Wegwarte: Die „Blaue Blume“ der Romantik

Die „Blaue Blu­me“ im unvoll­ende­ten Roman „Hein­rich von Ofter­din­gen“ des roman­ti­schen Dich­ters Nova­lis (1772–1801) ist wohl das stärks­te und gleich­zei­tig geheim­nis­volls­te Bild, das die Roman­tik (ab Ende des 18. Jahr­hun­derts) unse­rer Kul­tur ein­ge­prägt hat. Nova­lis führt die geheim­nis­vol­le blaue Blu­me in einem Selbst­ge­spräch des jun­gen Roman­hel­den Hein­rich wie folgt ein:

…  Nicht die Schät­ze sind es, die ein so unaus­sprech­li­ches Ver­lan­gen in mir geweckt haben, sag­te er zu sich selbst; fern ab liegt mir alle Hab­sucht: aber die blaue Blu­me sehn’ ich mich zu erbli­cken. Sie liegt mir unauf­hör­lich im Sinn, und ich kann nichts anders dich­ten und den­ken. So ist mir noch nie zu Muthe gewe­sen: es ist, als hätt’ ich vor­hin geträumt, oder ich wäre in eine ande­re Welt hin­über­ge­schlum­mert; denn in der Welt, in der ich sonst leb­te, wer hät­te da sich um Blu­men beküm­mert, und gar von einer so selt­sa­men Lei­den­schaft für eine Blu­me hab’ ich damals nie gehört. ….

Die Wegwarte ist die blaue Blume der Romantik
Die Weg­war­te ist die “Blaue Blume”

Auch bald 220 Jah­re nach Ent­ste­hung die­ses Roman­frag­ments und der vie­len seit­her dar­über ent­stan­de­nen Über­le­gun­gen von Lese­rin­nen und Lesern, bleibt das Geheim­nis unge­löst, was genau die blaue Blu­me ist, sym­bo­li­siert oder bedeu­tet und ob sie eine Ent­spre­chung in der Welt der Blu­men und Heil­kräu­ter hat. Sicher ist nur, Nova­lis hat vie­le der geheim­nis­vol­len und magi­schen Eigen­schaf­ten, die unse­re Vor­fah­ren der blau­en Weg­war­te zuge­spro­chen haben, in sein zau­ber­haf­tes Bild von der blau­en Blu­me über­tra­gen. Die­se geheim­nis­voll-magi­schen Vor­stel­lun­gen, die der blau­en Weg­war­te seit lan­gem zu eigen sein sol­len, wie unse­re Vor­fah­ren glaub­ten, wer­den im Fol­gen­den, vor allem als Zita­te von Dich­tern, Den­kern und Heil­pflan­zen­kun­di­gen vor­ge­stellt werden.

Aus dem „Handwörterbuch des deutschen Aberglauben“

Eine der umfang­reichs­ten Samm­lun­gen volks­kund­li­chen Wis­sens Mit­tel­eu­ro­pas zum Aber­glau­ben ist das zwi­schen 1927 und 1942 von zwei Schwei­zer Volks­kund­lern ver­fass­te, zehn­bän­di­ge Lexi­kon (Edu­ard Hoff­mann-Kray­er, Hanns Bäch­told-Stäub­li: Hand­wör­ter­buch des deut­schen Aber­glau­bens. Wal­ter de Gruy­ter, Ber­lin, 1927–1942). Der fol­gen­de, umfang­rei­che Lexi­kon-Arti­kel aus die­sem Werk zur Weg­war­te sam­melt vie­le Aspek­te und Berich­te, auch vie­le, die heu­te ver­ges­sen sind. Den reich­hal­ti­gen Hin­wei­sen der bei­den Autoren fehlt aller­dings eine zusam­men­fas­sen­de Betrach­tung, die das Wesen­haf­te der Pflan­ze herausarbeitet.

Wegwarte (Hindläufte, Sonnenwirbel, Wegeleuchte, Zichorie, Cichorium intybus)

Die blaue Blume der Romantik: Am Weg wartende Wegwarte
Am Weg war­ten­de Wegwarte

… Die Blü­ten­köp­fe der Weg­war­te sind meist nur am Vor­mit­tag geöff­net und gegen die Son­ne gerich­tet, sie wur­de daher von den alten Bota­ni­kern „spon­sa solis“ (Son­nen­braut), „sol­se­qui­um“ genannt, Bezeich­nun­gen, die jedoch auch ande­ren meist nach der Son­ne gekehr­ten Blu­men (zum Bei­spiel dem Löwen­zahn, der Rin­gel­blu­me und dem süd­eu­ro­päi­schen Helio­tro­pi­um euro­pae­um) gege­ben wur­den, so daß aus den oben genann­ten Namen nicht immer zu erse­hen ist, wel­che die­ser Pflan­zen dar­un­ter gemeint ist. So ist auch der Glau­be zu erklä­ren, daß die Weg­war­te aus dem Löwen­zahn entstehe. …

Die Weg­war­te spielt in Sage und Zau­ber­glau­ben eine gro­ße Rol­le. … Sie ist der Haupt­sa­che nach wohl eine ger­ma­ni­sche Zau­ber­pflan­ze. Pli­ni­us (23–79) schreibt aller­dings, daß die „magi“ (viel­leicht ägyp­ti­scher Her­kunft?) behaup­ten, man wer­de belieb­ter und erlan­ge leich­ter, was man wol­le, wenn man sich mit dem Saft des „cicho­ri­um“ (ob dar­un­ter wirk­lich unse­re Weg­war­te zu ver­ste­hen ist, bleibt unsi­cher) zusam­men mit Öl sal­be. Wegen ihrer beson­de­ren Heil­kraft hei­ße die Pflan­ze auch „chres­ton“ oder „pan­cra­ti­on“ (All­hel­fe­rin). Weit ver­brei­tet ist das Mär­chen, daß die Weg­war­te eine ver­zau­ber­te Jung­frau sei, die am Wege ihres Gelieb­ten harre.

