Mistel
(Rosenfeld). Die Inanspruchnahme von Komplementär- und Alternativmedizin (CAM) durch Krebspatienten ist hoch und verweist auf Versorgungslücken der konventionellen Krebsmedizin. Dennoch sollten die wissenschaftlichen Ansprüche an evidenzbasierte Wirksamkeit bei komplementären Verfahren allen wissenschaftlichen Standards entsprechen, so das klare Bekenntnis der Onkologen, die sich bei dem internationalen Kongress “Integrative Medicine Meeting” (IMM) im September 2018 trafen.
“Integrative Onkologie” im Sinne eines ganzheitlichen, patientenzentrierten und multidimensionalen Therapieangebotes, das die konventionelle Krebsmedizin ergänzt, wird heute an den 50 wichtigsten Krebszentren der USA als Element der Standardversorgung angeboten, so berichtete Prof. Dr. Gary Deng, Memorial Sloan Kettering Cancer Center (MSKCC), New York. Staatliche Forschungsgelder fördern diese Entwicklung seit Jahren erheblich: In den USA werden Steuergelder zur CAM-Erforschung allein im Verantwortungsbereich der National Institutes of Health in Höhe von 330–400 Mio. US-$ pro Jahr aufgebracht (Vergleich US-Krebsforschung: >6 Mrd. US-$/Jahr) [1]. Selbstverständlich sollten auch in Europa, so betonte Prof. Dr. Roman Huber, Universitätsklinikum Freiburg, nur Verfahren der Integrativen Onkologie in der Versorgung akzeptiert werden, die evidenzbasiert sind. Hierzu gehören derzeit Yoga, Meditation, andere Mind-Body-Verfahren, Akupunktur/Akupressur, Massage, Musiktherapie, Sport, Cannabinoide, Viscum album, Ingwer oder verschiedene Nährstoffe (evtl. Vitamin D, Sulforaphan, Selen). Einen guten Anhaltspunkt zur Auswahl von Verfahren mit hoher Evidenz, so Deng, bietet eine neue US Leitlinie zur Integrativen Onkologie bei Brustkrebs [1].
Bei dem IMM 2018 wurden auch Studienergebnisse zu Verfahren der Integrativen Onkologie vorgetragen, deren Verwendung noch nicht so breit etabliert ist. So präsentierte Dr. Gurdev Parmar, Fort Langley, Kanada, die Ergebnisse einer 8‑Jahres-Studie zu Hyperthemie bei 785 Krebspatienten mit fortgeschrittener, metastasierender Erkrankung. Die Behandlung führte zu einer ausgeprägt besseren 5‑Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit gegenüber Vergleichsdaten (Studie noch in Publikation). Ivelisse Page, Glyndon, USA, berichtete von der Initiierung einer ersten US-Phase-I-Studie zur i.v.-Anwendung von Mistelextrakt bei fortgeschrittenen soliden Tumoren in Zusammenarbeit mit der John-Hopkins-Universität, Baltimore, USA (NCT 03051477). Überraschend für europäische Onkologen waren die Berichte nordamerikanischer KollegInnen, die über signifikante Wirkungen von intermittierendem Fasten (wiederholtes Kurzzeitfasten) berichteten, z. B. bei der Reduktion von Fatigue oder therapiebedingten Nebenwirkungen. Auch eine aktuelle Pilotstudie der Charité – Berliner Universitätsmedizin zeigte, dass Kurzzeitfasten während einer Chemotherapie von gynäkologischen Krebserkrankungen erheblich deren Nebenwirkungen verringert ohne dass es zu ernsthaften Problemen kommt [3]. Mit hohem Interesse wurden auch die zahlreichen und beeindruckenden Fallschilderungen von intratumoraler resp. intrapleuraler off label-Applikation von Viscum album diskutiert, deren hohe Anwendungssicherheit bereits gezeigt worden ist [4]. Dr. Friedrich Migeod, Bad Aibling, berichtete schließlich, dass Helleborus niger (Christrose) den Krankheitsverlauf bei Lymphomen oder Karzinomen verbessern kann, vor allem malignen Brust‑, Hals- und Hirntumoren, und ein wichtiges Element zur Verbesserung der Lebensqualität in der palliativen Onkologie ist.
Integrative Medicine Meeting 2018: “Innovation & Experience in Oncology” in Rosenfeld, 17.–20.9.2018. Veranstalter: Integrative Medizin Veranstaltungs-GmbH. Chairmen: Prof. Dr. Gary Deng, Medical Director, Integrative Medicine Service, Memorial Sloan Kettering Cancer Center, New York, USA und Prof. Dr. Roman Huber, Uni-Zentrum Naturheilkunde, Akademisches Zentrum Komplementäre und Integrative Medizin, Universitätsklinikum Freiburg.
Autor
• Rainer H. Bubenzer, Berlin, 2019.
Quellen
[1] NIH: Estimates of Funding for Various Research, Condition, and Disease Categories (RCDC). Bethesda, 18. May 2018 (https://report.nih.gov/categorical_spending.aspx).
[2] Lyman GH, Greenlee H, Bohlke K, Bao T, DeMichele AM, Deng GE, Fouladbakhsh JM, Gil B, Hershman DL, Mansfield S, Mussallem DM, Mustian KM, Price E, Rafte S, Cohen L: Integrative Therapies During and After Breast Cancer Treatment: ASCO Endorsement of the SIO Clinical Practice Guideline. J Clin Oncol. 2018 Sep 1;36(25):2647–2655 (DOI: 10.1200/JCO.2018.79.2721 | PMID: 29889605).
[3] Bauersfeld SP, Kessler CS, Wischnewsky M, Jaensch A, Steckhan N, Stange R, Kunz B, Brückner B, Sehouli J, Michalsen A: The effects of short-term fasting on quality of life and tolerance to chemotherapy in patients with breast and ovarian cancer: a randomized cross-over pilot study. BMC Cancer. 2018 Apr 27;18(1):476.
[4] Steele ML, Axtner J, Happe A, Kröz M, Matthes H, Schad F: Safety of Intravenous Application of Mistletoe (Viscum album L.) Preparations in Oncology: An Observational Study. Evid Based Complement Alternat Med. 2014;2014:236310.
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