Der “Eismann” taucht immer wieder in den Medien auf: Der Niederländer Wim Hof (*1959) wird dann gerne mit seinen spektakulären Eiswasser-Aktionen vorgeführt. Er lässt sich beispielsweise in ein Riesengefäß mit Eiswürfeln setzen und verbleibt darin stundenlang. Hof schwimmt auch lange Strecken unter geschlossenen Eisdecken hindurch oder veranstaltet einen Solo-Marathon in frostigen Regionen barfuß und mit nacktem Oberkörper. Mittlerweile hat der Extremsportler eine Fangemeinde und verdient sein Geld mit seinem Credo: Kälte macht stark, ist gesund und vorbeugend für die allgemeine Gesundheit. Um dies zu beweisen, erklimmt er auch mit “normalen” Menschen den Kilimandscharo oder unternimmt mit ihnen Exkursionen in kalten Regionen, bei denen die Teilnehmenden höchst spärlich gekleidet sind. Eisbaden ist, wo immer möglich, selbstverständlich inbegriffen. Indem Hof an Studien teilnimmt, bemüht er sich um eine wissenschaftliche Basis seines Tuns. Was Hof beweisen möchte: Jeder Mensch kann sich extremen Witterungen und eiskalten Reizen aussetzen.
Kältereize: Schmerz- und entzündungshemmend
Eisbaden im Schlachtensee/ Berlin
Damit liegt Hof nicht nur im Trend, sondern wiederholt eigentlich Wohlbekanntes. Er hatte nämlich berühmte Vorgänger: Sebastian Kneipp (1821–1897) beispielsweise, der im 19. Jahrhundert als “Abhärtungsapostel” in die Geschichte einging. Vor ihm wiederbelebte Vincenz Prießnitz (1799–1851) traditionelle Kaltwasseranwendungen – denn schließlich wusste man schon im Altertum von der heilsamen Wirkung der Kälte-Wärme-Reize des Wassers, wie die antiken Thermen auf Eindrücklichste belegen (das Frigidarium römischer Thermen). Vorausgegangen waren bei den genannten Naturheilkundlern leidvolle persönliche Erkrankungen. Kneipp hatte an einer schweren Lungenentzündung gelitten und war von seinem Arzt sogar aufgegeben worden. Er heilte sich selbst, indem er täglich in die eiskalte Donau stieg. Sein Zeitgenosse Prießniz entwickelte den Prießniz-Umschlag aufgrund einer eigenen lebensgefährlichen Verletzung, die er sich bei einem schweren Sturz vom Pferd zugezogen hatte. Eng anliegende kalte Tücher fixierten seine gebrochenen Rippen und eiskalte Umschläge regten einen schnellen Heilungsvorgang an. Hydro- (“auf Wasser basierende”) und kryotherapeutische (“auf Kälte basierende”) Maßnahmen sind anerkannte Behandlungsformen auch in der modernen Medizin: Ganzkörper-Kältekammern beispielsweise werden mit ihren extremen Reizen bei Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis angewandt. Kälte‑, Eispackungen, die Frottiermethode (Handtücher in Eis-Salz-Wasser getaucht oder im Gefrierschrank gekühlt), Eismassage oder Kühlspray sind in der Rheumatologie oder Sporttraumatologie im täglichen Einsatz. Ebenso lindert äusserlich applizierte Kälte Schmerz von Migräne, Prellungen, Zerrungen oder Bänderrissen im Alltag, sie wirkt zudem ausgeprägt antientzündlich.
