Das “chronische Erschöpfungs-Syndrom” kennen fast alle Tumorpatienten (> 90%) [1,2], aber auch Millionen von Menschen ohne Krebs (> 3% der Bevölkerung) [3]. Bei Krebspatienten wird es als tumor-assoziierte Fatigue (engl. cancer-related fatigue – CRF), bei allen anderen als chronische Fatigue (engl. chronic fatigue syndrome – CFS) bezeichnet. Trotz der enormen Häufigkeit ist Fatigue eine riesige medizinische Herausforderung: Keine schulmedizinische Behandlung bessert messbar die quälende Müdigkeit und tiefe Erschöpfung von Fatigue-Patienten. Und nur wenige Verfahren der Komplementärmedizin sind wissenschaftlich als wirksam belegt: Intensiver Sport und Wurzelextrakte aus der Heilpflanze Panax ginseng (Roter Koreanischer Ginseng).
Neu bei Heilpflanzen-Welt.de: Erschöpfungssyndrom: Fatigue-Selbsttest
Typische Anzeichen von Fatigue (Erschöpfungs-Syndrom) [4]
- verringerte körperliche Leistungsfähigkeit
- vermehrtes Schlafbedürfnis, wobei dieses durch Schlafen meist nicht befriedigt wird
- vermehrtes Müdigkeitsgefühl, auch tagsüber
- Gefühl von Schwere der Gliedmaßen
- Motivations- und Antriebsmangel (ähnlich wie bei Depressionen)
- nachlassendes Interesse
- Traurigkeit
- Ängste
- Konzentrationsstörungen
- höhere Ablenkbarkeit
- Wortfindungsstörungen
(Syndrom sind verschiedene Krankheitszeichen (Symptome), die häufig gemeinsam auftreten, nicht aber immer die gleiche Ursache haben müssen).
Fatigue-Ursachen Es gibt zahlreiche Theorien zur Entstehung von Fatigue. So soll die langanhaltende chronische Belastung durch die bösartige Erkrankung selbst und der damit verbundene seelische und körperliche Stress die “Lebensenergie” aufzehren. Daraus resultiere die generelle schwere Erschöpfung und andauernde quälende Müdigkeit. Andere Fachleute diskutieren eine Schädigung des zentralen und peripheren Nervensystems sowie der Muskelfasern durch die Erkrankung oder durch Therapien. Entsprechende Veränderungen an den Körpergeweben sind jedoch nicht nachweisbar. Schließlich werden auch Stoffwechselveränderungen, die durch die Tumorzellen selbst hervorgerufen werden, als Auslöser von Fatigue vermutet. Sehr häufig sehen Krebsmediziner auch in der Blutarmut (Anämie) ihrer Patienten eine Fatigue-Ursache. Doch leider: Die teuren Medikamente zur Förderung der Blutbildung bessern zwar die Blutarmut, nicht aber die Fatigue. Keine dieser häufiger genannten Theorien hat jemals zu schlüssigen oder gar zu funktionierenden Therapien dieser häufigsten Krebs-“Nebenwirkung” geführt. Kurzum: Die Krebsmedizin tappt völlig im Dunklen.
Ganzheit ignoriert Kein Wunder, denn bei einer rein körperlichen Betrachtung von Krebs wird die Gesamtheit des Menschen – Körper, Seele, Geist – übersehen. Zwar bestätigen Onkologen heute die alte Auffassung der Naturmedizin, dass Krebs eine Systemerkrankung ist. Also, dass der ganze Mensch von der Erkrankung erfasst wird und nicht nur einige Zell- oder Gewebearten. Therapeutische Konsequenzen werden jedoch hieraus in der Schulmedizin nicht gezogen. Die Einsicht, dass auch Millionen Menschen ohne Tumorleiden an Fatigue erkrankt sind, zeigt: Das Erschöpfungs-Syndrom ist eine eigenständige Krankheit mit vielen Gesichtern. So kommt sie bei Krebs zwar häufig vor, aber eben nicht nur dort! Und schon gar nicht “nur” als Folge der eingreifenden Chemo‑, Strahlen- oder operativen Krebstherapie ist. Nein, die Beschwerden von Fatigue weisen alle darauf hin, dass die Betroffenen – in von Mensch zu Mensch unterschiedlicher Weise – von der “Lebensenergie” abgeschnitten sind (bildlich gesprochen).
