Muskatnuss

Scha­le, Macis, Kern

Der wohl­rie­chen­de Same ist bei uns bekannt als Küchen­ge­würz. Dabei kann das her­vor­ra­gen­de Kon­ser­vie­rungs­mit­tel noch mehr: Sei­ne äthe­ri­schen Öle hel­fen bei Ver­dau­ungs­stö­run­gen oder man­geln­der sexu­el­ler Lust.

Äus­ser­lich einer Apri­ko­se ähn­lich sehend, birgt die rei­fe, flei­schi­ge Frucht einen leuch­tend roten Samen­man­tel (Aril­lus). In die­sem steckt ein brau­ner, har­ter Kern und in die­sem wie­der­um ein stark ölhal­ti­ger Same: Die Mus­kat­nuss (Mry­risti­ca fra­grans Houtt.). Die Geschich­te des Han­dels die­ses äus­serst aro­ma­ti­schen Gewür­zes beginnt erst im 12. Jahr­hun­dert. Nur die Ara­ber kann­ten die begrenz­te Regi­on in der die­ser Baum wuchs – die süd­li­chen Moluk­ken (Indo­ne­si­en) und eini­ge, weni­ge Nach­bar­inseln (Ban­da). Die Gewürz­händ­ler hüte­ten ihr Wis­sen um die genaue geo­gra­phi­sche Lage der Inseln wie einen Schatz und konn­ten des­halb ihr Mono­pol fast vier Jahr­hun­der­te auf­recht erhal­ten. Als die Ara­ber den beson­de­ren Samen in Euro­pa ein­führ­ten war Mus­kat­nuss, ähn­lich dem Pfef­fer, ein rares Han­dels­gut und wur­de mit Gold auf­ge­wo­gen. Viel­leicht ver­führ­te die Sel­ten­heit dama­li­ge Medi­zi­ner dazu, das Gewürz zu einem Wun­der­mit­tel zu erklä­ren. Eine Pri­se Mus­kat­nuss soll­te gegen prak­tisch alle erdenk­li­chen Erkran­kun­gen wirk­sam sein: So schwo­ren füh­ren­de Ärz­te in Lon­don auf die Heil­kraft der Mus­kat­nuss bei Blut­fluss oder Pest. Das glei­che galt für All­täg­li­ches wie Hus­ten. Wer sich den Luxus leis­ten konn­te, dem wur­de dann z. B. Glüh­wein mit einer Pri­se Mus­kat­nuss ver­ord­net. Als die Euro­pä­er im 15. Jahr­hun­dert immer mehr See­we­ge in die tro­pi­schen Gewäs­ser erober­ten, blie­ben die Moluk­ken trotz­dem wei­ter unent­deckt. Ein Grund: See­fah­rer, die zufäl­lig auf die Mus­kat­nuss-Inseln sties­sen, konn­ten sie spä­ter wegen man­geln­der geo­gra­phi­scher Kennt­nis­se oder Navi­ga­ti­ons­schwie­rig­kei­ten nicht wie­der­fin­den. Wei­te­re wid­ri­ge Umstän­de mach­ten den regel­mäs­si­gen Han­del unmög­lich: Die Küs­ten waren von gefähr­li­chen Rif­fen umge­ben, an denen vie­le Schif­fe zer­schell­ten. Über­le­ben­de hat­ten wenig Chan­cen ihr Geheim­wis­sen wei­ter­zu­ge­ben, denn ihnen droh­te beim Betre­ten der Inseln eine neue Gefahr: Sie wur­den von Kopf­jä­gern ermor­det und zier­ten als begehr­te Tro­phä­en die Stam­mes­häu­ser der Ureinwohner.

