Lesetipp: Chronisch krank. Wege zur Gelassenheit und Zuversicht.

Chro­ni­sche Erkran­kun­gen sind häu­fig. In der Gesund­heits­be­richts­er­stat­tung des Bun­des von 2015, dem aktu­ells­ten Blatt, her­aus­ge­ge­ben vom Robert-Koch-Insti­tut wer­den im Zeit­raum von 2005–2012 Zah­len von 40–50 Pro­zent ange­ge­ben [1]. Die Zah­len bezie­hen sich auf Per­so­nen, die nach Selbst­ein­schät­zung min­des­tens eine chro­ni­sche Erkran­kung oder ein lang andau­ern­des Gesund­heits­pro­blem haben. Unter den häu­figs­ten chro­ni­schen Erkran­kun­gen sind Erkran­kun­gen des Herz-Kreis­lauf­sys­tems, des Bewe­gungs­ap­pa­rats, Lun­gen- und Atem­sys­tems, Stoff­wech­sels, Krebs- oder psy­chi­sche Erkran­kun­gen erfasst. Auf­grund des hohen immer älte­ren Anteils der Bevöl­ke­rung nimmt der Anteil chro­ni­scher Erkran­kun­gen immer wei­ter zu – ein sehr all­täg­li­ches Pro­blem liegt also vor.

Die medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung chro­ni­scher Erkrank­ter hat in Deutsch­land – je nach Sicht­wei­se – ein hohes Niveau. Den­noch stel­len sich für chro­nisch Erkrank­te zahl­rei­che Pro­ble­me im Ver­lau­fe ihrer Erkran­kun­gen. Bei Krebs­er­krank­ten bei­spiels­wei­se ist die Akut­ver­sor­gung aus­ge­zeich­net: Ist eine Dia­gno­se gestellt, die Art des Tumors gefun­den, wer­den zeit­nah höchst wirk­sa­me The­ra­pien ange­setzt. Die frü­her töd­li­che Krebs­er­kran­kung hat heu­te bei vie­len Krebs­ar­ten ihren Schre­cken ver­lo­ren. Denn zahl­rei­che Krebs­er­kran­kun­gen zäh­len zu chro­ni­schen Krebs­er­kran­kun­gen. Die Lang­zeit­über­le­bens­ra­te ist hoch und beträgt mitt­ler­wei­le weit über zehn Jah­re. Man­che Krebs­er­kran­kun­gen sind sogar gut heil­bar. Doch für vie­le chro­nisch Krebs­er­krank­te erge­ben sich im Ver­lau­fe der chro­ni­schen Erkran­kung trotz guter medi­zi­ni­scher Ver­sor­gung zahl­rei­che Pro­ble­me: Finan­zi­el­le (Ver­lust des Arbeits­plat­zes), sozia­le Pro­ble­me (Dau­er­erkran­kun­gen stres­sen nicht nur die Erkrank­ten, son­dern auch Fami­li­en wie Part­ner­schaf­ten) machen den Betrof­fe­nen zu schaf­fen. Oder zuneh­men­de gesund­heit­li­che Pro­ble­me durch Medi­ka­men­ten-Neben­wir­kun­gen (chro­ni­sche Nie­ren­in­suf­fi­zi­enz, Haut‑, Schlaf‑, psy­chi­sche Pro­ble­me). Ganz zu schwei­gen von den see­li­schen Pro­ble­men, die sehr belas­tend im Lebens­all­tag wir­ken kön­nen. Für die gan­zen, letzt genann­ten Pro­ble­me hat die Schul­me­di­zin wenig Lösungs­vor­schlä­ge. Oft fehlt den betreu­en­den Ärz­ten oder Haus­ärz­ten die Zeit, sich ein­ge­hend ihren chro­ni­schen Pati­en­ten zu beschäf­ti­gen. Die soge­nann­te “spre­chen­de Medi­zin” hat kei­ne Bedeu­tung und wird den Ärz­ten nicht bezahlt: Es gibt kei­ne ent­spre­chen­den Abrech­nungs­mög­lich­kei­ten im kas­sen­ärzt­li­chen Abrech­nungs­sys­tem. Wer genü­gend Geld hat, wird sich alter­na­ti­ve Metho­den oder einen Psy­cho­the­ra­peu­ten selbst finan­zie­ren. Dies ist für die meis­ten chro­nisch Erkrank­ten jedoch kei­ne Wahl­mög­lich­keit, denn sie müs­sen selbst zurecht kommen.

© dan­zig & unfried

Das Buch “Chro­nisch krank – Wege zu Gelas­sen­heit und Zuver­sicht” kann inter­es­sier­ten chro­nisch Erkrank­ten Denk-Ansät­ze bie­ten. Die Autorin Ilse Sokal ist Öster­rei­che­rin und Ärz­tin. Sie beschreibt ihre eige­ne Lebens- und Lei­dens­ge­schich­te, wodurch das Buch eine sehr per­sön­li­che Note erhält. Bemer­kens­wert ist dies, weil es nicht so häu­fig vor­kommt, dass Ärz­te sich für einen sol­chen Weg ent­schei­den. Sie sind schul­me­di­zi­nisch sozia­li­siert und erlau­ben sich meis­tens kei­ne Kri­tik am bestehen­den Medi­zin-Sys­tem. Die­je­ni­gen, die ihre Stim­me erhe­ben, tun dies im Ruhestand.