Universale Schöpfungsbilder Die Idee der Lebensenergie ist uralt und kommt in allen Zeiten und Kulturen vor, wird mal Lebenskraft (Mittelalter), mal Qi (traditionelle chinesische Medizin), Prana/Kundalini (Ayurveda) oder mal Dynamis (Homöopathie) genannt. Ein Bild beschreibt die Idee dahinter: Die Schöpfung, so heißt es in vielen Kulturen, besteht aus vielen, aufeinander aufbauenden, eng miteinander verwobenen Schichten. Diese Daseinsebenen reichen von Atomen und Molekülen über Zellen, Gewebe, Pflanzen, Tiere und Menschen bis hin zu den kosmischen Kräften von Mond oder Sonne. Und diese Welt wird komplett von der Lebensenergie durchströmt und zu einem Ganzen verbunden, ähnlich wie es die Physiker beim Wirken der Schwerkraft oder der elektromagnetischen Wellen beschreiben. Und dieses Wirken der Lebensenergie hat sowohl kräftigende, vitalisierende, belebende und gesundende Eigenschaften, als auch harmonisierende, ordnende und regelnde Auswirkungen in jedem Menschen. Aspekte hiervon kennen wir alle – beispielsweise, wenn uns nach einem langen Winter der erste warme Sonnenschein im Frühling erreicht. Dass besonders Menschen mit eingreifenden Therapien (Zytostatika, schwere Operationen, Ganzkörper-Bestrahlung) betroffen sind, ist vor diesem Hintergrund leicht nachzuvollziehen. Denn das Ziel dieser aggressiven Therapien ist das Töten (von Krebszellen). Betroffen werden davon aber nicht nur erkrankte Zellen, sondern alle Zellen und Gewebe im Organismus.
Fatigue: Phänomenal, problematisch, unverstanden
Das Erschöpfungs-Syndrom ist ein überaus bemerkenswertes Phänomen, es hat einige erstaunlich-erschreckende Eigenschaften:
- viele Patienten berichten über einen nahezu schlagartigen Beginn bei Mitteilung der Diagnose “Krebs” durch den Arzt
- viele andere Patienten hatten schon Fatigue-Symptome, lange bevor ihre Krebskrankheit diagnostiziert wurde
- Millionen von Patienten, deren Krebs geheilt wurde, leiden trotzdem weiterhin an Fatigue, manchmal für Jahrzehnte
- die Fatigue-Schwere hat oft keinen Zusammenhang mit der Dauer oder der Schwere der Krebserkrankung
- jede übliche Maßnahme, um wieder “Energie zu tanken” versagt – Schlaf, Entspannungsverfahren, Meditation, Atemübungen, Sonnenbäder und anderes
- als häufigstes und schwerstes Begleitsymptom von Krebs und Krebstherapie (bei bis zu 96% aller Patienten) wird es von der Krebsmedizin in seiner Bedeutung und Schwere unterschätzt oder sogar ignoriert. Nur 15% der Patienten wird eine Therapie vorgeschlagen, oder Hinweise zum Umgang mit Fatigue gegeben
- Fatigue ist das zentrale Problem bei fast allen Krebskranken, ob während der Akut- oder der Palliativ-Versorgung. Aber es kommt auch bei Millionen Nicht-Krebskranker vor, ist fast schon eine Volkskrankheit
- aus Sicht der Tumorpatienten ist Fatigue das schlimmste und am meisten belastende Krebssymptom überhaupt, sogar schlimmer als Schmerzen oder Übelkeit und Erbrechen
- es besteht ein enger Zusammenhang des Erschöpfungs-Syndroms mit Depression einerseits und Schlafstörungen andererseits, die Lebensqualität ist oft drastisch eingeschränkt
Umgang mit dem Fatigue-Syndrom
Gibt es denn überhaupt Hilfen beim chronischen Erschöpfungs-Syndrom, ob nun bei Tumorpatienten oder bei Menschen ohne Krebserkrankung? Ja, tatsächlich gibt es zwei Methoden der Integrativen Onkologie/Medizin, die in zahllosen wissenschaftlichen Studien ihre Wirksamkeit bewiesen haben, wie der erfahrene integrative Onkologe Prof. Dr. Nilo Gardin, São Paulo, Brasilien, Heilpflanzen-Welt.de berichtete: Zum einen ist das Sport, zum anderen ist das eine seit uralten Zeiten bekannte Heilpflanze.