und vil die jehent, die wegwart
sei gewe­sen ain fra­we zart
und wart irs pue­len noch mit smerzen.

reimt Hans Vint­ler (15. Jahr­hun­dert) in den „Blu­men der Tugend“. Die (weiß­blü­hen­de) Weg­war­te ist auch die „Wun­der­blu­me“, die nur ein Sonn­tags­kind pflü­cken kann.

Die Weg­war­te muß­te als Zau­ber­pflan­ze mit gewis­sen Segen aus­ge­gra­ben wer­den. So lau­tet ein alter Weg­war­te-Segen aus dem Codex ger­ma­ni­cus mona­cen­sis (15. Jh.):

Creut­le ich prich dich in dem namen unsers her­ren Jhe­su Chris­ti und in des namen kraft, und alß unser her­re die juden an sach und im nichs geschach (Joh. 18, 6), als muß aller mei­ner feind hertz und gemuot und kraft nider val­len vor disem und mir nichs gesche­hen, und sie all nider fal­len. in nomi­ne patris et spi­ri­tus sanc­ti Amen. item dic V pater noster.

Eine neue­re Anwei­sung, die Weg­war­te zu gra­ben, aus dem bay­ri­schen Schwa­ben gibt an: Wer das Glück hat eine wei­ße Weg­war­te zu fin­den, muß sie an einen Stab bin­den, weil sie sonst ver­schwin­det. An Maria Him­mel­fahrt (15. August) geht man vor Son­nen­auf­gang, ohne daß man ein Wort reden oder von jeman­den ange­re­det wer­den darf, an den Fund­ort die­ser wei­ßen Weg­war­te und spricht mit dem Gesicht gegen Sonnenaufgang:

Gott grüß euch, ihr lie­ben Weg­war­ten all­zu­mal, die ihr hint und vor mir seid, stillt Blut und heilt Wun­den und alles ins­ge­samt und behal­tet eure Kraft, die euch Gott und die hei­li­ge Maria gege­ben hat

Die blauen Blumen sind nicht für Sträuße geeignet - sie vergehen sofort.
Die blau­en Blu­men sind nicht für Sträu­ße geeig­net – sie ver­ge­hen sofort.

macht drei­mal das Kreuz­zei­chen und gräbt dann den Stock mit der Wur­zel aus, jedoch nicht mit Eisen; auch darf die Wur­zel mit der blo­ßen Hand nicht berührt wer­den; sodann wird der gan­ze Stock in die Weih­s­an­ge gebun­den und zur Wei­he getra­gen. Die blaue Weg­war­te wird am Domi­ni­kus­tag (4. August) von 3/​4 12–12 Uhr aus­ge­sto­chen und nimmt, wenn man ein Bröck­chen auf Brot in den drei höchs­ten Namen ißt, alle Schmer­zen. Auch aus Böh­men sind ver­schie­de­ne Beschwö­run­gen der Weg­war­te mit­ge­teilt. Die Weg­war­te muß am Tage Peter und Paul (29. Juni), an Jaco­bi (25. Juli), Johan­ni (24. Juni), am Palm­sonn­tag, an Maria Him­mel­fahrt (15. August), im Zei­chen der Jung­frau (24. August bis 23. Sep­tem­ber), beim Voll­mon­de gegra­ben wer­den. Viel­fach ist die Vor­schrift gege­ben, daß die Weg­war­te mit Gold (bzw. einem Gold­stück) aus­ge­gra­ben wer­den müs­se. Wil­helm Mann­hardt (1831–1880) sieht in dem Gold­stück, eben­so wie in dem Hirsch­ge­weih (Son­nen­hirsch), mit dem die Weg­war­te in Ober­ös­ter­reich aus­ge­gra­ben wer­den soll, ein Sinn­bild der Son­ne, zu der ja die Weg­war­te als „Son­nen­wir­bel, spon­sa solis“ Bezie­hun­gen hat. Sel­te­ner wird Sil­ber als Aus­gra­be­werk­zeug genannt, ein­mal auch ein Stück eines vom Blitz getrof­fe­nen Hol­zes. Mit der blo­ßen Hand darf die Weg­war­te nicht berührt werden.

Die „Tugen­den und Kräf­te“ der auf die oben genann­te Art gewon­ne­nen Weg­war­te sind sehr man­nig­fal­tig. Sie schützt ihren Trä­ger vor allen Gefah­ren, macht vor allem hieb- und stich­fest, läßt alle Schlös­ser und Fes­seln auf­sprin­gen, zieht Eisen und ande­re Din­ge aus Wun­den und heilt die­se. Oft heißt es aus­drück­lich, daß nur die wei­ße Weg­war­te Zau­ber­wir­kung habe. Die Zigeu­ner kön­nen mit einer wei­ßen Weg­war­te das Feu­er bän­di­gen. Die wei­ße Weg­war­te schützt gegen Hagel, man steckt sie in den Flachs hin­ein, dann „rös­tet“ er recht fein. Die Weg­war­ten sind ver­zau­ber­te Men­schen, die häu­fi­gen blau­blü­hen­den sind böse, die (sel­te­nen) weiß­blü­hen­den gute Men­schen. Die männ­li­che Wur­zel kennt man an der wei­ßen Blü­te. Wenn jemand vor Gericht gehen soll oder irgend etwas auf dem Her­zen hat, dann geht er bei Son­nen­auf­gang zu einer Weg­war­te, bricht sie­ben Blü­ten ab, steckt sie unter das Haar hin­ter die Ohren und sagt:

San­ne­wer­bel, San­ne­wer­bel! Drae den­jen Bläck
Uch kä mir zeräck
En wonjd mer det Geschäk
Ze men­jem Gläck.

