Kinderlächeln
Alles ist miteinander verbunden – an jedem Zahn hängt ein ganzer Mensch. So könnte der Ansatz der ganzheitlichen Zahnmedizin sehr vereinfacht dargestellt werden. Zähne sind nicht nur Kauwerkzeuge, sondern Teil des Körpers mit dem sie in vielfältiger Weise mit Nerven, Knochen, Schleimhäuten beispielsweise einander verbunden sind. Zahnschmerz-Geplagte wissen, welche Wirkung Zahnschmerzen haben: Nicht nur Körper, sondern Seele und Geist sind betroffen.
Deshalb werden ganzheitlich arbeitende Zahnärzte, bevor sie mit der Behandlung beginnen, eine umfassende Anamnese durchführen, um den Gesamt-Status zu ermitteln: “Meine Anamnese beginnt bei der Begrüßung der Patienten, bei der ich mir einen ersten Eindruck verschaffe” sagt Dr. Kerstin Schneider, Ganzheitliche Zahnmedizinerin, König-Wusterhausen bei Berlin. Sie achtet beispielsweise darauf, ob die Schultern gerade sind, die Mundhaltung offen oder geschlossen ist. Welchen energetischen Eindruck erweckt der Patient? Angespannt, erschöpft oder überwiegend positiv gestimmt? Später auf dem Behandlungsstuhl wird die Zahnärztin danach schauen, ob die Beinlängen der Patienten identisch sind (siehe Kasten CMD), bevor sie sich seinem Mund zuwendet. “Je genauer und detaillierter die Anamnese ist, desto besser”, betont sie. Die Zahnärztin fragt ebenso nach aktuellen Befindlichkeitsstörungen, bekannten Erkrankungen, möglichen Allergien (z.B. auch auf Kosmetika, Duftstoffen), Verdauungsstörungen, Schlaf- oder psychische Probleme wie Unverträglichkeiten auf Materialien oder Medikamente. “Sind Patienten in homöopathischer Behandlung oder gehen sie zum Heilpraktiker? – Hinweise, die bedeutsam für mich sind”, so Schneider.
Zahngesundheit wirkt sich auf den ganzen Körper aus
Im weiteren Untersuchungsverlauf wird sie genauso wie ihre schulmedizinischen Kollegen den Zustand des Gebisses dokumentieren. Außerdem achtet Schneider auf eventuelle Fehlstellungen des Kiefer- und Kauapparates oder wird den Zustand der Kaumuskulatur durch Betasten untersuchen. Denn eine starke, gut ausgebildete Muskulatur ist für die reibungslose Funktion der Kieferknochen und der Zähne von großer Bedeutung. Fehlende Zähne, Zahnfehlstellungen, Entzündungen des Zahnfleisches oder im Mundraum beeinflussen nicht nur das Wohlbefinden, sondern können Krankheiten auslösen. “Umgekehrt ist die Behebung von Krankheiten durch eine gründliche Zahnsanierung und die Gesundung des Mundraumes möglich”, so Schneider.
Kraftvoll zubeißen
Mit kraftvollem Kauen und passgenauem Aufeinanderliegen des Ober- und Unterkiefers (Okklusion) wird die Stabilität und Funktion des gesamten Gebisses erhalten. Jeder Mensch schluckt täglich etwa 1.500 Mal und bringt dabei die Zähne in Ruheposition aufeinander. Es ist ein Kontrollmechanismus des Gebisses, welcher evolutionär von Bedeutung ist. Denn das Zubeißen zu jedem Zeitpunkt war und ist bis heute überlebenswichtig. Alte Tiere in freier Wildbahn wie Löwen sterben, wenn ihre Zähne schadhaft geworden oder ausgefallen sind: Sie können ihre Beute nicht mehr töten oder zerkleinern. Dieser entwicklungsspezifische Kontext ist auf Menschen übertragbar: Durch die Okklusion wird das Zupacken als Überlebensmechanismus kontrolliert. Alte Menschen können aufgrund fehlender Zähne, nicht funktionierendem Gebiss nicht nur eine Mangelernährung erleiden, sondern letztlich daran sterben.