Integrative Onkologie – was ist das eigentlich?
“Integrative Onkologie ist ein patientenzentriertes, evidenzinformiertes Gebiet der Krebstherapie, das Mind-Body-Verfahren, natürliche Produkte und/oder Lebensstil-Änderungen aus unterschiedlichen Traditionen begleitend zu den konventionellen Krebstherapien einsetzt. Die Integrative Onkologie versucht, Gesundheit, Lebensqualität und klinische Outcomes über den Behandlungsverlauf hinweg zu optimieren und Menschen zu befähigen, Krebs vorzubeugen und zu aktiven Teilnehmern vor und während der Krebsbehandlung, sowie über diese hinaus zu werden.” [5]
“Allheilmittel” Sport Über 100 Studien zeigen, dass sportliche Aktivitäten das Fatigue-Syndrom drastisch bessern und sogar heilen können [6,7]. Zwei Fragen sind dabei von besonderer Bedeutung – die Sportart und die Intensität oder Dauer der Aktivität. Wenn bei Fatigue vor allem die rhythmische Organisation der Lebensenergie im Organismus gestört ist, so nimmt Gardin an, dann sind “richtige” Sportarten solche, die vor allem “rhythmisch” ablaufen und dabei die Ausdauer trainieren. Beispielsweise Laufen/Joggen, Schwimmen, Radfahren und anderes, am besten in freier, grüner Naturumgebung. Ebenfalls von hervorragender Wirkung sind rhythmische Bewegungen mit Schwerpunkt auf Bewusstheit. Beispielsweise Tai-Chi, Gesellschaftstanz, atembetontes Yogatraining oder anderes. Krafttraining ist hingegen von essentieller Bedeutung, um rasch Fatigue zu verringern und den Betroffenen vor Augen zu führen, wie rasch und gut die eigenen sportlichen Aktivitäten Beschwerden lindern. Diese Motivation ist oft sehr hilfreich, um längerfristige Sportprogramme zu planen und umzusetzen.
Intensität von Sport Der entscheidende Punkt, an dem viele Fatigue-Patienten aussteigen, ist die für die heilsame Wirkung notwendige Intensität (also die “Sport-Dosis”). Nahezu alle wissenschaftlichen Studien zeigen, dass eine höhere Intensität notwendig ist. US-amerikanische Sportmediziner empfehlen Krebspatienten beispielsweise einen schrittweisen Trainingsaufbau auf 150 Minuten Ausdauertraining von moderater Intensität oder 75 Minuten intensives Ausdauertraining pro Woche. Ergänzt von 2–3 wöchentlichen Einheiten mit intensivem Krafttraining sowie regelmäßiges Dehnen/Stretchen [8]. Andere Empfehlungen sprechen sogar von 3–5 Stunden sportlicher Aktivität pro Woche, wenn auch eher von moderater Intensität, um besser Behandlungsergebnisse zu erreichen und weniger Nebenwirkungen einschließlich Fatigue zu haben. Diskutiert wird noch, ob bei Fatigue viel Sport auch viel hilft? Oder ob sehr hohe Trainingsintensitäten Fatiguebeschwerden vielleicht verstärken können [9]. Das aber werden alle betroffenen Patienten sehr rasch selber bemerken! Sie können dann – ganz nach persönlichem Bedarf – die Sport-Dosis verringern.
Eines ist jedoch (leider) ganz klar: Kaum ein Krebspatient oder von chronischem Erschöpfungs-Syndrom betroffener Patient in Deutschland wird heute eindrücklich auf diese therapeutische Option hingewiesen. Obwohl, so betonte einer bedeutendsten Forscher in diesem Bereich, Prof. Dr. Freerk Baumann, Deutsche Sporthochschule Köln, bei dem letzten Krebskongress in Berlin: “Jedes Krebsmedikament mit derartig umfassenden Wirksamkeitsbelegen wie sie Sport vorliegen, innerhalb weniger Tage von den Behörden zugelassen würde”. Dennoch gibt es keine reguläre, von Kassen durchgängig finanzierte und von qualifizierten Trainern durchgeführte Sporttherapie für Patienten mit Krebs oder Fatigue in Deutschland. Hinweis: Bei einzelnen Betroffene können auch andere nicht-medikamentöse Verfahren hilfreich sein, so Gardin. Vor allem Massagebehandlungen, Yoga, Entspannungsverfahren, achtsamkeitsbasierte Stressreduktion, Reflex- oder Musiktherapie.
