Die Gesundheit eines Kindes kann schon im Baby-Alter maßgeblich beeinflusst werden: Mit Entscheidungen für oder gegen das Stillen, Impfen oder den Umgang mit fieberhaften Erkrankungen können Weichen gestellt werden.
Großpapas ganzer Stolz
Das Baby ist da. Dieses Wunderwesen in seiner Kleinheit und Einzigartigkeit bringt für die Eltern einen völlig neuen Lebensabschnitt. “Die meisten Eltern haben bei der Entscheidung für ein Kind keinen Begriff davon, was es konkret heisst, dann wirklich ein Kind zu haben”, sagt Susann Brun, Hebamme vom Geburtshaus Delphys, Zürich. Die Lebensumstellung ist groß, gerade auch in der ersten Zeit mit dem neuen Erdenbewohner. Es bedeutet, sich 24 Stunden, sieben Tage die Woche, Tag und Nacht und am Wochenende um das Kind kümmern. Brun betreut Mütter zuhause im Wochenbett nach einer Geburtshaus- oder Klinikgeburt. Sie betont, das A und O für Mutter und Kind nach der Entbindung sei Ruhe, Zeit und Geduld. Die beiden lernen sich jetzt nicht nur kennen, sondern haben auch sonst viel zu leisten: Die Mutter erholt sich von der Geburt und den nachfolgenden, weiteren körperlichen Umstellungen. Das Neugeborene, das kürzlich erst den schützenden Bauch der Mutter verlassen hat, ebenso. Für das Kind bedeutet der Wegfall der Plazenta-Funktionen alle Lebensfunktionen wie Atmung, Wärmeregulierung oder Stoffwechselfunktionen selbst übernehmen zu müssen. Doch die kleinen Organe sind zum Teil noch nicht vollständig ausgereift, bestimmte Funktionen müssen sich erst langsam anpassen. Beispielsweise entwickeln sechs von 10 Neugeborenen nach der Geburt eine Gelbsucht (Icterus neonatorum). Das fast immer ist ein normaler Vorgang, der mit einem verstärkten normalen Abbau von roten Blutkörperchen zu tun hat. Da jedoch die kindliche Leber zunächst mit dem Abbau der anfallenden Verbindungen überfordert ist, färbt sich die Haut gelb. Durch einfache Beobachtung oder allenfalls Bluttests kann die Hebamme schnell die Möglichkeit einer Erkrankung ausschliessen. Die Gelbsucht gesunder Neugeborener verschwindet ganz von alleine wieder.
Naturheilkundliche Unterstützung
Homöopathische Kügelchen
Je weniger Medikamente oder technische Hilfsmittel während der Geburt eingesetzt wurden, desto komplikationsloser verläuft die Zeit nach der Geburt für Mutter und Kind, resümiert Brun ihre Erfahrungen. Obeflächlichliche Verletzungen wie Abschürfungen oder Blutergüsse können zum Beispiel durch eine Saugglocke oder eine Geburtszange entstehen. Sie werden mit Salben auf pflanzlicher Basis wie Arnika oder Calendula behandelt. Viele naturheilkundliche Arznei-Hilfen für Neugeborene sollten vorzugsweise von der Mutter eingenommen werden – sie werden dann mit der Muttermilch weitergegeben (ähnlich wie das Nikotin, das eine Stillende beim Rauchen aufnimmt). Besteht der Eindruck einer starken geburtsbedingten Traumatisierung des Kindes setzt die Hebamme – entsprechend der individuellen Situation – gerne homöopathische Präparate oder auch die “Notfalltropfen” von Edward Bach ein. Grundsätzlich sollten Eltern aber wissen, daß Neugeborene die Belastungen einer normalen Geburt aushalten können, ohne dadurch krank zu werden.
Das Stillen: Grundlegend für weitere Gesundheit
Weiterer Beratungsbedarf besteht beim Stillen. “Die Bereitschaft zum Stillen ist bei vielen Frauen hoch. Doch das Vertrauen, dass es klappt, weniger”, so Brun. Auch hier ist Geduld ein wichtiger Faktor. Denn die Mutter muss ihrem Kind – manchmal mit etwas Geduld – Zeit lassen, den Saugreflex voll zu entfalten und sich an das Stillen zu gewöhnen. Da es keine Großfamilien mehr gibt, in denen das Wissen durch Vorbild oder Mithelfen weitergegeben werden kann, springt die Hebamme ein. Sie schafft Vertrauen, beruhigt oder berät: Beispielsweise, wenn die Brustwarzen der Mutter nach dem Stillen empfindlich sind oder schmerzen. Die Stillenden brauchen manchmal 10–14 Tage, bis sie sich den Anforderungen des Kindes und des Stillens voll angepasst haben.