Gesundes Gebiss
Kariesvorsorge: Gründliche Reinigung Zahn um Zahn
Sind bei der Untersuchung Zähne, Zahnfleisch und Mundhöhle gesund, wird die Zahnärztin die Patienten zur professionellen Prophylaxe schicken, die Mitarbeiterinnen vornehmen. “Grundlage für die Zahngesundheit, ist tägliches und aufmerksames Zähne putzen”, erklärt die Zahnärztin. Eine gründliche Reinigung Zahn um Zahn ist das Ziel. Denn werden Speisereste nicht rückstandslos entfernt, können sich bakterielle Besiedlungen entwickeln, die langfristig für Karies, Entzündungen des Zahnfleisches wie den Rückgang desselben sorgen. “Am Besten ist es, wenn Patienten mit ihren Zahnputz-Geräten und Zahnseide zu uns kommen. Dann wird in der Prophylaxe die Anwendung kontrolliert und, wenn nötig, verbessert”, sagt Schneider. Eltern von Kindern und Jugendlichen sollten mindestens einmal im Jahr einen Termin bei der Zahnprophylaxe vereinbaren. Je älter die Menschen, desto häufiger empfiehlt die Zahnärztin Prophylaxen: Ab 50 Jahren bis zu vier Terminen pro Jahr. Schließlich lassen die manuellen Fähigkeiten im Alter nach. Außerdem verändert sich das Gebiss: Beispielsweise ziehen sich natürlicherweise Zahnfleisch und der ‑Knochen zurück, oder die Farbe der Zähne wird dunkler. Das Älter werden wird zudem häufiger von verschiedenen Erkrankungen begleitet, was ebenfalls Einfluss auf die Zähne haben kann. Für chronisch Kranke sind mehrmalige prophylaktische Kontrollen essentiell, weil die zahlreich einzunehmenden Medikamente die Zahn- und Mundgesundheit negativ beeinflussen können.
Zweimal täglich Zähne putzen
Zähne putzen
Das ein- oder zweimaliges (auf jeden Fall vor dem Schlafen gehen!), gründliche Zähneputzen reicht: “Wir putzen uns die Zähne defekt”, betont Schneider überraschenderweise. Auch sollten die Zähne nicht sofort nach dem Essen geputzt, sondern damit mindestens eine halbe Stunde gewartet werden. In diesem Zeitraum wird der natürliche Säureschutzmantel im Mundraum wieder aufgebaut. Wird vorher geputzt, vielleicht unter zusätzlichem Einsatz bleichender oder schleifender Zahncremes, kann der Zahnschmelz nachhaltig geschädigt werden. Er ist zwar die härteste Substanz des menschlichen Körpers, ist jedoch nicht regenerierbar. “Die Wahl der Zahnputzmittel überlasse ich den Patienten”, so Schneider. Schließlich hat jeder Mensch bestimmte Vorlieben und Gewohnheiten. Bei bleichenden oder schmirgelnden Zahnputzmitteln gilt Paracelsus’ Weisheit: ‚Die Dosis macht das Gift’: Gelegentlicher Einsatz dieser Mittel schadet dem Zahnschmelz nicht – eine gesunde Mund- und Zahngesundheit vorausgesetzt. Ein dauerhafter Einsatz schon.
Zahnbürsten, die Qual der Wahl
Ähnlich wie mit den Putzmitteln gestaltet sich die Wahl der Zahnbürste. Weiche, harte, unterschiedliche Bürstenformen, dahinter stehen Konzepte, mit denen sich jeder Mensch auseinander setzen kann oder ausprobiert. Solo-Zahnbürste: Zahnbürste mit kleinem Kopf, um damit jeden einzelnen Zahn gut bürsten zu können. Elektrische Zahnbürsten: Mit Rotationszahnbürsten, Bürsten mit runden Köpfen, die sich elektrisch hin und her bewegen, wird wie sonst geputzt. Nur dass die Rotation/Bewegung elektrisch übernommen wird. Schallzahnbürsten: Erzeugung hoher Frequenzen auf Bürsten übertragen, die dann über die Zähne “vibrieren”. Die Vibration reinigt und aktiviert die Speichelbildung. Die sonst übliche Rotation oder Putzbewegung muss nicht mehr ausgeführt werden. Ultraschall-Zahnbürste: Schwingungen ab 16 kHz, also Ultraschall-Bereich wird erzeugt. Es werden keine Zahnpasten benötigt. Der Ultraschall sorgt für die Beseitigung der Speisereste, die durch eine vermehrte eichelbildung natürlich “weggespült” werden. Auch Beläge lassen sich damit langfristig entfernen. Ultraschall-Zahnbürsten sind für Menschen mit empfindlichen Zähnen wie Zahnfleisch geeignet oder jenen, die schon schwere Zahnputz-Schäden (Abrasionen) haben. Je nach Preisklasse sind bei Ultraschall-Zahnbürsten zusätzliche Pflege-Programme (Zahnfleischbehandlung, Zähne weißen etc) eingebaut.