Bewegungsempfehlungen bei Fatigue
(zitiert aus dem Lehrbuch “Sport und körperliche Aktivität in der Onkologie” [10])
- Trainingsprogramme, die speziell auf eine Behandlung der krebs-assoziierten Fatigue abzielen, existieren nicht. Um die funktionelle Kapazität von Krebspatienten zu steigern, kann man zum einen ein gezieltes Training bestimmter Muskelgruppen empfehlen, um beispielsweise die Kontinenz nach Prostataoperationen wiederherzustellen. Zum anderen kann man Kraft – und Ausdauertrainingsprogramme empfehlen, um eine ganzheitliche, systemische Wirkung zu erzielen.
- Das Bewegungsprogramm sollte sich dabei am individuellen Status eines jeden Patienten orientieren. Bei starken körperlichen Einschränkungen sind zunächst Flexibilitäts- und Dehnungsübungen zu empfehlen, um alltägliche Aufgaben bewältigen zu können.
- Wenn die Möglichkeit gegeben ist, können auch intensivere Belastungen durchgeführt werden. Im Ausdauerbereich werden in der Literatur 3–5 Trainingseinheiten pro Woche empfohlen, wobei die Dauer je nach Intensität zwischen 15 und 30 Minuten betragen sollte. Bei Patienten mit stärkeren Einschränkungen kann zunächst ein Intervalltraining durchgeführt werden, wobei sich z. B. 30 Sekunden andauernde Belastungsphasen mit 60 Sekunden langen Erholungsphasen abwechseln. Nach einer Gewöhnungsphase mit kürzeren Trainingszeiten sollten diese kontinuierlich gesteigert werden.
- Um einem therapie- oder krankheitsbedingten Verlust von Muskelmasse entgegenzuwirken (peripheres Fatigue, Kachexie), sollten Krebspatienten mit Fatigue auch Krafttraining durchführen. Hierzu wird ein mildes Krafttraining noch vor Beginn des aeroben Ausdauertrainings empfohlen.
- Allen gezielten Trainingsinterventionen sollte eine medizinische und sportwissenschaftliche Anamnese und (Leistungs-)Diagnostik zugrunde liegen. Außerdem ist zu beachten, dass bei intensiven Interventionsformen Trainingseinheiten nur supervidiert stattfinden sollten, also z. B. nur zusammen mit einem qualifizierten Personal Trainer.
Allheilmittel “Panax ginseng”
In Asien zählt der Asiatische Ginseng/Rote Koreanische Ginseng seit Jahrtausenden zu den wertvollsten pflanzlichen Arzneimitteln überhaupt. Nicht zuletzt wegen seiner ungewöhnlich vielfältigen vorbeugenden und heilenden Wirkungen, die sich sogar in seinem modernen Namen – Panax ginseng – niedergeschlagen haben. Das Wort “Panax” stammt von dem aus dem griechischen stammenden Begriff der “Panazee” ab, dem mythisches Universal-Allheilmittel aller denkbaren Krankheiten (abgeleitet von Panakeia, der Personifizierung des Heilens durch Heilpflanzen). Auch wenn der Wunsch nach einem “Allheilmittel” aus dem Reich von Mythen und Legenden stammt, fällt dem Naturmediziner des 21. Jahrhundert die enorme Parallele zwischen “Sport als Allheilmittel” (auch bei Fatigue!) und der einzigen Heilpflanzen mit “Allheilmittel” im Namen – Panax ginseng – auf (dem einzigen Phytotherapeutikum mit wissenschaftlich nachweisbarer Wirkung bei Fatigue). Viele der folgenden offizinellen Anwendungs-Angaben aus arzneirechtlichen Panax ginseng-Zulassungen stammen aus einer Zeit, in der das “chronische Fatigue-Syndrom” noch nicht als eigene Krankheits-Entität definiert war (etwa erst ab 1980). Natürlich aber begleiteten die oft schweren, quälenden, die Lebensqualität und die Lebensfähigkeit massiv einschränkenden Beschwerden die Menschen immer schon.
