Die versetzten Bilder am Himmel

Um Miss­ver­ständ­nis­sen vor­zu­beu­gen: Dies ist kein Plä­doy­er für jede bil­li­ge Art der Astro­lo­gie oder jede bana­le Form der Sinn­su­che. Bei­de Bemü­hun­gen bekom­men ihre Bedeu­tung nur im Ver­bund mit der Wis­sen­schaft als kom­ple­men­tä­re Akti­vi­tä­ten. Horo­sko­pe wer­den dabei natür­lich nicht ange­fer­tigt, es sei denn, man bezeich­ne­te so die Dar­stel­lun­gen des Him­mels – die Him­mels­kar­ten -, wie sie frü­her üblich waren. Sol­che Kar­ten stel­len vor allem den Tier­kreis – den Zodi­ak – dar, den zum Bei­spiel die 12 bekann­ten Bil­der aus­schmü­cken, die jeder kennt: Wid­der, Stier, Zwil­lin­ge, Krebs, Löwe, Jung­frau, Waa­ge, Skor­pi­on, Schüt­ze, Stein­bock, Was­ser­mann und Fische. Die­se Unter­tei­lung ist sicher auf einen Zeit­punkt zu datie­ren, der vor dem Jahr 500 vor Chris­ti Geburt liegt. Mit ande­ren Wor­ten, die Stern­bil­der und ihre Rei­hen­fol­ge wur­de vor mehr als 2500 Jah­ren fest­ge­legt, und hier taucht ein Pro­blem auf. Wir kön­nen zwar die Bil­der fest­hal­ten, nicht aber die Ster­ne. Es gehört nun zu den belieb­ten Hin­wei­sen der auf Ratio­na­li­tät ein­ge­schwo­re­nen und von Wis­sen­schaft beses­se­nen Geg­ner der Astro­lo­gie, daß sich die gan­ze Kon­struk­ti­on in den ver­gan­ge­nen Jahr­tau­sen­den um eine Ein­heit ver­scho­ben hat und somit unsin­nig ist.

Die Eklip­tik ver­steht man am ein­fachs­ten, wenn man sich eine Him­mels­ku­gel mit Polen und Äqua­tor denkt. Die Ebe­ne der Erd­bahn ist gegen den Äqua­tor um rund 23° geneigt, was sich mit der Prä­zes­si­on ändert.

Zuerst die wis­sen­schaft­li­che Sei­te: Wel­che Ster­ne wir in wel­cher Anord­nung sehen, hängt natür­lich von unse­rem Ort der Erde und damit von ihrer Bewe­gung im Lau­fe der Zeit ab. In ers­ter Nähe­rung voll­zieht unser Pla­net drei Bewe­gun­gen: Er dreht sich um sich selbst, er kreist um die Son­ne, und er lässt sei­ne Erd­ach­se um den Pol der Eklip­tik rotie­ren. Das zuletzt genann­te Krei­seln nen­nen die Astro­no­men Prä­zes­si­on, und die­se Bewe­gung ist die mit Abstand lang­sams­te. Sie braucht rund 28.500 Jah­re für einen Umlauf – im Gegen­satz zu dem Tag bzw. zu dem Jahr, das die ers­ten bei­den Dre­hun­gen benö­ti­gen. Doch so wenig die Prä­zes­si­on in einem per­sön­li­chen Leben und in dem indi­vi­du­el­len Wahr­neh­men eine Rol­le spielt, so spür­bar ver­schiebt die­se sanf­te Bewe­gung die Stern­bil­der, wenn man ihr Zeit genug gibt. Jedes Jahr rückt der soge­nann­te Früh­lings­punkt ein win­zi­ges Stück­chen vor, was nach vie­len Tau­send und Aber­tau­send Tagen eine Inkon­gru­enz der Stern­bil­der mit sich bringt. Tat­säch­lich steht heu­te an der Stel­le, wo Astro­lo­gen den Wid­der sehen, das Bild der Fische, und ent­spre­chend sind alle übri­gen Bil­der weitergewandert.

