Medienfasten: Für die ganzheitliche Gesundheit

Gemein­sa­me Zeit: Vorlesen

Tota­le Medi­en­nut­zung gehört in unse­re Zeit. Fern­se­hen, Radio hören, stän­dig per Han­dy online sein und im Inter­net kau­fen, sich infor­mie­ren oder spie­len. Je nach Alter oder Geschlecht kom­men täg­lich zwi­schen vier bis acht Stun­den zusam­men. Die Medi­en­nut­zung steht seit vie­len Jah­ren im Fokus von Wis­sen­schaft­lern. Ihr Fazit: Abschal­ten ist wich­tig. Das hält Men­schen geis­tig, see­lisch und kör­per­lich gesund.

Ohr­hö­rer ein­ge­stöp­selt, den Blick fest auf das eige­ne Mobil­te­le­fon gerich­tet, viel­leicht noch eine Cap auf und eine Son­nen­bril­le an – kla­rer kann der Hin­weis nicht sein: Lasst mich in Ruhe! Auch wegen der Angst, etwas zu ver­pas­sen, nicht mit­re­den zu kön­nen, geben nicht weni­ge ihr Mobil­te­le­fon gar nicht mehr aus der Hand. Die rea­le Welt ist nicht so inter­es­sant, die vir­tu­el­le umso mehr. Das all­ge­gen­wär­ti­ge Inter­net mit sei­nen viel­fäl­tigs­ten Online-Mög­lich­kei­ten ver­än­dert das Leben vie­ler Men­schen. Fern­se­hen, Radio hören, Zei­tun­gen online lesen oder stän­dig mit Freun­den, Ver­wand­ten in Ver­bin­dung ste­hen. Auch Bahn­ti­ckets kau­fen, Bank­über­wei­sun­gen täti­gen, fast alles ist jeder Zeit mach­bar, vor­aus­ge­setzt die Inter­net-Ver­bin­dung steht. “Die Ent­wick­lung des Inter­nets hat das Frei­zeit­ver­hal­ten der Men­schen beein­flusst. Vor­aus­set­zung … ist die Aus­stat­tung der Haus­hal­te mit Com­pu­tern und Inter­net­zu­gang”, heißt es in einem Bericht des Deut­schen Sta­tis­ti­schen Bun­des­am­tes [1]. Des­halb bie­ten Fern­se­hen, Radio, Print­me­di­en zusätz­lich Online-Ange­bo­te an, um auch im Inter­net prä­sent zu sein. 2015 hat­ten 88,2 Pro­zent der deut­schen Haus­hal­te einen Com­pu­ter (Note­books, Tablets inbe­grif­fen) [2]. Auch die Mobil­funk­nut­zung ist mit 94 Pro­zent prak­tisch bei allen Deut­schen ange­kom­men. 2015 gab es erst­mals mehr Haus­hal­te mit Han­dy als mit Fest­netz­an­schlüs­sen [3].

Zahlreiche gesundheitliche Störungen

Die Ein­füh­rung neu­er Tech­no­lo­gien beschäf­tigt welt­weit immer mehr Wis­sen­schaft­ler. Sie unter­su­chen z.B. die Ein­flüs­se auf die mensch­li­che Gesund­heit. Die beson­de­re Tech­nik- und Inter­net-Affi­ni­tät der asia­ti­schen Bevöl­ke­rungs­grup­pen liess sogar Regie­run­gen umfas­sen­de Stu­di­en in Auf­trag geben [4,5]: Süd­ko­rea­ni­sche Stu­di­en beleg­ten bei­spiels­wei­se ein­deu­tig, dass Online­spie­le oder inten­si­ves Spie­len mit Spie­le­kon­so­len star­ke Auf­merk­sam­keits- sowie Kon­zen­tra­ti­ons­de­fi­zi­te und Abstump­fung der Gefühls­welt bei den Nut­zern her­vor­ru­fen. Das Ergeb­nis einer chi­ne­si­schen Stu­die lau­te­te: Jun­ge Men­schen, die täg­lich meh­re­re Stun­den online sind, nei­gen zu star­kem Über­ge­wicht. Weil sie täg­lich zwi­schen drei bis acht Stun­den online sind, fehlt ihnen fehlt die Bewe­gung. Außer­dem beein­flus­sen die Wer­be­bot­schaf­ten, die den jewei­li­gen Online-Ange­bo­ten vor­ge­schal­tet sind, das Ess­ver­hal­ten nach­hal­tig. Gene­rell wird von den Jugend­li­chen Fast­food oder “unge­sun­des” Essen bevor­zugt [6]. Die thai­län­di­sche Regie­rung gab eine Stu­die zur Unter­su­chung der Face­book-Nut­zung bei Gym­na­si­as­ten in Auf­trag. Das beun­ru­hi­gen­de Ergeb­nis: Bei vie­len Jugend­li­chen wur­de eine “Face­book-Sucht” fest­ge­stellt: Sie zeig­ten kör­per­li­che Stress-Sym­pto­me und lit­ten an Schlaf­stö­run­gen oder Angst­zu­stän­den bei Ent­zug der “Dro­ge” (Cra­ving). Die Wis­sen­schaft­ler kon­sta­tier­ten zudem, dass Ver­bin­dun­gen zu den vir­tu­el­len Wel­ten sozia­le Dys­funk­tio­nen wie z.B. Ver­hal­tens­auf­fäl­lig­kei­ten oder weni­ger “rea­le Freun­de” nach sich zie­hen. Sogar gehäuf­tes Auf­tre­ten von Depres­sio­nen wur­de dia­gnos­ti­ziert [7].

