Ginseng (aus US-Sicht)

Ginseng - Helding

Ausgabe für medizinische Fachkreise


Inhalt zuletzt geän­dert: Okto­ber 2018

Gin­seng ist der Name einer gan­zen Pflan­zen­fa­mi­lie. Nah­rungs­er­gän­zungs­mit­tel wer­den aus ame­ri­ka­ni­schem (Panax quin­que­fo­li­us) oder asia­ti­schem Gin­seng (Panax gin­seng) gewon­nen, denn sibi­ri­scher Gin­seng (Eleu­thero­coc­cus sen­ti­co­sus) ent­hält nicht die Bestand­tei­le der bei­den ande­ren For­men, die man für die akti­ven Wirk­stof­fe hält und als Nah­rungs­er­gän­zung verwendet.

Gin­seng­wur­zel kann frisch oder getrock­net, als Extrakt oder Lösung, in Form von Kap­seln, Tablet­ten, Soda­was­ser und Tee ein­ge­nom­men oder für Kos­me­ti­ka ver­wen­det wer­den. Die Wirk­stof­fe in ame­ri­ka­ni­schem Gin­seng sind die Pana­xo­si­de (Sapo­nin­gly­ko­si­de). Die Wirk­stof­fe in asia­ti­schem Gin­seng sind Gin­se­no­si­de (Tri­ter­pen­o­id­gly­ko­si­de).

Vie­le Gins­eng­pro­duk­te ent­hal­ten weni­ge oder kei­ne nach­weis­ba­ren Wirk­stof­fe. In sehr weni­gen Fäl­len wur­den eini­ge Gins­eng­prä­pa­ra­te aus Asi­en gezielt mit Alraun­wur­zel gemischt, um Erbre­chen aus­zu­lö­sen oder auch mit den Sub­stan­zen Phe­nyl­bu­ta­zon oder Ami­no­py­rin. Die­se Medi­ka­men­te wur­den in den USA wegen der erheb­li­chen Neben­wir­kun­gen vom Markt entfernt.

Behauptungen

Man sagt, Gin­seng kön­ne das kör­per­li­che (wie auch das sexu­el­le) und geis­ti­ge Leis­tungs­ver­mö­gen stei­gern und adap­to­gen wir­ken bzw. die Anpas­sungs­fä­hig­keit ver­bes­sern (z. B. durch stär­ke­re Ener­gie und Wider­stands­kraft gegen­über schäd­li­chen Fol­gen von Stress und Alter). Gin­seng soll auch den Plas­ma-Glu­ko­se­spie­gel sen­ken und die HDL- (high den­si­ty lipo­pro­te­ins), Hb- (Hämo­glo­bin) und Pro­te­in­kon­zen­tra­tio­nen erhö­hen kön­nen, als Immun­sti­mu­lans, Anti­krebs­mit­tel und Herz­to­ni­kum wir­ken sowie endo­kri­ne, ZNS- und östro­ge­ne Wir­kun­gen haben. Ein wei­te­rer Anspruch sind mög­li­che, posi­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf die Immunfunktion.

Belege

Stu­di­en über Gin­seng sind alle durch z. B. klei­ne Grö­ße und Anzahl begrenzt. Sol­che Stu­di­en haben gezeigt,

  • Ver­bes­se­rung der Immun­funk­ti­on [1]
  • anti­kar­zi­no­ge­ne Effek­te [2]
  • Ver­rin­gert den Blut­zu­cker­spie­gel [3]
  • Beweis der kogni­ti­ven Funk­ti­on [4–5]

Eine sys­te­ma­ti­sche Über­prü­fung von 5 Stu­di­en (747 Pro­ban­den) ergab kei­nen Hin­weis dar­auf, dass Gin­seng die Häu­fig­keit oder Schwe­re von Erkäl­tun­gen senk­te, aber Gin­seng ver­kürz­te die Erkäl­tungs­dau­er [6].