Brustwarzen-Pflege:
Empfindliche oder entzündete Brustwarzen können mit einer Salbeitee-Auflage behandelt werden.
Salbeitee: 2 Teelöffel frische Salbeiblätter mit 150 Milliliter heissem Wasser aufbrühen, abgedeckt ziehen lassen. Abseihen. Abkühlen lassen. Die Brustwarzen mit einem weichen, am besten sterilen und von dem Sud befeuchteten Baumwoll-Taschentuch abtupfen (abdecken). Danach mit Wollfett (Lanolin) von medizinaler Qualität vorsichtig einreiben.
Heilwolle: Vlies aus gereinigter, gekämmter, ungesponnener Schafswolle. Der hohe Gehalt an hautverträglichem Wollwachs und der federleicht-luftige Schutz als Wundauflage unterstützt die Heilung und lindert wunde Brustwarzen. WICHTIG: Die Heilwolle darf nie auf offene Wunden oder entzündete Haut gelegt werden. Sie ist ein Naturprodukt, also nicht steril. Es könnte also zu Infektionen mit Borelien kommen. Deshalb: Zuerst eine sterile Mullbinde unterlegen und dann die Heilwolle.
Fenchel (Foeniculum vulgare)
Die Hebamme stellt die Wichtigkeit des Stillens in den Beratungsgesprächen gerne heraus: Denn das Stillen ist für das gesunde Aufwachsen des Säuglings unverzichtbar. Die Muttermilch enthält neben der optimalen Nährstoffzusammensetzung auch viele wichtige Antikörper zum Schutz gegen Infektionen. Wissenschaftlich ist zudem nachgewiesen, dass gestillte Kinder im späteren Leben zum Beispiel weniger Allergien bekommen als ungestillte. Auch die körperliche Nähe während des Stillens ist bedeutsam für die emotionale und psychosoziale Entwicklung des Kindes. Die Organisation La Leche League Schweiz empfiehlt mindestens sechs Monate zu stillen. [1]. Danach sollte weitergestillt werden – neben einer angemessenen Beikost – bis zum zweiten Lebensjahr. Wissenschaftliche Studien haben erwiesen, dass die Beifütterung mit tierischen Eiweissen, vor allem Kuhmilch und angeblich angepassten Kuhmilch-Produkten (adaptierte Säuglingsnahrung), vermieden werden sollten. Die tierischen Eiweisse können bei Kindern zu Bauchschmerzen und Blähungen führen. Bedenkenswerter ist jedoch: Die Nährstoff-Zusammensetzung von Kuhmilch ist von der Natur für das rasche Heranwachsen von Kälbern optimiert, nicht für menschliche Säuglinge (der Konsum von Kuhmilch-Säuglingsnahrung und die Zunahme von Adipositas korrelieren eng). Beikost sollte idealerweise ausschliesslich auf vegetarischer Kost beruhen.
Milchbildungstee
Die Standard-Teemischung wird aus gleichen Teilen aus Anis‑, Fenchel- und Kümmelfrüchten herstellen lassen. Die Früchte vor der Anwendung mit einem Mörser anstoßen. 2 Teelöffel auf 150 Milliliter aufbrühen, abdecken, durchseihen. 3–5 mal täglich eine Tasse bereiten und trinken. Wichtig: Trinkt die Mutter diesen Tee, lindert er bei dem Säugling die Neigung zu Blähungen (die natürlicherweise durch die Besiedlung des Darms mit Bakterien entsteht).
