Ein Trostbuch für Schlaflose und Nervöse
von
Dr. med. Konrad Grams
biochemischer Arzt und Arzt für Seelenleiden
aus der Reihe: Die biochemische Hausbibliothek Nr. 3
Regensburg 1922
Engelapotheke Regensburg
J. Sonntag
Homöopathisches Medizinal- und Exportgeschäft J. Sonntag. Verlagsbuchhandlung. Regensburg.
Meiner Tochter Ilse gewidmet.
Dr. med. Konrad Grams.
Inhaltsverzeichnis:
- Die Heilung der Schlaflosigkeit
- An die große Gemeinde der Schlaflosen
- Allgemeines
- Der gesunde Schlaf
- Wie lange soll der Schlaf dauern?
- Erholung im Schlafe
- Vom Wesen des Schlafes
- Das große Geheimnis, einzuschlafen, liegt also in der Blutzirkulation
- Schlaf ist wichtiger als Nahrung
- Der ungesunde Schlaf und seine Wirkung auf den Körper und das Seelenleben
- Ursachen der Schlaflosigkeit bei Neurasthenie
- Schlafmittel
- Die Gedankenbeherrschung
- Wie kommt man zur Gedankenbeherrschung?
- Die Fertigkeit, nach Belieben einzuschlafen
- Nervenmassage
- Die Biochemie und Biochemische Nährsalze
- Nerventee
- Die galvanische Behandlung
- After_Sitzbad
- Klystier
- Behandlung und Heilung
- Ein gut Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen
An die große Gemeinde der Schlaflosen.
Ich gehörte auch einstmals der großen Gemeinde der Schlaflosen an; doch das ist schon sehr lange her. Heute habe ich einen festen, ruhigen und gesunden Schlaf. Diesen ruhigen Schlaf kannst du, lieber Schlafloser, auch wieder haben, wenn du willst. Ja, es gehört Wollen und Können dazu, wie ich in den einzelnen Kapiteln dieses Buches näher ausgeführt habe. Viele Patienten, die mich wegen der verschiedensten Seelenleiden aufsuchten und deren größte Beschwerde die Schlaflosigkeit war, konnten geheilt werden nach Beseitigung der seelischen Hemmungen.
Versuche, lieber Schlafloser, nach den Anweisungen zu handeln, du wirst dann den ersehnten Schlaf wieder finden. Sollte es dir trotzdem nicht gelingen, so wende dich in deiner seelischen Not an einen Seelenarzt.
Mit dem Wunsche, daß dieses Büchlein wirklich ein Trostbuch für Nervöse und Schlaflose sein möchte, übergebe ich es der Gemeinde der Schlaflosen.
Berlin NO 43, im Mai 1922.
Georgenkirchstr. 46
Dr. med. Konrad Grams,
biochemischer Arzt
und Arzt für Seelenleiden.
Allgemeines.
Schlaflosigkeit ist höchst selten eine Krankheit für sich, sondern meist das Symptom irgend einer anderen Krankheit. Am häufigsten jedoch ist die Schlaflosigkeit eine Begleiterscheinung der allgemeinen Nervenschwäche und anderer nervöser Leiden. Die Behandlung der Schlaflosigkeit erfordert nicht nur die genaue Kenntnis der Ursachen, sondern vor allein aber Geduld und Herzensgüte des Behandelnden, vom Kranken aber unbedingtes Vertrauen. Viele Schlaflose, bei denen die Ursache der Schlaflosigkeit im Geistes- und Gemütsleben liegt, bedürfen oft des Trostes, des Zuspruches, der Erheiterung, der Stärkung und Zuversicht. Nur der Arzt, der dem Schlaflosen nicht nur Arzt, sondern auch Freund und Tröster ist, wird hier ungeahnte Erfolge erzielen.
In den folgenden Blättern werde ich zeigen, wie. leicht oft der Schlaf wieder zu erzielen ist, wenn anscheinend alles vergeblich war. Aber ärztliche, hauptsächlich aber seelenärztliche Beratung wird man bei einem anscheinend so einfachen Leiden, wie es die Schlaflosigkeit ist, nicht entbehren können.
Der gesunde Schlaf.
Der Schlaf ist jedem Lebewesen ein Bedürfnis. Denn in der Zeit des Wachens, der Tätigkeit verbraucht das Gehirn und der Körper Kräfte, aber während des Schlafes erholt sich das Gehirn wieder, welches bei gesundem Schlafe vollständig untätig ist.
Dräseke schreibt: „Der Schlaf ist Beleber jeder Kraft, Belohner jeder Mühe, Besänftiger jedes Schmerzes, und der Dulder sucht Trost in seinen Armen. Im Schlafe ist Vergessenheit des Elends wie im Tode.“
Und Young ruft aus:
„O süßer Schlaf, balsamischer Erquicker
Der müden Schöpfung, wie die Welt, besucht
Er willig alle, die das Glück umlacht —
Verläßt das Elend, flattert schnell von Leiden
Auf seinem Flaumgefieder fort und senkt
Auf Wimpern sich, die keine Zähre trübt.“
Und was diese und noch viele andere Dichterstimmen am Schlafe loben und preisen, das gewährt in der Tat dieser Heiler aller Wunden. Nichts bringt so herunter wie schlaflose Nächte, nichts erschöpft mehr wie Schlafentbehrung. Davon weiß jeder Kranke zu erzählen, darüber wüßte ich selbst ein Lied zu singen. Und solange der Schlaf, der Schlummer den Kranken meidet, so weit ist auch eine Genesung in die Ferne gerückt. Eine einzige vom Schlafe wohltätig umfangene Nacht ist das beglückende Hoffnungszeichen, eine frohe Aussicht auf die Wiedergewinnung der verlorengegangenen Gesundheit. (Schmidtbauer, Angenheilkunde.)
Die physiologische Tätigkeit der Körperzellen, die Verarbeitung der Nahrungsstoffe, der Auf- und Abbau geht nur langsam vor sich, aber die psychische Tätigkeit ruht. In dieser Körper- und Geistesruhe wird dem Körper wieder neue Kraft zugeführt, damit er nach dem Erwachen sein Tagewerk mit Rüstigkeit fortsetzen kann. Darum ist auch das Schlafen in guter, sauerstoffreicher Luft eine Notwendigkeit. Hiermit ist aber nicht gesagt, daß man nun auch im Winter bei ständig offenem Fenster schlafen soll.
Das Schlafen bei offenem Fenster ist wirklich gesund, kann aber auch ungesund sein. Darum möge hier die Frage erörtert werden: „Wie sollen wir es halten mit dem Schlafen beim offenen Fenster, damit wir stets reine Luft atmen?“ Reine, das heißt frische Luft atmen wir nur, wenn die Lust bewegt ist. Eine ständige Luftbewegung findet aber stets in unseren Zimmern statt. Denn die Wände, Türen und Fenster sind porös, so daß die Luft hindurchdringen kann. Eine Luftbewegung findet aber nur dann statt, wenn zwischen der Zimmerluft und der Draußenluft ein Temperaturunterschied besteht.
