Auflösen

Hahnemanns Apothekerlexikon
vorheriges KapitelZurückInhaltsverzeichnisWeiternächstes Kapitel

Auf­lö­sen, ist die Ver­ei­ni­gung zwei­er oder meh­re­rer ungleich­ar­ti­ger Kör­per mit ein­an­der zu einer gleich­ar­ti­gen Ver­bin­dung, wovon dann jede Por­ti­on der andern voll­kom­men gleich ist. So ist jeder Trop­fen einer Auf­lö­sung des ara­bi­schen Gummi’s in Was­ser dem andern gleich, näm­lich Schleim, unge­ach­tet vor gesche­he­ner Auf­lö­sung Was­ser und Gum­mi sehr ver­schie­de­ne Kör­per waren.

In allen die­sen Fäl­len schei­nen die bei­den ungleich­ar­ti­gen Kör­per ein­an­der in ihre bei­der­sei­ti­gen Zwi­schen­räu­me auf­zu­neh­men, und so eine durch­sich­ti­ge, durch­ge­hends gleich­ar­ti­ge Auf­lö­sung zu bil­den. Wird die Ver­bin­dung nicht durch­sich­tig, wie die der Pflan­zen­ex­trak­te mit Was­ser, so ist dieß eine unvoll­kom­me­ne Auf­lö­sung; die unauf­gelöß­ten har­zi­gen Thei­le machen die Flüs­sig­keit trübe.

Gewöhn­lich wird zwar in der Phar­ma­zie zur Auf­lö­sung eines fes­ten Kör­pers eine flüs­si­ge Sub­stanz genom­men, und dann nennt man es eine Auf­lö­sung auf nas­sem Wege, doch fin­den sich auch genug Fäl­le, wo zwei fes­te Sub­stan­zen durch Feu­er flüs­sig gemacht, mit ein­an­der gleich­ar­tig ver­bun­den wer­den, und dieß nennt man Auf­lö­sung auf trock­nem Wege. So wird Lau­gen­salz und Schwe­fel durch Schmel­zen zur gleich­ar­ti­gen Schwe­fel­le­ber verbunden.

Die flüs­si­ge­re unter den bei­den, durch Auf­lö­sung zu ver­bin­den­den Sub­stan­zen nennt man gewöhn­lich das Auf­lö­sungs­mit­tel (menstru­um, sol­vens), unge­ach­tet es sehr wahr­schein­lich ist, daß der fes­te­re Kör­per sich dabei fast eben so thä­tig ver­hält. Bei zwei flüs­si­gen oder zwei trock­nen Kör­pern hat offen­bar kei­ner allein das Ansehn des Auf­lö­sungs­mit­tels. Wenn Was­ser und Wein­geist, wenn Lau­gen­salz und Schwe­fel ein­an­der auf­lö­sen, wel­cher von bei­den Thei-len war dann das Auf­lö­sungs­mit­tel? Sie wirk­ten bei­de auf ein­an­der bis zur Bil­dung der gleich­ar­ti­gen Sub­stanz des Brannt­weins, der Schwefelleber.

Eine Auf­lö­sung zu bewir­ken, muß man die Natur der zu ver­bin­den­den Thei­le ken­nen, ob sie sich auch zu einem gleich­ar­ti­gen Kör­per ver­bin­den las­sen, oder wel­che Zwi­schen­mit­tel man anzu­wen­den habe, die sonst nicht zu erwar­ten­de Ver­bin­dung zu bewerk­stel­li­gen; und dieß lehrt die Schei­de­kunst. Vie­le Auf­lö­sun­gen gesche­hen durch die gegen­sei­ti­ge Ein­wir­kung der zu ver­bin­den­den Din­ge von selbst, ohne Bei­hül­fe des Ver­fer­ti­gers; and­re hin­ge­gen erfor­dern Beförderungsmittel.

Im all­ge­mei­nen wer­den die Auf­lö­sun­gen befördert:

1) Durch fei­ne Zert­hei­lung und Pül­ver­ung der fes­tern Substanzen.

2) Durch Bewe­gung, Rei­ben, Umrüh­ren und Schüt­teln der unter ein­an­der auf­zu­lö­sen­den Sub­stan­zen; hier­durch kom­men alle ungleich­ar­ti­gen Thei­le in öfte­re unmit­tel­ba­re Berüh­rung, und kön­nen so voll-komm­ner und in kür­ze­rer Zeit ihre Ein­wir­kung auf ein­an­der vollführen.

3) Durch ange­brach­te Wär­me, das all­ge­meins­te und wirk­sams­te aller Auflösungsmittel.

Gewis­se Flüs­sig­kei­ten neh­men nur einen bestimm­ten Theil and­rer Kör­per in Auf­lö­sung zu sich, wenigs­tens in einem glei­chen Wär­me­gra­de; so löset Was­ser nur einen klei­nen Theil Sal­pe­ter, Wein­geist nur eine mäsi­ge Men­ge peru­via­ni­schen Bal­sam auf, und wenn sich dann nichts mehr bei der gewöhn­li­chen Luft­tem­pe­ra­tur auf­lö­sen oder auf­ge­lö­set blei­ben will, so nennt man die ent­stan­de­ne Flüs­sig­keit in der Phar­ma­zie eine gesät­tig­te Auf­lö­sung, unge­ach­tet bei­de Flüs­sig­kei­ten in grö­ße­rer Wär­me noch mehr Sal­pe­ter oder Bal­sam in sich auf­neh­men können.

Es ent­ste­hen aber gesät­tig­te Auf­lö­sun­gen nur von gewis­sen Sub­stan­zen. Wein­geist löset nur eine bestimm­te Men­ge eini­ger Har­ze, Oele und Sal­ze auf, kann sich aber mit Was­ser und Aether in allen Ver­hält­nis­sen ver­bin­den. Was­ser löset Sal­ze und Vitriol­äther in genau bestimm­ba­rer Quan­ti­tät auf, und kann im Punk­te der Sät­ti­gung nichts mehr davon in sich neh­men; es ver­bin­det sich aber in allen Ver­hält­nis­sen mit Gummi.

Doch kann das Was­ser, wenn es mit der einen Art von Sal­ze gesät­tigt ist, bei glei­cher Tem­pe­ra­tur noch eine bestimm­te Men­ge eines andern, und wenn es wie­der mit die­sem gesät­tigt ist, auch wohl noch etwas beträcht­li­ches von einem drit­ten, sogar vier­ten Sal­ze in sich neh­men, wovon man ein Ver­zeich­niß in Monro’s Arz­nei­mit­tel­leh­re antrift. So kann auch der Wein­geist, wenn er das eine Harz bis zur Sät­ti­gung in sich genom­men hat, doch noch eini­ge and­re Har­ze auflösen.