Wärmereize: Durchblutungsfördernd und krampflösend
Sonne und Wasser
Das Pendant zur Kälte ist Wärme. Sie wirkt ebenfalls stimulierend und heilungsfördernd. Sie findet häufiger Anwendung, weil sie als angenehmer empfunden wird. So ist eine Wärmflasche quasi in jedem Haushalt zu finden und wird als probates, entkrampfendes Mittel zum Beispiel bei Menstruations- oder Bauchschmerzen eingesetzt. Während Kälteanwendungen primär die Blutgefässe zusammenziehen, das Blut quasi entweichen lassen, wirkt Wärme gefäßerweiternd und damit lokal durchblutungsfördernd. Eine Wärme-Applikation kann ebenfalls schmerzlindernd wirken. Beim Auseinanderhalten der jeweiligen Anwendungen gilt: Kälte hilft schnell bei Problemen wie akuten Verletzungen oder Entzündungen. Wärme hingegen wirkt wohltuend und entkrampfend bei Muskelverspannungen oder bei Kopfschmerzen, die durch körperliche oder psychische Belastungen entstehen.
Bei der Wärmetherapie sollte aber nicht nur an Wasseranwendungen gedacht werden: Welche wohltuenden Wirkungen die Sonne auf Körper und Seele hat, stellen Menschen im Frühjahr fest: Wenn die ersten Strahlen erwärmend auf die blasse Haut fallen, wird deutlich, welche Lebensgeister ein Sonnenbad zu wecken vermag. Regelmässige Sonnenbäder bringen wohltätige Wärme in die Tiefe des Organismus – neben der wichtigen Produktion des überlebenswichtigen Vitamins D. Die medizinische “Kopie” von heilsamem Sonnenlicht, die immer noch weit verbreitete medizinische Mikrowellenbestrahlung, kann – genauso wie durchwärmendes Sonnenlicht – eine Wohltat zum Beispiel bei chronisch-entzündlichen Gelenkerkrankungen sein. Akute und chronische Infektionen der oberen Atemwege reagieren hingegen – in lichtarmen Jahreszeiten! – oft recht gut auf das durchwärmendes Rotlicht.
Kaltduscher leben gesünder
Eisbaden: Immer wieder spektakulär
Doch zurück zu den eingangs erwähnten gesundheitsfördernden Effekte von Kälteanwendungen: Der Kälteextremist Hof wird oft als kleine Sensation wahrgenommen – wärmeverwöhnte moderne Menschen stellen sich dann doch lieber unter die warme Dusche. Denn Hand aufs Herz: Warmduscher gibt es viel häufiger als Kaltduscher. Dabei hat kaltes Duschen zahlreiche gesundheitliche Vorteile auf seiner Seite: Die immunstimulierende und durchblutungsanregende Wirkung von kaltem Wasser ist sogar schulmedizinisch anerkannt. Leider spielen Gewohnheiten oder Bequemlichkeiten bei den meisten Menschen eine wesentliche Rolle bei der Vermeidung von Kältereizen. Doch wie wäre es, wenn dem Warmduschen eine ordentliche kalte Schauer folgt? Zur Eingewöhnung können gesunde Menschen den kalten Wasserstrahl zuerst vom linken Fuss aufwärts zum Herzen, dann vom rechten Fuss aufwärts zum Herzen führen. Danach folgt das kalte Abduschen von der linken Hand über den Arm zum Herzen hin (gleiches Prozedere rechte Seite). Eine tiefe, regelmässige Atmung ist wichtig und hilft bei der Überwindung der Kälteabwehr. Nach diesem “Vorspiel” dann einmal ganz unter den kalten Wasserstrahl stellen – ein prickelndes Morgengefühl und absolute Wachheit ist danach garantiert. Und: Dieses kleine Morgenritual steigert nicht nur die allgemeinen Abwehrkräfte gegen Infekte oder Erkrankungen verschiedener Art. Diese Massnahme sorgt auch, langfristig angewendet, für eine gute Hautdurchblutung. Das Bindegewebe wird straffer, die Haut rosiger und schöner – und dass ohne alle teuren Pflegeprodukte. Die können ohnehin weggelassen werden, da die Talgdrüsen der Haut die Rückfettung übernehmen. Wer dann noch das Dusch-Wasser nur abstreift, wie schon Kneipp vorgeschlagen hat, und sich durch die Luft trocknen lässt, verstärkt den gesundheitsfördernden Reiz.