Digitale Demenz

Wald­spa­zier­gang: Ohne Han­dy gut für die Seele

Dass die­se Phä­no­me nicht nur auf Asi­en beschränkt sind, zei­gen bei der US Natio­nal Libra­ry of Medi­ci­ne nach­ge­wie­se­ne Stu­di­en aus dem Wes­ten mit ähn­li­chen Ergeb­nis­sen. Auch west­li­che Wis­sen­schaft­ler stel­len Über­ge­wicht, Dia­be­tes, Hal­tungs­stö­run­gen oder psy­chi­sche Erkran­kun­gen fest. Neu­ro­lo­gen und Psych­ia­ter haben den Begriff “digi­ta­le Demenz” geprägt. Das mensch­li­che Gehirn ist zwar im Wesent­li­chen noch rela­tiv uner­forscht, doch konn­ten Gehirn­for­scher durch Mes­sun­gen und bild­ge­ben­de Ver­fah­ren auf­zei­gen: Das Gehirn unter­liegt durch Gebrauch und Nicht-Gebrauch stän­di­gen Ver­än­de­run­gen. Die Syn­ap­sen, neu­ro­na­le Ver­schal­tun­gen zwi­schen den ein­zel­nen Zustän­dig­keits-Berei­chen des Gehirns wie z.B. Gedächt­nis, Gefühl, Ori­en­tie­rung, Psy­che, sozia­le Kom­pe­tenz, wer­den um so volu­mi­nö­ser und struk­tu­rier­ter, je mehr sie genutzt wer­den. Durch nur ober­fläch­li­che Nut­zung und feh­len­de Sti­mu­la­ti­on ver­küm­mern die Syn­ap­sen in vie­len Hirn­area­len oder wer­den nicht mit den ande­ren Gehirn­be­rei­chen ver­knüpft. Ein Bei­spiel: Für Men­schen, die von ihrer evo­lu­tio­nä­ren Ent­wick­lung her Samm­ler und Jäger sind, hat die Ori­en­tie­rung in Zeit und Raum eine beson­de­re Bedeu­tung: Frü­her war es wich­tig, sich z.B. zu mer­ken, wo bestimm­te Pflan­zen wann wuch­sen, um sie zu ern­ten und dann etwas zu essen zu haben. Moder­ne Men­schen über­ge­ben ihre Ori­en­tie­rungs­fä­hig­keit der Bequem­lich­keit hal­ber einem Navi­ga­ti­ons­ge­rät. Sie las­sen navi­gie­ren, anstatt es selbst zu tun und ver­lie­ren wich­ti­ge Fähig­kei­ten. Der Ori­en­tie­rungs­sinn befin­det sich im mensch­li­chen Gehirn im Hypo­tha­la­mus. Stö­run­gen tre­ten zwar bei man­chen Men­schen erst im Alter auf, da die Demenz, zunächst kaum merk­lich in Etap­pen ver­läuft. Zu Beginn geht die zeit­lich-räum­li­che Ori­en­tie­rungs­fä­hig­keit, dann der sozia­le Bezug zu Men­schen und zuletzt der Kon­takt zum eige­nen Ich und des­sen Erin­ne­run­gen ver­lo­ren (Deper­so­na­li­sa­ti­on).