Allgemeines zur Ginsengwurzel
(zitiert aus dem Lehrbuch “Heilpflanzen Praxis heute” [11])
Die Geschichte der Ginsengwurzel, die im Chinesischen “Jen Shen = die Kraft der Erde in der Form eines Menschen” heißt und im Koreanischen “Wurzel des Lebens” genannt wird, reicht mindestens bis in das 2. Jahrtausend v. Chr. zurück. Sie besitzt einen hohen Stellenwert in der traditionellen chinesischen Medizin. In der von dem legendären chinesischen Kaiser Shen-Nung zur damaligen Zeit verfassten pharmakologischen Pflanzenheilkunde, in der 239 Pflanzendrogen ausführlich beschrieben wurden, war sie eine der wichtigsten Heilpflanzen. Im chinesisch-medizinischen System wird ihr eine Stärkung der fünf Energiefunktionskreise zugesprochen – Leber, Herz, Milz, Lunge und Niere. Die Geschmacksrichtung ist süßlich und leicht bitter, das Temperaturverhalten neutral bis leicht warm, beim Roten Ginseng warm bis heiß.
Die Ginsengwurzel galt als Symbol für Gesundheit und ein langes Leben und war daher lange Zeit nur Königen vorbehalten. In früheren Zeiten war sie wertvoller als Gold, nicht zuletzt dadurch, dass sie schlecht kultivierbar ist und nur langsam wächst, was zu einer natürlichen Limitierung des Angebots führte. Durch die Mauren gelangte die Ginsengwurzel nach Europa, wo sie aber bald wieder in Vergessenheit geriet. Richtig ins Bewusstsein des Abendlandes kam sie v. a. durch niederländische Seeleute im 17. Jh. und gewann von da an in Europa rasch an Popularität. Der französische Hochadel verfiel zu Zeiten des Sonnenkönigs Ludwig XIV. wegen der postulierten phantastischen Wirkungen in eine regelrechte Ginseng-Hysterie. Danach, im 19. Jh., nahm ihre Bedeutung wieder ab. Heutzutage hat die Ginsengwurzel ihren Stellenwert als ein gesundheitsförderndes Tonikum. In China und Korea werden die Ginsengblätter u. a. als verdauungsfördernder Tee angeboten.
Ginseng ist schwer zu kultivieren und bedarf eines großen Aufwands an Pflege und Zeit. Er kann nur auf Böden gezogen werden, in denen mindestens 10–15 Jahre kein Ginsenganbau stattfand, da sonst die Gefahr der Wurzelfäule besteht. Zur Kultivierung benötigt er trockene Lehm- und Tonböden. Nach der Ernte werden die dünnen Enden der Haupt- und Nebenwurzel abgeschnitten. Abhängig von der weiteren Drogenverarbeitung unterscheidet man zwischen Weißem und Rotem Ginseng. Beim Weißen Ginseng, geerntet meist nach 3–4 Jahren, werden die frisch geernteten und gewaschenen Wurzeln geschält und anschließend mit Schwefeldioxid gebleicht sowie unter der Sonne oder bei Hitzeeinwirkung getrocknet. Im Fall des Roten Ginseng werden die nach sechs Anbaujahren frisch geernteten Wurzeln im Wasserdampf von 120–130 °C 2–3 Std. lang behandelt und danach getrocknet. Im Anschluss sind sie von hornartiger Konsistenz, durchsichtig und von rötlicher Farbe. Weißer und Roter Ginseng unterscheiden sich bzgl. des Inhaltsstoffspektrums kaum voneinander.
Zulassung als Arzneimittel Wurzelextrakte aus rotem Ginseng (Panax ginseng C.A. Meyer, KGV Korea Ginseng(R)) sind als Arzneimittel in Europa zugelassen. Schon eine Bewertung der deutschen Arzneimittelzulassungs-Behörde vor einem Vierteljahrhundert stellte fest, dass Ginsengwurzel “als Tonikum zur Stärkung und Kräftigung bei Müdigkeits- und Schwächegefühl, nachlassender Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit sowie in der Rekonvaleszenz” Anwendung finden kann, also bei genau dem Erkrankungsbild, dass heute “Fatigue” genannt wird, “chronisches Erschöpfungs-Syndrom” [12]. Genau diese Anwendungsbereiche sah auch eine europäische Arbeitsgruppe von Phytotherapie-Experten (“E/S/C/O/P”) nach Analyse der gesamten wissenschaftlichen Literatur vor rund 15 Jahren als zentrale Anwendungsgebiete von Ginsengwurzel, nämlich “nachlassende mentale und körperliche Leistungsfähigkeit mit damit einhergehenden Schwächegefühlen, Erschöpfung, Müdigkeit oder Konzentrationsverlust, sowie während der Genesung von Patienten” [13]. Diese Einsicht ist schließlich direkt in die Arzneimittelzulassung von Ginsengwurzel der europäischen Zulassungsbehörde EMA eingeflossen. In dieser heißt es, dass Ginsengwurzel ein “auf traditioneller Erfahrung beruhendes Heilpflanzenprodukt für Kraftlosigkeits-Beschwerden wie Fatigue und Erschöpfung” ist [14].