Überheizte Räume: Kuschelig aber nicht gesund
Eine weitere Maßnahme, die gut in den Alltag eingebaut werden kann, ist regelmäßiges Saunieren. Gemeint ist dabei nicht das Wohlfühl-Wellness-Saunieren, sondern die dazu gehörige bewusste Nutzung von Eiswasserbecken. Das Immunsystem kann auch durch morgendliche, tägliche Reize beim Tautreten auf kühlem Rasen auf Trab gebracht werden, oder im Winter durch barfüßiges Laufen im Schnee (Wichtig: Immer durchgewärmt starten). Auch das Leben in überheizten Räumen ist auf Dauer nicht gut für den Organismus. Durch Studien belegt ist, dass niedrigere Raumtemperaturen den Stoffwechsel ankurbeln. So muss der Körper eigene Energien aufbringen, um den Organismus warm zu halten. Besonders gilt dies für die nächtliche Ruhe: Ein ungeheiztes Schlafzimmer ist gesund, überwärmte Schlafzimmer krankmachend. Die Erinnerung an frühere Zeiten kann helfen: Es ist höchstens ein paar Jahrzehnte her, da spielte sich das Leben im Winter in der geheizten Küche ab. Sowohl Toilette, Flure oder sonstige Räume blieben ungeheizt. Auch das Holen von Wasser, Holz zum Heizen, die Versorgung der Tiere im den Ställen wurde meist ohne das Überziehen von extra Kleidung erledigt. Der menschliche Körper wurde folglich im Laufe des Tages vielfach natürlichen Wärme-Kälte-Reizen ausgesetzt, was die Abwehrkräfte stetig stimulierte. Deshalb: Das Zurückkehren zur Natur beziehungsweise natürlicheren Lebensweisen mit thermischen, klimatischen Reizen ist dem menschlichen Organismus dienlich und beugt Krankheiten vor und fördert nicht zuletzt das körperlich-seelische Wohlbefinden.
Das heilende Feuer des Fiebers
Die Winterzeit mit ihren gehäuften Infekten steht bevor. Naturheilkundlich Orientierte sehen im Fieber einen natürlichen Helfer. Aus ihrer Sicht sollte das “heilende Feuer” gefördert und im Krankheitsverlauf möglichst erhalten werden. Denn Fieber ist Ausdruck eines körpereigenen Abwehrmechanismus bei Erkrankungen oder schädlichen Einflüssen. Diese Abwehr ist natürlich, physiologisch und als komplexe Heilreaktion genetisch festgelegt. Dies gilt für Erwachsene und insbesondere für die kindliche körperliche Entwicklung. Denn in der fieberhaften Auseinandersetzung mit einer Erkrankung erlernt ein kindlicher Körper beziehungsweise sein Immunsystem im Verlauf von Infektionen wichtige immunologische Abwehrmechanismen zu aktivieren, um sich (auch im späteren Leben) besser gegen Viren, Bakterien oder schädliche Einflüsse zur Wehr zu setzen. Fieber ist eine der effektivsten körpereigenen feurigen Unterstützungsmassnahmen zum Erwerb einer lebenslangen immunologischen Kompetenz. Der leider häufige und gängige Einsatz von fiebersenkenden Schmerzmitteln von zum Beispiel Paracetamol bei Kindern (oft schon bei 1–2‑Jährigen) bewirkt das Gegenteil: Der Anstieg von Allergien oder Erkrankungen in der Moderne wird mit dem Verlust der körpereigenen Abwehrkräfte in Verbindung gebracht. Deshalb: Auch wenn sich Eltern manchmal beunruhigt fühlen durch das Fieber ihres Kindes – Fieber ist ein heilsamer Prozess, bei dem am Ende das Kind gestärkt hervorgeht – sogar für ganzes Leben. Auch bei Erwachsenen gilt: Beim Einsetzen von erstem Frösteln hilft ein sich Zurückziehen, Schlafen, Ausruhen, vielleicht sogar Fasten – dies hilft dem Körper bei seinen Abwehrarbeiten am meisten. Zudem kann er dabei durch Heiltees, Verzicht auf Mediennutzung (Fernsehen, Computer, Handy) oder anstrengende körperliche Aktivitäten (Sport) unterstützt werden.