Wenn einem etwas gestoh­len ist, so lege er Weg­war­ten­wur­zel unter das Haupt, dann erscheint ihm der Dieb im Traum. Wenn die Weg­war­te („Son­nen­wen­de“) im Zei­chen des Löwen (11. August bis 17. Sep­tem­ber) gepflückt, in ein Lor­beer­blatt gelegt und dazu ein Wolfs­zahn gelegt wird, bewirkt sie, daß der Trä­ger über­all Lie­be und Nei­gung fin­det oder ihm nie­mand untreu wird. Es ist dies kein boden­stän­di­ger Aber­glau­be, son­dern hat den (Pseu­do-)Alber­tus Magnus (1200–1280) als Quel­le, wo es von der „Elio­tro­pia“ heißt:

dis kru­tes tugent ist wun­der­bar­lich wan so es gesam­let wirt wan die son ist im leü­we jm augst monat und würt dann ver­wi­ckelt in ein lor­ber­blat und ouch dar­zu getan ein wolff zan und dan also by im getra­gen So mag nie­mant wider den tra­gen­den haben stim­men zu reden. Vnd so eim etwas geno­men ist wor­den und legt das in der nacht vnder sine houbt So würt er sehen den der das gethon hat und alle gestalt und eygenschafft.

Daß die Weg­war­te ihrem Trä­ger Zunei­gung erwer­be, geht wohl auf Pli­ni­us zurück. Auf­fäl­li­ger­wei­se sagt jedoch die hei­li­ge Hil­de­gard (1098–1179), daß der Trä­ger einer Weg­war­te von den ande­ren Men­schen geh­aßt wer­de. Über­haupt dient die Weg­war­te im Lie­bes­zau­ber. Wer mit der mit­tels eines Hirsch­ge­wei­hes aus­ge­gra­be­nen Weg­war­te eine Per­son berührt, dem ist die­se in Lie­be ver­fal­len. Um zu erfah­ren, wohin man hei­ra­tet, reißt man eine Weg­war­te mit drei Wur­zeln aus. Wo die größ­te davon hin­schaut, dahin hei­ra­tet man. Die slo­va­ki­schen Mäd­chen tra­gen die Weg­war­te unter der rech­ten Fuß­soh­le im Stie­fel, ste­cken sie dann in männ­li­che Bein­klei­der und legen sie nachts unter das Kopf­kis­sen, dann erscheint ihnen im Traum der Bräu­ti­gam. In Böh­men pflü­cken die jun­gen Mäd­chen die noch geschlos­se­nen Knos­pen der Weg­war­te, wobei sie die Hand mit einem Tuch oder mit der Schür­ze umwi­ckelt haben, und spre­chen dazu:

O Weg­wart an des Pfa­des Rand,
Es pflückt ums Glück dich mei­ne Hand,
Schenk mir den Liebs­ten, Wegwart!
Auf den du hast umsonst geharrt!

Dann legen sie die gepflück­ten Knos­pen ins Mie­der und gehen jene (infol­ge der Kör­per­wär­me) auf, so bedeu­tet das Glück in der Lie­be. Auch gegen ange­zau­ber­te Lie­be wird die (wei­ße) Weg­war­te geges­sen. Nach Para­cel­sus (1493–1541) ver­wan­delt sich die Wur­zel der Weg­war­te nach sie­ben Jah­ren in eines Vogels Gestalt.

In der Sym­pa­thie­me­di­zin fin­det die Weg­war­te viel­fach Ver­wen­dung. Gegen Gelb­sucht gräbt man vor­sich­tig einen Weg­war­ten­stock aus, läßt sei­nen Harn ins Loch und pflanzt die Weg­war­te wie­der an der Stel­le ein. Die (an einem Frei­tag aus­ge­gra­be­ne) Weg­war­ten­wur­zel am Hals (auf der blo­ßen Haut) getra­gen heilt Augen­krank­hei­ten, auch Impo­tenz und Unfrucht­bar­keit. Die am Mar­ga­re­then­tag gegra­be­ne Weg­war­te stillt den kal­ten Brand. An Maria Geburt (8. Sep­tem­ber) gesam­melt und unter die Zun­ge gelegt, stillt die Weg­war­te das Blut­spei­en. Die Weg­war­te („Weg­wiiser“) ist ein Mit­tel gegen Geis­tes­ge­stört­heit. Mit dem Absud der an Maria Him­mel­fahrt (15. August) gesam­mel­ten, wei­ßen Weg­war­te wäscht man sich gegen Haut­krank­hei­ten. Die am Johan­nis­tag (24. Juni) gesam­mel­te wei­ße Weg­war­te hilft bei „Där­mer- und Netz­brü­chen“. Gegen das Hin­ken von Men­schen und Tie­ren (die in einen Nagel getre­ten sind) gibt Codex ger­ma­ni­cus mona­cen­sis fol­gen­des an:

weg­wart nym mit wurc­zen mit alle und wen man die wurc­zen wel zie­chen, so sol man spre­chen drei Pater nos­ter und drei Ave Maria und funf Cre­do. die wurcz ist auch guet zw vich und zw laeu­ten, die an negel tret­ten, wenn man sy neust: und alz lang der mensch hat gehun­cken, alz lang mucz der mensch oder daz vich hin­cken, wann man die wurcz neust, dar nach nicht mer.