Würden wir im Winter im ungeheizten Zimmer bei offenem Fenster schlafen, so würde kein Temperaturunterschied der Luft, mithin auch keine Luftbewegung und damit zusammenhängende Lufterneuerung stattfinden. Aus diesem Grunde kann ich das Schlafen bei offenem Fenster im Winter nicht anraten.
Wenn man sich auch im Bett, selbst in dem kältesten Schlafraum, nicht erkältet, so kann man sich doch sehr leicht beim Aufstehen morgens aus dem warmen Bett womöglich noch mit schwitzendem Körper eine gefährliche Erkältungskrankheit zuziehen. Es genügt vollständig, wenn im Winter das Schlafzimmer kurz vor dem Schlafengehen eine halbe Stunde gelüftet wird. Dagegen sollte im Sommer das Fenster während der ganzen Nacht offen sein.
Wie lange soll der Schlaf dauern?
Es läßt sich hierfür keine feste Norm angeben. Die Dauer des Schlafes richtet sich stets nach dem Alter und dem Schlafbedürfnis des einzelnen. Säuglinge verschlafen fast den ganzen Tag. Im allgemeinen sollen Kinder bis zu sieben Jahren auch am Tage schlafen oder mindestens abends früh schlafen gehen. Kinder brauchen natürlich mehr Schlaf wie Erwachsene, und doch habe ich in meiner Praxis übernervöse Kinder kennen gelernt, die nachts einen sehr unruhigen und kurzen Schlaf hatten. In späteren Jahren kann man mit 7–9 Stunden Schlaf auskommen. Wer jedoch im höheren Alter auch noch neben dem ruhigen Nachtschlaf bei Tage einige Stunden schlafen kann, der ist glücklich zu schätzen.
Größere körperliche und geistige Anstrengungen erfordern natürlich mehr Schlaf, ebenso ist es mit geschwächten und kranken Personen. Alle Mittel, die das Einschlafen hindern, wie aufregende Lektüre, geistige Getränke, schwer verdauliche Speisen usw., sind kurz vor dem Schlafengehen zu meiden.
Bei der Beurteilung des Schlafbedürfnisses kommt nicht nur die Länge der Schlafzeit, sondern auch besonders die Tiefe des Schlafes in Betracht. Bei anstrengender körperlicher und geistiger Tätigkeit kann ein Ausgleich der verbrauchten Energien nur durch eine genügend lange Dauer und Liefe des Schlafes erreicht werden. Trotzdem finden aber gerade Nervöse nach geistiger und körperlicher Übermüdung keinen Schlaf, sondern sie werden immer reger. Auf die Dauer kann aber der Körper diese Verringerung an Schlaf und Überarbeitung nicht ertragen. Die Natur läßt sich nicht betrügen, sie verlangt die nötige Menge Schlaf.
Besonders bedarf das Gehirn der Ruhe, denn es ist erwiesen, daß bei Schlaflosigkeit dieses am meisten leidet und verbraucht wird. Darum haben Geistesarbeiter besonders auf regelmäßigen und ausreichenden Schlaf zu achten.
Erholung im Schlafe.
Im Schlafe erholt sich der Mensch. Es ist erwiesen, daß während des Schlafes die Vorgänge des Stoffwechsels im Körper in ununterbrochener Weise fortgesetzt werden. Weil die Ärzte den Schlaf als lebensstärkendes Mittel erkannt haben, richten natürlich alle Ärzte ihr Augenmerk darauf, einen guten, gesunden Schlaf zu erzielen, Dr. Hufeland sagte schon: „Die Beraubung des Schlafes nützt die inneren und äußeren Kräfte ab, nichts ist so sehr geeignet, zu einem frühzeitigen Alter zu führen.“ Daher muß sich der Körper und das Nervensystem ausruhen. Unsere Sinnesorgane und die gesamte Gehirnarbeit sollen ruhen, um sich zu neuer Tätigkeit zu erholen.
Es soll während des Schlafes vollständige Erinnerungslosigkeit bestehen, also Tiefschlaf, der wirklich erquickend ist. Wer kennt von den Nervösen und Überarbeiteten diesen gesunden Tiefschlaf, der uns morgens frisch und lebensmutig aufspringen läßt, daß wir fröhlich und heiter unser Tagewerk beginnen? Das Leben ist einem solchen Menschenkinde eitel Freude und Lust. Es gibt noch solche Menschen auf dem Lande und in kleinen Städten; ich kenne genug. Glücklich der Mensch, der sich mit dem frohen Bewußtsein hinlegen kann, sein Tagewerk vollbracht zu haben. Ruhig und friedlich wird er einschlafen und frisch gestärkt am andern Morgen erwachen.
Können die Nervösen und Schlaflosen nicht diesen ruhigen Schlaf wieder bekommen? Ja! und nochmal ja! Jeder kann seine Schlaflosigkeit und Nervosität beseitigen und wieder ein lebensfroher Mensch werden, wie ich in den späteren Kapiteln zeigen werde.
Vom Wesen des Schlafes.
Vom Wesen des Schlafes wissen wir, daß alle Organe ihre Funktionen nach und nach einstellen und die Neigung zum Schlafe beginnt. Die Muskeln erschlaffen und wir werden müde. Die Augenlider senken sich, das Gehirn stellt seine Tätigkeit allmählich ein, die Ideen verschwinden nach und nach, der äußere Reiz ist nicht mehr stark genug, um sie zu erneuern. Endlich verfallen alle Organe in einen Zustand der Ermattung und einer augenblicklichen Gefühllosigkeit. Dies ist der vollkommene, absolute und tiefe Schlaf, in dem sich Geist und Körper erholen.
Das Eintreten der Müdigkeit und des Schlafes hängt mit der Blutzirkulation zusammen. Eine Vorbedingung des tiefen, ruhigen Schlafes ist, daß das Gehirn oder überhaupt der Kopf blutarm sein muß.
Jedermann weiß, daß sich nach einer reichlichen Mahlzeit ein oft kaum zu unterdrückendes Schlafbedürfnis fühlbar macht. Dies ist darauf zurückzuführen, daß das Blut vom Gehirn zur Verarbeitung der Speisemengen in die Verdauungsorgane strömt, wodurch das Gehirn blutarm wird.
Auf dieselbe Weise erklärt sich auch die Wirkung der meisten medizinischen Schlafmittel. Sie rufen eine Lähmung der vasomotorischen Nerven hervor und lassen das Blut in die Blutgefäße der Haut fließen, wodurch das Gehirn ebenfalls blutleer wird.
