Aetzstein

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Aetz­stein (Lapis cau­st­i­cus chir­ur­gorum, Lapis sep­ti­cus, Cau­te­ri­um poten­tia­le, Cau­st­i­cum com­mu­ne acer­ri­mum). Man nimmt sechs Pfund frisch gebrann­ten und noch nicht zer­fal­le­nen Kalk, legt ihn zwei Minu­ten lang in kal­tes Fließ­was­ser in einen irde­nen Topf, gießt dann das Was­ser rein ab, läßt ihm Zeit, sich zu löschen, und rührt ihn indeß mit einem eiser­nen Sta­be, bis er zu ver­küh­len anfängt. Die­sen zu Pul­ver gelösch­ten Kalk bringt man sogleich mit fünf Pfund Pota­sche und vier­zig Pfund Was­ser in einen eiser­nen Kes­sel, und kocht nach Bede­ckung des Kes­sels die Mischung so lan­ge, bis eine aus­ge­schöpf­te durch wei­ßes Druck­pa­pier gesei­he­te Pro­be davon nicht mehr mit Vitri­ol­säu­re braust, oder (bes­ser) fri­sches Kalk­was­ser nicht trübt.

Ist dieß, so gießt man als­bald die hei­ße kaus­tisch­al­ka­li­sche Lau­ge in einen lei­ne­nen Spitz­beu­tel, und schüt­tet das anfäng­lich trü­be durch­ge­lau­fe­ne wie­der zurück, bis alles hell durch­ge­lau­fen ist.

Man schöpft nun die­se Lau­ge, ohne sie erst lan­ge stehn zu las­sen, sogleich in einen klei­nern guß­ei­ser­nen Kes­sel, und dampft sie dar­in bis zur Tro­cken­heit ab, unter bestän­di­ger Zurück­sto­ßung des an die Sei­ten ange­han­ge­nen Sal­zes. Dann wird (nach Ver­de­ckung des Kes­sels mit einer Stür­ze) das Feu­er all-mäh­lig bis zum Roth­glü­hen ver­stärkt, und nun fließt das Salz ruhig als ein rothes Oel, wel­ches hier­auf als­bald in For­men, wie der Sil­ber­stein, zu Stän­gel­chen aus­ge­ges­sen wird. Ehe die Stän­gel­chen ver­kal­ten, wer­den sie her­aus­ge­nom­men in klei­nen glä­ser­nen Fla­schen mit ein­ge­rie­be­nen in wei­ßes Wachs getauch­ten glä­ser­nen Stöp­seln sorg­fäl­tig verwahrt.

Daß die­se Arbeit vom Anfan­ge bis zu Ende unun­ter­bro­chen fort­ge­setzt wer­de, ist haupt­säch­lich ein­zu­schär­fen, damit das Prä­pa­rat nicht durch die Luft sei­ne Aetz­kraft ver­lie­re, wel­ches sehr geschwind geschieht.

Alle Din­ge von Haar, Wol­le, Horn, alles Fet­ti­ge und der­glei­chen muß sorg­fäl­tig von der gan­zen Berei­tung ent­fernt wer­den. Daß man das ein­ge­koch­te oder wohl gar geschmol­ze­ne Salz nicht auf die blo­ße Haut brin­ge, bedarf wohl kei­ner Erinnerung.

Hat man gut gear­bei­tet, so wird eine Pro­be gutes Kalk­was­ser nicht trü­be wer­den, wenn man einer Erb­se groß die­ses Aetz­steins dar­in hat zer­ge­hen las­sen. (Das Kalk­was­ser muß in einer ver­stopf­ten Fla­sche seyn.) 

Nichts zer­stört so schnell und so wirk­sam alle thie­r­i­sche wei­che und har­te Thei­le, (wenn sie vor­her benetzt sind,) als der gut berei­te­te Aetz­stein, und er frißt in gege­be­ner Zeit weit tie­fer als der Höl­len­stein. Der Wund­arzt kann sei­ner nicht wohl entbehren.