Gegen das „Ver­na­geln“ der Pfer­de wird die Weg­war­te auch sonst genannt. Viel­leicht hängt damit auch zusam­men, einem Pfer­de, damit es nicht müd wird, Weg­war­ten­wur­zeln zu fres­sen zu geben.

Die Erschei­nung, daß die blaue Weg­war­ten­blü­te, in einen Amei­sen­hau­fen gelegt, rot wird, erschien den alten Natur­kun­di­gen als ein „Wun­der“:

Wann man dies blüm­lin in ein ommeys­sen hauf­fen würfft
so würt es rot wie blut. ist auch ein wun­der­bar­lich Würckung der natur.

Wegwarte - ab und zu gibt es auch weiße Blüten.
Ab und zu gibt es auch wei­ße Blüten.

In Ober­ös­ter­reich heißt es, daß am Sten­gel der in den Amei­sen­hau­fen gesteck­ten Weg­war­te Bluts­trop­fen her­un­ter­flös­sen; es sei aber ein Fre­vel dies zu tun. Nach einer böh­mi­schen Sage wur­de die Jung­frau Cekan­ka (der tsche­chi­sche Name der Weg­war­te), die sich aus Gram über den Tod des Gelieb­ten, an einem Amei­sen­hü­gel getö­tet hat­te, in die blaue Weg­war­te ver­wan­delt. Der Zau­be­rer, der sich so um sei­ne Beu­te betro­gen sah, riß die blaue Blu­me aus und warf sie auf den Amei­sen­hau­fen. Da wur­de sie rot und begann zu blu­ten. Und seit­her wird die Weg­war­te rot, wenn man sie auf einen Amei­sen­hau­fen wirft.

Das Rot­wer­den der Weg­war­te im Amei­sen­hau­fen ist kein Aber­glau­be. Der blaue Farb­stoff (Antho­zy­an) der Blü­ten wird durch die Amei­sen­säu­re in einen roten ver­wan­delt (eben­so wie der blaue Lack­mus-Farb­stoff durch Säu­ren rot wird).

Die Weg­war­te (als Kul­tur­pflan­ze) muß man im abneh­men­den Mond säen und ja nicht im Zei­chen des Skor­pi­ons ( 24. Okto­ber bis 22. Novem­ber), weil sie sonst meh­re­re dicke Wur­zeln (Ver­gleich mit den zahl­rei­chen Füßen des Skor­pi­ons) statt einer dicken bekommt. Die Weg­war­te darf man nicht abpflü­cken und ins Haus brin­gen, sonst schlägt der Blitz ein.

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Emil Schle­gel – Die Signaturlehre

Die Signa­tu­renleh­re beruht auf der alten Leh­re der Ent­spre­chun­gen der Daseins­ebe­nen (Mikro­kos­mos ~ Makro­kos­mos, zum Bei­spiel Him­mel ~ Erde). Hin­sicht­lich der Heil­pflan­zen gehört die Vor­stel­lung dazu, dass deren Eigen­schaf­ten (Form, Far­be, Cha­rak­ter, Geruch, Geschmack, Stand­ort, Ent­ste­hungs­zeit) auch mit mensch­li­chen Eigen­schaf­ten von Men­schen kor­re­spon­die­ren, vor allem auch denen von kran­ken und lei­den­den Men­schen. Und dass so die Heil­kraft von Pflan­zen und Hin­wei­se auf ihre gesund­heits­för­dern­de Wir­kung ent­deckt und (bes­ser) ver­stan­den wer­den kann. Der Tübin­ger homöo­pa­thi­sche Arzt Emil Schle­gel (1852–1934) hat zu Beginn des letz­ten Jahr­hun­derts vie­le Tex­te ver­fasst, die Ärz­te und Heil­prak­ti­ker bis heu­te bei der Suche nach dem Wesen/​Wesentlichen von Heil­pflan­zen inspi­rie­ren. In sei­nem bekann­tes­ten Werk „Reli­gi­on der Arz­nei“ fin­det sich ein kur­zer, leicht chao­tisch erschei­nen­der Ein­trag zur Weg­war­te, der im fol­gen­den zitiert wird.

Emil Schle­gel: Reli­gi­on der Arz­nei – Das ist Herr Gotts Apo­the­ke  Erfin­dungs­rei­che Heil­kunst – Signa­tu­renleh­re als Wis­sen­schaft (4. Aufl.). Paul Rohr­mo­ser, Rade­beul, ca. 1933.

Cichorium intybus, Wegwarte.