Das große Geheimnis, einzuschlafen, liegt also in der Blutzirkulation.
Wir müssen also den Blutumlauf regeln, Blutstauungen müssen vermieden werden. Wenn wir Muskelbewegungen machen, so erhöht sich naturgemäß der Blutumlauf, wodurch unsere Nerven wieder viel Nährmaterial bekommen; sie fangen dann wieder an zu arbeiten und mit der Ruhe ist es vorbei. Vermindern wir aber den Blutkreislauf durch langsame Atmung und durch Bewegungslosigkeit, so werden auch die Nerven und das Gehirn blutarm und unterernährt. Das Gehirn wird müde, kann nicht wie im wachen Zustande arbeiten, es muß ruhiger arbeiten, und schließlich ist es gezwungen, seine Funktionen einzustellen. Der Körper wird müde und wir schlafen ein, ohne es recht zu wissen.
Hiernach dürfte es jedem klar sein, daß Muskelbewegung (Hin- und Herwälzen im Bett), schnelle Atmung, Denkarbeit oder andere Reize, die von außen kommen, den Blutkreislauf erhöhen und den Geist und Körper nicht zur Rübe kommen lassen.
Wo ein Reiz stattfindet, dort strömt Blut hin. Bei vollkommener Körper- und Gehirnruhe werden alle Reize ausgeschaltet, daher Müdigkeit und Schlaf.
In jedem Falle muß aber die Ursache der stärkeren Blutzirkulation festgestellt werden, ob irgend eine Krankheit (Fieber usw.) vorliegt. In solchen Fallen auch zuerst das Grundübel, die Krankheit, beseitigt werden.
Schlaf ist wichtiger als Nahrung.
Der Schlaf ist für den Menschen viel wichtiger als die Nahrung. Die Nahrung kann man auf lange Zeit entbehren, wie Hungerkünstler bewiesen, die bis 40 Tage, hungerten. — Ehret hat sogar einen 49tägigen Fastenversuch gemacht, — aber die Entziehung des Schlafes würde schon nach einigen Tagen den Tod sicher herbeiführen.
In China soll es eine Todesstrafe, die Schlafentziehung, geben. Sie besteht darin, daß man den Verurteilten nicht einschlafen läßt, bis er seinen Geist aufgibt. Es ist die qualvollste Todesart, die man sich vorstellen kann. Wie grausam diese Strafe ist, kann ja jeder selbst am eigenen Körper ermessen, wenn er gezwungen ist, nur in 24 bis 48 Stunden nicht zu schlafen.
Die Erfahrung lehrt, daß eine Nacht Schlafentziehung den Körper und Geist mehr schwächt als vier Tage hungern.
Familienangehörige, die Schwerkranke pflegen müssen und nicht ins Bett kommen, wollen lieber schlafen als essen. Ad. Alf. Michaelis (Verlag Michaelis, Leipzig) sagt über den Schlaf nach seiner Bedeutung für den gesunden und kranken Menschen:
„Die Entbehrung des Schlafes und Fortsetzung des Wachens über das von der Natur vorgezeichnete Maß strengt das Nervensystem zu sehr an und führt endlich Erschöpfung der Lebenskräfte und überwiegende Verzehrung des Organischen herbei. Wird der Schlaf, ungeachtet der Einladung der Natur dazu, oft und gewaltsam zurückgehalten, so wird endlich der periodische Gang des Lebens — wie er sich in dem Wechsel von Schlafen und Wachen darstellt — unterbrochen. Die ganze Kraft des Lebens wird auf das Nervensystem hingewendet und von diesem aus das Gefäßsystem in einem immerwährenden gereizten Zustands unterhalten. Daraus entstehen anhaltender Blutandrang nach dem Gehirn, Unvermögen zu schlafen, auch dann, wenn man sich dazu bequemt; beständige Jagd mit den Bildern der Einbildungskraft, krankhafte Neigung zu Gemütsaffekten, Verwirrung des Verstandes, ein fieberhafter Zustand im Gefäßsystem, Hemmung aller Verrichtungen der Vegetation, Abmagerung, schleichendes oder hitziges Nervenfieber, bei vorhandener Anlage auch Gehirnentzündung, Raserei und Tod.“
Wir sehen also, daß die Folgen einer normwidrigen Schlafverkürzung und länger andauernder Schlaflosigkeit unter Umständen sehr trüber Art sein können, wenn krankhafte Anlagen körperlicher oder geistiger Natur bestehen oder gleichzeitig andere krankhafte Reizwirkungen den Menschen, treffen.
Der ungesunde Schlaf und seine Wirkung auf den Körper und das Seelenleben.
Wie ich im vorigen Abschnitt gezeigt habe, kann erhebliche Verkürzung des Schlafes schwere Schädigung des Körpers und Geistes Hervorrufen.
Zum Troste aller Leidenden sei es hier gesagt, daß diese Schädigungen restlos ausgeglichen werden können bei Beseitigung der veranlassenden Ursachen.
Unter einem ungesunden Schlaf verstehe ich einen unruhigen und leicht gestörten Schlaf der Nervösen und Neurasthenischen, der nicht nur einige Tage dauert, sondern monate- und jahrelang, also dauernd besteht. Es ist ja leicht erklärlich, daß hierdurch das Nervensystem eines Menschen vollständig zerrüttet wird.
Ein solch nervöser und überreizter Mensch ist abends oft sehr müde. Er hat ein großes Schlafbedürfnis. Er sehnt sich nach Ruhe. Legt er sich hin, so verfliegt die Müdigkeit schnell, die Gedanken des Tages beschäftigen ihn weiter, Kummer, Sorge, Ärger und alle unangenehmen Eindrücke, die er erlebt und in seinem Unterbewußtsein schlummern, stürmen auf den Müden ein und vertreiben ihm den notwendigen Schlaf, durch den er sich für den Daseinskampf wieder rüsten soll. Kaleidoskopartig jagen die unruhigen, schreckhaften oder auch zuweilen fröhlichen Gedanken. Schwere Träume plagen ihn. Unruhig wirft er sich von einer Seite auf die andere, ohne doch Ruhe zu finden. In den Morgenstunden, wo er aufstehen soll, überfällt ihn eine bleierne Müdigkeit und auf kurze Zeit sinkt er in einen tiefen Schlaf, aus dem er aber bald aufgeschreckt wird, weil ihn der Beruf und der Selbsterhaltungstrieb zum Aufstehen zwingen. Müde, todmüde, in starkem Schweiß gebadet und körperlich zerschlagen steht er auf. Müde, mißmutig, übelgelaunt und mit seelischen Verstimmungen beginnt er seine Tagesarbeit, die ihm natürlich zur Last wird, und müde legt er sich abends wieder hin in der Hoffnung, diesen Abend ruhig und traumlos zu schlafen und sich mal ordentlich auszuruhen. Aber kaum im Bett, beginnt das Gaukelspiel wieder und läßt ihn nicht zur Ruhe kommen.