Rosmarin
Nachfolgend werden nur ausgewählte Beispiele angeführt. Neben dem Genannten gibt es noch Wickel, Güsse, Packungen, Sitzbäder, Armbäder – allesamt Anwendungen, Wärme-Kälte-Reize auslösen. Ausführliche Literatur steht zahlreich zur Verfügung, die a) anleitet b) die genauen Behandlungen und Indikationen bei medizinischen Anwendungen aufführt. Wer sich einarbeitet und ausprobiert wird spannende Selbsterfahrungen machen. Und: Die meisten naturheilkundlichen Massnahmen sind kostengünstig und gut zuhause durchführbar.
Wärmflasche:
Temperaturen zwischen 50–80° Celsius reichen aus. Wird kochendes Wasser eingefüllt, sollte ein schützendes Handtuch um die Wärmflasche gelegt werden.
Einsatz: Bei Menstruations‑, sonstigen krampfartigen Bauchschmerzen (Blähungen), Kältegefühlen und seelischem Unwohlsein.
Wannenbäder:
Temperaturen bis 36–38° Celsius bei maximal 15 Minuten. Anschliessend sollte immer eine Ruhezeit, gut eingewickelt, von einer halben Stunde folgen. Denn der Körper benötigt Ruhe, um die Heilreize verarbeiten zu können.
Einsatz: Muskellockerung, Aufwärmung, psychische Entspannung.
Badezusätze sorgen über die Haut oder Atemwege für zusätzliche Wirkungen.
Arnika (2–4 Esslöffel Arnika montana-Tinktur/ auf 1 Vollbad) bei stumpfen Verletzungen, Hämatomen, Überanstrengung.
Baldrian (fertige Badeextrakte/ auf 1 Vollbad) bei Schlaflosigkeit, nervöser Unruhe.
Ätherische Öle von Fichtennadel, Kiefernnadel, Pfefferminze: (Erkältungsbäder, bitte auf angegebene Dosierungen achten) bei Wechseljahrsbeschwerden, Katarrhen der oberen Luftwege.
Rosmarin (1–2 Esslöffel Rosmarinextrakt/ auf ein Vollbad) bei spastischen Kreislaufstörungen, Weichteilrheumatismus, Quetschungen.
Ansteigendes Fussbad:
In einer Fusswanne beginnend mit 35° Celsius warmem Wasser, anschliessend langsam mit heissem Wasser auffüllen bis maximal 45° Celsius und maximal einer viertel Stunde Dauer. Achtung: Fussbäder nach Kneipp reichen bis unter die Knie!
Einsatz: beginnende Infekte, Durchblutungsstörungen und kalte Füsse, zur Entspannung.
Kälte (lokal):
Eiswürfel in ein Leinenhandtuch gefüllt, zugebunden und dann direkt auf die schmerzenden Körperregionen legen. Dasselbe gilt für käuflich zu erwerbende Gelkissen, die im Gefrierfach heruntergekühlt werden. Eis oder Gelkissen (ebenfalls in ein Leinenhandtuch wickeln) werden zwischen 5 bis maximal 20 Minuten angewendet (aufhören bei Wärmebedürftigkeit oder Schmerzempfindungen).
Einsatz: Bei Schwellungen, Zerrungen, Verletzungen von Bändern, Sehnen, Muskeln, Entzündungen von Gelenken, Sehnenscheiden, Schleimbeuteln.
Eispackungen bei Migräne: Eiswürfel (in Leinen w.o.) und eine Minute auf Stirn, Schläfen oder in den Nacken legen. Pausieren und Wiederholen. Im Allgemeinen haben Migräne-Betroffene ein gutes Gespür, wie lange die Reize ihnen gut tun. Wenn kein Eis verfügbar ist: eiskaltes Wasser über die Handgelenke laufen lassen.
Autorin
• Marion Kaden, Natürlich (2017).
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