Die Wegwarte ist die blaue Blume der Romantik
Zau­ber­haf­te Blüten

Auch hier kräf­ti­ge Vege­ta­ti­on und aus­dau­ern­de Fruch­tungs­zeit über den gan­zen Som­mer und Herbst. Das Blatt wie bei Leon­t­o­don (Löwen­zahn) und noch stär­ker zer­ris­sen, also Hin­weis auf durch­ge­hends unre­gel­mä­ßi­ge Funk­tio­nen, aber doch nicht direkt mit luft­füh­ren­den Röh­ren zusam­men­hän­gend, des­halb weni­ger Darm­mit­tel. Die Pflan­ze ist höher­stre­bend, zeigt damit kräf­ti­ge­re Wir­kun­gen auf Brust, Hals, Kopf und Augen. Ihre Ver­zwei­gung erin­nert etwas an die Krampf­stel­lung des Hyperi­cum (Johan­nis­kraut); sie war­tet gewis­ser­ma­ßen mit gestreck­ten Armen: Mus­kel­krämp­fe, Starr­krampf, polar aus­ein­an­der­stre­ben­de Kräf­te. Dies mag den ver­schie­de­nen Auf­ga­ben der Bauch­ein­ge­wei­de ent­spre­chen, der Leber, Milz, Pan­kre­as: chro­ni­sche Bauch­lei­den, Geschwüls­te der Ver­dau­ungs­drü­sen. Beson­ders hat das Mit­tel in der Volks­heil­kun­de Ruf gegen Gal­len­stei­ne. Von dem star­ken Wur­zel­stock aus, der bei kul­ti­vier­ten Arten in sehr dicke, als „Cicho­rie“ bekann­te Wur­zeln über­geht, erhebt sich das Gerüst der Pflan­ze gewis­ser­ma­ßen mit star­ken, sich Platz schaf­fen­den Armen, womit eine kräf­tig zer­tei­len­de Ener­gie sich kund­gibt. Nicht wie bei Bryo­nia (Zaun­rü­be), wo das Blatt­werk halt­los hin­kriecht; nein, es ist eine Ord­nung schaf­fen­de Macht hier aus­ge­prägt, wel­che nach allen Sei­ten ver­teilt. – Die auf­fal­lend wohl­duf­ten­de Blü­te von schö­nem Blau erweist auch deut­lich höhe­re Geistes‑, Sin­nes- und Gemüts­be­zie­hun­gen. Viel­leicht haben alle die­se Sym­pto­me ihre Wur­zel im Gebiet des Pfort­ader­sys­tems, in den Bauchorganen.

Wolf-Dieter Storl – Schamanismus und Heilkunde

Anders als der Medi­zi­ner Schle­gel ist der „Scha­ma­ne der moder­nen Eso­te­rik- und Gesund­heits-Sze­ne aus dem All­gäu“, der deutsch-US-ame­ri­ka­ni­sche Wolf-Die­ter Storl (* 1942), Anthro­po­lo­ge und Eth­no­bo­ta­ni­ker. Dass auch er ganz wesent­lich auf dem von unse­ren Alt­vor­de­ren geleg­ten Boden steht (sie­he das oben erwähn­te „Hand­wör­ter­buch des deut­schen Aber­glau­bens“), und vie­les nicht einer eige­nen tran­szen­die­ren­den Natur­schau ent­stammt, zeigt das fol­gen­de Zitat aus einem der vie­len Bücher Storls.

Wolf-Die­ter Storl: Pflan­zen der Kel­ten. Heil­kun­de, Pflan­zen­zau­ber, Baum­ka­len­der. AT-Ver­lag, Aar­au, 2000.

Die Weg­war­te (Cicho­ri­um inty­bus) ist ein mil­chi­ger Korb­blüt­ler, der an son­ni­gen Weg- und Feld­rän­dern wächst. Die hüb­sche Pflan­ze gibt sich ganz der Son­ne hin. Von der Som­mer-Son­nen­wen­de an blüht sie unent­wegt bis zur Tag­und­nacht­glei­che im Herbst, wenn die Son­nen­kraft wie­der schwin­det. Sie hält einen ganz bestimm­ten Zeit­rhyth­mus ein: Mor­gens, gegen sechs Uhr, öff­net sie ihre kurz­le­bi­gen, zar­ten, him­mels­blau­en Blü­ten; gegen Mit­tag schließt sie die­se wie­der. Die Blü­ten rich­ten sich alle gegen Osten, zur Son­ne hin. Bede­cken dunk­le Wol­ken das Him­mels­ge­stirn, dann öff­net sie ihre Blü­ten­köpf­chen über­haupt nicht.

Wegen die­ser Treue zur Son­ne nann­te man die Pflan­ze frü­her Spon­sa solis (Alber­tus Magnus (1200–1280)), Son­nen­braut, Son­nen­schwes­ter oder Son­nen­wir­bel. In der alt­über­lie­fer­ten Blu­men­spra­che hieß es:

Wie die Weg­war­te immer zur Son­ne dreht,
so las­se ich mich durch nichts von Dir ablenken,
mit Herz, Leib und Seel
Dir die Lie­be zu schenken.

Kein Wun­der, dass einst die Frau­en die Blü­ten unter die Spei­sen ihrer Ehe­män­ner misch­ten, damit die­se ihnen treu blie­ben. Oder dass die Mäd­chen vor Son­nen­auf­gang gin­gen, die noch geschlos­se­nen Blü­ten pflück­ten und in ihr Mie­der steck­ten, um zu sehen, ob sie dar­in auf­blü­hen: Das galt als gutes Vor­zei­chen, dann hät­ten sie Glück in der Lie­be. Sie konn­ten aber auch eini­ge Blü­ten unter das Kopf­kis­sen legen, um von ihrem Zukünf­ti­gen zu träumen.