Solch Schlafloser ist zu bedauern. Er hat nicht nur bei Tage gearbeitet, sondern auch in der Nacht, wo andere Menschen ruhen. Durch das unruhige Herumwälzen im Bett hat der Mensch eine ungeheure Muskelarbeit geleistet. Daher auch morgens das Gefühl einer großen Müdigkeit und des Zerschlagenseins. Diese Arbeit hat weder ihm noch anderen Nutzen gebracht, ihm aber nur Nachteile und Schaden an seiner Gesundheit. Auch sein Gehirn hat sich von den Tageseindrücken nicht beruhigen können, er hat im Gegenteil in der Nacht noch mehr wie am Tage gearbeitet.
Solch Kranker — krank im eigentlichen Sinne kann man ihn ja nicht nennen, denn eine anatomisch nachweisbare Krankheit hat er nicht, sondern ein stark überreiztes Nervensystem — schläft wohl trotz seines unruhigen Schlafes einige Stunden, aber so oberflächlich, daß er von dem leichtesten Geräusch aufgeweckt wird. Stundenlang liegt er dann und wälzt sich mit jagenden Pulsen und Gedankenflucht auf seinem Lager herum und wartet auf das Wiedereinschlafen.
Wie ich schon angeführt habe, entstehen durch diesen ungesunden Schlaf schwere körperliche und seelische Störungen, die nach Siemens (Siehe Siemens in der Zeitschrift „Suggestion“, Heft 60|1960, Verlag Otto Siemens, Leipzig Stö) folgende sind: „Wenn der unruhige und ungesunde Schlaf chronisch, d. h. fortgesetzt auftritt, dann zerrüttet er das Nervensystem des Menschen. Es stellt sich ferner ein Appetitlosigkeit sowie Gleichgültigkeit gegen Geschäft und Familie. Der Körper magert ab, die Backen fallen ein, die Haut wird schlaff und der Gesichtsausdruck wird stumpf. Die Augen glänzen fieberhaft. Der Patient legt keiner: Wert mehr auf sein Äußeres, auf die feinen Umgangsformen, Er wäscht und kämmt sich häufig nicht, weil er die Unbequemlichkeit scheut. Er raucht stark und trinkt viel, da er nach Reizmitteln und Beruhigungsmitteln sucht. Erst mit der nötigen alkoholischen Bettschwere will er sich hinlegen. Die Reizbarkeit steigert sich enorm. Wutanfälle mit stumpfer Resignation wechseln ab. Es gibt keine Ruhe, keine Befriedigung mehr für ihn. Seine Nerven arbeiten zu schnell, und dann wiederum versagen sie ganz. Es wird wichtige Arbeit aus Bequemlichkeit oder vielmehr Müdigkeit aufgeschoben, bis eines Tages der Kranke sagt: „Ich kann nicht mehr. Ich kann es nicht.“ Dies wird zur stereotypen Redensart und manchmal zur fixen Idee. Im Unterbewußtsein entsteht die Zwangsvorstellung und beeinflußt das gesamte Gemütsleben im wachen Zustand. Die Ohnmachtsgefühle lösen sich in Weinen aus, Nervenzuckungen entstehen, ein Rieseln wie eiskaltes Wasser geht vom Kopf aus bis in die Fingerspitzen, die Sprache verlangsamt sich und Gedankenlücken treten auf. Ideenverbindungen wollen nicht funktionieren, das Gedächtnis läßt nach, die geistige Verarbeitung irgend eines Gegenstandes wird zur Qual, oft direkt unmöglich und bringt den Kranken in große Erregung und Angst vor etwas Unbekanntem, das ihm schrecklich ist. Oft glaubt er geisteskrank zu werden, wovon es keine Rückkehr zur Gesundung gibt. Neben diesen selbstpeinigenden Gedanken entsteht eine Manie, alles von der traurigen Seite zu betrachten. Sieht der Kranke einen jugendfrischen, kraftstrotzenden Menschen beim Sport, so knüpft sich sofort der falsche Gedanke daran: Ach, wenn du das auch könntest, aber du bist ja unfähig dazu. Und wo der gesunde Mensch seine Freude daran hat, bereitet es dem Kranken sofort ein niederdrückendes Gefühl. Alle gesunden körperlichen und geistigen Auslösungen unterbleiben. Früher hat der Patient im Gesangverein gesungen und Freude daran gehabt. Jetzt bringt ihn niemand mehr hin. Er schämt sich, da er weinen muß. Er will den Fragen aus dem Wege gehen: Wie geht es? — da er sofort an seinen Zustand erinnert wird und Nervenaufregung bekommt. Der Kranke wird menschenscheu — nur mit seinen Angehörigen redet er und meist nur über seinen Zustand.
Auch läuft er von Arzt zu Arzt, von Sanatorium zu Sanatorium, geht an die See oder ins Gebirge, schließlich versucht er sein Heil in der seelischen Behandlung beim Psycho-Pädagogen, beim Seelenarzt.
Und dieser hat ein schweres Amt. Infolge des ungesunden Schlafes wird ein Tiefschlaf nicht erzeugt, höchstens Gehirnruhe. Jede gegebene Suggestion stößt auf Widerstand oder es knüpft sich der Gedanke daran: Der hat schön reden, mir hilft es doch nicht! Treibt man den Patienten in die Enge, so daß er durch logische Vernunftgründe jetzt zugeben soll, daß dieses oder jenes ausgeführt werden soll, um zur Heilung zu gelangen, dann geht der Kranke wie eine Katze um den heißen Brei, weigert sich unter großer Erregung, weint und spricht: „Ich kann es nicht!“
Ursachen der Schlaflosigkeit bei Neurasthenie.
