Lehrbuch der biologischen Heilmittel
Monographie Rosa centifolia und Rosa damascena (Seite 2 von 4)
Botanisches:
Rosa centifolia ist im Orient heimisch und wohl von Persien und Babylonien über Ägypten nach Altgriechenland und Altitalien gelangt und seitdem in vielerlei Formen gezüchtet worden. Sie bildet einen 1–3 m hohen Strauch mit kahlen, bräunlichen Ästen. Während die jungen grünen Ästchen nur mit kleinen Stacheln besetzt sind, tragen die größeren Zweige zahlreiche stärkere und schwächere Stacheln. Diese sind schwach zurückgebogen, an ihrer Basis breit und seitlich zusammengedrückt. Die Blätter stehen auf drüsig-borstigen Stielen, die fast stachellos sind. Die Blätter sind gefiedert. Die oberen bestehen aus drei, die unteren meist aus fünf, zuweilen aus sieben Blättchen. Diese sind eiförmig oder elliptisch-oval und unterseits weichhaarig. Der Rand ist einfach gesägt und drüsig. Die nickenden Blüten stehen zu zwei bis drei auf ziemlich langen Stielen, die wie der Kelch mit gestielten roten Drüsen besetzt sind. Die Staubgefäße und die äußeren Fruchtblätter sind zu Kronenblättern umgewandelt, wodurch die Blüte “gefüllt” ist. Die Farbe der Blüten ist milchweiß oder rosarot bis purpurrot. Die eiförmigen Scheinfrüchte gelangen meistens nicht zur Ausbildung, da der Unterkelch nach dem Verblühen rasch verwelkt und abfällt. Um den Wohlgeruch der Blüten zu erhöhen, wurde früher neben die Rose Knoblauch gepflanzt. Blütezeit: Juni.
Rosa damascena hat im Unterschied zu R. centifolia zahlreiche und starke Stacheln, die sich auch an den Blattstielen finden. Ihre Knospen sind länglich, während die der R. centifolia eiförmig sind. Die Kelchröhre ist verlängert und die Kelchzipfel sind zurückgeschlagen. Auch sie hat im Orient ihre Heimat.
Geschichtliches und Allgemeines:
Die Kultur der Rose, der Königin der Blumen, wie schon Sappho sie nennt, hat wohl mit den Indogermanen aus deren Urheimat ihren Triumphzug über die Erde angetreten. Unzählige antike Sagen knüpfen sich an ihre Entstehung. Nach einer Überlieferung soll die Rose als Überbleibsel des ersten Morgenrotes auf der Erde zurückgeblieben, nach einer anderen zugleich mit Aphrodite dem Meerschaum entsprossen sein. Jedenfalls hat die Schönheit und Anmut der Blüten schon in ältester Zeit die Bewunderung und Aufmerksamkeit der verschiedenen Völker erregt und auch die Verwendung der Blütenblätter zu kosmetischen, diätetischen und medizinischen Zwecken veranlaßt. In Persien wurden Rosengärten (gulistane) schon im frühesten Altertum gehalten. Chinesische und Sanskrit-Schriften wissen von dem Wohlgeruch der Blüten viel zu berichten, und das durch Vermengung der Blätter mit Fett gewonnene Rosenöl spielte im Religionskultus bei Balsamierungen aller Art eine große Rolle. So berichtet bereits die Ilias, daß Aphrodite den Leichnam Hektors mit Rosenöl salbte. Bei den Ägyptern galten die Rosen als Universalmittel. Herodot, der von einer sechzigblätterigen Rose, vermutlich der Rosa centifolia, schreibt, rühmt die wundervollen Rosengärten des Königs Midas in Thrakien. Der Name Rosa centifolia findet sich zuerst bei Theophrast und Plinius. Bei den griechischen und römischen Ärzten galten die Rosen als kühlendes und adstringierendes, daher austrocknendes Mittel. Dioskurides empfiehlt die Abkochung der trockenen, in Wein gekochten Blätter gegen Kopf‑, Augen‑, Ohren‑, Zahnfleisch‑, After- und Gebärmutterschmerzen und gibt genaue Anweisung zur Herstellung eines Rosenöles (nicht des destillierten Öles, sondern eines stark aromatisierten fetten Öles) und von Rosenpastillen. Nach Celsus wurde das Rosenöl besonders gegen Gebärmutterleiden zur Herstellung von Mutterzäpfchen verwendet. Der arabische Rhazes bezeichnete den Rosenhonig als Antiaphrodisiakum. Der zu Anfang des 12. Jahrhunderts in Konstantinopel lebende Arzt Johannes Actuarius ist einer der ältesten Schriftsteller, der das destillierte Rosenwasser erwähnt. Er empfahl es gegen Augenkrankheiten und den Rosenölzucker als innerliches Hilfsmittel. Eine Abscheidung von Rosenöl und Rosenwasser wurde in Europa erst nach 1580 durch Rossi und Porta bemerkt. Berühmt waren nach Athenaeus die Rosen von Samos, welche zweimal im Jahre blühten und wohl mit der Rosa damascena identisch sind. Bis in das 17. Jahrhundert hat Persien den Handel mit Rosenwasser und Rosenöl beherrscht. Sehr rasch verbreitete sich dann die Rosenkultur und Rosenindustrie nach Indien, Arabien, Tunis, Algier, Marokko, Kleinasien, Bulgarien und nach der Türkei. In Frankreich und Deutschland begann die Kultur der Rosen zur Gewinnung des Öles (von Rosa damascena) erst im 19. Jahrhundert.
Die Blumenblätter von Rosa centifolia, Petala Rosae centifoliae, die auch heute noch in der Volksheilkunde bei Diarrhöe, Ruhr, Bluthusten und Lungenleiden gebraucht werden, decken hauptsächlich den deutschen medizinischen Bedarf an Rosenblättern, während die Petala Rosae damascenae in Frankreich gebräuchlich sind. Aus den pulverisierten Blütenblättern wird ein Kinderpuder hergestellt.