Die Son­nen­braut, die da als Weg­war­te, Weg­lue­ge oder Weg­leuch­te am Weg­rand steht, galt als ver­wun­sche­ne Jung­frau, deren Gelieb­ter, ein jun­ger Rit­ter, in einem Kreuz­zug gen Jeru­sa­lem ritt und nie wie­der­kam. Jah­re­lang stand sie da, schau­te zum öst­li­chen Hori­zont und wein­te sich ihre blau­en Äug­lein aus. Als die Eltern sie ermahn­ten, doch einen ande­ren zu neh­men, ant­wor­te­te sie trotzig:

Eh ich lass das Wei­nen stehn,
Will lie­ber auf die Weg­scheid gehn,
Ein Feld­blüm­lein zu werden!

Und so geschah es, dass der lie­be Gott sie in eine Blu­me verwandelte.

Hin­ter die­ser eher harm­lo­sen Geschich­te ver­birgt sich die archai­sche Vege­ta­ti­ons­göt­tin, die Toch­ter der Erd­göt­tin, die Gelieb­te und Braut des strah­len­den Son­nen­got­tes. Die blaue Blu­me ist sozu­sa­gen eine Ver­kör­pe­rung der Göttin.

In dem vor­kel­ti­schen, alt­eu­ro­päi­schen Mythos galt der Hirsch als Son­nen­tier. … Wie ein edler Hirsch wan­dert die Son­ne tags­über über den Him­mels­berg und des Nachts (oder im Win­ter) durch die Rei­che unter der Erde. Die an die Erd­ober­flä­che gebun­de­ne Weg­war­te begrüßt ihn jeden Mor­gen, wenn er wie­der erscheint. Als Gefähr­tin des Son­nen­hir­sches nann­te man die Weg­war­te einst auch „Hind­läuf­te“ (Hin­de = Hirsch­kuh), hind­lo­ph­te (11. Jh.) oder Hirsch­sprung. Die heh­re jun­ge Göt­tin, die da als Blu­me Gestalt annimmt, erlaubt es nie­mand, sie zu berüh­ren – noch weni­ger sie zu pflü­cken oder aus­zu­gra­ben -, außer ihrem Gelieb­ten, dem Sonnenhirsch.

In die­sem Zusam­men­hang erhellt sich der Sinn vie­ler alt­über­lie­fer­ter Ausgraberegeln:

Die Weg­war­te soll am Sankt Peters­tag (29. Juni) um zwei Uhr zur Ves­per mit einem Hirsch­ge­weih und ohne sie mit der Hand zu betas­ten, gegra­ben wer­den, dann kann man sich der Lie­be jener Per­so­nen ver­si­chern, wel­che man damit berührt.

Anders­wo muss die Hind­läuf­te mit einem Gold­stück oder einem Gold­löf­fel bei Son­nen­auf­gang an einem beson­ders hei­li­gen Tag – Johan­ni, Jako­bi (25. Juli), Maria Him­mel­fahrt -, am bes­ten, wenn sich der Mond im Zei­chen der Jung­frau oder des Löwen (astro­lo­gi­sches Haus der Son­ne) befin­det, unter Auf­ru­fung der Drei­fal­tig­keit und mit dem Gesicht nach Osten gekehrt, aus­ge­gra­ben wer­den. Auch soll man die Wur­zel sogleich an einem Stab fest­bin­den, denn sie (ihr Geist) sei flüch­ti­ger als ein Hirsch oder ein Reh. Mit der so gewon­ne­nen Wur­zel kann man sich gegen ange­zau­ber­te Lie­be weh­ren, Split­ter oder Dor­nen aus der Haut zie­hen oder sich hieb- und stich­fest machen. Wenn man etwas ver­lo­ren hat, lege man die Wur­zel unter das Kis­sen, und man wird träu­men, wo es sich befin­det. Die Son­nen­braut­wur­zel ist auch eine Spring­wurz; sie öff­net Ver­schlos­se­nes, auch den ver­schlos­se­nen weib­li­chen Schoß. Zu Maria Geburt gesam­melt, hilft sie einer Krei­ßen­den in der schwe­ren Stun­de der Gebär­not. Die bay­ri­sche Sage berich­tet von der blau­en Blu­me „Nim­mer­weh“, die eine wil­de Frau, ein „Holz­fräu­lein“, einer Gebä­ren­den zur trost­rei­chen Stär­kung in die Hand gege­ben haben soll. Das Hal­ten der Weg­war­te ver­bin­det die Gebä­ren­de unmit­tel­bar mit der Göt­tin selbst.

Verwunschenes Baumwesen
Ver­wun­sche­nes Baumwesen.

Anhand die­ser Bei­spie­le sehen wir, dass wir es mit einer uralten sakra­len Pflan­ze zu tun haben. Wir soll­ten die­se Anga­ben nicht als längst über­wun­de­nen Aber­glau­ben abtun, son­dern eher als Hin­weis neh­men, dass es womög­lich Din­ge gibt, die unser der­zei­ti­ges Wis­sen über­stei­gen. Viel­leicht ver­hilft die Weg­war­te unter den rich­ti­gen Umstän­den tat­säch­lich zu kla­re­rer Intui­ti­on, zu Hell­sich­tig­keit. Nach Para­cel­sus ver­wan­delt sich ihre Wur­zel nach sie­ben Jah­ren in einen Vogel. Parace­lus war kein Narr. Selbst­ver­ständ­lich mein­te er nicht einen phy­si­schen Vogel, son­dern einen Geist­vo­gel, der eine Bot­schaft aus der geis­ti­gen Welt ver­mit­telt. … Hie­ro­ny­mos Bock, einer der ehr­wür­di­gen „Kräu­ter­vä­ter“, nennt das destil­lier­te Weg­war­ten­blu­men­was­ser, „eyn edel artz­ney zu den hit­zi­gen und dun­ckelen Augen“ und ein alter Spruch besagt: „Das edle Kraut Weg­war­ten macht gut Augen­schein.“ Auch hier lässt sich fra­gen, ob bloß das phy­si­sche Seh­or­gan oder auch das „inne­re Auge“ gemeint ist. (…)

Die gale­ni­schen Ärz­te, die Cicho­ri­um als „bit­ter, dünn, erdig und kalt zum zwei­ten Grad und tro­cken zum zwei­ten Grad“ beschrei­ben, setz­ten die im Zei­chen Saturns ste­hen­de Pflan­ze ein, um die bit­te­re, schwar­ze Gal­le aus dem Leib her­aus­zu­schwem­men und zugleich die See­le vom Gift bit­te­rer melan­cho­li­scher Gedan­ken zu befreien.