Die Weltgesundheitsbehörde WHO in Genf fordert seit vielen Jahren, traditionelle, volksheilkundliche und erfahrungsmedizinische Therapien bei der Behandlung der großen Volkskrankheiten verstärkt zu berücksichtigen. In einer zusammenfassenden Ginsengwurzel-Monographie führt auch die WHO die oben genannten Wirkungen – “Vorbeugung und Besserung bei mentaler und körperlicher Leistungsschwäche mit Erschöpfung, Kraftlosigkeit, Müdigkeit oder Konzentrationsverlust sowie während der Rekonvaleszenz nach Krankheiten” – als durch klinische Studiendaten unterstützt auf [15]. Darüber hinaus listet die WHO viele weitere volksmedizinische und traditionelle Anwendungsgebiete von Panax ginseng auf: Zuckerkrankheit, Impotenz, Vorbeugung von toxischer Leberschädigung, Magen-Darmerkrankungen wie Gastritis oder Magengeschwüre, Lebererkrankungen, Husten, Fieber, Tuberkulose, Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, Schwangerschaftserbrechen, erniedrigte Körpertemperatur/Dauerfrösteln, Atemprobleme oder neurologische Erkrankungen. Diese Liste müsste in einer vollständigen Darstellung der vorbeugenden und therapeutischen Fähigkeiten der originalen Ginsengwurzel noch um die seit Jahrtausenden in Ostasien gesammelten erfahrungsmedizinischen Anwendungen des als “wertvollstes aller Arzneipflanzen” eingeschätzten Phytotherapeutikums ergänzt werden.
Aktuelle Wissenschaft Auch eine aktuelle Suche nach wissenschaftlichen Studien zur Wirksamkeit dieser uralten Heilpflanze bei dem chronischen Erschöpfungs-Syndrom erbringt mehr Fachpublikationen als zu allen anderen Heilpflanzen, wie auch eine gerade veröffentlichte Arbeit von US-Forschern wieder zeigt [16]. Und auch hierbei wurden im wesentlich nur die Forschungsergebnisse aus der westlichen Welt berücksichtigt! Die Autoren der genannten Analyse kommen zu dem Schluss: “Alle auswertbaren Studien zeigen, dass mit Ginsengwurzel eine wirksame Therapie des chronischen Erschöpfungs-Syndroms möglich, die Behandlungsergebnisse vielversprechend und nur ein sehr geringes Risiko an Nebenwirkungen vorhanden ist”.
Pflanzenprofil: Panax Ginseng, Ginseng
(zitiert aus dem “Lehrbuch der Phytotherapie” [17])
Panax Ginseng zählt zu den Araliaceen und ist eine mehrjährige Staude mit einer dicken, spindelförmigen, bräunlich-gelben Wurzel. Die Blüten sind klein, unauffällig, die Früchte hellrote Beeren. Panax Ginseng wächst wild in den Urwäldern von Nordkorea und der Mandschurei. Die süßlich und schwach aromatisch schmeckende Droge, Ginseng radix, kommt aus Panaxkulturen in Korea, China, Japan, der Ukraine und der Umgebung von Moskau, wo sie in schattigen Wäldern als Unterwuchs oder auf Plantagen mittels Bedeckung durch Matten kultiviert wird. Der Anbau der Ginsengwurzel ist in Korea ein wichtiger Faktor des Außenhandels, der Zehntausende von Arbeitsplätzen schafft.
Frühestens nach sieben Jahren haben die kultiviert wachsenden Wurzeln ein Gewicht von 60–100 g erreicht und können geerntet werden. Eine wild wachsende Ginseng erreicht dieses Gewicht erst in einem Alter von 150–200 Jahren. Die Wirkung der jungen kultivierten Ginsengwurzeln soll etwa 1 1/2- bis 2‑mal geringer sein als diejenige der wild wachsenden alten Wurzeln. Die aufwendige, zeitraubende und mühevolle Kultivierung lohnt sich durch die hohen Preise, die im Handel erzielt werden.