Eine Coch­ra­ne-Review von 2010 über 9 ran­do­mi­sier­te, dop­pel­blin­de, Pla­ce­bo-kon­trol­lier­te Stu­di­en hat die Wirk­sam­keit und die Neben­wir­kun­gen von Gin­seng-Sup­ple­men­tie­rung zur Ver­bes­se­rung der kogni­ti­ven Funk­ti­on bei gesun­den Pro­ban­den (8 Ver­su­che) und bei jenen mit alters­be­ding­ten Gedächt­nis­stö­run­gen (1 Ver­such) unter­sucht [5]. Die Ana­ly­se ergab kei­ne schwer­wie­gen­den uner­wünsch­ten Wir­kun­gen mit Gin­seng-Ergän­zung, aber es gab kei­ne über­zeu­gen­den Bewei­se für eine ver­bes­ser­te kogni­ti­ve Funk­ti­on bei gesun­den Pro­ban­den oder Men­schen mit der Dia­gno­se Demenz.

Grö­ße­re sind Ver­su­che nötig, um die Wirk­sam­keit des Gin­sengs zu bewer­ten. Auch sind wei­te­re Aus­wer­tung der in den Ergän­zun­gen gefun­de­nen Ver­bin­dun­gen not­wen­dig, um die Kom­po­nen­ten zu bestim­men, die für die beob­ach­te­ten vor­teil­haf­ten Effek­te ver­ant­wort­lich sind. Es gibt kei­ne Bewei­se, die ande­re gesund­heits­be­zo­ge­ne Anga­ben für Gin­seng unterstützen.

Nebenwirkungen

Falls in den ers­ten Tagen Ner­vo­si­tät und Reiz­bar­keit auf­tre­ten, las­sen sie schon bald wie­der nach. Auch die Kon­zen­tra­ti­ons­fä­hig­keit kann ein­ge­schränkt sein und die Plas­ma-Glu­ko­se kann auf­fal­lend sin­ken, was dann zu Hypo­glyk­ämie führt. Wegen der östro­gen­ar­ti­gen Wir­kung soll­ten weder Schwan­ge­re oder stil­len­de Frau­en noch Kin­der Gin­seng ein­neh­men. Gele­gent­lich wur­de über erns­te­re Neben­wir­kun­gen wie Asth­ma­an­fäl­le, erhöh­ten Blut­druck, Pal­pi­ta­tio­nen und ute­ri­ne Blu­tun­gen (nach der Meno­pau­se) berich­tet. Vie­len Men­schen schmeckt Gin­seng nicht gera­de angenehm.

Interaktionen mit Medikamenten

Gin­seng kann Wech­sel­wir­kun­gen mit blut­zu­cker­sen­ken­den Mit­teln, Ace­tyl­sa­li­cyl­säu­re und ande­ren NSAR, mit Kor­ti­kos­te­ro­iden, Digoxin, Östro­ge­nen, MAO-Hem­mern und War­fa­rin haben.

Hinweise zu Ginseng

  1. Assi­ne­we VA, Ama­son JT, Aubry A, Mul­lin J, Lemai­re I: Extra­c­ta­ble polys­ac­cha­ri­des of Panax quin­que­fo­li­us L. (North Ame­ri­can gin­seng) root sti­mu­la­te TNFal­pha pro­duc­tion by alveo­lar macro­pha­ges. Phy­to­me­di­ci­ne. 2002 Jul;9(5):398–404 (Kurz­fas­sung: PMID).
  2. Yun TK, Zheng S, Choi SY, Cai SR, Lee YS, Liu XY, Cho KJ, Park KY: Non-organ-spe­ci­fic pre­ven­ti­ve effect of long-term admi­nis­tra­ti­on of Kore­an red gin­seng extra­ct on inci­dence of human can­cers. J Med Food. 2010 Jun;13(3):489–94 (Kurz­fas­sun­gen: DOI | PMID).
  3. Shishtar E, Sie­ven­piper JL, Dje­do­vic V, Coz­ma AI, Ha V, Jaya­lath VH, Jenk­ins DJ, Mei­ja SB, de Sou­za RJ, Jova­nov­ski E, Vuksan V: The effect of gin­seng (the genus panax) on gly­ce­mic con­trol: a sys­te­ma­tic review and meta-ana­ly­sis of ran­do­mi­zed con­trol­led cli­ni­cal tri­als. PLoS One. 2014 Sep 29;9(9):e107391 (Kurz­fas­sun­gen: DOI | PMID).
  4. Kim J, Chung SY, Park S, Park JH, Byun S, Hwang M, Oh DS, Choi H, Kim MY, Bu YC, Doré S, Whang WW, Kim H: Enhan­cing effect of HT008‑1 on cogni­ti­ve func­tion and qua­li­ty of life in cogni­tively decli­ned healt­hy adults: a ran­do­mi­zed, dou­ble-blind, pla­ce­bo-con­trol­led, tri­al. Phar­ma­col Bio­chem Behav. 2008 Oct;90(4):517–24 (Kurz­fas­sun­gen: DOI | PMID).
  5. Geng J, Dong J, Ni H, Lee MS, Wu T, Jiang K, Wang G, Zhou AL, Malouf R: Gin­seng for cogni­ti­on. Coch­ra­ne Data­ba­se Syst Rev. 2010 Dec 8;(12):CD007769 (Kurz­fas­sun­gen: DOI | PMID).
  6. Sei­da JK, Durec T, Kuh­le S: North Ame­ri­can (Panax quin­que­fo­li­us) and Asi­an Gin­seng (Panax gin­seng) Pre­pa­ra­ti­ons for Pre­ven­ti­on of the Com­mon Cold in Healt­hy Adults: A Sys­te­ma­tic Review. Evid Based Com­ple­ment Alter­nat Med. 2011;2011:282151 (Kurz­fas­sun­gen: DOI | PMID).