Vorbeugendes Röntgen
Befremdlich mag manchen Menschen erscheinen, dass die ganzheitlich arbeitende Zahnärztin das Röntgen befürwortet: “Eine Panorama-Aufnahme hat die Strahlenlast eines einstündigen Fluges”, erklärt Schneider. Den Einsatz dieser Maßnahme beurteilt sie durchaus in vorbeugender Hinsicht: Damit besteht die Möglichkeit einer eindeutigen Abklärung des für sie unsichtbaren Bereiches: Kiefer, Verankerung der Zähne mit ihren Wurzeln, mögliche Entzündungen, die noch keine Schmerzen bereiten, können aufgedeckt und vorzeitig behandelt werden.
Diabetes geht mit Parodontitis einher
Sport treiben
60 Prozent ihrer Patienten erfreuen sich weitgehend gesunder Zähne. Interessanterweise bildet sich der allgemeine Gesundheitszustand der deutschen Bevölkerung in der Praxis ab: Die Volkskrankheit Diabetes (6 Millionen Diabetiker/ Typ 2 in Deutschland) beispielsweise: “Diabetes und Parodontitis gehören zusammen”, erklärt Schneider. Bei Diabetikern bemüht sich die Zahnärztin, um Zusammenarbeit mit dem betreuenden Hausarzt oder Internisten. “Wenn möglich lasse ich mir die Blutwerte geben”, sagt sie. Denn schlecht eingestellte Diabetiker leiden an entzündetem Zahnfleisch, welches unbehandelt zu einer schweren Parodontitis führen kann. In Kooperation mit den betreuenden Ärzten gelingt es besser, die Erkrankung in den Griff zu bekommen. Schneider bemüht sich um eine Heilung, denn “Diabetes ist bis zu 95 Prozent heilbar”, betont sie, und dass allein durch eine gründliche Lebensumstellung: Eine vernünftige Ernährung und regelmäßiger Sport sind eine Alternative zu regelmäßiger Medikamenten-Einnahme, so die Zahnärztin. Anschließend haben die Patienten keine Parodontose mehr. Ist die Erkrankung jedoch schon in einem fortgeschrittenen Stadium, muss die Zahnärztin den Patienten Therapien vorschlagen, die aufwändig sein können: Tote Zähne müssen entfernt und ersetzt, kranke saniert werden. Aber auch über diesen zugegebenermaßen langen Weg kann – die Zusammenarbeit und Mithilfe der Diabetiker vorausgesetzt – eine Heilung erfolgen (dasselbe Behandlungsschema gilt übrigens für rheumatische Erkrankungen).
Zahnfleischblutung: Den Mund baden
Ein weitere Risikogruppe in der Praxis sind Patienten mit Zahnfleisch-Blutungen, welche als Nebenwirkung bestimmter Medikamente auftreten können: Zum Beispiel bei Menschen, die auf Blutverdünner angewiesen sind. Diese Patienten sind Träger einer mechanischen Herzklappe oder können von Vorhoff-Flimmern wie Thrombosen betroffen sein. Schneider bittet diese Patienten-Gruppe, einen vorsorglichen Herz- wie Mundschutz vor dem Praxis-Besuch vorzunehmen: Dazu empfiehlt sie Mundspülungen mit Ratanhia (Krameria lappacea). Die Wirkstoffe der Heilpflanze verengen die Gefäße im Mund vorbeugend oder stoppen Blutungen. Ebenso können kleine Wunden desinfiziert werden. Für Betroffene ist ebenfalls eine allabendliche Mundspülung vor dem Schlafen gehen sinnvoll: “Bitte den Mund baden! Das heißt, die Mundspülung sollte vor dem Ausspucken mehrmals mindestens eine Minute lang im Mund behalten werden”, so Schneider.
