Ginseng ist eine seit Jahrtausenden bekannte und vielleicht ebenso lang für medizinische Zwecke verwendete Pflanze. Sie ist ein schönes Beispiel dafür, wie moderne Forschung seit Langem bekannte Anwendungen bestätigen kann. In der Folge werden verschiedene Anwendungsmöglichkeiten mit entsprechenden Studien besprochen.
Panax ginseng C.A. Meyer ist eine uralte Arzneipflanze, die in kühlen, aber gemässigten Zonen in gewissen Gegenden von China sowie in Korea angepflanzt wird (Abb. 1). Die Gattung Panax gehört zur Familie der Araliaceen. Neben P. ginseng ist auch Panax quinquefolius, der Amerikanische Ginseng, bekannt, der, wie es sein Name schon sagt, hauptsächlich in Nordamerika angebaut wird. Weiter existiert ein sogenannter Sibirischer Ginseng (Eleutherococcus senticosus Rupr. & Maxim), der teils gesammelt und teils kultiviert wird.
Das Adaptogen Ginseng hilft bei Stress
Medizinisch verwendet werden die getrockneten Wurzeln von Ginseng (Abb. 1). Für die medizinische Wirkung sind vor allem Ginsenoside verantwortlich, die zu den Triterpensaponinen gehören. Daneben findet man im Ginseng auch weitere Inhaltsstoffe wie Polyazetylene, Sesquiterpene und andere Substanzen.
Ginseng besitzt adaptogene Eigenschaften, die dabei helfen, Stresssituationen besser zu überstehen (Adaptogen). Sein Einfluss auf den Glukosemetabolismus verbessert die Kognitivfunktionen und hilft Probanden, mentale Tests besser zu vollziehen. Ganz ähnlich verbessert Ginseng auch die psychomotorischen Eigenschaften.
Quelle
• Christoph Bachmann1
1 Hirschmattstrasse 46, 6003 Luzern, Schweiz ([email protected])
Quelle
• Bachmann C: Die Wirksamkeit und Sicherheit von Ginseng: Eine grosse Zahl von Studien zeigt verschiedene Anwendungsmöglichkeiten. Schweiz Z Ganzheitsmed 2017;29:272–274 (DOI).
Bildnachweis
• Shizhao, August 2005 (Lizenz: Creative Commons – Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0).
Der wässrige Ginseng-Extrakt G115® ist auf acht Ginsenoside standardisiert, stellt einen der am besten untersuchten Ginseng-Extrakte dar und wird von einer koreanischen Firma hergestellt (G115 ist in der Schweiz unter dem Markennamen Ginsana® im Handel).
Adaptogene
Adaptogene sind eine Gruppe von Arzneimitteln, welche einen Organismus dazu befähigen, Stresssituationenbesser zu überstehen. Der Koreanische sowie der Sibirische Ginseng, aber auch die Arzneipflanze Rosenwurz (Rhodiola rosea) weisen solche adaptogenen Eigenschaften auf. Hierzu wurden verschiedene Studien publiziert [1–5]. Die durchgeführten Studien scheinen vor allem für P. ginseng eine überzeugende Wirksamkeit bei Abgeschlagenheit und Stress zu dokumentieren. Dabei scheint die Wurzel sowohl auf zellulärer als auch auf höherer Ebene physiologische Eigenschaften zu beeinflussen, die bei Müdigkeit, Schwäche und Erschöpfung verschiedene körperliche und psychische Parameter positiv beeinflussen können [6].
Abb. 1. Wurzeln von Panax ginseng (Koreanischer Ginseng), die auf einem Markt in Busan angeboten werden (Quelle: commons. wikimedia.org; Creative Commons CC0 1.0 Universal Public Domain Dedication; Autor: Brücke-Osteuropa).
Leistungsfähigkeit
Über die Wirksamkeit von GinsengExtrakten zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit wurden sehr viele pharmakologische und klinische Studien publiziert. In Bezug auf die Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit scheinen die klinischen Studien widersprüchliche Resultate zu liefern. Es gibt zwar Studien mit positiven Resultaten [7], doch die Mehrheit der Publikationen verneint eine solche Wirkung [8].