Weitere Informationen

NIH Natio­nal Cen­ter for Com­ple­men­ta­ry and Inte­gra­ti­ve Health: Gin­seng

Ausgabe für Patienten

Letz­te voll­stän­di­ge Überprüfung/​Überarbeitung: Novem­ber 2017

Gin­seng wird gewöhn­lich aus zwei Pflan­zen­ar­ten gewon­nen: Aus ame­ri­ka­ni­schem Gin­seng und asia­ti­schem Gin­seng. Ame­ri­ka­ni­scher Gin­seng ist mil­der als asia­ti­scher Gin­seng. Gin­seng ist in vie­ler­lei For­men erhält­lich, bei­spiels­wei­se als fri­sche und getrock­ne­te Wur­zel, als Extrakt, Lösung, Kap­sel, Tablet­te, Kos­me­tik­ar­ti­kel, Limo­na­de und Tee. Die akti­ven Bestand­tei­le sind Pana­xo­sid im ame­ri­ka­ni­schen Gin­seng und Gin­se­no­sid im asia­ti­schen Ginseng.

Der sibi­ri­sche Gin­seng ist kein ech­ter Gin­seng und ent­hält ande­re akti­ve Bestand­tei­le, doch ist sei­ne Anti­stress­wir­kung der­je­ni­gen des ame­ri­ka­ni­schen und asia­ti­schen Gin­seng ähnlich.

Die Qua­li­tät von Gins­eng­pro­duk­ten vari­iert stark, da akti­ve Inhalts­stof­fe oft nur gering­fü­gig oder über­haupt nicht vor­han­den sind. In sehr weni­gen Fäl­len wur­den asia­ti­sche Gins­eng­pro­duk­te absicht­lich mit Alraun­wur­zel gemischt, um ein Erbre­chen her­bei­zu­füh­ren. Auch die Arz­nei­mit­tel Phe­nyl­bu­ta­zon oder Ami­no­py­rin, die in den USA auf­grund nicht akzep­ta­bler Neben­wir­kun­gen vom Markt genom­men wur­den, waren in Gins­eng­pro­duk­ten enthalten.

Anwendungsgebiete

Gin­seng wird meist ein­ge­nom­men, um die kör­per­li­che und geis­ti­ge Leis­tungs­fä­hig­keit zu stei­gern, die Ener­gie­re­ser­ven zu erhö­hen und die schäd­li­chen Aus­wir­kun­gen von Stress und Alte­rungs­pro­zes­sen abzu­mil­dern. Auch gilt es für vie­le als Mit­tel zur Stei­ge­rung der sexu­el­len Leis­tungs­fä­hig­keit, dabei auch zur Behand­lung einer erek­ti­len Dys­funk­ti­on. Gin­seng kann den Blut­zu­cker sen­ken und den Spie­gel des „guten“ HDL-Cho­le­ste­rins anhe­ben. Außer­dem erhöht Gin­seng mög­li­cher­wei­se den Hämo­glo­bin- und Pro­te­in­spie­gel im Blut. Gin­seng kann auch die Immun­funk­ti­on verbessern.

