Ginsengwurzel und Corona – was soll denn das? Antwort: Auch nach mehr als einem Jahr ist das „C“-Thema nicht gelöst und keine medizinische Möglichkeit verhindert die hohe Sterblichkeit. Seit Jahren sind etliche Pflanzen bekannt, die bei durch Corona-Viren ausgelösten Erkrankungen therapeutisch wirksam sind – z. B. bei der SARS-Epidemie 2002/2003 (siehe Kasten). Um zu erforschen, ob diese Pflanzen auch bei COVID-19 hilfreich sein können, sind vor allem ihre eventuelle Giftigkeit und die Sicherheit bei der Anwendung entscheidend. Dabei kommt nach einer aktuellen Einschätzung deutscher Forscher vor allem eine Heilpflanze in Frage – die Ginsengwurzel (Panax ginseng). Alle anderen bei Coronavirus-Infektionen untersuchten Pflanzen werden entweder nur in Ostasien verwendet, sind potentiell giftig wie z. B. Meerträubel, oder können ernstzunehmende Nebenwirkung haben (Lakritze erhöht z. B. den Blutdruck, kann Herzrhythmusstörungen fördern, Wassereinlagerungen bedingen oder zu Muskelschwäche führen).
Die Ginseng-Wurzel (Radix panax ginseng) ist ein Phytotherapeutikum (Heilpflanze), das in der fernöstlichen traditionellen Medizin seit der (chinesischen) Antike bis heute verwendet wird (also seit rund 5.000 Jahren). Von dem “Allheilmittel” (so die Übersetzung von Panax ginseng) sind sowohl antioxidative (radikalhemmende, “entzündungsverringernde”), Anti-Aging- (alterungshemmende), Anti-Tumor- (krebsbekämpfende) oder adaptogene (stress- und belastungsverringernde) Aktivitäten wissenschaftlich belegt.
Ginsengwurzel 2002(2003 erfolgreich gegen coronabedingte SARS-CoV eingesetzt
Die seit vielen Jahrzehnten zunehmende Popularität von Panax ginseng in westlichen Ländern hat neben diesen Anwendungsbereichen damit zu tun, dass Ginseng auch die Lebenskraft (Vitalität) und die Lebensqualität (Wohlbefinden) wiederherstellen oder verbessern kann, wie viele Studien gezeigt haben (auch bei schweren Erkrankungen wie Krebs). Zu keiner anderen Heilpflanze liegen weltweit so viele wissenschaftliche Studien vor wie zu Ginseng, und damit auch immens viel Erfahrung zur Verwendung und Anwendungs-Sicherheit der Heilpflanze. Auch bei Infektionen: So wurde und wird von zahlreichen Forschergruppen über Ginseng-Aktivitäten gegen ein breites Spektrum von Viren berichtet. Panax ginseng ist zudem eines der pflanzlichen Arzneimittel, die in der SARS-Epidemie 2002/2003 erfolgreich zur Therapie der mit SARS-CoV-infizierten und erkrankten Patienten eingesetzt wurden.
Mehrere Studien zu möglichen toxischen Wirkungen von Panax ginseng bei Ratten und Mäusen zeigten keine ernsthafte allgemeine Giftschädigung (Toxizität), auch alle Studien zu möglichen Genotoxizitäten (Erbgutschädigung) fielen negativ aus. Klinische Studien zur therapeutischen Anwendung von Ginsengwurzel zeigten zudem keine schwerwiegenden behandlungsbedingten Nebenwirkungen. Selbst die Anwendung während der Schwangerschaft führte nicht zu Nebenwirkungen. Zur Anwendung bei stillenden Müttern liegen keine Studienergebnisse vor, allerdings wurden in Tierstudien minimale Risiken beobachtet.
Vorsicht ist jedoch geboten, wenn Patienten übermäßige Dosen Ginsengwurzel (“viel hilft viel”) einnehmen, wobei in Einzelfällen Probleme wie Bluthochdruck, spontane Blutungen oder Wechselwirkungen mit z. B. Antikoagulantien (Gerinnungshemmern) beobachtet wurden. Studien mit Produkten, in denen Ginsengwurzel einer von verschiedenen Wirkstoffen war, zeigten in vielen Fällen keine toxischen Wirkungen. In den wenigen Fällen mit Toxizitäten war unklar, welche Wirkstoffe des ginsenghaltigen Präparates eigentlich dafür verantwortlich waren.
Wurden chemisch isolierte Komponenten oder Stoffwechsel-Zwischenprodukte von Panax ginseng in Laborversuchen geprüft, zeigten einige Studien keinerlei Toxizitäten, während andere vor allem frühe Keimschäden (Embryotoxizität) hervorriefen. Deswegen wird empfohlen, im ersten Schwangerschaftsdrittel auf Zubereitungen isolierter Ginsengbestandteile oder sogar auf Panax ginseng selbst, zu verzichten, bis die Anwendungs-Sicherheit im ersten Schwangerschaftsdrittel ausreichend belegt ist.
Bis auf diese Einschränkung, so die toxikologische Sicht der Fachautoren, erlauben die hier zusammengefassten Ergebnisse, spezifische Untersuchungen mit Panax ginseng hinsichtlich der Möglichkeit der Vorbeugung und/oder Heilung von COVID-19 mit relativ hoher Priorität einzustufen. Sie empfehlen aufgrund dieser beruhigenden Ergebnisse wissenschaftliche Studien durchzuführen, die nun das COVID-19-vorbeugende und/oder ‑therapeutische Potential von Panax ginseng in moderaten, nicht-chronischen Dosen untersuchen (Ausnahme: erstes Schwangerschaftsdrittel).
Die bei der SARS-Epidemie 2002/2003 untersuchten Phytotherapeutika
Lonicera japonica – Japanisches Geißblatt
Morus alba – Weiße Maulbeere
Forsythia suspensa – Hänge-Forsythie
Codonopsis spec. – Gattung Tigerglocken
Glycyrrhiza spec. – Gattung Süßhölzer („Lakritze“)
Panax ginseng – Ginseng
Herba Ephedrae – Meeträubel (ephedrinfrei)
Quelle
• Oesch F, Oesch-Bartlomowicz B, Efferth T: Toxicity as prime selection criterion among SARS-active herbal medications. Phytomedicine. 2021 Jan 28:153476 (Kurzfassungen: DOI | PMID).
Autor
• Rainer H. Bubenzer, Medizinredaktion Berlin/Eichstädt, 22.2.2021.
Bildnachweis
• Jeanne Mance Park (unsplash.com, JfolIjRnveY).
Zusatzinfos
• Monographie BGA/BfArM (Kommission E): Ginseng radix (Ginsengwurzel). Erscheinungsdatum Bundesanzeiger: 17.1.1991., Heftnummer: 11.
• Ginseng für das Abwehrsystem
• Monographie Ginseng radix (Ginsengwurzel), Teil 1