Prof. Dr. Binswangen hat in seiner „Pathologie und Therapie der Neurasthenie“ die Gründe für solche Schlafverkürzungen sehr treffend angegeben. „In erster Linie sind geistige Überanstrengungen und gemütliche Aufregungen, sowie die gesteigerte Empfindlichkeit gegen Sinneseindrücke als wesentliche Momente hervorzuheben. Jede Abweichung von der gewohnten Lebensbeschäftigung und Tageseinteilung, jede geistige Mehrleistung, jedes freudige oder traurige Ereignis ruft Schlaflosigkeit hervor. Vor allem folgt jeder Beschäftigung oder geselligen Verpflichtung während der späteren Abendstunden eine schlaflose Nacht. Allmählich wächst die Schlafverringerung trotz steigenden Schlafbedürfnisses, indem die Kranken durch den ungenügenden Schlaf eine weitere Einbuße der Leistungsfähigkeit und eine Steigerung der krankhaften Müdigkeitsempfindungen erleiden. Schließlich ist der Schlaf auch ohne jede äußere Veranlassung, bei sorgfältigster Vermeidung aller seelisch erregender Momente äußerst unvollkommen.“
„Es gibt aber noch eine Kategorie schlafloser Frauen, welche tagsüber müde und erschöpft auf dem Sofa liegen oder stundenlang nach der Mittagsmahlzeit im verdunkelten Schlafzimmer unfähig zu jeder geistigen oder körperlichen Tätigkeit verharren, um dann, wenn alle Hausgenossen zur Ruhe gegangen sind, eine überstürzte Tätigkeit zu entfalten. Die Kleidung der Kinder wird nachgesehen, schriftliche Anordnungen für die folgenden Tage ausgearbeitet, Briefschaften erledigt usw. Erst mit dem Morgengrauen suchen sie erschöpft, ihr Lager auf, um dann bis weit in den Vormittag hinein den mühsam erkämpften Schlaf zu genießen. Diese Form nähert sich schon hysterischen Symptomen.“
„Nur ganz selten begegnet man vorübergehend schlafsüchtigen Zuständen. Hier findet das erhöhte Schlafbedürfnis, das der Mehrzahl unserer Kranken eigentümlich ist, eine übermäßige Befriedigung. Ein dumpfer, drückender, bleierner Schlaf hält sie viele Stunden lang, bei Tag und Nacht gefangen. Ermattet und zerschlagen erwachen sie aus ihrer Stumpfheit, unfähig zu jeder geistigen und körperlichen Tätigkeit. Nur ganz allmählich schütteln die Kranken das schmerzhaft empfundene Joch geistiger Unfreiheit von sich ab und betrachten, fast ausgesöhnt mit ihrem Schicksal, die altvertraute Schlaflosigkeit als das geringere Übel.“
Hierzu bemerkt Dr. Schär in „Schlafstörungen“ (Verlag von Emil Pohl, Dresden) noch: „Die Schlaflosigkeit spielt nicht nur bei Neurasthenie, sondern auch bei Hysterie eine ganz enorme Rolle. Hier wird das Krankheitsbild noch verworrener. Es kann an dieser Stelle auf die moderne Auffassung vom Wesen der Hysterie nicht eingetreten werden. Nur das muß betont werden, daß heut die Diagnose durchaus nicht mehr jene ominöse Bedeutung haben kann wie früher. Es handelt sich hier auch um eine Neurose, aber von ganz anderer Gestaltung als bei Neurasthenie. Viel wurde in den letzten Jahren gestritten über das Wesen der Hysterie, und wohl am besten kann man das so zahlreich verbreitete Krankheitsbild in seinen so verschiedenen Abstufungen begreifen, wenn man die kleine Arbeit von Prof Dr. Freud (Über Psychoanalyse. 5 Vorlesungen, gehalten zur 20jährigen Gründungsfeier der Clark University in Worcester Mass. September 1909) studiert, bei welcher Gelegenheit die große Rolle, welche die Psyche bei dieser Krankheit spielt, allgemeinverständlich auseinandergesetzt ist. Die Therapie wird daher auch eine entsprechende sein müssen. Ein greller Gegensatz zwischen dem tatenlosen Hindämmern bei Tage und der ruhelosen Geschäftigkeit in schlaflosen Nächten fällt bei dieser Krankheit besonders aus. Die Kranken sind immer müde und zerschlagen und können doch keinen Schlaf finden. Selbst wenn wir bei den Klagen der Patienten über völligen Mangel normalen erquickenden Nachtschlafes ihre Sucht zu maßlosen Übertreibungen in Rechnung stellen und deshalb ihre Behauptungen nicht wörtlich nehmen, so bleibt doch die Tatsache bestehen, daß viele Hysterische wochen- und monatelang die ganzen Nächte wach liegen und erst in den Morgenstunden in einen unruhigen, traumgequälten Schlaf verfallen. Auch bei den leichteren Fällen, in welchen die Kranken zugeben, daß sie einige Stunden geschlafen haben, beklagen sich die Patienten darüber, daß sie nicht einzuschlafen vermögen.“ (Siehe „Die Hysterie“ von Prof. Dr. Binswanger, 1904, S. 872.) Allerdings ist Schlaflosigkeit bei Hysterie lange nicht so im Vordergrund des Interesses wie bei Neurasthenie, wo nach Prof. Dr. Binswanger auf 120 genau untersuchte Fälle 62mal ausgeprägte, länger dauernde Schlaflosigkeit bestand, und in 88 Fällen geringfügige Schlaflosigkeit.
Schlafmittel.
Schlafmittel sind keine naturgemäßen, weil sie den physiologischen Gesetzen widersprechen. Mittel zur Erzeugung eines gesunden Schlafes sollen nicht diesen selbst hervorrufen, denn dann wirken sie auf die Dauer schädlich. Ein Schlafmittel kann wohl Schlaf bringen, aber niemals vermag es die Ursache der Schlaflosigkeit zu beseitigen. Niemals bringt es den friedlichen, erfrischenden Schlaf, den die Natur gibt.
Wirkliche Schlafmittel müssen die Bedingungen im menschlichen Körper schaffen, daß das Bedürfnis des Schlafes sich von selbst einstellt.
Dahin, gehört in erster Linie: (siehe nächste Seite)
Die Gedankenbeherrschung.
Dies ist der einzige Weg, der Heilung verspricht. Er besteht darin, den Kranken von seinen Zwangsgedanken, seiner Gedankenflucht zu befreien. Und dieser Weg liegt in der Hauptsache in der Ausdauer des Seelenarztes und in zweiter Linie in der Gedankenkorrektur des Patienten.
Der Patient muß sich eine Gemütsruhe anerziehen, abends muß er mit dem frohen Bewußtsein ins Bett steigen, daß er mit sich, dem Tagewerk und seiner Umgebung zufrieden ist. Er legt sich hin, ohne sich Gedanken zu machen. Er schläft dann einfach ein und weiß dann gar nicht, wie er in Schlaf gekommen ist. Also allen Ärger, allen Kummer, alle Sorgen, draußen lassen, nicht mit ins Bett nehmen. Zu große Sorgen, zu vieles Sinnen und Planen für den morgigen Tag, das Härmen und Grämen um das Gestern und Heute verscheuchen den Schlaf. Hiergegen hilft nur Selbstbeherrschung, und wo die nicht vorhanden ist, fehlt es an Willenskraft.
