Rezeptiren

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Rezept­i­ren nennt man die Ver­fer­ti­gung und Zusam­men­set­zung der vor­ge­schrie­be­nen Arz­nei selbst. So wich­tig die Gewis­sen­haf­tig­keit bei Ver­fer­ti­gung der ein­fa­chen Zube­rei­tun­gen im Labo­ra­to­ri­um ist, eben so gewis­sen­haf­te Genau­ig­keit und Pünkt­lich­keit gehört zur Zusam­men­set­zung der Ingre­di­en­zen zur Berei­tung eines Rezep­tes. Von einer so wich­ti­gen und ernst­haf­ten Amts­ver­rich­tung muß aller Lärm, und aller Scherz ent­fernt blei­ben, den man oft zur Unge­bühr dabei trei­ben sieht. Man über­tra­ge die Rezep­tur kei­nem Kin­de von Gesin­nung oder Alter, kei­nem leicht­sin­ni­gen Men­schen, der den hohen Werth eines Men­schen­le­bens nicht zu schät­zen weiß, kei­nem schwach­sich­ti­gen, kei­nem unrein­li­chen, und kei­nem Gehül­fen von schwa­chem Gedächtnisse.

Der Rezep­t­a­ri­us muß die deut­lich über­schrie­be­nen Stand­ge­fä­ße, wor­aus die Ingre­di­en­zen genom­men wer­den sol­len, in der Rei­he vor sich hin­set­zen, wie sie im Rezep­te auf ein­an­der fol­gen, und jedes zurück­tra­gen las­sen, so wie er das nöthi­ge dar­aus genom­men, er muß auf das genau­es­te und mit rei­nen Gewich­ten wie­gen, unter jedes­mah­li­ger Rei­ni­gung der Wage­scha­le bei jedem neu­en Ingre­di­enz. Eben so müs­sen Maße, mes­sin­ge­ne Pul­ver­kap­seln, Pil­len­for­men, Mör­ser, Sei­he­tü­cher, Spa­tel u.s.w. vor jedes­mah­li­gem Gebrau­che auf das net­tes­te gesäu­bert seyn. Für Bie­sam, Stin­ka­sant und ande­re hef­tig rie­chen­de Din­ge müs­sen eig­ne Mör­sel vor­han­den seyn. In kein Glas darf eine Arz­nei gegos­sen wer­den, wel­ches man nicht genau bese­hen und nöthi­gen­falls aus­ge­spühlt hat. Papie­re, wel­che schon Pul­ver ent­hal­ten haben, dür­fen nie zu Abfas­sung eines andern Pul­vers genom­men wer­den. Beim Rei­ben eines Pul­vers muß ein rein­li­ches, hin­läng­lich gro­ßes Papier unter dem Mör­sel gebrei­tet seyn, um, wenn ja etwas über­fal­len soll­te, es vom Papie­re wie­der ein­schüt­ten zu kön­nen, und nicht vom Tische auf­sam­meln zu dür­fen. Die zu ver­sil­bern­den oder zu ver­gol­den­den Pil­len anzu­hau­chen, damit sie das Metall bes­ser anneh­men, die Glä­ser und die metal­le­nen Pul­ver­kap­seln mit den Fin­gern aus­zu­wi­schen, die papier­nen Kap­seln zum Ein­schüt­ten der Pul­ver mit dem Mun­de auf­zu­bla­sen und die Arz­neistöp­sel zwi­schen den Zäh­nen weich zu kau­en, ist ekelhaft.

Die Rein­lich­keit und Akku­ra­tes­se muß in allen Fäl­len aufs Höchs­te getrie­ben und in kei­nem Fal­le ver­säumt werden.

Die abget­heil­ten Pul­ver wer­den in Papier­kap­seln gefaßt, deren Schluß am bes­ten an dem einen Ende geschieht; der in der Mit­ten läßt das Pul­ver leich­ter her­aus­schur­ren. Das zum Ein­wi­ckeln bestimm­te Papier wird mit der Signa­tur beschrie­ben. Unab­get­heil­te Pul­ver wer­den in Schach­teln gefaßt, inwen­dig und aus­wen­dig mit Papier aus­ge­schla­gen, damit durch die Rit­zen kein Pul­ver fal­le. Für Bemit­tel­te­re, und wenn das Pul­ver viel riech­ba­re und kräf­ti­ge Thei­le in der Schach­tel ver­lie­ren könn­te, wird es in weit­mün­di­ge Glä­ser gefaßt, die man Pul­ver­glä­ser nennt. Auf den Schach­teln wird die Signa­tur oben­auf geklebt, auf den Glä­sern oben­über gebun­den, oder bes­ser an der Sei­te angeklebt.

