Digestion, bestehet darin, daß man einige zusammen gemischte Substanzen, wovon wenigstens die Eine flüssig ist, in einem verstopften Gefäse geraume Zeit lang bei gelinder Wärme hinstellt, theils 1) um eine innigere Vereinigung (wenn es zwei Flüssigkeiten sind), theils auch 2) eine Ausziehung der für die Flüssigkeit auflösbaren Theile einer festern Substanz zu bewirken.
Die Digestion kömmt in letzterm Falle der Hauptsache nach mit dem Aufguß (w.s.) überein, und weicht höchstens darin ab, daß die Digestion gewöhnlich eine Wärme von 100° Fahr. und im Allgemeinen eine geistige Flüssigkeit als Menstruum voraussetzt, und gemeiniglich mehrere Stunden, Tage oder länger dauert. So entstehen Tinkturen, Essenzen u.s.w.
Die Digestion, wodurch eine innigere Vereinigung zweier Flüssigkeiten bewirkt werden soll, findet vorzüglich bei den mit Weingeist gemischten Mineralsäuren statt, und dann darf keine merkliche Wärme angebracht werden.
So ist die frische Vermischung der Vitriolsäure mit Weingeist zu Hallers Elixire eine fressende Flüssigkeit; sie wird aber ganz mild und ätherartig, wenn man sie zwei bis drei Wochen im Kalten stehen gelassen hat, um eine innige Vereinigung zu bewirken.
Zur Bereitung der Tinkturen und Essenzen nimmt man gewöhnlich räumliche Kolben mit eben nicht langen Hälsen, welche man mit der zu digerirenden Mischung nur zum dritten Theile anfüllt, und die übrigen zwei Drittel Raum leer läßt. Man stellt sie in den warmen Sand der Kapelle so tief hinein, als hoch die Mischung in dem Kolben steht, verbindet die Mündung mit nasser Blase, die man dann mit einer Nadel durchsticht (in alten Zeiten lutirte man einen blinden Helm auf), und setzt die bestimmte Wärme eine jedesmal vorgeschriebene Zeit fort.
Eine solche Wärme läßt sich im Winter auch auf einem mit einer Sandkapelle versehnen Stubenofen bequem erhalten. Doch geht dieß nur bei kleinen Arbeiten an. Wo man hingegen viel und vielerlei zu digeriren hat, setzt man die Kolben in ein sogenanntes Digestorium.
Digestorium, eine Art von Sandbad, welches aus einem viereckigen Ofengemäuer besteht, dessen Boden mit einer gußeisernen Platte bedeckt ist; dieser so geformte Kasten wird mit Sande ausgefüllt.
Bei dieser Digestion zur Bereitung der Tinkturen und Essenzen läßt sich erinnern, daß 1) nicht wenig Geist selbst durch die kleine Nadelöfnung binnen einigen Tagen davon geht, wodurch es geschieht, daß 2) (sowohl dieser verminderten Geistigkeit des Auflösungsmittels wegen, als auch deshalb, weil alle gebrannte Geister in der Wärme mehr Harz auflösen können, als sich in der Kälte darin erhalten kann,) die abgegossenen oder durchgeseiheten Essenzen ausser ihrer verminderten Geistigkeit auch trübe werden.
Diesem doppelten Nachtheile weicht man völlig aus, wenn man die grob gepülverte oder klein geschnittene Substanz von dem Weingeiste (Branntweine oder Weine) blos bei Kellerwärme ausziehen läßt, und der Vollendung der Tinktur ein Paar Tage mehr Zeit läßt. Zu dieser Absicht darf auch die übergebundene Blase nicht durchstochen werden. Sechs bis acht Tage sind eine hinreichend lange Zeit alles Auflösbare auszuziehn.
Solche im Kalten bereitete Tinkturen ersparen nicht nur den Aufwand der Digestionswärme, sondern sie sind stets klar, geistiger, und mit mehr kräftigen Be-standtheilen aus der Pflanzensubstanz geschwängert. Hiezu kömmt, daß die für den Gaumen angenehmsten Theile fast aller Pflanzen blos in der Kälte von Wasser, so wie von Weingeist, ausziehbar sind, daß hingegen die bitterern ekelhafteren Harze erst in (anhaltender) Wärme sich den Flüssigkeiten mittheilen. Deshalb sind auch die im Kalten bereiteten Tinkturen und Essenzen weit lieblicher und angenehmer von Geschmack, so wie die mit kaltem Wasser bereiteten Aufgüsse.
Soll ja zu Digestionen eine merkliche Wärme angewendet werden, so ist durchaus eine andre Vorrichtung nöthig. Dann kann man in die Mündung des recht langhälsigen schon im Sandbade gehörig erwärmten Digerirkolbens den Hals eines größern umgekehrten Kolbens einkütten, und die Vorrichtung (Cirkuliren) so anstellen, daß die in die Höhe gerichtete Wölbung des letzteren immer kalt erhalten werde; es verdichten sich darin die aufgestiegnen Dünste, und die Zerplatzung ist unmöglich, selbst wenn die im Sandbade stehende Mischung auch fast ins Kochen geriethe, und der Verlust der Geistigkeit des Auflösungsmittels ist nicht eben beträchtlich, wenn die Fuge wohl verküttet und der Hals des Digerirkolbens recht lang war. Auf diese Art wird die Auflösung durch die (hier mögliche) größere Wärme der Flüssigkeit vermehrt.
Will man aber nicht blos durch stärkere Hitze der Flüssigkeit, sondern auch durch die Kraft der heißen Dämpfe des Menstruums die Auflösung und Digestion erhöhen, so muß man sich des Digestors bedienen.