Wer es nun fertig bringt, an gar nichts, rein gar nichts zu denken, ist am wohlsten dran. Solche Leute gibt’s viel, und sie alle leiden nicht an Schlaflosigkeit. Von der Königin Isabella von Spanien erzählt man, daß sie bei vorkommender Schlaflosigkeit eine Ministersitzung einberief und dieser solange präsidierte, bis sie sanft entschlummert war. Auch der amerikanische Humorist Mark Twain empfiehlt solch ein geisttötendes Schlafmittel, nachdem er alle Alkoholika durchprobiert hatte. Er schreibt, daß ihm einmal eine deutsche Schulgrammatik in die Hand kam und er nie über die Lektüre der ersten Seite hinauskam, ohne den so oft ersehnten Schlaf gefunden zu haben. Das mag wahr sein oder nicht, jedenfalls steht fest, daß monotone Geistesarbeit ermüdet und den Schlaf herbeiführt, wie man bei einer ausdruckslosen Rede leicht, wenn auch zum Entsetzen des Redners einschläft.
Siemens gibt in der schon erwähnten Zeitschrift „Suggestion“ noch folgendes probate Mittel an: Da ist zunächst der ungesunde Schlaf zu beseitigen und wie? Einfach durch sofortige Unterbrechung. Sobald man aufwacht und nicht wieder schlafen kann, steht man sofort auf, brennt die Lampe an, kleidet sich vollständig an, wäscht sich, und nun versucht man zu lesen oder zu arbeiten. Gelingt dies nicht, so gehe man spazieren, und sei es nachts um 2 Uhr, und sei es, daß es schneit und stürmt, — 1–2 Stunden. Ein Nachgeben des ungesunden Schlafes beeinflußt das Seelenleben immer stärker, ungünstiger. Wird dieser Patient zwei Nächte dieses fortsetzen, so kommt von selbst die Reaktion. Es kommt dann eine Art des Tiefschlafes, in dem sich das Nervensystem wirklich erholen kann.
Zum Schluß will ich noch einmal sagen:
Einem ungesunden Schlafe nachgeben ist ein langsames Gift für das Gemütsleben des Menschen.
Wie kommt man zur Gedankenbeherrschung?
Kant hat in dem Kapitel „Vom Schlafe“ in seinem Büchlein von der „Macht des Gemütes“ ein sicher wirkendes, zugleich einfaches Mittel angegeben, durch welches bei etwas gutem Willen und Übung ein ruhiger Schlaf zu erzielen ist.
Die meisten, die nicht schlafen können, kennen eben nicht die Kunst der Gedankenbeherrschung und damit die Fertigkeit, nach Belieben einzuschlafen. Die ungezügelte Phantasie der meisten Menschen bietet den tausend Eindrücken, die tagsüber an ihrem Geiste vorübergezogen sind, einen bequemen Tummelplatz, auf dem dann nach dem Zubettegehen die Gedanken in wilder Ausgelassenheit durcheinanderjagen, ohne daß man ihrer Herr werden kann.
Ja, wenn ich das könnte, meine Gedanken verbannen, sagte mir kürzlich eine meiner vielen Patientinnen, die ebenfalls an schwerer Schlaflosigkeit leidet. Sie hat es gelernt. Durch meine eindringlichen Suggestionen und Auflösung der Zwangsgedanken ist es mir hier und in allen anderen Fällen gelungen, wie die Briefe (Siehe Dr. Konrad Grams, „Die Macht der Suggestion“ im Handbuch der Suggestion. Verlag Arwed Strauch, Leipzig) beweisen, die ich von dankerfüllten Patienten erhalten habe, die nach jahrelanger Qual von dem Fluch der Schlaflosigkeit befreit sind.
Geheilt werden kann aber nur der Patient, der auch wirklich will. Es gehört Ausdauer dazu! Es ist nicht immer persönliche Behandlung nötig, sondern diese seelenärztliche Behandlung kann unter Umständen auch schriftlich geschehen.
Es gehört neben dem Wollen auch das Können dazu. Denn jeder Mensch kann, wenn er nur ernstlich will.
Da die Schlaflosen aber von selbst nicht die Macht des Wollens und Könnens haben, müssen sie sich einem erfahrenen Seelenarzt anvertrauen.
Gute Bücher, die das Können und Wollen, also den Willen kräftigen, sind: Faßbender, „Wollen eine königliche Kunst“ (Felsen Verlag, Buchenbach, i. Baden.), Bergmann, „Selbstbefreiung von nervösen Leiden“ (Felsen Verlag, Buchenbach, i. Baden.) und Uve Jens Kruse, „Ich kann! Ich will!“ (Felsen Verlag, Buchenbach, i. Baden.)
Die Fertigkeit, nach Belieben einzuschlafen.
Professor Warman empfiehlt einige Ratschläge zur Bekämpfung der Schlaflosigkeit, die nach den Angaben einer englischen Zeitschrift recht wirksam sein sollen. Wer seine Ratschläge befolgt, soll es fertig bekommen, zu jeder Zeit, innerhalb zwei Minuten einzuschlafen, ohne sich dabei niederzulegen.
Das wäre für nervöse, geistig überarbeitete Personen von größtem Vorteil. Einer kräftigen Mahlzeit soll man, wie der genannte Arzt empfiehlt, ein solches Schläfchen folgen lassen. Wer kein zweites Frühstück nimmt, soll die Zeit, die er darauf verwenden würde, dazu benützen, einen kleinen Spaziergang zu machen oder Leibesübungen vorzunehmen, um sich dann, wenn es ihm möglich, fünfzehn bis zwanzig Minuten hinzulegen und sich körperlich und geistig auszuruhen. Nur ein Viertelstündchen täglich so verbracht, wird fast wunderbare Wirkungen hervorbringen.
In allen Fällen, wo Körper und Geist der Ruhe bedürftig sind, wird sich dieses einfache Mittel als sehr wirksam erweisen. Die darauf verwandte Zeit mag vielleicht trotz ihrer Kürze dem Geschäftsmann oder Beamten als zu kostbar erscheinen, aber durch besseres körperliches und geistiges Befinden würde sie reichlich ausgewogen werden. Wer um die Mittagszeit dieser Ruhe nicht pflegen kann, sollte sich ihr abends nach Schluß des Geschäftes hingeben, denn es tut nicht gut, im ermüdeten Zustande eine Mahlzeit einzunehmen. Fünfzehn Minuten Ruhe genügen, um die Kräfte zu erneuern und Geist und Körper zu erfrischen.
Bei dieser Ruhe lege man sich jedoch nicht hin, sondern setze sich in einen bequemen Lehnstuhl. Die Füße lege man auf einen andern Stuhl, der ebenso hoch oder noch eine Kleinigkeit höher ist als der, auf dem man sitzt. An den Kniegelenken kreuze man die Beine, die Hände falte man und flechte die Finger ineinander. Die Augen schließe man. Nerven und Muskeln sollen ausruhen, und Körper und Geist sich nicht beschäftigen. Man denke an nichts. Findet man aber, daß die Gedanken auf Abwege geraten, dann rufe man sie zurück und richte sie auf tiefes, langsames, rhythmisches Atmen und auf den Wunsch, ruhig zu schlafen.
