungbrunnen). Aus naturheilkundlicher Sicht kann nicht häufig genug angemerkt werden: Die eigene Gesunderhaltung oder Ergreifung präventiver eigener Maßnahmen zur Vermeidung von Übergewicht wie Erkrankungen erfordert richtigen Einsatz: Vorstellungen vom einfachen Einwerfen von Pillen zur Gewichtsabnahme sind passé. Zum nachhaltigen Abnehmen und Gewicht halten gehört neben vollwertigem Essen auch Bewegung – nicht nur körperlich, sondern auch seelisch-geistig.
Axt-Gadermann, M, Rautenberg, R: Schlank mit Darm. Das 6‑Wochen-Programm. Südwest Verlag, München, 2015. (direkte Bestellung)
Autorin
• Marion Kaden, MultiMedVision Berliner Medizinredaktion (2015).
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