Botanisches:
Der in den südlichen Staaten des atlantischen Amerikas vorkommende Schlingstrauch trägt lanzettliche Blätter und zeichnet sich durch große, blattachselständige, trichterförmige, leuchtend gelbe, wohlriechende Blüten aus. Diese bestehen aus einem fünfspaltigen Kelch, einer trichterichen, sehr weiten fünfspaltigen Krone und fünf Staubgefäßen. Seine längliche Frucht zerfällt in zwei an der Spitze zweiklappige Teilfrüchte mit vielen geflügelten Samen.
Geschichtliches und Allgemeines:
In der Heimat der Pflanze wird der Wurzelstock seit langem vom Volke als beruhigendes und schmerzlinderndes Mittel geschätzt. Erst 1852 wurde auch die Aufmerksamkeit der Ärzteschaft auf das Mittel gelenkt durch eine Veröffentlichung von Praeter, der es gegen Gesichtsneuralgien lobte. Rhiz. Gelsemii wurde nun häufig empfohlen, so z. B. von Jurassy gegen Neuralgien, von Gray und Hall gegen Husten, von Gubler gegen fieberhaften Rheumatismus und Dysmenorrhöe, von anderen Autoren gegen Fieber, Wundstarrkrampf, Husten, Starre des Gebärmutterhalses und Überempfindlichkeit der Harnblase. Wie Leclerc berichtet, verdankt die Pflanze ihren Beinamen “elektrisches Fiebermittel” folgender Geschichte: “Ein Kranker, der an sehr heftigem Gallenfieber litt, erhielt irrtümlicherweise einen Gelsemiumwurzelstockaufguß. Er wurde gelähmt und verlor das Bewußtsein. Als aber das Koma schwand, erhob er sich und war gründlich geheilt.”
Aber nicht alle Veröffentlichungen enthielten ein positives Urteil über Gelsemium. Eine große Anzahl von Ärzten sah in ihm nur ein starkes Gift, das schwere Schädigungen, ja selbst den Tod herbeiführen könne, und lehnte den therapeutischen Gebrauch vollständig ab. Erst eingehende chemische und pharmakologische Untersuchungen, die zur genaueren Festlegung der Dosierung führten, verhalfen diesem Heilmittel wieder zu größerem Ansehen in der medizinischen Welt.
Vergiftung durch Gelsemium hat oft bei Erwachsenen, noch häufiger bei Kindern, durch Lähmung der Respirationsorgane zum Tode geführt. Näheres über Vergiftungen mit Gelsemium berichtet Prof. Reko in seinem Buche “Magische Gifte”. Danach erstarren die Vergifteten bei vollkommen erhaltenem Bewußtsein mit offenen Augen, können sich nicht rühren und erfassen doch vollkommen klar alle Vorgänge in ihrer Umgebung. Dieser kurz vor dem Tode auftretende typische Gelsemiumtetanus hat bei den Othomi-Indianern zur Bezeichnung der Gelsemiumwurzel mit Bé‑í (d. h. Aufhören aller Bewegung) und des aus ihr hergestellten Gifttrankes selbst mit Bebo-sito (d. h. gläserner Sarg) geführt. Bei den Indianern der Südstaaten der USA. soll auch heute noch dieser Gifttrank zu Gottesurteilen und Racheakten Verwendung finden. Sehr häufig sind auch Vergiftungen infolge von Versetzen von Schnaps mit Gelsemiumwurzeln vorgekommen. So trat z. B. 1932 in Topolobampo, Staat Sinaloa, nach dem Genuß eines solchen Schnapses eine Massenvergiftung ein, in derem Verlaufe 32 Leute starben und etwa 100 wochenlang schwer krank waren. Die Wurzel soll auch als Fischgift verwendet werden. Die Giftigkeit für Fische ist ein Test zur Qualitätsbestimmung der Tinkturen und Auszüge.