Der Nach­weis man­cher Wir­kun­gen von Gin­seng ist schwie­rig, weil ein Ener­gie­zu­wachs und ande­re Wir­kun­gen auf die Lebens­qua­li­tät schwer zu mes­sen sind. In einer klei­nen Stu­die an Dia­be­ti­kern redu­zier­te Gin­seng die Blut­zu­cker­spie­gel und hob einem sub­jek­ti­ven Bericht zufol­ge die Stim­mung und die Lebens­en­er­gie. In einer gro­ßen, jedoch zeit­lich begrenz­ten Stu­die ver­bes­ser­te Gin­seng sub­jek­ti­ven Berich­ten der Teil­neh­mer zufol­ge die Lebensqualität.

Mögliche Nebenwirkungen

Gin­seng ist nach bis­he­ri­gen Auf­zeich­nun­gen ziem­lich sicher. Jedoch emp­feh­len man­che Behör­den, die Anwen­dung von Gin­seng auf drei Mona­te zu beschrän­ken, da ansons­ten mög­li­cher­wei­se Neben­wir­kun­gen auf­tre­ten kön­nen. Zu den häu­figs­ten Neben­wir­kun­gen zäh­len Ner­vo­si­tät und Erreg­bar­keit, die jedoch gewöhn­lich nach weni­gen Tagen wie­der nach­las­sen. Die Kon­zen­tra­ti­ons­fä­hig­keit kann zurück­ge­hen, und der Blut­zu­cker kann unge­wohnt tief absin­ken (bis hin zur Unter­zu­cke­rung). Wei­te­re Neben­wir­kun­gen sind Kopf­schmer­zen, all­er­gi­sche Reak­tio­nen, Schlaf- und Ver­dau­ungs­pro­ble­me, Span­nun­gen in der Brust und unre­gel­mä­ßi­ge Monats­blu­tun­gen. Da Gin­seng östro­gen­ar­ti­ge Wir­kun­gen hat, soll­ten Schwan­ge­re, Stil­len­de und Kin­der ihn nicht verwenden.

Ver­ein­zelt wird von erns­te­ren Neben­wir­kun­gen wie Asth­ma­an­fäl­len, erhöh­tem Blut­druck, Herz­klop­fen und Mens­trua­ti­ons­blu­tun­gen bei Frau­en nach den Wech­sel­jah­ren berich­tet. Für vie­le Per­so­nen hat Gin­seng einen unan­ge­neh­men Geschmack.

Mögliche Wechselwirkungen mit Medikamenten

Gin­seng kann Wech­sel­wir­kun­gen mit gerin­nungs­hem­men­den Arz­nei­mit­teln, Aspi­rin, ande­ren nicht­ste­ro­ida­len Anti­rheu­ma­ti­ka (NSAR), Kor­ti­kos­te­ro­iden, Digoxin, östro­gen­hal­ti­gen Mit­teln, Monoaminoxidase-(MAO-)Hemmern (gegen Depres­sio­nen) und Blut­zu­cker sen­ken­den Medi­ka­men­ten (Hypo­glyk­ämika, zur Behand­lung von Dia­be­tes) eingehen.

Weitere Informationen

Natio­nal Cen­ter for Com­ple­men­ta­ry and Inte­gra­ti­ve Health

Quel­len
zitiert nach “MSD Manu­al – Aus­ga­be für medi­zi­ni­sche Fach­krei­se” und “MSD Manu­al – Aus­ga­be für Pati­en­ten”. Merck Sharp & Doh­me Corp., ein Toch­ter­un­ter­neh­men von Merck & Co., Inc., Kenil­worth, NJ, USA, 2020.
Bild­nach­weis
• Miguel Bru­na (unspash.com, TzVN0xQhWaQ)

Bitte Ihre Frage, Anmerkung, Kommentar im folgenden Feld eingeben