Flachs, die Faser des zur Gattung Linum aus der Familie der Linazeen gehörenden gemeinen es (Linum usitatissimum L.,), der schon im alten Ägypten angebaut wurde, während in der jüngern Steinzeit nur das im Mittelmeergebiet heimische L. angustifolium Huds. mit aufspringenden Kapseln und kleinern Samen bekannt war. Man unterscheidet: Schließ- oder Dreschlein (L. vulgare Boennigh.), mit nicht aufspringenden Samenkapseln, hohem, wenig verästeltem Stengel und minder seiner und weicher Faser. vorzüglich in Rußland, Norddeutschland, Österreich, Belgien, Holland und England angebaut; Spring- oder Klanglein (L. crepitans Boennigh.), dessen Kapseln aufspringen, mit kürzerm, ästigerm Stengel, größern Blättern, Blüten und Samenkapseln, feinerer, weicherer, aber kürzerer Faser, etwas hellerm und ölreicherm Samen und von kürzerer Vegetation als der Schließlein, häufig in Süddeutschland kultiviert; weiß blühender, auch amerikanischer Lein (L. americanum album), wird selten gebaut. Winterlein, vorzüglich in Italien, Südfrankreich, Spanien, Algerien und Ägypten angebaut, bleibt im Stengel kurz, bringt aber reichlich Samen. Im Handel erscheinen vorzüglich die Dreschleinsorten: Pernauer, Pskower, Wiedauer, Libauer und Rigaer, auch unter dem Namen russischer, Liv- oder Kurländer, in Tonnen verpackt als “Tonnenlein”, in Säcke verpackt als “Sacklein”, ferner Zeeländer, Tiroler und rheinländischer Lein. Der Rigaer und der Zeeländer Lein werden vielfach zur Frühsaat benutzt, während bei Spätanbau der Wiedauer dient. Kronen- oder Rosenlein bezeichnet keine eigne Sorte, sondern nur den aus eingeführten Originalsamen gezogenen Säelein, auch “einmal gesäter” Lein genannt.
Flachsbbau
Der F. gedeiht am sichersten in feuchtem, kühlem Klima, bei Trockenheit bleibt er kurz im Stengel, Kälte verträgt er in seiner Jugend nur bei kräftiger Entwickelung. Zu seiner vollständigen Vegetation braucht er 84–120 Tage. Er wird vorzüglich in ganz Europa, Ägypten, Algerien, Australien, Ostindien angebaut. Die klimatischen Verhältnisse haben einen weit größeren Einfluß auf die Qualität und Quantität des geernteten es als die Bodenbeschaffenheit. Unter dem Einfluß des Seeklimas in den Ostseeprovinzen Rußlands, in Belgien, Holland und vor allem in Irland werden die wertvollsten e gezogen; die feinsten Gewächse erhält man auf humosem Lehmboden; Tonboden und dürrer Sand sagen dem F. nicht zu. Gewöhnlich baut man den F. nach frisch umbrochenem Rotklee oder einer Grünfutterpflanze, häufig auch nach Getreide oder gut gedüngter Hackfrucht. Nach sich selbst versagt er (Leinenmüdigkeit), weshalb er nur alle 7–9 Jahre auf dasselbe Feld wiederkehren darf. Frischer Stallmist ist zu vermeiden, derselbe ist zur Vorfrucht zu geben. Vorzüglichen Erfolg hat das Überfahren mit Jauche und Latrine sowie das Überstreuen von Kompost, Holzasche, Kainit. Die Vorbereitung muß gartenmäßig gegeben werden, besonders um gleichmäßigen F. zu erhalten. Als Saatgut dient teils im Samenwechsel bezogener Original‑, teils selbstgezogener Same. Alter, zwei- auch dreijähriger Same wird oft vorgezogen, da er bessern Bast liefern soll; zu demselben Zweck wird der Same vor der Aussaat nicht selten bei 30° gedörrt. Zum Reinigen der Saatfrucht dient die Leinsamenklapper und Drahtsiebe mit zwölf Maschen auf 2,5 cm. Die Aussaat erfolgt möglichst frühzeitig. Um gleichmäßigen Stand zu erhalten, sät man breitwürfig oder auf 12 cm gedrillt der Länge und Quere des Feldes nach. Der Same wird angewalzt oder bei Breitsaat mit dem Rechen eingeharkt. Der Samenaufwand beträgt bei Basterzeugung 200 kg, bei Samenzucht 100 kg und bei Gewinnung des Länderes 300 kg pro Hektar. Ist der F. 6,5 cm hoch, so wird gejätet. Feinde des es sind: Erdflöhe, die Raupe der Gammaeule (Plusia gamma), Engerlinge, der knotenwickler (Conchylis epilinana), seide (Cuscuta epilinum) und verschiedene Unkrautpflanzen sowie ein Rostpilz (Melampsora lini), der den Brand (Firing oder Feuer) verursacht. Sobald das untere Drittel der Stengel gelblich geworden und die Blätter abgefallen sind, wird der F. gerauft; nur bei Samengewinnung wartet man die Hartreife ab. Beim Raufen des es beginnt schon das Sortieren nach Länge, Stärke und Reise der Stengel, die dann auf dem Feld ausgebreitet werden. Die auf dem Feld ausgebreiteten Stengel bleiben meist so lange liegen, bis sie lufttrocken sind; besser stellt man sie nach dem Ziehen in Hocken oder kleinen Kapellen auf. Lufttrocken geworden, werden die Samenkapseln (Leinknoten) abgedroschen, besser mit der Riffel, Riffelbank, einem eisernen Kamm, abgeriffelt oder abgebottet. Den vom lufttrocknen F. abgelösten Samen läßt man bis zum Verbrauch in den Samenkapseln liegen; die grün abgeriffelten Bollen werden auf einem Tuch ausgebreitet und der Sonne ausgesetzt, getrocknet, gereinigt und in Fässern gut verpackt.
Quelle
Meyers Großes Konversations-Lexikon (Sechste Auflage). Ein Nachschlagewerk des allgemeinen Wissens. Sechste, gänzlich neubearbeitete und vermehrte Auflage. Mit mehr als 16,800 Abbildungen im Text und auf über 1500 Bildertafeln, Karten und Plänen sowie 160 Textbeilagen. Leipzig und Wien: Bibliographisches Institut, 1905–1909 (Infos).