Kooperationen mit anderen Ärzten
Die Zahnärztin kooperiert gerne mit anderen Fachärzten: Die Augenärzte ihrer Patienten kontaktiert sie beispielsweise, wenn der Trigemius Nerv betroffen ist. Der fünfte Hirnnerv verläuft über den Augen‑, Oberkiefer- und Unterkieferast und steuert motorische Funktionen der Gesichts‑, Zungen, Mund- oder Kiefermuskulatur. Kinderärzte kontaktiert Schneider auch bei Mandelentzündungen. “Diese bereiten Kindern sehr häufig Probleme, weil das Belüftungssystem von Nase- und Mundraum gestört sind”, erklärt Schneider. Eine Stabilisierung des kindlichen Immunsystems kann langfristig angelegt nachhaltige Abhilfe schaffen. Manchmal leisten die Ärzte gemeinsam detektivische Arbeit, um die Ursachen der Beschwerden der Kinder aufzudecken. Diese Kooperationen bedeuten der Zahnärztin viel. Sie kommen allerdings in ihrem Arbeitsalltag selten vor, gibt Schneider bedauernd zu.
Was sind ganzheitliche zahnmedizinische Therapien?
“Diese Frage ist nicht seriös zu beantworten”, so Schneider. Dazu ist die Vielfalt der einzusetzenden Materialien zu groß. “Allein die Kunststoffe sind ein heikles Thema in der Zahnmedizin”, bekennt sie schlicht. Auf jedes Material können Patienten allergisch reagieren. Die Kunststoffproblematik erfährt zudem eine Potentierung durch die sogenannten Bonder, also Kleber mit denen Zahnersatz auf den Restzähnen fixiert wird. “Eine gründliche Anamnese und eine engagierte Mitarbeit der Patienten ist bei Allergien, Grunderkrankungen oder seelischen Störungen um so wichtiger”, sagt Schneider. Amalgam setzt sie seit Jahrzehnten nicht mehr in ihrer Praxis ein. Gegenwärtig wird in der Zahnmedizin der schädliche Abrieb auch anderer Materialien diskutiert: Mikromengen sämtlicher Legierungen – auch Gold – oder Kunststoffe können durch Kauen und Mahlen der Nahrung in den Körper gelangen. “Die einzusetzenden Materialien müssen mit den betreuenden Zahnärzten diskutiert werden, dabei gilt es viele Faktoren zu bedenken”, so Schneider. Manchmal ist auch die Finanzierung ein Problem, denn Krankenkassen leisten oftmals nur Zuzahlungen. Deshalb empfiehlt die Zahnärztin an eine Zusatzversicherung zu denken. Bei manchen Indikationen, wie der Feststellung einer Quecksilberallergie z.B., wird der Einsatz von Kunststoffen von Krankenkassen übernommen. Erfahrungsgemäß entscheiden sich die meisten ganzheitlich orientierten Patienten für Zahnersatz aus Keramik, der einzementiert wird, so Schneider.
Fluorid-Verwendung
In der zahnmedizinischen Fachliteratur wird Fluorid unisono angepriesen. Die Idee ist, einen Zahnschmelz-Härter einzusetzen, der vorbeugend vor Karies schützt. Das Fluorid mineralisiert bzw. härtet den Zahnschmelz. Naturheilkundlich orientierte Ärzte, Heilpraktiker oder Zahnärzte widersprechen dem Einsatz von Fluoridisierungs-Maßnahmen, ob nun im Trinkwasser oder als Zusatz von Zahncremes. Sie gehen davon aus, dass bei Karies-Entstehung eine Dysbiose – also die Lebensumgebung für Bakterien im Mundraum gestört ist. Meistens kann davon ausgegangen werden, dass nicht nur eine Dysbiose der Mundschleimhäute vorliegt, sondern z.B. auch die Darmschleimhäute betroffen sein können. Vor allem Kinderärzte wenden sich vehement gegen die Anwendung von Fluor, weil sie es für ein zu starkes, für die Entwicklung des Kindes schädliches Element halten.