In Bezug auf die Erhöhung bzw. Verbesserung der mentalen Leistungsfähigkeit scheint die Datenlage aber klar positiv zu sein [9–12]. Dies kann mit Studien nachgewiesen werden, welche die Auswirkung von Ginseng auf den Glukosemetabolismus untersuchen.
Glukosemetabolismus
Verschiedene Studien befassten sich mit dem Einfluss von Ginseng auf den Glukosemetabolismus [13–17]. Die Mehrheit weist einen Jadad-Score von 3 oder mehr auf. Die meisten dieser Studien zeigen ein positives Resultat, d.h., dass Ginseng eine positive Auswirkung auf den Glukosemetabolismus hat und die Glukosekonzentration im Blut senken kann.
Als Beispiel soll hier die Studie von Reay et al. [16] aus dem Jahre 2005 vorgestellt werden, die eine Verminderung von Blutglukosewerten sowie eine Erhöhung der kognitiven Ausdauer nachweist. Bei dieser doppelblinden, placebokontrollierten Crossover-Studie machten 30 jüngere Freiwillige einen 10-min-Test bei Baseline sowie an 6 folgenden Tagen 60 min nach der Einnahme einer Einzeldosis von 200 mg bzw. 400 mg Ginseng-Extrakt G115 nochmals diesen 10-min-Test. Dieser bestand aus einem 2 min dauernden Subtraktionstest, aus dem ebenfalls 2 min dauernden «Serial Sevens Test», bei dem in Siebener-Schritten rückwärts von Hundert gezählt werden musste, sowie aus einem 5 min dauernden «Rapid Visual Information Processing»-Task, bei dem Zahlenreihen richtig erkannt werden mussten. Dann gaben die Probanden auf einer Visuellen Analogskala ihre mentale Müdigkeit an. Die Blutglukose wurde vor jeder Tagesdosierung sowie vor, während und nach den Tests gemessen. Beide Ginseng-Dosen, d.h. 200 mg und 400 mg, führten zu einer signifikant reduzierten Blutglukosekonzentration bei allen drei nach der Behandlung gemachten Messungen (p < 0,005).
Die augenfälligste Wirkung wurde mit 200 mg Ginseng erreicht, was zu einer signifikanten Verbesserung der «Serial Sevens Subtraction» und zu einer generellen signifikanten Verminderung der subjektiv empfundenen mentalen Erschöpfung nach den Tests führte, mit der Ausnahme von je einem Messwert (p < 0,05).
Mit dieser Studie konnte gezeigt werden, dass der P.-ginseng-Extrakt G115 die kognitive Leistungsfähigkeit erhöhen sowie die subjektiv empfundene mentale Müdigkeit nach einer ausdauernden mentalen Tätigkeit vermindern kann.
Diese meistens mit P. ginseng durchgeführten Studien – 2 Studien schlossen auch andere Panax-Arten ein – bedeuten eine klare Evidenz der Wirkung von Ginseng auf den Glukosemetabolismus.
Psychomotorische Fähigkeiten
Die Mehrheit der Studien, welche die Wirkung von Ginseng auf die psychomotorischen Fähigkeiten untersuchten, kam zu einem positiven Resultat [18, 19]. Sehr augenscheinlich zeigt dies die Publikation von Kennedy et al. [20] aus dem Jahre 2001. Bei dieser randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Crossover-Studie erhielten 21 gesunde, junge Freiwillige mit einer Washout-Phase von 7 Tagen zwischen den verschiedenen Behandlungen 200, 400 oder 600 mg vom P.-ginseng-Extrakt G115 oder Placebo. 1, 2,5, 4 und 6 h nach der Einnahme wurden vier verschiedene Tests durchgeführt, welche die kognitive Ausdauer der Probanden erhoben (Quality of Memory, Quality of Attention, Speed Memory und Speed Attention). Dann wurden die Resultate mit den Baseline-Werten verglichen. Das am meisten überzeugende Resultat zeigte sich als signifikante Verbesserung beim Test «Quality of Memory» und beim damit verknüpften «Secondary Memory»-Faktor bei allen vier Erhebungen nach der Gabe von 400 mg G115. Bei den 200-mg- und 400-mg-Dosen wurde beim Test «Speed Attention» erst bei den späteren Tests eine signifikante Verbesserung ermittelt.