Die flüs­si­gen Arz­nei­en wer­den in eng­mün­di­ge Glä­ser gethan, wel­che nur so weit davon voll wer­den, daß etwa ein Ach­tel oder Zehn­tel lee­rer Raum bleibt, damit die Fla­sche nicht zer­sprin­ge, wenn die das Glas oben­an fül­len­de Flüs­sig­keit sich in der Wär­me aus­dehnt und einen grö­ßern Raum ein­zu­neh­men strebt. Das stärks­te Glas hält die­se Gewalt nicht aus. Die­se Vor­sicht ist des­to nöthi­ger, wenn die Arz­nei über Land geschickt wird.

Ist die Flüs­sig­keit sehr flüch­tig, oder auch scharf und beit­zend, so muß in letz­term Fal­le der Stöp­sel in schmel­zen­des Wachs getaucht, in bei­den Fäl­len aber die Mün­dung über dem Stöp­sel mit nas­ser Bla­se ver­bun­den wer­den, außer der Papier­ver­bin­dung drü­ber. Die Signa­tur wird an die Sei­te gebunden.

Die über Land zu sen­den­den Glä­ser wer­den in ange­mes­sen gro­ße Schach­teln gepackt, der­ge­stalt daß das wei­che Zwi­schen­mit­tel (Papier­schnit­zel, oder Säge­spä­ne) so derb als mög­lich in die Zwi­schen­räu­me gefüt­tert werde.

In dem Augen­bli­cke, als der Rezep­t­a­ri­us die Arz­nei fer­tig hat, muß er, ohne inzwi­schen das min­des­te wei­ter vor die Hand zu neh­men, sogleich die Signa­tur an das Glas, die Schach­tel oder Kru­ke befes­ti­gen. Wie leicht kann sonst eine Ver­wech­se­lung vor­ge­hen, wenn bei vie­len Geschäf­ten die­se unnach­läs­si­ge Sorg­falt auch nur eini­ge Minu­ten ver­scho­ben wird! Wie leicht ein Mensch durch der­glei­chen Ver­wech­se­lung ums Leben kommen!

Das ers­te, was auf einer Signa­tur mit deut­li­cher Hand geschrie­ben seyn muß, ist der Vor- und Zunah­me des Kran­ken – als die Haupt­sa­che; dann folgt die vom Arzte unter das Rezept gesetz­te Gebrauchs­art ‑oder, statt des­sen, die Wor­te: »nach Ver­ord­nung« oder der­glei­chen – zuletzt der Monats­tag des Rezep­tes, und wenn das Rezept spä­ter in die Apo­the­ke gebracht, oder spä­ter dar­aus abge­hohlt wird, auch die­ses Datum, wel­ches in vie­len Fäl­len von unglaub­li­chem Nut­zen seyn kann.

In gro­ßen Offi­zi­nen, wo mehr als ein rezept­i­ren­der Gehül­fe oder das Alter­ni­ren ein­ge­führt ist, setzt der Rezep­t­a­ri­us zu Ende der Signa­tur den Anfangs­buch­sta­ben sei­nes Nah­mens, damit man wis­se, wer nöthi-gen­falls für die Rich­tig­keit der Zusam­men­set­zung, und für die Rich­tig­keit der Signa­tur zu ste­hen habe.

Nur für sol­che Gehül­fen, die sich die fes­te Bestim­mung gemacht haben, zeit­le­bens kei­ner Offi­zin selbst vor­zu­ste­hen, ist die neue­re Ein­füh­rung, daß einer immer­dar die Rezep­tur besor­get, indeß der ande­re bestän­dig das Labo­ra­to­ri­um ver­sie­het, anwend­bar; dann kann jeder in sei­nem Fache eine beson­de­re Fer­tig­keit und Geschick­lich­keit erlan­gen; auch kann in bei­den Fächern die Ord­nung der Geschäf­te leich­ter erhal­ten, und jeder für sein Fach ver­ant­wort­lich gemacht wer­den. Indeß hat der ehe­ma­li­ge Gebrauch, wo der­je­ni­ge, der die eine Woche die Rezep­tur besorgt hat, die fol­gen­de Woche das Labo­ra­to­ri­um ver­sie­het (wel­ches man Alter­ni­ren nennt) auch sei­ne guten Sei­ten, weil dann kei­ner die Gele­gen­heit ver­liert, für bei­de Arbei­ten in Uebung zu blei­ben; und für das Wohl der Apo­the­ke ist es nicht schäd­lich, so bald die genau­es­te Ord­nung in den Geschäf­ten ein­ge­führt, und die Gehül­fen in ihrem Beru­fe zuver­läs­si­ge, und unter sich ver­träg­li­che Leu­te sind.