Will man nach einer Viertelstunde oder nach einer beliebigen Zeit wieder aufwachen, so nehme man sich fest vor, um die bestimmte Zeit zu erwachen. Und man wird dann nicht länger als bis auf .die gewünschte Minute schlafen.
Nervenmassage.
Wenn alles versagt, bietet die magnetische Nervenmassage (Näheres in der Schrift: Gustav Grams. Der Heilmagnetiseur und die magnetische Nervenmassage bei Nervenleiden. Verlag J. Sonntag, Regensburg.) noch Hilfe, wie die Erfolge lehren. Die magnetische Nervenmassage besteht in eitler leichten, beruhigenden Massage, die äußerst wohltuend wirkt. Diese Massage wirkt besonders beruhigend auf die Kopfnerven und den ganzen Körper. Neben der allgemein günstigen Wirkung der Massage, die ja bekannt ist, wirkt hier noch der Lebensmagnetismus als Heilfaktor mit.
Da bei den Nervenkranken das Nervensystem so verändert oder geschwächt ist, so muß es angeregt und gekräftigt werden. Dies geschieht in natürlicher Weise durch eine sachgemäße Nervenmassage. Durch diese wird so auf die Nerven eingewirkt, daß sie wieder belebt werden und die Fähigkeit wiedererlangen, einwandfrei zu arbeiten, und somit ihre vollständige Wiederherstellung gewährleistet ist. Der Erfolg dieser Behandlung ist meist wunderbar. Die Kranken fühlen schon nach den ersten magnetischen Massagestrichen Linderung und eine frohe und gehobene Stimmung tritt ein. Und bei Schlaflosen kommt nach dieser magnetischen Massage der so heiß ersehnte Schlaf. Näheres wolle man in der Schrift über magnetische Nervenmassage (Verlag J. Sonntag in Regensburg) nachlesen.
Die Biochemie und Biochemische Nährsalze.
Die Biochemie lehrt, daß der Mangel an Mineralsalzen die Ursache der Krankheiten ist. Wenn dies der Fall ist, dann ist es doch ganz logisch, diese Mineralsalze zur Heilung der Krankheiten in einer für den menschlichen Körper leicht aufnehmbaren Form zuzuführen. Dies geschieht durch die biochemischen Mittel.
Wenn wir bedenken, daß das Blut unser Lebenselement ist, wie ja auch der Sprachgebrauch schon andeutet: Blutarmut, Bleichsucht verwässertes Blut, Weißblütigkeit, Vollblütigkeit usw., so hängt unsere Gesundheit auch von der Beschaffenheit des Blutes ab.
/images/Fotolia_64100845_XS.jpg
alt=“wohltätiger Schlaf”
© Happy monkey (fotolia.com, 64100845)
Fehlt es unserem Blute z. B. an Kalk, so ist ein widerstandsfähiges Blut nicht denkbar, denn ohne Kalk gibt es kein festes Knochengerüst und keine gesunden Zähne. Die rhachitische Krankheit, Asthma, Nervenkrankheiten und andere Leiden sind zum größten Teile auf Kalkmangel zurückzuführen. Schlechte Zähne werden durch die beste Zahnpflege nicht besser, sondern nur durch Zuführung von Kalk. Mit anderen Krankheiten ist es genau so.
Da die Schlaflosigkeit nur eine Teilerscheinung der Nervosität und anderer Krankheiten ist, so muß logischerweise auch die Schlaflosigkeit verschwinden oder zumindest gebessert werden durch Zuführung der biochemischen Mittel.
Wenn krankhafte Störungen irgendwelcher Art der Schlaflosigkeit zugrundeliegen, so sind die entsprechenden biochemischen Komplexmittel (Näheres über biochemische Complex Mittel in der Broschüre: Dr. Konrad Grams. „Die Biochemie und Complex Biochemie“. Engel-Apotheke, Regensburg, mittlerweile vergriffen; Alternativen) zu nehmen, bei Schlaflosigkeit das biochemische Komplexmittel gegen Nervenleiden, das Nerven- und Gehirnmittel (DHU Bicomplex Heilmittel Nr. 19, PZN 0545001).
Nerventee.
Wer ein Freund der Kräuter ist, soll ruhig einen nervenberuhigenden Tee gebrauchen, der auf unschädliche Weise blutreinigend wirkt und müde macht. Der Tee darf aber keine narkotischen Mittel enthalten. Wir haben in unseren Kräuterschatz eine ganze Menge Kräuter, die sich ihren guten Ruf als schlafbefördernde Mittel und Heilmittel gegen Nervenleiden aller Art bewahrt haben. Dahin gehört das Hausmittel gegen Schlaflosigkeit (Broschüre der Hausmittel unentgeltlich vom Verlag J. Sonntag, Regensburg) „Schlafe“.
Der Tee besteht aus vollständig unschädlichen Kräutern in Pulverform und ist angenehm zu nehmen. Es ist ein unbedingt zuverlässiges und bewährtes Mittel bei Schlaflosigkeit und allen Nervenleiden. Der Tee wirkt beruhigend und schlafbringend.
Die galvanische Behandlung.
Die galvanische Behandlung ist eine elektrische Heilbehandlung mit ganz schwachem, unmerklichem Strom. Infolge dieser Schwäche kann der Strom keine Schädigungen hervorrufen. Gerade diese schwachen, nicht fühlbaren Ströme, die gewissermaßen in homöopathischer Dosis verabreicht werden, sind wirkungsvoll, und nicht die starken, fühlbaren Ströme.
Bei allen Nervenkrankheiten und bei Schlaflosigkeit kann man mit der elektrischen Behandlung nicht vorsichtig genug sein. Gerade hier sollten nur schwache Ströme verwendet werden. Ich verwende in meiner Praxis die Wohlmuth’schen Apparate, die ich als sehr zuverlässig gefunden und mit denen ich gute Erfolge erzielt habe. Näheres über die Galvanische Behandlung ist nachzulesen in dem Buche: „Elektro-galvanische Heilkunde“. (Verlag G. Wohlmuth & Co., in Furtwangen, (Badischer Schwarzwald))
After-Sitzbad.
Das Sitzbad wird in einer sogenannten Sitzbadewanne genommen. Es genügt auch ein größeres Gefäß dazu. Das Wasser soll kühl sein, im Sommer abgestandenes Leitungswasser. Empfindliche Personen können etwas wärmeres Wasser nehmen. Das Wasser soll etwa handhoch in der Wanne stehen.