Naturheilkundlich Orientierte werden Dysbiosen mit naturheilkundlichen Konzepten ursächlich behandeln. Homöopathie (Kinder sprechen besonders darauf an), Mikrobiologische Therapien, Neuraltherapie, Bioresonanz-Therapie, Kolon-Hydrotherapie, Elektroakupunktur nach Voll beispielsweise.
Kaugummi, Xylit
Nach dem Essen können zuckerfreie Kaugummis (Reformhaus) helfen, ein Gefühl der Frische im Mund zu erzeugen. Außerdem steigern sie den Speichelfluss, welcher einen selbst reinigenden und regenerierenden Effekt im Mundraum bildet. Das Kauen fördert zudem eine kräftige Kaumuskulatur und damit die Stabilisierung der Kiefernknochen und der Festigkeit der Zähne. Für jene, die an zu geringer Speichelbildung leiden, ist Kaugummi kauen eine der wirksamsten, natürlichen Gegenmaßnahmen. Xylit, sogenannter Birkenzucker, enthält weniger Zucker als Haushaltszucker und wird als Zuckeraustausch-Stoff verwendet. Seit einigen Jahren werden Xylit-haltige Zahncremes, Mundwässer, Bonbons und Kaugummis beworben. Xylit regt wie das Kauen selbst, die Speichelproduktion an. Im Unterschied zu zuckerfreien Kaugummis, fördern Produkte mit Xylit eine ReMineralisierung der Zahnsubstanz durch Bildung von Kalzium und Speicheleiweißen, was als eine vorbeugende Maßnahme gegen Karies beworben wird.
Kraniomandibuläre Dysfunktion”/CMD
Auf der Grenze zwischen naturheilkundlich-ganzheitlicher Zahnheilkunde und Schul-Zahnmedizin befindet sich das wichtige Diagnoseverfahren der “manuellen Funktionsdiagnostik”. Hiermit versuchen entsprechend qualifizierte Zahnärzte die Ursachen für die vielen möglichen körperlichen Folge-Symptome und Fernwirkungen einer gestörten Kaufunktion herauszufinden (“kraniomandibuläre Dysfunktion”/CMD, “temporomandibuläre Dysfunktion”/TMD). Das können chronische Kopfschmerzen, Migräne, Tinnitus, Schwindel, Herzrhythmusstörungen, Brustschmerzen, Schluckbeschwerden, Schlafprobleme und anderes mehr sein. Die einfühlsame manuelle Untersuchung von Kopf und Kauapparat zeigt bei vielen Patienten rasch die eigentlichen Ursachen ihrer chronischen Beschwerden im Kauapparat. Manchmal reichen dann einfachste Korrekturen an den Zähnen oder individuelle Aufbissschienen aus, um die Beschwerden bald zu beenden. Aus naturmedizinischer Sicht beeindruckend ist die Rückkehr vieler sehr mechanistisch ausgebildeter Zahnmediziner zu der ursprünglichsten aller ärztlichen Tätigkeiten – der Be-Handlung, also zu dem Einsatz der eigenen Sinne und Hände bei der Therapie ihrer Patienten.
Kreidezähne
Seitdem die Karies bei Kindern allmählich zurückgegangen ist, breitensich fast epidemisch die sogenannten “Kreidezähne”(Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation, MIH) in Deutschland aus. Jedeszehntes Kind ist betroffen [1], manche Fachgesellschaften sprechen sogarvon 30 Prozent und nennen die MIH eine “neue Volkskrankheit” [2]. Diebetroffenen Zähne verändern ihre Farbe (von kleinen cremefarbenen übergrößer werdende braune und gelb-braune bis hin zu großengelblich-braunen Arealen im gesamten Zahnbereich. Zudem ist der Schmelzdieser Zähne weicher und poröser. Das führt häufig zum Abplatzen derbetroffenen Areale schon früh beim Zahndurchbruch. MIH-Zähne sindoftmals stark temperatur- und berührungsempfindlich. Dadurch werdenalltägliche Aktivitäten wie Zähneputzen oder Essen und Trinkenschmerzhaft. Dies führt auch dazu, dass MIH-Zähne deutlichkariesanfälliger sind als gesunde Zähne und meist schon frühzeitigzahnärztlich behandelt werden müssen. Die Ursache ist bis heute einRätsel, auch für die meisten Naturmediziner. Angeschuldigt werdenallgegenwärtige Kunststoff-Weichmacher (Bisphenole), Antibiotika,Erkrankungen oder Vitalstoffmangel. Da es keine Vorbeugung der Seuchegibt, beschränkt sich die Behandlung derzeit auf Reparatur vonZahnschäden oder sogar das Ziehen von Zähnen. Bei Erwachsenen hilft auchdie Überkronung betroffener Zähne.