Subjektive Beurteilungen von verminderter Aufmerksamkeit wurden 6 h nach der Einnahme von 200 bzw. 400 mg G115 abgegeben.
Erektile Dysfunktion
Ginseng wurde auch mehrmals darauf überprüft, ob die Arzneipflanze erektile Dysfunktion positiv beeinflussen kann. Die Resultate waren widersprüchlich: Eine Studie mit 4 Punkten auf dem Jadad-Score kam zu einem negativen Resultat [21], während andere Studien, die aber weniger als 3 Punkte auf der Jadad-Skala aufwiesen, von einer positiven Wirkung berichteten [22–24]. Eine Wirksamkeit von Ginseng auf die erektile Dysfunktion besitzt also nur eine geringe Evidenz.
Herz- und Lungenfunktion
Ginseng scheint eine positive Wirkung auf die Herz- und Lungenfunktion zu haben. Zwei Studien mit einem Jadad-Score von 3, die eine mögliche Wirksamkeit zur Senkung eines erhöhten Blutdruckes untersuchten, zeigten negative Resultate [25, 26]. Dies scheint wenigstens für den Nordamerikanischen Ginseng, P. quinquefolium, zu gelten, denn beide Studien wurden mit dieser Panax-Spezies durchgeführt.
Studien, die sich mit der positiven Wirkung auf kongestive Herzinsuffizienz bzw. ischämische Durchblutungsstörung befassten, kamen zu einem positiven Resultat [27–29]. Ebenso positiv waren die Resultate von sechs Studien, welche die Wirkung von Ginseng auf akute Atemwegserkrankungen [30–32] sowie auf chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) [33] und chronische Bronchitis [34] untersuchten.
Sicherheit
Bei der Einnahme von Ginseng-Präparaten werden gelegentlich unerwünschte Ereignisse berichtet. Bei P. ginseng beziehen sich solche unerwünschten Ereignisse meistens auf den Verdauungstrakt. Es wird von Magenproblemen, Nausea und Durchfall berichtet [35]. Bei P. quinquefolium scheinen Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Brustbeschwerden und Diarrhö im Vordergrund zu stehen. Diese Ereignisse scheinen aber harmlos zu sein und selten aufzutreten.
Fazit
Ginseng-Extrakte haben trotz anderslautenden Meinungen keine Wirkung zur Erhöhung der körperlichen Leistungsfähigkeit. Die grosse Zahl der vor allem mit P. ginseng, aber auch mit – P. quinquefolium durchgeführten Studien zeigen eindeutig verschiedene andere positive Wirkungen von Ginseng:
– Ginseng besitzt adaptogene Eigenschaften, die dabei helfen, Stresssituationen besser zu überstehen (Adaptogen). Sein Einfluss auf den Glukosemetabolismus verbessert die Kognitivfunktionen und hilft Probanden, mentale Tests besser zu vollziehen. Ganz ähnlich verbessert Ginseng auch die psychomotorischen Eigenschaften.
– Es besteht auch eine gewisse Evidenz für eine positive Wirkung auf Herz- und Lungenfunktionen sowie eine geringe Evidenz zur Verbesserung von erektiler Dysfunktion.
– Der am besten untersuchte P.-ginseng-Extrakt ist der auf acht Ginsenoside standardisierte Extrakt G115.
– Damit erweist sich Ginseng und speziell der Extrakt G115 als wirksames Therapeutikum für die hier beschriebenen Anwendungen.
Literatur
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