Die Dauer des Sitzbades beträgt je nach Empfindlichkeit und Kräftezustand 5–30 Minuten. Während des Bades wird der After bis zu den Geschlechtsteilen, ebenso auch die Bauchdecken fortwährend bespült.
Weil im After die größte Hitze herrscht, messen wir gewöhnlich hier auch die Temperatur; durch das kühle Sitzbad leiten wir die Hitze aus dem Körper. Beweis dafür ist, daß das Wasser wärmer wird. Vom Kopfe wird die Hitze und die Blutfülle abgeleitet. Wenn das Gehirn mit kühlem Blute durchströmt wird, dann muß der Kopf ruhig werden, die Gedankenflucht muß aufhören.
Natürlich müssen auch die Füße warm sein. Mit kalten Füßen kann niemand einschlafen.
Klystier.
Nicht mit vollem Leib schlafen wollen. Wenn der Leib voll ist, viel Blähungen quälen, wodurch ein Rumoren im Leib entsteht, wenn der Leib aufgetrieben ist und dadurch ein unbehagliches Gefühl auftritt, als wenn man immer Stuhlgang haben möchte, kann man nicht schlafen. Ganz abgesehen von der Selbstvergiftung, die hierdurch entsteht, kann man durch die unangenehmen Störungen nicht zur Ruhe kommen.
Hier hilft am schnellsten und einfachsten ein Klystier. Wenn ein Klystier nicht hilft, dann machen Sie noch eins. Sie werden mal sehen, wie Wohl und erleichtert Sie sich danach fühlen. Wenn dann alle anderen Vorbedingungen erfüllt sind, werden Sie sehen, wie schön Sie einschlafen.
Behandlung und Heilung.
Wie meine Ausführungen zeigen, beruht das Wesen der Schlaflosigkeit auf einer falschen Gedankenkonzentration. Der Schlaflose legt sich mit dem Gedanken hin: „Heute kannst du gewiß wieder nicht einschlafen.“ Und prompt geht dieser Gedanke in Erfüllung nach dem psychischen Gesetz: „Jeder Gedanke ist eine Handlung, die bestrebt ist, den Gedanken auch auszuführen.“
Ich brauche nur daran zu erinnern, wie lebenszerstörend Sorge, Kummer und Trauer wirken. Wie wirkt der Neid, die Wut, der Haß und andere böse Leidenschaften? Dagegen wirkt die Freude verjüngend. Wie leuchtet das Auge bei einer freudigen Nachricht. Wie zufrieden und gütig sehen die Leute mit einem frohen Gemüt aus.
Wer kennt nicht die merkwürdigen Wirkungen der Hypnose, Suggestion und Magnetismus! Sollte da nicht jeder diese geistige Kraft zur Heilung der Schlaflosigkeit benutzen?
Warum hat der Schlaflose bisher diese Kraft nicht benutzt? Weil er sie nicht gekannt hat!
Wenn er fortwährend denkt: „Ich kann ja doch nicht schlafen, es hilft ja doch alles nichts“, dann kann er natürlich nicht geheilt werden, ebensowenig wie ein Magen- oder Leberkranker, der beständig sagt: „Ich werde ja doch nicht mehr gesund!“
Dies stimmt auch. Denn nach dem Gesetz, daß sich jeder Gedanke verwirklicht, kann er ja auch nicht gesund werden..
Also anders denken, lieber Schlafloser! Denn in derselben Zeit, wo du deine kranken Gedanken spazieren führst, kannst du auch Ruhegedanken haben.
Also übe! Wenn du es nicht kannst, wende dich an einen Seelenarzt, der Verständnis für deinen Zustand hat!
Liegt eine Krankheit vor, die die Schlaflosigkeit verursacht, dann ist die Krankheit natürlich zu behandeln.
Ist Blutableitung vom Kopf nötig, so sind die After-Sitzbäder anzuwenden. Nicht mit kalten Füßen ins Bett gehen! Wärmflaschen ins Bett.
Ferner biochemische Einzel- oder Komplexmittel und Nerventee, wenn es der Fall erfordert, oder auch galvanische Behandlung.
Jedenfalls sollte die magnetische Nervenmassage in keinem Falle vernachlässigt werden.
Klystiere sind selbstverständlich dort anzuwenden, wo eine Entleerung nötig ist.
Soll der Schlaflose nun alle Anwendungen machen? Nein! Nur diejenigen, die gerade für seinen Zustand nötig sind.
Mit den hier angegebenen Ratschlägen kann jeder seine Schlaflosigkeit zur Heilung bringen.
Wenn ich alle Anwendungsformen und Ratschläge hier anführen möchte, die zur Beseitigung der Schlaflosigkeit schon angegeben sind, so könnte ich ein dickes Buch damit füllen. Der Schlaflose hätte aber keinen Nutzen davon. Es würde ihm dann doch alles wie ein Mühlrad im Kopfe herumgehen.
Also bleiben wir bei den einfachen Anwendungen, die ich hier gegeben habe.
Sie helfen wirklich. Und nun vorwärts mit gutem Mut? Fort mit der Mutlosigkeit!
Ein gut Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen.
Dieses Sprichwort ist wirklich ein Wahrwort. Es hat sich immer noch bewährt.
Schlafloser, wenn du eine Schuld auf dich geladen hast, wenn du jemand unrecht getan hast, so schlummert dies nur in deinem Unterbewußtsein. Aber rechte Ruhe hast du doch nicht, wenn dir die Ursache auch nicht zum Bewußtsein kommt. Glaube nicht, daß du dein Gewissen zum Schweigen bringen kannst. Du kannst es wohl auf einige Zeit betäuben.
Befreie dich von der Last und mache deine Tat wieder gut! Erzähle einem Seelenarzt, was dich innerlich bedrückt, du wirst sehen, wie du erleichtert aufatmest. Eine drückende Last ist dann von dir genommen. Versuche es, mit deinen Mitmenschen in Frieden zu leben! Habe das Bewußtsein treuer Pflichterfüllung! Verzeihe deinen Feinden! Grüble nicht darüber nach, wie du sie dafür bestrafen kannst, damit sie einen gehörigen Denkzettel haben. Rachegedanken bringen keine Ruhe und Frieden. Richte vielmehr dein Verhalten so ein, daß du mit jedem Menschen gut auskommst! Dränge niemandem deinen Willen auf! Bleibe stets ruhig und freundlich! Du änderst doch nichts, wenn du zornig wirst. Was gewesen ist, laß ruhen, quält es dich, befreie dich davon durch eine offene Aussprache mit einem Seelenarzt! Wenn du echt menschlich handelst und mit deinem Innern nicht in Zwiespalt gerätst, dann wirst du auch wieder ruhigen Schlaf finden.