Fieber: Heilendes Feuer
Nach der Geburt setzt sich der kindliche Organismus zunehmend mit seiner Umwelt auseinander. Und diese wird – allein von der Anzahl der Lebewesen her – von Bakterien und Viren dominiert. Die mütterlichen Antikörper in der Muttermilch schützen gestillte Babys zwar vor vielen schlimmen Infektionserregern. Banale Infekte, wie zum Beispiel durch Schnupfenviren, müssen sie aber dennoch durchmachen. Auch die Schleimhäute des Verdauungstraktes oder die Haut sind ein häufiger Sportplatz, auf dem das kindliche Immunsystem mit Hilfe der jeweiligen Erreger seine Fähigkeiten mehr und mehr trainiert (und deshalb irgendwann nicht mehr auf die Antikörper der Mutter angewiesen). Eines der häufigsten Symptome solcher Infekte ist Fieber. Bei Infektionskrankheiten mit bis auf 40° Celsius Grad und höher ansteigendem Fieber sind Eltern oft verunsichert oder überfordert, so Brun. Sie müssen dann zunächst die Erfahrung machen, dass das Fieber manchmal genauso schnell wieder absinken kann. “Leider greifen viele Eltern zu schnell zu Fieberzäpfchen oder lassen sich von Ärzten Antibiotika verschreiben”, bedauert auch Friedemann Garvelmann. Der Heilpraktiker aus Küssaberg-Kardelburg versucht Eltern von der Wichtigkeit des Fiebers zu überzeugen: “Fieber ist natürlicher Teil der Auseinandersetzung des Körpers mit Mikroorganismen”, so Garvelmann. “Wird dieser Teil des Heilungsvorganges unterdrückt, kann auch die Heilung selbst verhindert beziehungsweise verlangsamt werden”.
Wissen ist wichtig
Fieberthermometer
Was passieren kann, wenn das Fieber unterdrückt wird, erfährt der Heilpraktiker täglich in seiner Praxis: Ihm werden während der Konsultation Kinder vorgeführt, die weder einen richtig kranken noch gesunden Eindruck machen. “Außerdem entwickelt sich zur Verwunderung der Eltern alle vier bis sechs Wochen eine neue Infektion, die erneut dann unterdrückt wird”, so Garvelmann, “ferner schwächeln viele Kinder ohne erkennbaren Grund dahin”. Dabei versucht der kindliche Körper nur, sich mit einer akuten Entzündung (und Fieber), dem effektivsten Abwehrmechanismus, zu heilen. “Wird er daran gehindert, entsteht ein Teufelskreislauf, der in chronischen Krankheiten oder Allergien enden kann”, so Garvelmann. Nach seiner Auffassung und Erfahrung sind die ersten zwei Jahre grundlegend für die gesundheitliche Entwicklung des Kindes. Deshalb setzt er sich für jede natürliche Form der Fieber-Unterstützung ein. “Wissen ist wichtig”, so der Heilpraktiker. “Wenn Eltern den Sinn natürlicher Abläufe verstehen, können sie die Erkrankungen der Kinder mit den damit verbundenen Schwierigkeiten besser mittragen. Sie brauchen dann das Fieber nicht mehr als Bedrohung zu empfinden, die schnell unter Kontrolle gebracht werden muss”.
Wadenwickel
Wadenwickel bei Kindern mit über 40°C Grad Fieber. Durch Wadenwickel mit körperwarmen Umschlägen wird die Temperatur-Regulation im Körper reflektorisch verändert und hohes Fieber gesenkt. Wadenwickel wie auch naturheilkundliche Auflagen und Kompressen sind gute naturheilkundliche Möglichkeiten, schnell und wirksam einzugreifen oder den Krankheitsprozess lindernd zu unterstützen. Für Wickel werden Leinentücher, Wolldecken benötigt. Die Anleitung dazu findet sich in verschiedenen Fachbüchern oder Anleitungen. Das Dabeibleiben und Beobachten des Kindes ist unbedingt nötig. Hinweis: Fieberkrämpfe sind unschädlich, führen nicht zu späteren Krampferkrankungen und brauchen nicht behandelt zu werden [2].
Impfen: Keine Notwendigkeit
Ebenso häufig diskutiert Garvelmann mit den Eltern das Impfen. Auch bei diesem Thema sollten sich Eltern ausführlich (auch impfkritischen Quellen) informieren. Mehrfachimpfungen in Kombination mit einer möglichen schwächlich-kränklichen kindlichen Konstitution vergleicht der Heilpraktiker bildlich damit, eine brennende Zigarette in einen trockenen Wald zu werfen. “Dann kann es zu einem Waldbrand in Form von einer Allergie oder chronischen Erkrankung kommen” so Garvelmann. Für ihn steht fest, dass Eltern sich die ersten zwei Jahre Zeit lassen können und dann überlegen, welchen Gefahren die Kinder wirklich ausgesetzt sein werden. “Haben Eltern beispielsweise vor, nach Indien zu reisen oder beruflich in Ländern mit Kinderlähmung auszuwandern, kann ein individueller Impfplan (mit Polio-Impfung) nötig sein”. Dem häufig empfundenen “Impfdruck” der Eltern empfiehlt Garvelmann dadurch zu entgehen, indem Behandler ausgesucht werden, die den Eltern nichts aufzwingen wie Heilpraktiker oder naturheilkundliche Ärzte.