Medienfasten zur Gesundung

Inten­si­ves Buchanschauen

Die Gehirn­for­scher sehen in den Auf­merk­sam­keits- und Kon­zen­tra­ti­ons-Defi­zit­sym­pto­men von Kin­dern und Jugend­li­chen ähn­li­che Hin­ter­grün­de. Bei der Viel-Nut­zung von Medi­en, also nicht nur Inter­net, son­dern auch Fern­se­hen oder Spie­le­kon­so­len, wer­den bestimm­te Gehirn­be­rei­che über­an­strengt, ande­re hin­ge­gen kaum oder gar nicht genutzt. Medi­en­kri­ti­ker wer­den nicht müde, vor den Gefah­ren ein­sei­tig-inten­si­ver Dau­er-Medi­en­nut­zung zu war­nen und emp­feh­len Medi­en­fas­ten. Der Medi­zi­ner und Psych­ia­ter Man­fred Spit­zer bei­spiels­wei­se plä­diert für den Gebrauch des eige­nen Gehirns in alter, kon­ven­tio­nel­ler Wei­se: Lesen, Ler­nen, Nach­den­ken – und je inten­si­ver des­to bes­ser – brin­gen Men­schen in jedem Alter nicht nur in ihrer Per­sön­lich­keits­ent­wick­lung wei­ter. Tief durch­drun­ge­ne Lern­in­hal­te wür­den star­ke Ver­knüp­fung der Syn­ap­sen zu den unter­schied­li­chen Gehirn­be­rei­chen her­stel­len, so Spit­zer. Und: Das­sel­be gel­te für die Gefüh­le. Nur durch die Aus­ein­an­der­set­zung mit rea­len Men­schen kön­ne Lie­be, Empa­thie, Mit­mensch­lich­keit oder sozia­les Ver­hal­ten nach­weis­lich ent­wi­ckelt wer­den [8].

Schon in den Dis­kus­si­on vor der Jahr­tau­send­wen­de, leg­ten Kri­ti­ker ihre Zwei­fel dar, ob denn Com­pu­ter in Klas­sen­zim­mer gehör­ten. Der US-Astro­nom, Leh­rer und Publi­zist Clif­ford Stoll bezog eine vehe­men­te Gegen­po­si­ti­on: Durch das “Wischen” und “Wie­der­erken­nen” von Lern­in­hal­ten z.B. auf Tabletts wür­den Kin­der kei­nes­falls schrei­ben und lesen ler­nen, son­dern höchs­tens ver­blö­den. Und: Die belieb­ten, bun­ten Bild­chen bei den com­pu­ter­ani­mier­ten Lern­in­hal­ten sei­en eine Kata­stro­phe, so Stoll. Sie wür­den die Ent­wick­lung von Phan­ta­sie oder Krea­ti­vi­tät abtö­ten. Bei der moder­nen Bil­der­flut, ob bei Lern­in­hal­ten, Online-Spie­len, Fil­men, hät­ten Kin­der, Jugend­li­che (und eigent­lich auch Erwach­se­nen) bestün­de kei­ne Chan­ce mehr, eige­ne inne­re Bil­der und Vor­stel­lun­gen zu ent­wi­ckeln. Emo­tio­na­le und gedank­li­che Ver­ar­mung sei die Fol­ge schon in jun­gen Jah­ren – was sich spä­ter nicht mehr wie­der gut­ma­chen lies­se [9]. Der Phi­lo­soph und Sozio­lo­ge Theo­dor W. Ador­no for­mu­lier­te schon zu Fern­seh-Zei­ten: “Unter­hal­tung ist Unten-Hal­tung”, um die poli­sche Bedeu­tung der gewoll­ten, sys­te­ma­ti­schen Ver­dum­mung pla­ka­tiv zu unter­strei­chen. Das Glei­che gilt für das Inter­net: Sur­fen, chat­ten, chro­nisch online sein, um vir­tu­el­le “Freun­de zu tref­fen”, twit­tern, stän­dig ver­blö­den­de You­tube-Film­schnip­sel­chen anschau­en, Spie­le spie­len ist nichts ande­res als besag­te Unter­hal­tung. Der per­sön­li­che Preis ist hoch: Die geis­ti­ge und kör­per­li­che Gesund­heit oder selbst­be­stimm­te Ent­wick­lungs­mög­lich­kei­ten in der rea­len Welt wer­den aufs Spiel gesetzt oder gehen suk­zes­si­ve ver­lo­ren. Medi­en­fas­ten oder Abschal­ten – und nicht nur des Mobil­te­le­fons – hel­fen bei der Besin­nung auf die eige­nen Wer­te und das eige­ne Selbst und eröff­nen ver­lo­ren geglaub­te Hand­lungs­per­spek­ti­ven des frei han­deln­den Individuums.