Die Wan­de­rung des Frühlingspunkts

Jetzt kommt die Fra­ge der Bewer­tung: Ist dies ein töd­li­ches Argu­ment gegen astro­lo­gi­sche Bera­tun­gen bzw. Weis­sa­gun­gen? Offen­bar nicht, wenn man ihre Betrei­ber fragt, und sie las­sen sich aus vie­len Grün­den nicht durch die erkann­te Prä­zi­si­on der fort­wäh­ren­den Prä­zes­si­on irri­tie­ren. Einer steckt in der Geschich­te der Astro­lo­gie, die mit den Baby­lo­ni­ern beginnt. Ihre Stern­deu­ter bzw. Pries­ter kann­ten zwar das Kon­zept der Prä­zes­si­on noch nicht, ihnen war aber nicht ent­gan­gen, daß die Son­ne am Beginn des Som­mers, der durch den längs­ten Tag (mit dem längs­ten Licht) defi­niert wur­de, nie an der exakt glei­chen Stel­le im Stern­bild Krebs erschien, son­dern von Jahr zu Jahr ein klein wenig ver­scho­ben auf­trat. Der Unter­schied war zwar gering, aber er war vor­han­den, und so lie­ßen sich die Baby­lo­ni­er als gute Wis­sen­schaft­ler etwas ein­fal­len. Sie ent­wi­ckel­ten einen neu­en Tier­kreis, der auf Jah­res­zei­ten bezo­gen wur­de und heu­te tro­pi­scher Tier­kreis heißt. Er ent­hält zwar nicht mehr die bekann­ten Bil­der (die offen­bar nie leicht aus­zu­ma­chen waren und die vie­le Men­schen bis heu­te selbst beim bes­ten Wil­len nicht fin­den kön­nen), dafür aber Zei­chen. Nun hat man sich lei­der ange­wöhnt, die Tier­kreis­zei­chen mit den­sel­ben namen zu ver­se­hen wie die Bil­der, und damit hat man bis in unse­re Zeit hin­ein Ver­wir­rung gestif­tet. Der tro­pi­sche Tier­kreis mit sei­nen Zei­chen beginnt da, wo die Son­ne zu Früh­lings­be­ginn tat­säch­lich steht, wobei die­ser Zeit­punkt – der Früh­lings­punkt – durch die glei­che Län­ge von Tag und Nacht cha­rak­te­ri­siert ist (Tag-und-Nacht-Glei­che). Der Jah­res­lauf der Son­ne wird nun in 12 glei­che Abschnit­te ein­ge­teilt, und in fes­ter Ord­nung folgt ein Stern­kreis­zei­chen dem ande­ren – ohne Pro­ble­me und ohne Verschiebung.

Die Ord­nung ist damit her­ge­stellt. Ob sie Bedeu­tung hat, muss jeder für sich spü­ren und fest­le­gen. Ver­mut­lich wer­den die meis­ten Phy­si­ker die Astro­lo­gie immer ver­ur­tei­len. Doch wird dies die mensch­li­che Nei­gung zu ihren Bemü­hun­gen nicht erschüt­tern. Den Grund dafür hat Goe­the in einem Brief genannt, den er am 8. Dezemb­ter 1798 an Schil­ler geschrie­ben hat:

“Der astro­lo­gi­sche Aber­glau­be ruht auf dem dunk­len Gefühl eines unge­heu­ren Welt­gan­zen. Die Erfah­rung spricht, daß die nächs­ten Gestir­ne einen ent­schie­de­nen Ein­fluss auf Wit­te­rung, Vege­ta­ti­on etc. haben; man darf nur stu­fen­wei­se immer auf­wärts stei­gen und es lässt sich nicht sagen, wo die Wir­kung auf­hört. Fin­det doch der Astro­nom über­all Stö­run­gen eines Gestirns durch ande­re. Ist doch der Phi­lo­soph geneigt, eine Wir­kung auf das Ent­fern­tes­te anzu­neh­men. So darf der Mensch im Vor­ge­fühl sei­ner selbst nur immer etwas wei­ter schrei­ten und die­se Ein­wir­kung aufs Sitt­li­che, auf Glück und Unglück aus­deh­nen. Die­sen und ähn­li­chen Wahn möch­te ich nicht ein­mal Aber­glau­ben nen­nen, er liegt unse­rer Natur so nahe, ist so leid­lich und läss­lich als irgend­ein Glaube.”

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