So auch Sokal, die trotz der Schwe­re und Län­ge ihrer Erkran­kung mitt­ler­wei­le über 75 Jah­re alt gewor­den ist. Sokal hat einen inter­es­san­ten Lebens­weg: Gebo­ren in Kolum­bi­en, wuchs sie in Kolum­bi­en, Schwe­den und Öster­reich auf. Sie stu­dier­te Medi­zin und arbei­te­te vie­le Jah­re als Fach­ärz­tin in Wien und wur­de zusätz­lich Psy­cho­the­ra­peu­tin. 49jährig begann ihr Lei­dens­weg: Ihre ange­bo­re­ne Immun­stö­rung wur­de nicht erkannt, bezie­hungs­wei­se 17 Jah­re lang nicht als sol­che dia­gnos­ti­ziert. Star­ke kör­per­li­che Schmer­zen, Bewe­gungs­be­ein­träch­ti­gun­gen und die Suche nach den mög­li­chen Ursa­chen, trieb die Ärz­tin immer wei­ter vor­an. Dabei muss­te Sokol selbst von ihren ärzt­li­chen Kol­le­gen vie­les hin­neh­men: Vom Unver­ständ­nis, hin zum Vor­wurf des Simu­lie­rens oder Abwen­dung. Die Ärz­tin mach­te aber auch gute Erfah­run­gen bei­spiels­wei­se mit ihrem Haus­arzt, der letzt­end­lich die ziel­füh­ren­den Hin­wei­se für die rich­ti­ge Dia­gno­se gab.

Alternative Therapien zur Unterstützung

Die lan­gen 17 Jah­re pro­bier­te Sokol ver­schie­de­ne natur­heil­kund­li­che The­ra­pien aus wie z.B. die ayur­ve­di­sche wie chi­ne­si­sche Medi­zin. Die Ärz­tin stellt inter­es­san­te Betrach­tun­gen über die­se jahr­tau­send­jäh­ri­gen Medi­zin-Sys­te­me an: Ayur­ve­da, mit z.B. ihren hin­wen­den­den, sor­gen­den Ölmas­sa­gen emp­fin­det sie als weib­lich. Die Tra­di­tio­nel­le Chi­ne­si­sche Medi­zin (TCM) hin­ge­gen mit der Aku­punk­tur, dem Ste­chen­den, als eher männ­lich ori­en­tiert. Sie nutzt auch ver­schie­de­ne krea­ti­ve Ele­men­te, um neue Ansät­ze inner­halb der chro­ni­schen Erkran­kung zu fin­den. Dabei geht es ihr dar­um Lebens­qua­li­tät zu erlan­gen, und sich sel­ber Mut zu machen. Beim Aus­pro­bie­ren von neu­en The­ra­pien, Gesprä­chen – auch mit ihrem spi­ri­tu­el­len Leh­rer – fin­det sie sich in stän­dig neu­en Ent­wick­lungs­pro­zes­sen wie­der, die ihr Den­ken, Han­deln, Emp­fin­den ver­än­dern. Mit ihren spi­ri­tu­el­len Erfah­run­gen lernt sie immer mehr auch ihrer Intui­ti­on zu ver­trau­en. Auf die­se Wei­se hat sie trotz Leid, Schmer­zen und viel Unsi­cher­heit zu einem lebens­be­ja­hen­den, freu­di­gen Lebens­weg gefunden.

Kritisches zum schulmedizinischen System

Als Ärz­tin, die selbst vie­le Jahr­zehn­te Teil des west­li­chen Medi­zin-Sys­tems war, spart sie nicht an Kri­tik. Die Rol­le der Pfle­gen­den oder der spre­chen­den Medi­zin soll­te ihrer Mei­nung nach gestärkt und ver­än­dert wer­den, um chro­nisch Erkrank­ten zu hel­fen. Das 110 Sei­ten umfas­sen­de Buch ist knapp gehal­ten und beschränkt sich nur auf die eige­nen Erfah­run­gen, die die Ärz­tin gemacht hat. Mit ihrem Buch will die Ärz­tin ande­ren chro­nisch Erkrank­ten Mut machen. Sie will ihren Weg beschrei­ben, jedoch kei­ne Vor­ga­ben oder Rat­schlä­ge geben. Denn klar ist: Jede chro­ni­sche Erkran­kung ist anders. Chro­nisch Kran­ke kön­nen sich auf ihren eige­nen Weg bege­ben und dabei viel Neu­es und Lebens­wer­tes ler­nen. Trotz chro­ni­scher Erkran­kung kön­nen sie ein lebens­wer­tes Leben leben. Denn auf die inne­re Hal­tung kommt es an. Das Ent­wi­ckeln von Selbst­be­wusst­sein, Eigen­wert und die Fin­dung von Sinn ist mit chro­ni­schen Krank­hei­ten mög­lich – oder viel­leicht sogar erst recht?
Sokal, I: Chro­nisch krank. Wege zu Gelas­sen­heit und Zuver­sicht. Dan­zig & Unfried Ver­lag, Wien, 2017. (Bestel­lung bei Ama­zon)

Autorin
• Mari­on Kaden, Heil­pflan­­zen-Welt (2018).
Quel­le
[1] Gesund­heits­be­richts­er­stat­tung des Bundes

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