Thermische Schädigung durch Handys:

Seit Ein­füh­rung des Mobil­funks wer­den die nega­ti­ven Effek­te der Funk­strah­lung auf des Gehirn und den gesam­ten Orga­nis­mus dis­ku­tiert: Durch die ther­mi­sche Wir­kung der Han­dy­strah­lung wird ein ähn­li­cher Effekt wie beim Erwär­men von Fleisch in der Mikro­wel­le beob­ach­tet. Der soge­nann­te “nitro­sa­ti­ve Stress” aus­ge­löst durch ent­ste­hen­de hoch­re­ak­ti­ve Stick­stoff­ver­bin­dun­gen, könn­te zum Bei­spiel eine Stö­rung der Blut-Hirn-Schran­ke aus­lö­sen. Der zu hohe Stick­stoff­oxid (NO)-Spiegel, der auch mit der Alz­hei­­mer-Demenz in Ver­bin­dung gebracht wird, könn­te auch zur Ein­lei­tung des pro­gram­mier­tem Zell­tods (Apo­pto­se) in funk­ti­ons­tra­gen­den Gehirn­zel­len füh­ren. Auch wird in bestimm­ten wis­sen­schaft­li­chen Krei­sen die Zunah­men von Erschöp­fungs­syn­dro­men, Kopf­schmer­zen, Herz­rhyth­mus­stö­run­gen, Blut­hoch­druck oder Schlaf­stö­run­gen mit von schnur­lo­sen DECT-Tele­­fo­­nen, Han­dys oder ande­ren Sen­dern erzeug­ten, hoch ener­ge­ti­schen, gepuls­ten elek­tro­ma­gne­ti­schen Wel­len und Fel­dern in Ver­bin­dung gebracht [10].

Dum­mes Zeug kann man viel reden, kann es auch schreiben,
wird weder Leib noch See­le töten, es wird alles beim alten bleiben.

Dum­mes aber, vors Auge gestellt, hat ein magi­sches Recht;
Weil es die Sin­ne gefes­selt hält, bleibt der Geist ein Knecht.
aus: Goe­the, Zah­me Xeni­en II

Autorin
• Mari­on Kaden, Natür­lich (2016).
Quel­len
[1] destatis
[2] desta­tis
[3] desta­tis
[4] Lee JY, Park EJ, Kwon M, Choi JH, Jeong JE, Choi JS, Choi SW, Lee CU, Kim DJ.: The Dif­fe­rence in Com­or­bi­di­ties and Beha­vi­oral Aspects bet­ween Inter­net Abu­se and Inter­net Depen­dence in Kore­an Male Ado­le­s­cents. Psych­ia­try Inves­tig. 2014 Oct;11(4):387–93.
[5] Sung M, Shin YM, Cho SM.: Fac­tor struc­tu­re of the Inter­net Addic­tion Sca­le and its asso­cia­ti­ons with psych­ia­tric sym­ptoms for Kore­an ado­le­s­cents. Com­mu­ni­ty Ment Health J. 2014 Jul;50(5):612–8.
[6] Hans­stein FV, Hong Y, Di C: The rela­ti­onship bet­ween new media expo­sure and fast food con­sump­ti­on among Chi­ne­se child­ren and ado­le­s­cents in school: a rural-urban com­pa­ri­son. Glob Health Pro­mot. 2016 Feb 22. pii: 1757975915602187. [Epub ahead of print]
[7] Han­pra­thet N, Man­wong M, Khums­ri J, Yin­gy­eun R, Pha­na­sa­thit M.: Face­book Addic­tion and Its Rela­ti­onship with Men­tal Health among Thai High School Students.
J Med Assoc Thai. 2015 Apr;98 Sup­pl 3:S81-90.
[8] Spit­zer, M: Digi­ta­le Demenz. Droe­mer Knau­er GmbH, Mün­chen, 2014.
[9] Stoll C.: Log­Out – War­um Com­pu­ter nichts im Klas­sen­zim­mer zu suchen haben
und ande­re High-Tech-Ket­­ze­­rei­en. Fischer, Frank­furt, 2001.
[10] https://www.thieme.de/de/naturheilverfahren-chinesische-medizin/96384.htm
[11] spie­­gel-Bericht
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