Gerne würde das „Qualitäts“-Magazin „Spiegel“ homöopathische Arzneimittel, Bachblüten-Präparate und so manches andere als „Scheiß des Monats“ bezeichnen. Denn, so der Spiegel am 10. September 2014, nur Produkte mit „belegter Wirkung“ sollten in den Apotheken verkauft werden. Der Bundesgerichtshof sieht das in einem gerade ergangenen Grundsatzurteil deutlich anders (BGH, Urteil vom 24.7.2014 – Az. I ZR 221 / 12).
Ausgangspunkt war der Versuch eines Hersteller alkoholfreier Bachblüten-Hersteller einer Apothekerin den Verkauf von alkohlhaltigen Bachblüten-Tropfen zu verbieten. Sein Argument: Bei den von der Apothekerin in den Handel gebrachten alkoholhaltigen Bach-Präparaten handele es sich um Spirituosen. Also um Produkte, die nicht der Gesundheit dienen oder für diese förderlich seien. Solche Spirituosen nun, so sage die zum Zeitpunkt der Klage gültige Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO), dürften in Apotheken gar nicht verkauft werden.
Da hatte der Kläger die Rechnung aber ohne den Wirt gemacht! Die BGH-Richter fanden nämlich, dass es sich bei den Produkten durchaus um Mittel handele, die zumindest mittelbar der Gesundheit von Menschen dienen. Abgesehen von ihrer Tauglichkeit in gesundheitlicher Hinsicht sollten apothekenübliche Mittel im Sinne der ApBetrO einen über die allgemeinen Ernährungszwecke hinausgehenden besonderen Gesundheitsbezug aufweisen. Das setze voraus, dass ein Produkt dazu bestimmt ist, der Gesundheit unmittelbar – also selbst – oder mittelbar – das heißt im Zusammenwirken mit weiteren Umständen – zu dienen oder sie zu fördern, so erklärt das Gericht. Dabei sei eine wissenschaftlich belegbare Gesundheitswirkung nicht erforderlich.
Ungeachtet dessen, dass die medizinische Wirksamkeit von Bachblüten-Präparaten wissenschaftlich nicht gesichert sei und die Bachblüten-Therapie mangels empirischer Anhaltspunkte für ihre Wirksamkeit nicht auf rationalen Erwägungen beruhe, seien sie dazu bestimmt, mittelbar der Gesundheit durch die Beseitigung seelischer Disharmonien zu dienen, führten die Richter weiter aus. Bei diesem Argument dürften allen Verkäufern von Bachblüten-Produkten die Freudentränen in die Augen geschossen sein. Die Alkoholmenge sei im übrigen irrelevant, da sie viel zu gering sei. Zudem bieten viele Apotheken hochprozentige Heilkräuter-Destillate an, einige davon sogar als Arzneispezialität registriert.
Das Urteil ist auch in Bezug auf die Schüßler-Bicomplex-Präparate von großem Interesse. Diese Präparate, zum Beispiel das Herzmittel (DHU Bicomplex 12), sind zwar als Arzneimittel zugelassen („registriert“), anders als die Bachblüten-Präparate. Diese werden in Deutschland als lediglich Lebensmittel klassifiziert und unterliegen dem Lebensmittelrecht. Beide Präparategruppen – DHU-Bicomplexe und Bachblüten-Präparaten – haben jedoch gemeinsam, dass die wissenschaftliche Belegbarkeit ihrer behaupteten Wirkungen weitgehend fehlt.
Der BGH bremst nun wissenschaftshörige Beamte, Health Professionals oder Medienvertreter (siehe oben) aus, und betont, dass die gesundheitspflegende Bestimmung eines Mittels, also der eigentliche Sinn und Zweck jeden Medikamentes, mitentscheidend für in der Apotheke verkaufte Produkte sei. Eine ähnliche Umdeutung des Wirkungsbegriffes hatte auch das Bundesverwaltungsgericht schon vorher versucht: Produkte, die unabhängig von ihrer vorhandenen oder fehlenden Wirkung, mit einer Zweckbestimmung verkauft würden, seien in jedem Fall Arzneimittel (in diesem Fall Präsentations-Arzneimittel genannt). DHU-Schüßler-Bicomplexe oder andere Präparategruppen der Komplementärmedizin dürften durch diese Rechtssprechung einen arzneimittelrechtlich wesentlich sicheren Stand als zuvor haben. Auch die Anwenderinnen und Anwendern solcher vor allem für die Selbstbehandlung gedachten Präparate-Serien wie die DHU-Bicomplexe wird dies freuen.
Autor
• Rainer H. Bubenzer, Gesundheitsberater, Berlin, September 2014.