Edward Bach (1886–1936) … berei­te­te eine Blü­ten­es­senz (chi­co­ry) aus den Weg­war­ten­blü­ten. Er ver­schrieb die Trop­fen für Besitz ergrei­fen­de, klam­mern­de Men­schen, die viel Lie­be, Mit­ge­fühl und Auf­merk­sam­keit brau­chen, da sie sonst dem Selbst­mit­leid ver­fal­len. Die Essenz ver­hilft ihnen zur selbst­lo­sen Lie­be, zur Lie­be der See­le zum höhe­ren Selbst.

=> Kri­ti­sche Anmer­kung: Wie so oft bei scha­ma­nis­tisch ori­en­tier­ten Eso­te­ri­kern fehlt auch den Betrach­tun­gen von Storl die Tie­fe jener phi­lo­so­phi­schen und reli­giö­sen Schu­len, die die Grund­la­ge unse­rer moder­nen Kul­tu­ren gebil­det haben. Deut­lich wird das bei­spiels­wei­se an sei­ner Inter­pre­ta­ti­on des „Hirsch“ als „Son­nen­tier“. Als Ein­zel­aspekt ist dies sicher rich­tig, denn „in alt­welt­li­chen Kul­tu­ren galt der Hirsch schon wegen sei­nes baum­ähn­li­chen, sich peri­odisch erneu­ern­den Gewei­hes als Sym­bol des sich immer wie­der ver­jün­gen­den Lebens, der Neu­ge­burt und der Zeit­läu­fe. In der alt­nor­di­schen Mytho­lo­gie äsen vier Hir­sche in der Kro­ne des Welt­bau­mes Ygg­dra­sil. Dort fres­sen sie die Knos­pen (Stun­den), Blü­ten (Tage) und Zwei­ge (Jah­res­zei­ten) ab. Das Hirsch­ge­weih wur­de als Sym­bol der Son­nen­strah­len gedeu­tet“ (zitiert nach: Hans Bie­der­mann: Knaurs Lexi­kon der Sym­bo­le. Knaur, Mün­chen, 1998). Doch die Fül­le der Hirsch-Mytho­lo­gie auf die­sen Aspekt zu begren­zen, ver­schlei­ert mehr als es erklärt. Im Chris­ten­tum bei­spiels­wei­se, ist der Hirsch als Schlan­gen­be­zwin­ger ein Sym­bol für Chris­tus selbst und für die Tau­fe. Auch die reduk­tio­nis­ti­sche Annah­me Storls, dass die Weg­war­te die Ver­kör­pe­rung einer archai­schen Vege­ta­ti­ons­göt­tin sei (als Toch­ter einer scha­ma­ni­schen Erd­göt­tin …!), ver­stellt den Blick auf Wirk­lich­keit und Wesen der Weg­war­te. Immer­hin erwähnt er abschlie­ßend Dr. Edward Bach, einen zutiefst christ­lich-reli­gi­ös ver­an­lag­ten Medi­zi­ner und Natur­heil­kund­ler und des­sen „men­schen­be­zo­ge­ne Wirk­lich­keit“ der Wegwarte.

Bauch: Zentrum der Gesundheit des Superorganismus Mensch
Zen­trum der Gesund­heit: Der Bauch.

Was kön­nen wir aus dem Stu­di­um sol­cher Schil­de­run­gen, aus eige­ner Anschau­ung oder Erfah­rung über die Weg­war­te nun ler­nen? Auf der mate­ri­el­len Ebe­ne ent­fal­ten unter­schied­lichs­te Weg­war­ten-Extrak­te wohl­tä­ti­ge, hei­len­de und gesund­heits­pfle­gen­de Wir­kun­gen im Ver­dau­ungs­trakt. Die­se rei­chen von der Anre­gung der Ver­dau­ungs­tä­tig­keit selbst bis hin zur Akti­vie­rung der Aus­schei­dungs­tä­tig­keit des Magen-Darm­ka­nals. Die­ses Organ­sys­tem als Gan­zes ist die wesent­li­che Schnitt­stel­le zwi­schen der kör­per­li­chen Innen­welt des Men­schen und der umge­ben­den Außen­welt. Erst wenn sich zwi­schen bei­den ein natür­li­ches Fließ­gleich­ge­wicht von Nah­rungs­auf­nah­me, ‑ver­dau­ung und ‑aus­schei­dung ein­stellt („Stoff-Wech­sel“), ein­schließ­lich der Besied­lung durch die Darm­flo­ra (was nach der Geburt des Men­schen Wochen, Mona­te oder sogar Jah­re dau­ern kann), wer­den all­mäh­lich Bewusst­sein­s­kräf­te von der Hin­wen­dung auf den Ver­dau­ungs­trakt befreit, sodass das Ich erwa­chen kann. Wie quä­lend Neu­ge­bo­re­ne und Säug­lin­ge den oft unan­ge­neh­men, schmer­zen­den Gefüh­len aus dem Ver­dau­ungs­trakt aus­ge­setzt sind, erle­ben alle Erwach­se­nen, die mal einen aku­ten Darm­in­fekt mit hef­ti­gen Bauch­krämp­fen und rei­ßen­dem Durch­fall durch­lei­den müs­sen. Der öster­rei­chi­sche Magen-Darm­spe­zia­list Dr. Franz Xaver Mayr (1875–1965), Erfin­der der gleich­na­mi­gen Kur, brach­te es auf die ein­fa­che For­mel: Gesun­der Darm, gesun­der Mensch!