Buchtipp

Aben­teu­er­li­ches: Wer Lust auf die span­nen­de Geschich­te des Mus­­ka­t­­nuss-Han­­dels hat, kann sich durch das Buch “Mus­kat­nuss und Mus­ke­ten. Der Kampf um das Gold Ost­in­di­ens” ent­füh­ren las­sen. Der Autor Giles Mil­ton erzählt von der Ent­de­ckung der Moluk­ken, ihres wert­vol­len Gewür­zes und sei­ner Aus­beu­tung. Giles Dar­stel­lun­gen beru­hen auf Ein­tra­gun­gen ori­gi­na­ler Log-Tage­­bü­cher oder Brie­fen, die er aus Ori­gi­na­lia ver­schie­de­ne Samm­lun­gen wie bei­spiels­wei­se der Ost­in­di­schen Kom­pa­nie zusam­men­trug. Die gründ­li­che Recher­che, gepaart mit der Phan­ta­sie des Autors ent­führt in die dama­li­ge Welt, lie­fert einen leben­di­gen Ein­druck der stra­pa­ziö­sen, oft töd­lich enden­den Schiffs­rei­sen der Kapi­tä­ne und ihrer Mann­schaf­ten. Der Hin­ter­grund die­ser gefähr­li­chen Fahr­ten mit ihren aus­schliess­lich wirt­schaft­li­chen und poli­ti­schen Inter­es­sen wird deut­lich her­aus­ge­stellt: Mäch­ti­ge Königs- wie Han­dels­häu­ser scheu­ten weder Krie­ge noch Mor­de, um Macht und Geld zu erlan­gen oder zu erhalten.

Mil­ton, Giles: Mus­kat­nuss und Mus­ke­ten. Der Kampf um das Gold Ost­in­di­ens. Rowohlt Taschen­buch Ver­lag GmbH, Rein­bek bei Ham­burg, Okto­ber 2002. ISBN: 3–499–61367–0. 24,90 € Kos­ten­freie Lie­fe­rung durch Ama­zon.

Inhaltstoffe:

Mus­kat­nuss ent­hält bis zu 16% äthe­ri­sche Öle und bis zu 40 % fet­tes Öl (Mus­kat­but­ter) mit hohem Anteil (etwa 75%) an dem Tri­gly­ze­rid der Myris­t­in­säu­re (gesät­tig­te C14-Fet­t­­säu­­re), Stär­ke (etwa 30%), Zucker, Pek­ti­ne und Farbstoffe.

Ein gutes Magen-Darmmittel

Mög­li­cher­wei­se mach­ten die See­leu­te auf ihren lan­gen Rei­sen zufäl­lig eine wich­ti­ge Ent­de­ckung: Gerie­be­ne Mus­kat­nuss war ein gutes Kon­ser­vie­rungs­mit­tel. Es ver­zö­ger­te in erheb­li­chem Mas­se den natür­li­chen Ver­we­sungs­pro­zess durch Ver­lang­sa­mung der Oxi­da­ti­on. Aus­ser­dem hat­te der Same noch einen wei­te­ren Vor­teil: Der cha­rak­te­ris­ti­sche kräf­tig aro­ma­ti­sche Geruch über­tön­te den Gestank ver­dor­be­ner Lebens­mit­tel, die häu­fig noch das ein­zig Ess­ba­re an Bord waren. Mit dem bren­nend-wür­zi­gen, spä­ter etwas bit­te­ren Geschmack konn­ten die See­leu­te die schlech­te Kost bes­ser ver­zeh­ren. Und nicht zuletzt waren sie die ers­ten, die Erfah­rung mit der wohl­tu­en­den Wir­kung des Samens auf den Magen-Darm­trakt mach­ten: Gerie­be­ne Mus­kat­nuss wirkt gegen Blä­hun­gen, Durch­fall und Magen­krämp­fe. Auch die mode­re Erfah­rungs­heil­kun­de benutzt Mus­kat­nuss bei den genann­ten Beschwer­den. Etwas in Ver­ges­sen­heit gera­ten, ist eine Anwen­dung bei star­kem Durch­fall: Hier­bei wer­den 1 Mes­ser­spit­ze frisch gerie­be­ne Mus­kat­nuss in einem Glas lau­war­mem Was­ser auf­ge­löst und lang­sam schluck­wei­se getrun­ken. Die äthe­ri­schen Öle wir­ken beru­hi­gend und ent­kramp­fend auf die Darmmuskulatur.