Unterschieden wird zwischen roter und weißer Ginsengwurze. Bei der Sterilisierung und Konservierung der leicht verderblichen Wurzeln mit heißem Wasserdampf wird die anfänglich weiße Wurzel rötlich gefärbt. Die chemische Zusammensetzung bleibt erhalten. Ginseng radix enthält mindestens 1,5 % Ginsenoside sowie ätherisches Öl, Phytosterole und Peptidoglykane.
Insgesamt sind acht Panax-Arten bekannt. Außer der Panax Ginseng wird noch die nordamerikanische Panax quinquefolius verwandt, deren Wirkung schwächer sein soll als die der asiatischen. Die übrigen sechs haben keine medizinische Bedeutung.
Kommentar Heilpflanzen-Welt.de zur Erstattungssituation
In der Krebsmedizin kämpfen die meisten Ärzte um das Leben ihrer Patienten. Krankenhäuser oder viele Hersteller von Krebsmitteln kämpfen meist nur um eine Steigerung ihres Profites in Dollar und Euro. Dieser ethische Widerspruch wirkt sich auch die Patienten-Versorgung aus. So kritisieren Ginseng-Skeptiker in Deutschland, dass die wissenschaftlichen Effektbelege von Ginsengwurzel nicht allerhöchste Evidenz haben (“A”), sondern eine geringere Beweiskraft (“C”). Die Folgen: In deutschen Leitlinien kommt Ginseng nicht vor (es gibt übrigens nicht einmal eine Leitlinie zum chronischen Erschöpfungs-Syndrom!), obwohl etliche Präparate als Arzneimittel zugelassen sind. Und deshalb finden deutsche Krankenkassen, dass sie eine Fatigue-Behandlung mit Panax ginseng nicht zu bezahlen brauchen. “Lesen hilft”, heißt es oft. Und dies kann Vertretern des deutschen Gesundheitssystems nur empfohlen werden. Beispielsweise die neueste Leitlinie der US-amerikanischen Gesellschaft für Integrative Onkologie (Brustkrebs). Ginseng wird dort als einziges pflanzliches Heilmittel bei krebsbezogenem Fatigue erwähnt [19]. Faszinierend: Die hyperkritische American Society of Clinical Oncology (ASCO) hat sich die Leitlinie vor wenigen Monaten zu eigen gemacht [20]. US-amerikanische Krebsärzte sind jetzt verpflichtet, ihren Brustkrebspatientinnen mit Fatigue auch ergänzende Vorschläge wie die Einnahme von Ginsengpräparaten zu empfehlen. Deutsche Patient*innen dürften auf entsprechende Änderungen noch Jahre warten.
Author
• Rainer H. Bubenzer, Berlin, 12. Dezember 2018.
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weitere Infos
• Monographie Kommission E: “Ginseng radix (Ginsengwurzel)”. Bundesanzeiger. 1991 Jan 1;11.
• Monographie “Ginseng”. In: Gerhard Madaus: Lehrbuch der Biologischen Heilmittel. Thieme, Leipzig, 1938.
weitere Fachinfos
• European Medicines Agency (EMA): Ginseng radix
• Korea Ginseng Vertriebs GmbH (KGV): Die Ginsengpflanze.
Buchtipps
• Freerk Baumann, Wilhelm Bloch, Elke Jäger: Sport und körperliche Aktivität in der Onkologie. Springer, Berlin, Heidelberg, 2012 (bei Amazon kaufen).
• Monographie “Ginseng radix – Ginseng”. In: E/S/C/O/P Monographs – The Scientific Foundation for Herbal Medicinal Products (2nd ed). Thieme, Stuttgart, 2003 (bei Amazon kaufen).
• Monographie “Radix Ginseng”. In: WHO monographs on selected medicinal plants (Vol. 1). Weltgesundheitsbehörde WHO, Genf, 1999 (bei Amazon kaufen).
• William E. Court: Ginseng – The Genus Panax. Harwood, Amsterdam, 2006 (bei Amazon kaufen).
Quellen
[1] Bower JE: Cancer-related fatigue–mechanisms, risk factors, and treatments. Nat Rev Clin Oncol. 2014 Oct;11(10):597–609 (Kurzfassungen: DOI | PMID).