Indem die Weg­war­te die Akti­vi­tät des Ver­dau­ungs­trak­tes har­mo­ni­sie­ren hilft, befreit sie See­le und Geist in Rich­tung ihrer höhe­ren Natur. Jeder, der schon ein­mal an lang anhal­ten­der, schwe­rer, quä­lend-schmerz­haf­ter Ver­stop­fung gelit­ten hat, kennt die ganz­heit­li­che Erlö­sung, wenn die­se Darm­träg­heit sich löst! Damit steht die erlö­sen­de „Weg-War­te“, wie es die Mytho­lo­gie Euro­pas so ein­drück­lich beschreibt, behü­tend und wei­send am Ran­de der Wege, den die kör­per­lich, geis­tig, see­lisch und mora­lisch wach­sen­den und suchen­den Men­schen gehen (wol­len oder müssen).

Maria Treben – Wegwarte ganz besonders stuhlfördernd

Maria Tre­ben: Gesund­heit aus der Apo­the­ke Got­tes – Rat­schlä­ge und Erfah­run­gen mit Heil­kräu­tern. Enns­tha­ler, Steyr, 1980.

Vor­aus­set­zung für ganz­heit­li­ches Wohl­be­fin­den und Gesund­heit sind also Darm­ge­sund­heit und har­mo­ni­sche Darm­ak­ti­vi­tät, wie sie die Weg­war­te ermög­licht (Heil­pflan­zen­ex­trakt und/​oder Weg­war­ten-Inu­lin). Aufs ein­drück­lichs­te bestä­tigt auch die öster­rei­chi­sche Kräu­ter­kun­di­ge Maria Tre­ben (1907–1991) um 1980, dass „die Weg­war­te ganz beson­ders stuhl­för­dernd wirkt, die – eine hal­be oder eine Tas­se davon nüch­tern getrun­ken – selbst hart­nä­ckigs­te Lei­den aus­gleicht“. Anschlie­ßend erzählt sie noch, wie sie „zu der Erkennt­nis kam, daß Weg­war­te bei Stuhl­ver­stop­fung hilft. Mit der Weg­war­te ver­knüp­fen mich schöns­te Kind­heits- und Jugend­er­in­ne­run­gen. Aller­orts leuch­te­ten die blau­en Blü­ten­ster­ne uns Kin­dern am Weg­rand zu, ein fröh­li­cher Anblick für ein fröh­li­ches Kin­der­herz! Hier in Ober­ös­ter­reich ver­mis­se ich die­se blau­en Blü­ten­ster­ne; ganz sel­ten, daß man sie fin­det. Umso erstaun­ter war ich eines Tages, als bei einem Neu­bau gegen­über unse­res Hau­ses mich eine Weg­war­te mit sechs blau­en Blü­ten begrüß­te. Ich blieb ste­hen, bedau­er­te sie ob ihres ver­staub­ten Anse­hens und mein­te zu ihr: ‘Trotz dei­nes arm­se­li­gen Anse­hens neh­me ich mir dei­ne sechs Blü­ten mit nach Hau­se!’ Täg­lich brü­he ich für mei­ne Fami­lie und mich sechs Tas­sen Kräu­ter­tee. Am nächs­ten Tag kamen die sechs gewa­sche­nen Weg­war­te­blü­ten mit hin­ein. So kam auf mei­ne Tas­se gera­de eine Blü­te. Sie bewirk­te, daß ich nach jeder Mahl­zeit, also drei­mal an die­sem Tag, eine nor­ma­le, aus­gie­bi­ge Ver­dau­ung hat­te. Das ließ mir kei­ne Ruhe; in einem ganz alten Kräu­ter­buch fand ich des Rät­sels Lösung: Weg­war­te erzie­le bei Fett­sucht groß­ar­ti­ge Erfol­ge. Bei einer sol­chen aus­gie­bi­gen, dabei nor­mal gebun­de­nen Ver­dau­ung kann ich mir bei Über­ge­wich­ti­gen eine all­mäh­li­che Gewichts­ab­nah­me vorstellen!“

Und hier­mit endet der klei­ne Streif­zug durch Mythen, Mär­chen, Legen­den und Erzäh­lun­gen rund um die Weg­war­te und ihre Heil­kraft. Haben Sie noch Ergän­zun­gen, Vor­schlä­ge oder Wün­sche, die die­se Infor­ma­tio­nen erwei­tern kön­nen, mel­den Sie sich bit­te bei dem Autor Rai­ner H. Buben­zer, Gesund­heits­be­ra­ter bei Floraglueck.de ([email protected]).

Bil­der­nach­weis
• Mari­on Kaden, Ber­lin, 2018 (Heilpflanze.org).
Autor
• Rai­ner H. Buben­zer, Ber­lin, 2018.