Hal­lu­zi­no­ge­ner Cha­rak­ter: Unter ande­rem ist der Wirk­stoff Myristi­cin als psy­cho­ak­ti­ver Bestand­teil der Mus­kat­nuss mit hal­lu­zi­no­ge­nem Cha­rak­ter bekannt. Bei der Ein­nah­me beträcht­li­cher Men­gen gerie­be­ner Mus­kat­nuss (eine gan­ze Mus­kat­nuss) wur­den leich­te Bewusst­sein­stö­run­gen bis hin zu star­ken Hal­lu­zi­na­tio­nen beob­ach­tet, die mit ver­än­der­tem Raum- und Zeit­ge­fühl, Eupho­rie, Benom­men­heit oder Sprach­stö­run­gen ein­her­ge­hen kön­nen. Es wird drin­gend von der Ein­nah­me gros­ser Men­gen gerie­be­ner Mus­kat­nuss abge­ra­ten, da schwe­re Ver­gif­tun­gen und/​​oder auch Psy­cho­sen aus­ge­löst wer­den kön­nen. Aus­ser­dem kann es im Rausch zu Herz­ra­sen, Magen­schmer­zen, Angst­zu­stän­den, Panik­at­ta­cken, Übel­keit und Erbre­chen kommen.

Aus Wissenschaft und Forschung

Auch in Thai­land gehört die Mus­kat­nuss zum tra­di­tio­nell ange­wand­ten Mit­tel gegen Magen-Erkran­kun­gen. Magen­ge­schwü­re oder säu­re­be­ding­te Magen­er­kran­kun­gen, die in den Indus­trie­län­dern häu­fig durch das Bak­te­ri­um Heli­co­bac­ter pylo­ri ent­ste­hen und sogar zum Magen­krebs füh­ren kön­nen, kom­men in Thai­land wenig vor. Wis­sen­schaft­ler aus Ban­kok unter­such­ten ver­schie­de­ne tra­di­tio­nel­le Pflan­zen, die häu­fig in der Küche oder als Heil­mit­tel ein­ge­setzt wer­den. Bei der Mus­kat­nuss stell­ten die For­scher vor­beu­gen­de, che­mi­sche Eigen­schaf­ten fest, die das Wachs­tum des Heli­co­bac­ter pylo­ri und damit die­se Form des Magen­kreb­ses mög­li­cher­wei­se ver­hin­dern. [1]

Japa­ni­sche Wis­sen­schaft­ler unter­such­ten die äthe­ri­schen Öle der Mus­kat­nuss in Hin­sicht auf leber­schüt­zen­de Effek­te. Durch Tier­ver­su­che fan­den sie her­aus, dass Myristi­cin hem­men­de Eigen­schaf­ten der TNF-alpha Abga­be der Magro­phar­gen hat. Als aphro­di­sie­ren­de wird Mus­kat­nuss sowohl in der west­li­chen Natur­heil­kun­de wie ayur­ve­di­schen Medi­zin ger­ne ein­ge­setzt. Vor kur­zem haben indi­sche For­scher durch Tier­ex­pe­ri­en­te die Libi­do- und Potenz­för­dern­de Wir­kung durch die Ver­ga­be eines Mus­kat­nuss-Extrak­tes bestä­tigt gefun­den. Die Wis­sen­schaft­ler ver­mu­ten, dass sich die­ses durch ner­ven­sti­mu­lie­ren­den Eigen­schaf­ten der Mus­kat­nuss erge­ben. [2]