[2] Berger AM, Mooney K, Alvarez-Perez A, Breitbart WS, Carpenter KM, Cella D, Cleeland C, Dotan E, Eisenberger MA, Escalante CP, Jacobsen PB, Jankowski C, LeBlanc T, Ligibel JA, Loggers ET, Mandrell B, Murphy BA, Palesh O, Pirl WF, Plaxe SC, Riba MB, Rugo HS, Salvador C, Wagner LI, Wagner-Johnston ND, Zachariah FJ, Bergman MA, Smith C; National comprehensive cancer network: Cancer-Related Fatigue, Version 2.2015. J Natl Compr Canc Netw. 2015 Aug;13(8):1012–39 (Kurzfassung: PMID).
[3] Johnston S, Brenu EW, Staines D, Marshall-Gradisnik S: The prevalence of chronic fatigue syndrome/ myalgic encephalomyelitis: a meta-analysis. Clin Epidemiol. 2013;5:105–10 (Kurzfassungen: DOI | PMID)
[4] Schütz F: Fatigue – ein unterschätztes Symptom bei Krebs. Gynäkologie. 2008;41:603–6 (Kurzfassung: DOI).
[5] Witt CM, Balneaves LG, Cardoso MJ, Cohen L, Greenlee H, Johnstone P, Kücük Ö, Mailman J, Mao JJ: A Comprehensive Definition for Integrative Oncology. J Natl Cancer Inst Monogr. 2017 Nov 1;2017(52) (Kurzfassungen: DOI | PMID).
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[8] Schmitz KH, Courneya KS, Matthews C, Demark-Wahnefried W, Galvão DA, Pinto BM, Irwin ML, Wolin KY, Segal RJ, Lucia A, Schneider CM, von Gruenigen VE, Schwartz AL; American College of Sports Medicine: American College of Sports Medicine roundtable on exercise guidelines for cancer survivors. Med Sci Sports Exerc. 2010 Jul;42(7):1409–26 (Kurzfassungen: DOI | PMID).
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[10] Freerk Baumann, Wilhelm Bloch, Elke Jäger: Sport und körperliche Aktivität in der Onkologie. Springer, Berlin, Heidelberg, 2012.
[11] Siegfried Bäumler: Heilpflanzen Praxis heute, Band 1 Arzneipflanzenporträts. Urban & Fischer/Elsevier, München, 2012.
[12] Monographie Kommission E: “Ginseng radix (Ginsengwurzel)”. Bundesanzeiger- 1991 Jan 1;11 (Volltext).
[13] Monographie “Ginseng radix – Ginseng”. In: E/S/C/O/P Monographs – The Scientific Foundation for Herbal Medicinal Products (2nd ed). Thieme, Stuttgart, 2003.
[14] EMA / Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC): Community herbal monograph on Panax ginseng C.A.Meyer, radix (final). EMA, London, 25. März 2014 (EMA/HMPC/321233/2012 Corr.1).
[15] Monographie “Radix Ginseng”. In: WHO monographs on selected medicinal plants (Vol. 1). Weltgesundheitsbehörde WHO, Genf, 1999.
[16] Arring NM, Millstine D, Marks LA, Nail LM: Ginseng as a Treatment for Fatigue: A Systematic Review. J Altern Complement Med. 2018 Jul;24(7):624–633 (Kurzfassungen: DOI | PMID).
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[18] Gerhard Madaus: Lehrbuch der Biologischen Heilmittel. Thieme, Leipzig, 1938.
[19] Greenlee H, DuPont-Reyes MJ, Balneaves LG, Carlson LE, Cohen MR, Deng G, Johnson JA, Mumber M, Seely D, Zick SM, Boyce LM, Tripathy D: Clinical practice guidelines on the evidence-based use of integrative therapies during and after breast cancer treatment. CA Cancer J Clin. 2017 May 6;67(3):194–232 (Kurzfassungen: DOI | PMID).
[20] Lyman GH, Greenlee H, Bohlke K, Bao T, DeMichele AM, Deng GE, Fouladbakhsh JM, Gil B, Hershman DL, Mansfield S, Mussallem DM, Mustian KM, Price E, Rafte S, Cohen L: Integrative Therapies During and After Breast Cancer Treatment: ASCO Endorsement of the SIO Clinical Practice Guideline. J Clin Oncol. 2018 Sep 1;36(25):2647–55 (Kurzfassungen: DOI | PMID).