Auch Brun bespricht mit den Eltern die Impfthematik. “Die Entscheidung bleibt natürlich immer bei den Eltern, denn schließlich sind sie es auch, die die Kinder bei schweren fieberhaften Erkrankungen begleiten oder mögliche Nebenwirkungen durch Impfungen mittragen”, so Brun. Grundsätzlich hat die Hebamme jedoch großes Vertrauen in die Selbstheilungskräfte der Kinder, die mithilfe natürlicher Hilfsmittel gut unterstützt werden können.
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Zusatzinformation zur Periduralanästhesie (PDA)
Um bei einer Geburt oder einer Schnittentbindung Schmerzen zu verhindern, wird oft eine Periduralanästhesie (PDA) durchgeführt. Dabei sollen schmerzbetäubende Substanzen im Raum um den Rückenmarkskanal herum (“Peridural-Raum”) zu einer Betäubung des Beckenbereichs der Gebärenden führen. Für diese Lokalbetäubung wird eine Nadel im Bereich des Wirbelkanals zwischen dem 3. und 4. Wirbel eingestochen. Anschliessend wird das Betäubungsmittel injiziert. Diese Anästhesie unterbricht die Schmerzleitung zum Gehirn, verhindert die aktive Beweglichkeit von Unterleib und Beinen, erhält jedoch das Bewusstsein. 2005 wurde eine wissenschaftliche Übersichtsarbeit (21 Studien) für das Cochrane Institute zur Verwendung von PDA (bei etwa 6.600 Gebärenden) erstellt. Die britischen Wissenschaftler kamen zum Schluss, dass PDA-Entbindungen im Durchschnitt länger dauern als natürliche Geburten. Zudem müssen die Kinder häufiger mit Geburtszange oder Saugglocke geholt werden (da die Frauen betäubt sind und nicht mehr selbst pressen können). Auch die Nebenwirkungen für die Frauen sind nicht unerheblich: Es kommt bei einer PDA oft zu Blutdruckabfall, Übelkeit oder Schwindel. Ein Fünftel der Frauen mit PDA bekamen anschliessend Fieber (vermutlich durch Infektionen der Injektionsstelle). Auf den Vitalzustand der Neugeborenen hat die PDA keinen signifikanten Einfluss (beschrieben mit dem APGAR-Index, der fünf grundlegende Lebenszeichen von Neugeborenen erfasst und bewertet). Welche möglichen Langzeitwirkungen die PDA auf die Kinder hat, ist nicht erforscht.
Quelle: Anim-Somuah M, Smyth R, Howell C: Epidural versus non-epidural or no analgesia in labour. Cochrane Database Syst Rev. 2005 Oct 19;(4):CD000331.
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Buchempfehlungen:
• Kerkhoff Anette: Naturheilkunde für Zuhause: Wickel, Auflagen, Kompressen. Hrsg. Natur und Medizin. Fördergemeinschaft der Karl und Veronica Carstens-Stiftung. 2009 (bei Amazon kaufen).
• Alber-Jansohn, S, Garvelmann F: Naturheilkunde für Kinder. Ein Praxisbuch für Eltern, Therapeuten und Ärzte. AT Verlag, Baden, München, 2009 (bei Amazon kaufen).
Autorin
• Marion Kaden, natürlich leben (2010).
Quellen
[1] weitere Informationen von LLLS: https://www.lalecheliga.de
[2] Kerkhoff Anette: Naturheilkunde für Zuhause: Wickel, Auflagen, Kompressen. Hrsg. Natur und Medizin. Fördergemeinschaft der Karl und Veronica Carstens-Stiftung. 2009.
weitere Infos
• Lesetipp: Naturheilkundliche Tipps für Schwangerschaft und erste Baby-Zeit
• Die Möhre – wichtiger Babybrei
• Stillen gegen Übergewicht
• Lesetipp: Die Babyfibel
• Lesetipp: Die Hebammensprechstunde
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