Küchen-Gewürz

Die Mus­kat­nuss ist bei uns als Gewürz bekann­ter: Zu einer typi­schen Bécha­mel-Sau­ce gehört fein gerie­be­ne, fri­sche Mus­kat­nuss. Bei Kar­tof­fel­pür­ree wird es ger­ne ver­wen­det, und die Ita­lie­ner mögen das Gewürz auch zu Spi­nat. Wer mit Mus­kat­nuss expe­ri­men­tie­ren möch­te, kann sich von ori­en­ta­li­schen Gerich­ten inspi­rie­ren las­sen. In der marok­ka­ni­schen, tune­si­schen oder indi­schen Küche wird es tra­di­tio­nell ger­ne ver­wen­det – so bei ver­schie­de­nen Fleisch­sor­ten und auch im Gebäck. Grund­sätz­lich wird frisch gerie­be­ne Mus­kat­nuss emp­foh­len, weil sich bald nach dem Rei­ben der wür­zi­ge Geschmack ver­liert. Und: Eine spar­sa­me Ver­wen­dung ist wich­tig, sonst kann es leicht zu unlieb­sa­men Über­ra­schun­gen kom­men. Das Gericht nimmt dann einen bit­te­ren, unan­ge­neh­men Geschmack an. Tipp: Wem der Same zu kräf­tig ist, kann auch den getrock­ne­ten Samen­man­tel, der im Han­del als soge­nann­te Mus­kat­blü­te (Macis) ver­kauft wird, ver­wen­den. Er ent­hält die sel­ben Inhalt­stof­fe wie der Same, ist jedoch fei­ner und weni­ger inten­siv. Wem bei­des, Same oder Macis, immer noch zu stark erscheint, kann fer­ti­ge Gewürz­mi­schun­gen benut­zen. Die indi­sche Fer­tig­pas­te Garam Mas­sa­la bei­spiels­wei­se oder die tune­si­sche Galat Dag­ga ent­hal­ten neben vie­len ande­ren Gewür­zen auch Mus­kat­nuss. Die Pas­ten kön­nen eine inter­es­san­te Berei­che­rung für Sau­cen oder als Fleischwür­ze sein, die je nach Geschmack ein­ge­setzt werden.

Botanik:

Der Mus­kat­nuss-Baum ist immer­grün und reich ver­zweigt. Er erreicht eine Höhe bis zu 16 Metern und kann 100 Jah­re alt wer­den. Die Mus­kat­nuss-Pro­duk­ti­on muss lang­fris­tig ange­legt wer­den, denn ein Baum beginnt erst mit dem 8. Jahr zu tra­gen, ab dem 15. Jahr erreicht er sei­ne vol­le und dann lan­ge andau­ern­de Tra­ge­zeit. Ein Baum kann etwa 2000 Früch­te jähr­lich tra­gen. Sei­ne rei­fen Früch­te wer­den kurz vor dem Auf­plat­zen geern­tet und das Frucht­fleisch ent­fernt. Die Ker­ne mit ihrem leuch­tend roten Samen­män­teln wer­den bis zu 8 Wochen getrock­net. Danach haben die Samen­män­tel eine oran­ge­ne Far­be. Nach ihrer Ent­fer­nung vom Kern weden sie extra als Macis gehan­delt. Dann wer­den die Ker­ne zer­schla­gen, die Samen ent­nom­men. Umgangs­prach­lich wird zwar von Mus­kat­nüs­sen gere­det, doch bota­nisch han­delt es sich um ein­sa­mi­ge Bee­ren. Die­se müs­sen nach­ge­trock­net wer­den bevor sie – meist als gan­ze Samen – in den Han­del kom­men. Wer­den sie tro­cken im Glas ver­schlos­sen gela­gert, hal­ten sie bis zu 8 Jah­ren. Heu­te gibt es Mus­kat­nuss-Kul­tu­ren in Neu­gui­nea, Indi­en, Indo­ne­si­en, Mada­gas­kar, Mau­ri­ti­us, Bra­si­li­en und Réuni­on. Manch­mal wird behaup­tet, dass die bes­ten Mus­kat­nüs­se wei­ter­hin aus dem ursprüng­li­chen Gebiet der Ban­da-Inseln kom­men. Sie sind run­der und sol­len aro­ma­ti­scher sein, als die der ande­ren Regio­nen. Um die­se fei­nen Geschmacks­un­ter­schie­de wahr­zu­neh­men, gehört jedoch eine aus­ge­spro­che­ne Vor­lie­be für die­ses Gewürz.

Autorin
• Mari­on Kaden, Heil­pflan­­zen-Welt (2006).
Quel­len
1. Bha­ma­ra­prava­ti S, Pend­land SL, Maha­dy GB: Extra­cts of spi­ce and food plants from Thai tra­di­tio­nal medi­ci­ne inhi­bit the growth of the human car­ci­no­gen Heli­co­bac­ter pylo­ri. In Vivo. 2003 Nov-Dec;17(6):541–4.
2. Tajud­din, Ahmad S, Latif A, Qas­mi IA, Amin KM: An expe­ri­men­tal stu­dy of sexu­al func­tion impro­ving effect of Myristi­ca fra­grans Houtt. (nut­meg). BMC Com­ple­ment Altern Med. 2005 Jul 20;5:16.
wei­te­re Infos
Mono­gra­phie

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