Zuckerfreie und gesunde Ernährung
Karies entsteht nachweislich besonders gut bei einer Ernährung mit industriell hergestellten (Fast Food, Süßigkeiten) oder vorverarbeiteten Lebensmitteln (Fertignahrung). Naturheilkundlich Orientierte plädieren deshalb für das Weglassen derselben. Eine Ernährungsumstellung auf zuckerfreie, natürliche und gesunde Ernährung mit frischem Obst, Gemüse, Vollkorngetreide hat Vorteile für die Gesundheit allgemein. Seit dem amerikanischen Human Microbiome Project wurde mit der Sequenzierung und Charakterisierung der Mikroorganismen klar: Der Mensch ist ein Superorganismus. Er lebt mit tausenden von Bakterienstämmen – schädlichen, wie gesundheitsfördernden – zusammen. Eine schädlich zusammengesetzte oder unterernährte Darmflora (Gesamtheit aller Darmbakterien) kann zu Funktionsstörungen (Verstopfung), Krankheiten (Diabetes mellitus, Reizdarm, Fettstoffwechsel-Störungen), Fettsucht (Adipositas) neurologische wie psychiatrische Erkrankungen führen. Im Umkehrschluss ist über eine gesunde Ernährung eine positive Beeinflussung gesundheitsförderlicher Darmbakterien sinnvoll. Die Mikroökologie des Darmes spielt in der Naturheilkunde seit Langem eine zentrale Rolle wegen der Stärkung der körpereigenen Immunabwehr. Darmsanierungen nach FX Mayr, Grundregulation, Entgiftungs- und Entschlackungskonzepte stehen deshalb nach wie vor hoch im Kurs.
Sinnvolle Heilpflanzen
Heilpflanzen sind heilsam, wenn sie Arzneimittel-Qualität haben. Entzündungen im Mund- und Rachenbereich sind mit Kamillenblüten (Matriciae flos), Arnikablüten (Arnicae flos) oder Salbeiblättern (Salviae folium) behandelbar. Sie wirken entzündungshemmend, antibakteriell, antiviral. Die Heilpflanzen können als Tee mehrmals täglich neu angesetzt werden (1 Esslöffel auf 150 Milliliter Wasser, aufbrühen, 15 Minuten abgedeckt ziehen lassen, abseihen), um warm damit zu spülen oder zu gurgeln.
Myrrhe (Myrrha): Als unverdünnte Tinktur für Pinselungen bei Zahnfleischentzündungen, Prothesendruckstellen oder Zahnextraktionswunden.
Gewürznelken (Caryophylli flos) können zur lokalen Schmerzstillung von Zahnschmerzen verwendet werden. Eine ganze Gewürznelke wird auf den schmerzenden Zahn gelegt und gekaut. Ersatzweise kann unverdünntes Gewürznelken-Öl (min. 30%) als Tinktur aufgetragen werden.
Die Walnuss der Bachblüten-Therapie kann ebenfalls bei Zahnschmerzen helfen.
Zahnschmerzen sind ein Warnhinweis. Eine zügige Abklärung durch den Zahnarzt ist sinnvoll – und vertreibt die Ursache des Schmerzes.
Autorin
• Marion Kaden, Natur & Heilen (2019).
Quellen
[1] Petrou MA, Giraki M, Bissar AR, Wempe C, Schäfer M, Schiffner U, Beikler T, Schulte AG, Splieth CH: Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH): Prävalenz und Therapiebedarf in Deutschland. Dtsch Zahnärztl Z. 2014;69:647–50.
[2] Pressekonferenz “Deutsche Gesellschaft für Präventivzahnmedizin” (DGPZM): Neue Volkskrankheit: MIH hat Karies in bestimmten Altersgruppen schon überholt. Berlin, 24. Mai 2018.
weitere Infos
• Gesunde Zähne ein leben lang